Zur Gründung und Entfaltung des Kulturbundes im Kreis Nordhausen von 1945 bis 1952

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Textdaten
Autor: Gerhard Bachmann
Titel: Zur Gründung und Entfaltung des Kulturbundes im Kreis Nordhausen von 1945 bis 1952
Untertitel:
aus: Beiträge zur Geschichte des Kulturbundes im Land Thüringen 1945 bis 1952, S. 60-70
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Erscheinungsdatum: 1985
Verlag: Kulturbund der DDR
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Erscheinungsort: Weimar
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Gerhard Bachmann

Zur Gründung und Entfaltung des Kulturbundes im Kreis Nordhausen von 1945 bis 1952

Nachdem im Sommer 1945 erste Ortsgruppen des Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands im Land Thüringen entstanden waren, erfolgten auch in Nordhausen Bestrebungen zur Gründung einer Ortsgruppe bzw. Wirkungsgruppe zunächst in der Kreisstadt. Kreisschulrat Rudolf Klemenz richtete ein Schreiben an das Landesamt für Volksbildung in Weimar mit der Bitte des Kreisbildungsamtes Nordhausen, „die Genehmigung zur Begründung einer Ortsgruppe Nordhausen des Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“ zu erteilen. Mit Schreiben vom 8. November 1945 übermittelte er Oberbürgermeister Dr. Karl Schultes, Nordhausen, die Leitsätze und das Manifest des Bundes sowie eine Durchschrift seines Briefes an das Landesamt in Weimar. Erste Vorschläge für die Bildung eines Vorstandes wurden unterbreitet. Am 19. November 1945 erfolgte die Veröffentlichung der Leitsätze und ein Aufruf an „jeden Deutschen, der Nicht-Mitglied der NSDAP gewesen ist und bei der Erweckung humanistischen Geistes und der Sicherung der Menschenrechte helfen will, dem Kulturbund beizutreten“. Der Aufruf war unterzeichnet:

Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands
Ortsgruppe Nordhausen
Dr. Schultes
Oberbürgermeister und Landrat
Dr. Hans Silberborth
Studienrat
Dr. Fritz Rabenald
Studienrat
Dr. Wiese
Regierungsrat
Dr. Edgar Wahl
Studienrat
Horst Rabethge
Schriftleiter
Rudolf Hagelstange
Schriftsteller
Pfarrer Reißland
für die evangelische Kirche
Dechant Dr. Werner
für die katholische Kirche
Frau Hanna Himmler
Stadträtin
Frau Ilse Schmidt-Schultes

Am 26. November wurde mitgeteilt, daß die feierliche Gründungsversammlung des Kulturbundes am 1. Dezember 1945 stattfinden wird; im Mittelpunkt des Abends sollte eine Lesung des Dichters und späteren ersten Vorsitzenden der Landesleitung Thüringen Theodor Plivier stehen. Plivier war einer breiten Öffentlichkeit bekannt u. a. durch seine Romane „Der Kaiser ging, die Generäle blieben“ (1932) und besonders „Stalingrad“ (1945), der seit August in der „Thüringer Volkszeitung“ in Fortsetzungen erschien. Am I. Dezember mußte allerdings bekanntgegeben werden, daß wegen plötzlicher Erkrankung von Plivier der Eröffnungsabend des Kulturbundes auf einen späteren Termin verlegt wird.

Der provisorische Vorstand der Ortsgruppe Nordhausen, der sich wie folgt konstituiert hatte: Vorsitzender: Rudolf Hagelstange, weitere Vorstandsmitglieder: Dr. Karl Schultes, Dr. Karl-Friedrich Wiese, Dr. Fritz Rabenald, Dr. Edgar Wahl, Stadträtin Hanna Himmler, Schriftsetzer Warzok, Dechant Dr. Werner, Pfarrer Reißland, Dr. Hans Silberborth, Schulrat Rudolf Klemenz, Frau Ilse Schmidt-Schultes sowie Frau Wiese als Sekretärin, beschloß am 5. Dezember, den Eröffnungsabend, die erste Veranstaltung der Ortsgruppe Nordhausen des Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands, nunmehr auf den 17. Dezember 1945 im Stadttheater (dem ehemaligen Gesellschaftshaus „Harmonie“) festzulegen. Als zweite Veranstaltung des Kulturbundes war ein Alexander und Wilhelm von Humboldt gewidmeter Abend im Januar 1946 vorgesehen, ihm sollte ein KlassikerAbend folgen. In Verbindung mit dem FDGB war eine große Kundgebung zum Nürnberger Prozeß geplant. Ob diese Veranstaltungen mit Ausnahme der Gründungsveranstaltung am 17. Dezember wirklich zustandegekommen sind, ist aus den heute noch vorhandenen Unterlagen nicht mehr ersichtlich. Es ist vielleicht noch bemerkenswert, daß in dieser Beratung auch beschlossen wurde, keine Jugendlichen unter 21 Jahren in den Kulturbund aufzunehmen, auch keine ehemaligen Mitglieder der NSDAP.

