Diskussion:Hermann Quosigk

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Adressen 1904:

  • Quosigk Robert Gelbgießermeister u. Selterwasserfabrikant Wolfstr. 5
  • Quosigk Emma Löbnitzstr. 7
  • Quosigk Ida Geschäftsinhaberin Lesserstiege 1

--Vincent Eisfeld (Diskussion) 20:11, 1. Dez. 2021 (CET)


Hermann Quosigk war als Funker in der Flieger- Gruppe der Hitlerjugend. Nach einer Offiziersausbildung bei der Luftwaffe kam er noch bis März 1945 an die Front. Er gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Fliegerklubs Nordhausen e.V. 1990. Nach der Wende richtete er in seinem Grundstück in der Ludolfinger-Strasse in einem Anbau eine Praxis für Innere Medizin ein. --Meyenburgstrasse (Diskussion) 11:52, 13. Dez. 2021 (CET)

Danke für die Ergänzung! Ich werde es einbauen. --Vincent Eisfeld (Diskussion) 14:41, 13. Dez. 2021 (CET)

Kindheitserinnerungen (Quelle: „Das Nordhäuser Geschichtenbuch“ Seite 274 - 287)

Ein Bummel durch Nordhausen 1938

[…] Heute wollte ich mit meinem Freund Gerhard Andreas mal wieder durch die Stadt streifen. Aus alten Beständen besaß ich noch 20 Pfennig, wovon ich mir ein Eis leisten wollte. Ich machte mich auf den Weg entlang der im vergangenen Jahr neu gepflasterten und mit einem Fahrradweg versehenen ,,Freiherr-vom-Stein-Straße.., so heißt jetzt die ehemalige „Kasseler-Straße“, wo wir in dem Sägewerk „Schmalz“, Nr. 53a, parterre wohnten. Die Straße war nun zwar breiter geworden und auch moderner, aber ich war doch traurig, dass die schönen Rotdornbäumchen alle verschwunden waren. Kurz vor der Siechenbrücke bog ich rechts ab, tastete mich durch die am Ufer der Zorge stehenden Fliederbüsche hindurch und rutschte die Böschung hinunter. unten kam ich direkt an der Einmündung des fast einen Meter im Durchmesser großen Betonrohres an welche das Regenwasser von der Straße sammelte und in den Fluss leitete. Jetzt im Hochsommer kam aber nur ein kleines Rinnsal heraus, man musste eben auf den nächsten Regen warten. Manchmal hatten wir dort Elleritzen gefangen, kleine nur wenige Zentimeterlange silbrige Fischchen, und in Konservengläsern mit nach Hause genommen, (wo sie dann aber auf Geheiß der Mutter bald wieder ausgekippt werden mussten). Jetzt aber sprang ich über die mitten im Flussbett führende, auch nur dürftig gefüllte Betonrinne hinüber und quälte mich am jenseitigen Ufer die steile Anhöhe hinauf, wo ich oben bei der Selterwasserbude von Bellinghausen die Rasenfläche vor der Grimmelallee erreichte. Dann aufgepasst auf den Autoverkehr und die Straßenbahn und hinüber zur Sandstraßenecke bei Mahrholds Kolonialwarengeschäft. Dort gegenüber war ja auch eine Eisdiele, aber schon hier mein Geld verpulvern? Nein, noch abwarten bis spater. vielleicht hatte Gerhard auch einen Groschen, dann konnten wir gemeinsam ein Eis lecken bei Luigi Tragella in der Neuen Straße! Die Sandstraße verbreiterte sich nach einigen Metern, vorbei beim Schmiedemeister Nonnberg, (dort war ich mal mit meiner Mutter, sie hatte als Hebamme bei der jungen Frau ein Kind geholt und ich durfte die Schmiede ansehen), nach diesem Haus machte die Straße hin zur Einfahrt des Trödelhändlers Joschkowitz eine Einbuchtung - mit dessen Sohn ging mein Bruder Ulrich in eine