Diskussion:Rosenthal-Haus

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Letzter Kommentar: 10. November 2020 von Heinrich

Jeder ältere Nordhäuser wird sich mit Wehmut an das einstige Schmuckstück unserer Stadt erinnern, denn das ist es gewesen - solange es existierte. Es war eine Sehenswürdigkeit in unserer alten Stadt. Kaum gab es einen Fremden, der hier nicht hingeführt wurde. Man bestaunte und fotografierte den repräsentativen Bau. Imponierend war nicht nur der hohe, reich geschmückte Fachwerkbau auf hellem Sandsteinuntergeschoß, beherrschend war vor allem das steil abfallende, metallisch schimmernde Schieferdach. Es war ein wahres Meisterstück der Dachdeckerkunst. Die dunkelbraunen Balkenlagen des schönen Gebäudes waren durchgehend mit Sprüchen in farbiger Schrift geschmückt. So bot sich mir als Kind der Bäckerstraße immer wieder der Anblick von Besuchern, die bewunderten, fotografierten und buchstabierten. Und es war schon lesenswert, was der gelehrte Bäckermeister Carl Rosenthal, der das Haus erbauen

Am guten Alten in Treue halten, am kräftigen Neuen sich jstärken und freuen. Wo du sitzt, da sitze fest, alter Sitz ist stets der Best. Listig und augenzwinkernd: Willst du mit mir hausen, laß die Bestie draußen. Das Goethe-Wort: Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen. In Nordhäuser Mundart: Der Ohlen Ärwe loßt nich värdärwe. Geradezu ahnungsvoll - zieht man das spätere Schicksal des Sohnes in Betracht: Wie, wann und wo? Die Götter bleiben stumm, du halte dich ans ” Weil” und frage nicht warum. Gahz oben am Giebel stand, sozusagen als I-Punkt gesetzt, ” SPERO INVIDIAM” (Fürchte den Neid). Der gelehrte Bauherr Rosenthal kannte seine lieben Mit-Nordhäuser!

Die Rosenthals waren eine gutsituierte alte Nordhäuser Bürgerfamilie. Sie hatten der Stadt seit langen Zeiten manchen Ratsherrn und gelehrten Mann gestellt. Der Rosenthal-Sproß, der in den Mittelpunkt seiner alten Vaterstadt dieses schöne Haus gesetzt hatte, war seines Zeichens ein wohlhabender Bäckermeister, aber eben ein Gelehrter mit künstlerischen Ambitionen. Davon legte der stattliche Bau reichlich Zeugnis ab. Er soll ein kluger Mann gewesen sein!

Der Tod des jungen Sohnes veranlaßte den Vater zu einer kirchlichen Stiftung. In der Marktkirche, die seinem schönen neuen Hause fast gegenüber lag, wurde in einer früheren Sakristei eine Gedächtnistafel für den Sohn angebracht und als Traukapelle bestimmt. So war der Wunsch des Vaters. Die Kapelle hieß danach Rosenthal-Kapelle, als solche habe ich sie noch in Erinnerung. Sicher hat es in der Absicht des Vaters Rosenthal gelegen, dem Sohn und künftigen Geschlechtern ein stattliches Stammhaus zu bauen. Das war aus der ganzen Anlage des schönen Hauses zu ersehen, daß außer den Spruchbändern auch ein Stammbaum der Familie Rosenthal zierte. Das Schicksal entschied anders.

Vom letzten Rosenthal erz#hlte mir meine Mutter, ich kann mich nur undeutlich erinnern. In seinem bemerkenswerten Hause, das zwei alte Häuser geschluckt hatte, waren im Untergeschoß einige Läden eingebaut. Einer davon wird auch ehemals als Bäckerladen gedient haben, doch daran habe ich keine Erinnerung. Unvergeßlich ist mir dagegen geblieben, daß es bei den Rosenthals so etwas wie eine unterirdische Backstube gab. Es ging vom Hof aus treppentief in die Unterwelt der Backstube. Dort machte meine Mutter auch die einzige frühe Bekanntschaft mit dem Erbauer des Rosenthal-Hauses, einem großen schlanken Mann, grauhaarig, mit einem Christus-Bart - so ist er mir in Erinnerung.

Später waren im Untergeschoß andere Läden: Da führen die freundlichen, weißhaarigen Damen Brinkmann ihr Woll-Warengeschäft und der achtbare Samuel Blach sein Bankinstitut, damals noch weit von der Arisierung entfernt. Und der Bäckermeister Carl Rosenthal, der gelehrte Mann, ist auch nicht mehr der Besitzer des stolzen Hauses. Er hat es verkauft, die Bäckerstraße kommentierte ” für ein Butterbrot” , denn die Inflation hatte das Geld wertlos gemacht.

Vom Erbauer des Rosenthal- Hauses hörte man danach nicht mehr viel. Sicher hat er den Beginn der dreißiger Jahre nicht mehr erlebt. Außer dem erwähnten Sohn hatte der gelehrte Bäckermeister noch eine Tochter, Anna mit Namen, auf gut Nordhäusisch "Ännechen” - die sich auf ehrbare Art eines stadtbekannten Rufes erfreute. Ich lernte sie als Kundin meiner gemüsehandelnden Großmutter näher kennen. Ännechen Rosenthal hatte sich den Ruf einer gewissen Originalität erworben durch Vorträge in Nordhäuser Mundart, meist in Vereinen gehalten. Ihre Geschichtchen brachte sie in der Ich-Form im schönsten Nordhäusisch unwiderstehlich komisch zu Gehör. Ännechen Rosenthal war gern gesehen, gern gehört und beschmunzelt, mit einem Wort - sie war eine liebenswerte Persönlichkeit im alten Nordhausen. Und durch eine stattliche Figur nicht zu übersehen.

Volkstümlich war auch die Altnordhäuser Redensart: ” Rosenthal, nimm enn Töppchen, trinke mal” , die sich auf irgendeinen Rosenthal-Sproß bezieht. Das schöne Rosenthal-Haus wurde mit unzähligen anderen Häusern unserer Heimatstadt in den schweren Bombenangriffen der Apriltage 1945 zerstört. Nichts ist mehr geblieben vom Stein gewordenen Traum des gelehrten Bäckermeisters, nur die Erinnerung an ein einstiges Schmuckstück unserer Stadt. --2003:C5:FF07:5:CC6B:63A5:BFC6:CA2F 08:57, 7. Nov. 2020 (CET)Beantworten

Danke für diese schöne Ergänzung! --Heinrich (Diskussion) 09:30, 10. Nov. 2020 (CET)Beantworten