Erinnerungsblatt zur goldenen Hochzeit von Gustav Jordan, Nordhausen
Nur ein Familienfest ist es, auf das wir in den folgenden
Zeilen unsere Leser aufmerksam machen möchten, aber ein
Familienfest so seltener Art, daß
rein menschliche Gefühle nach
Tönen suchen, um ihren freudigen
Gehalt an einem solchen Tage
ausklingen zu lassen.
Die Feier der goldenen Hochzeit
des gewiß in weiten Kreisen
bekannten und geschätzten Kollegen
Gustav Jordan in Nordhausen
veranlaßt uns, einige Erinnerungen
aus dem Lebensgang des ehrwürdigen
Jubilars mitzuteilen.
Am 26. Juli 1830 ist G. Jordan
in Bardenitz bei Jüterbogk geboren,
als der Sohn des damals
hochangesehenen Besitzers der
dortigen Papiermühle, Gottlieb
Jordan. Seine Ausbildung erhielt
der Knabe auf dem Realgymnasium
der Frankeschen Stiftungen
in Halle, jener Gelehrtenschule,
aus der schon eine große
Anzahl hervorragender Köpfe hervorgegangen
ist. Als Sekundaner
verließ er die Anstalt zum größten
Leidwesen des Vaters, da häusliches
Mißgeschick, hervorgerufen
durch Überschwemmungen, die
oftmals den Bestand der tief gelegenen
Mühle bedrohten, ein
längeres Verweilen auf der geistigen
Pflanzstätte unmöglich gemacht
hatten. Dieser geschäftliche
Niedergang der einst so blühenden
Papierindustrie hat den Sohn vom
Geschäft des Vaters abgedrängt und auf Bahnen getrieben, auf
denen er sich nun erst recht seiner Begabung entsprechend entfalten
sollte.
Der heranreifende Jüngling fand, als er das Elternhaus verlassen
hatte, Aufnahme bei einem Onkel, der in Wernigerode a. H.
das Geschäft eines Uhrmachers betrieb.
Dieser Onkel hatte einst
seine Kenntnisse in der blühenden
Industrie der Schweiz erweitert,
und so war denn G. Jordan bei
einem tüchtigen Meister in der
Lehre. Die sechs Jahre, die er in
Wernigerode verblieb, wurden
neben tüchtiger Übung in der
Herstellung von Uhren auch der
weiteren Pflege des Geistes, besonders
in sprachlicher Hinsicht,
verwandt. Nachdem der junge
Mann noch in dem Magdeburger
Geschäft von Bore & Berger tätig
gewesen war, zog er, seinen lebhaften
Wünschen entsprechend,
nach der Zentrale der Schweizer
Uhrenindustrie, nach Chaux-de-
Fonds. Hier beschäftigte er sich
hauptsächlich mit der Herstellung
von Ankergängen und Tourbillon-Chronometern.
Im Alter von 26 Jahren, am
20. November 1856, heiratete er
die Tochter einer hochgeachteten
Beamtenfamilie in Wernigerode,
die dem Onkelhause gegenüber
wohnte. Nach achtjährigem Aufenthalte
in der Schweiz zog G.
Jordan wieder in die deutsche
Heimat zurück und siedelte sich
in Nordhausen an.
Hier in dieser Stadt aufstrebenden
Geschäfts- und Geisteslebens
fand der strebsame Mann ein reiches Arbeitsfeld vor. Das
anfänglich kleine Geschäft hob sich zusehends, und wenn man
heute durch die erste Geschäftsstraße der Stadt Nordhausen geht, so sieht man das Uhrengeschäft Jordans als ein feines und gediegenes schon von weitem. Die Treue seiner Berufsarbeit, die Gediegenheit seiner Grundsätze und nicht zum wenigsten die Geradheit und Offenheit seiner selbständigen freien Denkungsart fand bald in den führenden Kreisen der Stadt lebhafteste Anerkennung und Zustimmung. Er hat sich große Verdienste um die Gründung und bisherige Leitung des Gewerbevereins erworben. Im Jahre 1880 rief er eine Gewerbe-Ausstellung ins Leben, die weit über die Grenzen des heimatlichen Landes damals Beachtung gefunden hat. — Es ist darum nicht verwunderlich, wenn die Bewohner Nordhausens ihren geschätzten Bürger in die Stadtverordneten-Versammlung und weiter dann in die leitende Stellung eines Stadtrates des dortigen Magistrats wählten. Dem Verdienste hat die Stadtverordneten-Versammlung durch den ehrenden Titel eines Stadtältesten im vergangenen Jahre Anerkennung verliehen.
In Nordhausen kennt man Gustav Jordan als Muster treuer Pflichterfüllung und edler Gesinnungsart, und wir sind gewiß, daß dort am Jubeltage der goldenen Hochzeit dankbare Wünsche für den glücklichen Lebensabend des verdienten Mitbürgers und seiner Frau laut werden.