Schulklasse. Und dann kamen die hübschen kleinen Häuser der Friseure, Bäcker und der Fleischer Schuchardt, die Gast-und Logierhäuser „Zum Mohr", gegenüber der „Weiße Schwan“, der „Goldenen Löwe", der Papier- und Buchladen von Beerbaums […] Neben Beerbaum kam der Motorradladen von Herbst, da musste man schon mal eine Weile stehen bleiben und die neuesten Modelle anschauen. Dann aber weiter, vorbei beim Friseur Jagodzinski, um die Ecke zum Lohmarkt bei dem Tabakladen von Kieber - da hatte meine Mutter auch ein Baby geholt – dem Klempner Joachimi und dem Schuhhaus Riefenstahl, beim großen Wohnhaus von Gerhard und Jutta Stolz über die kleine Brücke des Mühlgrabens rüber und dann war ich auch schon bald bei meinem Freund Gerhard Andreas. Das Malergeschäft seines Vaters roch durchs ganze Haus nach Terpentin, der Familie machte das nichts mehr aus, die hatten sich dran gewöhnt.[…]. Dann machten wir uns auf die Socken, links zum Haus heraus den Lohmarkt entlang. Vorbei an der Großhandlung Müller & Vieth, rein in die Neustadtstraße beim Fleischer Brüggemann vorbei - mit dem Sohn Siegfried, den wir wegen seiner bereits als Knabe schon erheblichen Leibesfülle „Fetti" nannten, war ich auf der Meyenburgschule in einer Klasse gewesen - gleich daneben die Schmiede vom Meister Riemekasten, und dann die lange Straße entlang bis zum Eingang hinauf zur Lesserstiege. Der recht schmale Zugang wurde beidseits begrenzt von der Feinkosthandlung Schlicht und dem Uhrmacher Führer. Aber zuvor überquerten wir schnell noch einmal die Straße in Richtung Bahnhof, denn gleich oben war das Waffengeschäft von Donnerberg. Im Schaufenster konnte man Jagdwaffen und Luftpistolen und Teschings bestaunen, daneben Anglerzubehör und jede Menge gefährliche Dolche und auch kleine Taschenmesser. Links vom Laden im selben Haus war die Südfruchthandlung Levin, aus der offenen Ladentür duftete es nach exotischen Gewürzen und am Rahmen des Schaufensters hingen wie Zwiebeln aufgereihte Kokosnüsse. Dann wieder zurück und rein in die von Menschenströmen belebte enge Gasse. Hier die Lesserstiege hoch war der wichtigste Zugang zur Oberstadt, den man von der Unterstadt kommend zu Fußnehmen konnte. Man konnte allerdings auch mit der Straßenbahn fahren, den Vogel hoch in die Rautenstraße, oder auch diese Strecke per pedes gehen, aber das machte man nur, wenn man da hinten was zu erledigen hatte. oder man nahm eine der vielen Treppen - die Kutteltreppe, Johannistreppe, die Wassertreppe oder die Altendorfe Stiege, Nordhausen hatte ja viele davon. Jetzt jedenfalls quetschten wir uns an den entgegenkommenden Menschen vorbei, links die Jakobikirche und dann die Treppenstufen hoch. An der rechten Seite am Bretterzaun die Annahmestelle der Färberei Koch mit einem dreifarbigen Reklameschild; der Sohn Werner war auch ein Klassenkamerad von uns, aber der war in einem anderen Fähnlein und hatte seine Spielfreunde anderswo. Oben an der Biegung war links das Farbengeschäft von Onkel Bernhard Rottig. […] Oben wo die Treppe zu Ende war und es links in den Primariusgraben ging, war ein Bäcker. Da gab es für 10 Pfennig eine große Tüte Kuchenränder! Die wurden von den frischgebackenen Blechkuchen abgeschnitten, denn viele Damen wollten die nicht mit kaufen, aber für Kinder waren sie ein Genuss! Alle möglichen Obstkuchen oder Bienenstich und Streuselkuchen oder Schokoladenkuchen - hmm köstlich! Und gegenüber das Süßwarengeschäft von Weigel! Auch dort konnte man für wenig Geld als Kind eine Tüte Waffel- oder Pfefferminzbruch erstehen. Heute aber nicht, wir wollten ja Eis lecken. Also vorbei am Weinhaus „Zum Ritter", wo sich auch die Dienststellen des Jungbanns 223 befanden und rein in die Eisdiele „Tragella". Das war ein beliebter Treffpunkt der Nordhäuser Schüler. Aber wir nahmen nur jeweils ein Eistütchen auf die Hand und schlenderten weiter, gegenüber „Klöppels Bierstuben", der Sohn des Gastwirts Bubi Müller ging auch in unsere Klasse, spielte aber auch irgendwo anders. Nachdem wir aufgeleckt hatten, kamen wir an den Hutsalon „Magazin zum Pfau", wie gesagt, Gerhards Onkel Otto Specht. […] Nun fühlten wir uns schon viel unternehmungslustiger und stürmten nach dem Verlassen der Neuen Straße gleich links in das große Geschäft von „Wulle Wulle“ rein! So nannten wir Nordhäuser Kinder die Filiale des amerikanischen Kaufhauskonzerns „Woolworth“, von den Erwachsenen eingedeutscht „Wohlwert" genannt. Man, war das ein Laden nach unserem Geschmack! Was dort in den einzelnen Abteilungen zu finden war, einfach unbeschreiblich! Da gab es nicht nur allen Papier- und Schreibkram für die Schule und Büro, Ober- und Unterbekleidung für Erwachsene und Kinder, Wäsche, Haushaltswaren, Elektroartikel, Spielsachen, Taschenlampen, sogar Schallplatten, Wasch- und Toilettenartikel, Handtaschen, Schirme, Schuhe und Reparaturmaterial, Hüte, Mützen, Bücher und Tausenderlei, Werkzeuge, Bonbons, Lakritze, und Fischbrötchen. Also stundenlang zum Gucken und rumstöbern und sich was wünschen. […] Dann raus aus dem Einkaufsparadies, wir wollten ja noch weiter die Stadt durchstreifen. Von rechts quietschte sich die Elektrische um die beiden scharfen Kurven beim Laden von Feinkost Frey, daneben das Nähmaschinengeschäft von „Singer" und gleich danach rechts hoch in die Rautenstraße […] Dann zogen wir lebhaft schwatzend weiter die Straße rauf, immer vorbei an den mächtigen Bürgerhäusern, in denen sich ein Ladengeschäft neben dem anderen befand. Die ganze Straße, nur Geschäfte mit Schaufenstern, eines am anderen. Und wenn mal eines dazwischen war ohne ein Ladengeschäft, dann war wenigstens ein Fotoatelier, eine Arztpraxis oder eine Anwaltskanzlei drin. Auf unserer Seite kam die Eisenwarenhandlung von Rost, dann Pelz-Reinecke, das Schuhhaus Tack, in dem meine Mutter ihre Schuhe kaufte, die Buchhandlung Siebold und dann das Kaufhaus von Pinthus & Ahlfeld! Das war wieder so ein großes Geschäft mit zwei Etagen, in der Mitte ein riesiger Treppenaufgang und oben die Galerie, von wo aus man in der Weihnachtszeit den übergroßen mit hunderten von Kerzen beleuchteten Tannenbaum von oben herab bewundern konnte. Jetzt gab es natürlich keinen, aber zu sehen und zu bestaunen war dort immer was. Die vielen kleinen Geschäfte auf beiden Seiten der Straße, Schokoladen- und Feinkost, Friseure und Textilläden, Uhrmacher und Goldschmiede, Drogerie Funke und Optiker, Herrenartikel und Möbel-Aurin, Porzellanwaren und Bestecke bei Ackel Fürst auch ein Klassenkamerad meines Bruders Ulrich - oder drüben Schirm-Pipcke und Modehaus Theiß. Dann der Uhrmacher Rembe mit der großen roten dreieckigen Uhr an der Hauswand, die mit ihrem BIG-BEN-Glockenton alle Viertelstunde die Vergänglichkeit der Zeit ins Gedächtnis rief. Und endlich unser Spielwarenparadies Sachse! Da konnten kleine Jungen und Mädchen wieder Wünsche wach werden lassen, die möglicherweise zu Weihnachten in Erfüllung gingen! Auch wir drückten uns am Schaufenster die Nasen platt, aber für diese herrlichen Sachen reichten unsere paar Pfennige nicht! Also geschluckt und Verzicht und weiter mit unserer Wanderung. Die Straße verbreiterte sich hier bis zur Commerzbank recht deutlich und so standen auf diesem Platz vor dem Martinstag die Bottiche der Fischweiber mit Karpfen und anderem Wassergetier. Links um die Ecke rum bis hin zur neuen Sparkasse war auch noch genügend Platz für die Verkaufsstände der Martinsgänse, Gemüse und Blumen, und was die Bauern aus der Umgebung nicht alles in die Stadt schleppten! Hier war ja auch an mehreren Wochentagen der Markt, bis auf die andere Seite rüber, rund um das Lutherdenkmal, welches man vom Lutherplatz hierher umgesetzt hatte, allerdings ohne das schöne Wasserbecken, da es an dieser Stelle keinen Platz gefunden hatte. Dafür hatte man das Standbild auf einen viereckigen Sockel gestellt und so schaute Martin Luther ungehindert über das emsige Treiben der Stadtbevölkerung und in die Rautenstraße runter! Wir schlenderten am Rathaus vorbei, gegenüber hatte man die alten Häuser abgerissen und dafür ein Neues Rathaus gebaut. Das gefiel uns gut, es hatte einen breiten Treppeneingang und über dem Portal standen auf steinernen Sockeln drei Hitlerjungen in Uniform. Der mittlere mit einer Fahne, die beiden seitlichen mit Landsknechttrommel und Fanfare. An der Ecke, wo unser Roland seit 1717 Wache hielt, hatte man die beiden Bogengänge herausgebrochen und einen Durchgang geschaffen. Da befand sich seit einigen Jahren das Verkehrsamt. „Mensch, guck mal", sagte Gerhard ganz aufgeregt zu mir, „Im Fenster ist das Modell eines Ozeandampfers! Das muss ich mir ansehen!" Das war eine Reklame zu einer Überseereise mit der HAPAG LLOYD. Aber so was konnten sich nur die Oberen Zehntausend leisten, das war für den Normalbürger viel zu schweineteuer. Aber da lagen auch noch Prospekte für andere Reisen und sogar mit der Lufthansa. […] Hinter dem Rathaus bei der Nikolai-Kirche, allgemein als Marktkirche genannt, die keine Türme mehr hatte, weil die mal im Mittelalter abgebrannt waren, blieb ich kurz stehen und erzählte meinem Freund: „Weißt Du, in der Christmette hier singen immerzwei Schüler des Gymnasiums die Weihnachtsgeschichte. Einer singt lateinisch, das ist immer ein Schüler aus einer oberen Klasse, und das singt der auswendig, und ein Anderer, ein Kleinerer, singt die deutsche Übersetzung von Martin Luther. Dafür kriegen sie sogar Geld, ich weiß aber nicht wie viel. Und deshalb ist die Kirche dann immer proppenvoll!“ Dann bogen wir rechts hinter der Kirche durch den schmalen Gang in die Krämerstraße ab, bei Kinderwagen Beyermann, und liefen vor bis an die Ecke der Landwirtschaftsbank und zum Kommarkt. Den Neptunbrunnen, der über 100 Jahre hier gestanden hatte, hatten sie genau wie den Lutherbrunnen umgesetzt, auf die Promenade. Aber das Wasserbassin ist da noch dabei und dahinein spuckt der Delphin, dem der olle Neptun seinen Fuß auf den Kopf setzt, seine drei Wasserstrahlen! Auf dem nun frei gewordenen Kornmarkt steht ein Telefonhäuschen und es ist platz für parkende Autos. Denn in der Stadt fuhren immer mehr Autos als noch vor Jahren. aber gefährlich war's beim Straßenüberqueren noch nicht! Das war schon anders beim scharfen Abzweigen der Straßenbahn in die Töpferstraße, da stand dann auch ein Verkehrspolizist mit seinem weißen Umhang und passte auf, dass es nicht zum Zusammenstoß mit der Elektrischen und einem Auto kam! Hier oben ist nun wirklich das Zentrum unserer Stadt! Der Kornmarkt mit dem bekanntesten Hotel, dem „Römischen Kaiser“, dem Stadthaus mit der Polizeiwache, der Ausweichstelle für die Straßenbahnen, wenn die sich hier begegnen, die vielen Geschäfte wie Schnaps-Emmert, Wäsche-Eggerding, Zigarren-Pfennig, die Gaststätte von Sippel, oben quer das Modegeschäft von Schönbeck und auf der anderen Straßenseite Café Schilling. Und hier beginnt der „Bummel“, die Flaniermeile der Nordhäuser Schüler und jungen Kaufmannslehrlinge und Verkäuferinnen. Seitdem wir wieder eine Garnison haben mit dem Fliegerhorst und der Luftnachrichtenschule sieht man hier abends nach Dienstschluss immer öfter auch junge Flieger in ihren schmucken Uniformen. Da bummelt man, nach dem anderen Geschlecht Ausschau haltend, gemächlich oben durch die Töpferstraße bis zum Kaiser-Friedrich-Platz wer wenig Geld hat, kehrt im Café Kohlmann ein - wer mehr hat, bei Dietze. Das ist die Nr. 1 in der Stadt! Tolle Konditorei und jeden Tag Tanzmusik eines eigenen Orchesters. Wir beiden kleinen Burschen stürmten aber zunächst in das Kaufhaus von F. W. Wolffram, wo es in der ersten Etage eine Spielwarenabteilung gab. Mich interessierten die Flugzeugmodelle von DUX, die man selbst zusammenbauen konnte, und die TRIX-Baukästen mit richtig funktionierenden Elektromotoren! Gerhard befummelte, wie nicht anders zu erwarten, die Modelle von wassertüchtigen Hochseedampfern, die man aufziehen konnte, aber auch Segelboote und kleine Kanus mit zwei Indianern drin. Dann wieder raus und die Straße weiter. Vorbei an Kaisers-Kaffeegeschäft mit dem kleinen „Sarottimohr“ als Reklame und dann bog rechts ab die schmale Hundgasse. […] Nach ein paar eingelegten Sprüngen rechterhand die beiden großen Schaufenster von Spielwaren Hiller! Man, da gab es was zu sehen! Da konnte einem ja der Wunsch-Zahn tropfen! Doch dann losgerissen, rüber zur anderen Straßenseite, vorbei an der Selterwasserbude von Bellinghausen, vorbei an der Buchhandlung von Hornickel und die drei, vier Stufen hoch um die Ecke auf den Platz vor der Handelsschule, dem Museum und um das Stadttheater rum. Und da sahen wir es, ich wie immer ehrfürchtig staunend: Das erste Wehrfreiheitsdenkmal Deutschlands! Im vergangenen Jahr errichtet!. Jung Siegfried mit dem Schwert in der erhobenen Rechten, den furchtlosen Blick in die Ferne gerichtet, mit sportgestähltem Körper (wie man sich ihn auch mal wünschte, wenn man groß war), ein Wahrzeichen der wieder errungenen soldatischen Freiheit, der bösen Welt zum Trotz! So ungefähr erklärte man uns das in der Schule. Gerhard jedoch zerstörte meine stolzen Gedanken und bemerkte prosaisch: „Den ham se doch mit dem erhobenen Schwert unsern ollen Roland nachgemacht, un der steht schon än paar hundert Jahre in unserer Stadt! Is also nischt viel Neues!“ Ich sah meinen Freund verächtlich an und sagte nur: „Du spinnst ja!" Damit hatte ich ihm meine Verachtung über dieses hehre Monument ausgesprochen. Mit dem Blick nach links konnten wir den Neptun in der Promenade sehen, bis dahin wollten wir aber nicht mehr laufen sondern den Heimweg antreten. Beim Blick nach Café Dietze rüber schauten wir auf das Reiterstandbild vom Kaiser Friedrich, der schien geradewegs zu Emil Agthe in den „Reichsadler“ zu reiten! Ob der wohl auch dessen berühmtes Eisbein mit Sauerkraut kosten wollte? Oder zum Gloria Palast. wo es den neuesten Film mit Harry Piel gab? In der Dortmunder Union im Kristall-Palast bestand ein ständiges Kabarett, die Künstler fanden für die gesamte Saison ein Unterkommen bei der Wirtin. Doch nun im Schweinsgalopp ab durch die Schreiberstraße, vorbei am Capitol. einem renommierten Kino der Stadt, dann über die Baltzerstraße an der Ecke bei „Wild- und Geflügel Rasch“ und hinein in die Wolffstraße! […]

Vor uns erblickten wir die beiden ungleichen Türme der Blasii-Kirche und an der Ecke zum Pferdemarkt „Delerts Nachtlokal“ mit der Damenkapelle! Die spielte aber nur abends! Links den Pferdemarkt runter, vorbei bei Zigarren-Apel und der Mohrenapotheke, gegenüber die großen Fenster von Café Keil und dann über die Kranichstraße, beim Optiker Roesch in die Engelsburg rein. Das war zwar eine recht enge Gasse ohne Autoverkehr, aber es gab einige Geschäfte wie Fleischerei, eine Zoohandlung, Musikinstrumente und einen Schuhladen. Für uns Kinder war jedoch am wichtigsten die Bildertauschzentrale von Puttfarcken. Dort konnte man Bilderschecks, die sich in vielen Zigarettenschachteln fanden, gegen Bilder großer Bildbände eintauschen. Ich besaß ein Album „Tiere unserer Heimat" und mein Bruder Ulrich „Große Gestalten Deutscher Geschichte“.

Ausgangs der Engelsburg Stand das „Rosenthalsche Haus“, weiter unten das Geschäft von Heinerici, wo meine Mutter für uns die so „beliebten“ Bleyle-Anzüge kaufte und Strümpfe. Die Größe wurde über die geballte Faust mit eingeschlagenem Daumen gemessen, von der Spitze bis zur Hacke - fertig. Und die passten immer! Ein paar Schritte weiter das Schuhhaus Pabst mit unseren Marken Salamander, Trommler und Elephant. Über dem Lutherplatz drüben das Riesenhaus mit der geharnischten Figur im Giebel, am Ende des Platzes die älteste Apotheke der Stadt, die „Adler-Apotheke", das Geburtshaus von Justus Jonas, einem Wegbegleiter Martin Luthers. Dann weiter auf der linken Seite die „Nordhäuser Zeitung", die wichtigste Informationsquelle für alle Neuigkeiten in der Stadt! […] Inzwischen waren wir über den Königshof, vorbei an dem imposanten Gebäude der Hauptpost und zur Kutteltreppe, diese mit großen Sprüngen hinab bis zum ersten Absatz, rechts beim Abgang des Steingässchens der Bäcker Weber und links die Gaststätte „Völlmers Restaurant". Daneben in einem Schaufenster waren Militaria ausgestellt - Epauletten, Kragenspiegel mit. den Rangabzeichen der Lullwaffe, Schulterstücke der Unteroffiiziersgrade, Armelabzeichen und Portepees in den Farben der einzelnen Waffengattungen – interessante Dinge für Jungen unseres Alters. Und schon waren wir nach dem Nehmen der letzten Stufen bei Gerhards Wohnung angelangt. „Kommste noch mal mit rein?" „Nee, für heute wars genug, ich muss jetzt nach Hause!" Ab über die Sandstraße, die Siechenbrücke, vorbei bei Landmaschinen Dröder und Wittelsbach, bei Erich Ittershagen bis rein in unseren Korridor! Die Tür war nicht abgeschlossen, außer dem Vater war Niemand daheim. […] „Ja," schwärmte der Vater, „Nordhausen hat viel zu bieten, eine blühende Industrie - nicht nur Schnaps und Priem und Großmaschinen – Groß- und Kleinhandel florieren sowie Handwerk und Gewerbe und bringen Geld in die Stadt. Dadurch herrscht reges Leben und Treiben auf den Straßen und in den Geschäften. Wenn Du durch die Straßen gehst, hast Du es vor Dir und um Dich! Die vielen Kaufhäuser, alles was man zum Leben braucht. Stell Dir vor, es gibt zahlreiche Hotels und Gesellschaftshäuser, über hundert Gaststätten, über hundert Kolonialwarengeschäfte, über hundert Bäcker und Konditoren, über : hundert Schneider, fast hundert Tischler, achtzig Schuster und 75 Friseure, und über fünfzig Schnapsbrennereien! Da staunst Du, nicht wahr?“ „Donnerwetter!", konnte ich nur sagen, das war für mich überwältigend. „Und woher weißt Du das alles?" „Ja" sagte der Vater, ,,als ich noch meine Gießerei hatte, musste ich oft mit Geschäftspartnern von außerhalb zusammensitzen und Aufträge aushandeln über Lieferungen, da kehrte man dann abends in den renommierten Lokalen ein, im „Römischen Kaiser", im Weinhaus „Zurn Ritter", im "Hackerbräu“, in den „Bayrischen Gaststätten" oder beim guten Eisbein im „Reichsadler“ bei Emil Agthe. […] „Aber das ist ja noch längst nicht alles! Es gibt ein reges Gesellschaftsleben mit Dutzenden von Vereinen, Gesangsvereine, Soldatenverbände, Literarische- und Theaterklubs, Schwimmverein, Turnvereine, Briefmarkensammler und Botaniker, den Harzklub, Kegelklubs und vieles mehr. Kinos und ein Varietee im Kristallpalast. Wir haben ein Theater mit ständigem Programm für Schauspiel und Musiktheater, die hiesigen Opernaufführungen sind landbekannt. Es kommen Gäste von weither. Und dann unser Hallenbad und das riesige Stadiongelände! So etwas gibt es weit und breit nicht wieder! Eine Betonradrennbahn, Sportplätze, Tennisplätze, Reitbahn, Fußballplätze und das Freibad mit 50 Meter Kampfbahn sowie einen 10 Meter Sprungturm! So etwas bietet keine Stadt unserer Größenordnung! Und unsere Straßenbahn, bereits lange vor dem Krieg erbaut. Wenn Fremde zu uns kommen und über unsere Stadt staunen, hört man oft von ihnen: Nordhausen ist in der Tat eine kleine Großstadt!" Der Vater hatte sich richtig in Fahrt geredet, man merkte die Liebe zu seiner Heimatstadt aus jedem Wort. ,“Wie groß ist denn Nordhausen eigentlich?“ wollte ich wissen. „Wir haben im vergangenen Jahr die 40-Tausender Grenze überschritten. Doch wichtig ist nicht nur, wie viel Menschen in unserer Stadt leben, sondern dass sie über eine vielgestaltige Industrie verfügt, ein reichhaltiges Kulturleben besitzt und ihre Bürger offen sind für alle Fremden, die zu uns kommen!"