Der „Feierliche Eröffnungsabend des Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“ fand nunmehr am Montag, dem 17. Dezember 1945, im Stadttheater („Harmonie“) statt.

Von diesem historischen Ereignis hat sich eine Anzeige in der „Thüringer Volkszeitung“ vom 13. Dezember 1945 erhalten. Aus ihr geht hervor, daß als Redner Oberbürgermeister Dr. Schultes, Schulrat Klemenz, Dechant Dr. Werner, Pfarrer Reißland, Studienrat Dr. Wahl und Rudolf Hagelstange aufgetreten sind. Hagelstange las aus seinem Sonettenzyklus „Venezianisches Credo“, der 1945 während seiner Militärzeit in Italien aus innerer Abwehr gegen den Krieg geschrieben wurde und den Dichter bekanntgemacht hat. Das Nordhäuser Streichquartett umrahmte die Veranstaltung. Rudolf Hagelstange wurde offiziell mit der Leitung der Ortsgruppe betraut, die er bis 1947 inne hatte.

Bereits im Dezember 1945 hatte sich ein christlich orientierter Arbeitskreis „schriftstellerisch tätiger Menschen“ zusammengefunden, der sich dem Kulturbund verbunden fühlte und weitere Zusammenkünfte vornahm. Im Januar 1946 wurde eine lange Debatte über die Frage, „ob wir im Untergang unserer Kultur stehen, oder ob eine große neuschöpferische Epoche noch möglich ist“, geführt, wobei die Meinungen hierzu in verschiedene Richtungen gingen.

Im April 1946 übernahm der Buchhändler Kurt Kohlmann, der nebenberuflich als Journalist und Theaterkritiker tätig war, den Vorsitz der Ortsleitung Nordhausen und organisierte am 18. Mai 1946 — zum ersten Jahrestag der Befreiung Deutschlands vom Faschismus — eine Veranstaltung mit russischer Dichtung und Musik. Lobende Äußerungen über den als gelungen bezeichneten Abend haben sich bis heute erhalten. Der Kulturbund stellte sich nun auch in Nordhausen stärker die Aufgabe, Menschen verschiedener Weltanschauung, Konfessionen und Parteien zur Zusammenarbeit für den kulturellen Neuaufbau unseres Landes zu vereinen, die Angehörigen der Intelligenz für eine allseitige Mitarbeit am demokratischen Aufbau zu gewinnen und ihre Verbundenheit mit den Werktätigen zu stärken. Für seine besondere Pflicht hielt es der Kulturbund, die kulturellen Beziehungen zu den Völkern der Sowjetunion und den volksdemokratischen Ländern zu vertiefen, Wissenschaft und Kunst planmäßig mit dem sich neu gestaltenden Leben in unserem Land zu verbinden und die kulturelle Selbstbetätigung der Werktätigen in der Industrie und auf dem Lande zu fördern. Bereits in den Jahren 1945/1946 fanden sich kulturinteressierte Kräfte unter Leitung des Lehrers Paul Pfannmöller in Bleicherode unter der Bezeichnung „Städtischer Kulturring' , später „Kulturgemeinde“ zusammen, deren Umwandlung in eine Wirkungsgruppe des Kulturbundes am 8. Januar 1947 — dem Gründungsdatum des Kulturbundes in Bleicherode — in einer Festveranstaltung im renovierten Ratskellersaal erfolgte und von Bürgermeister Wille gefördert wurde. Es wirkten mit Brigitte Schenk-Molkenthin, Stadttheater Nordhausen, Sopran, und die Bleicheröder Kräfte Hilde Peuckert, Violine, Lotte Gerbel-Wolter und Anneliese Henze, Klavier, sowie die Musikgruppe unter Leitung von Ilse Kühnemund. Vorsitzender der Wirkungsgruppe Bleicherode wurde Paul Pfannmöller. Folgende Arbeitsgemeinschaften wurden gebildet, deren Leiter dem Vorstand angehörten: „Malerei und Kunstbetrachtung“ (W. Sauer), „Heimatgeschichte“ (Hans Gcrbcl), „Literatur“ (Frau Schmidt-Hossenfel der), „Chor“ (Fritz Brammer), „Musik“ (Hilde Peuckert), „Laienspiel“ (Ludwig Haering, dann Marga Hülsse) und „Briefmarkensammler“ (Bankrat Kitzig).

Auch in Bleicherode wurde nun durch den Kulturbund eine rege kulturelle Tätigkeit entfaltet, wurden Konzerte durchgeführt, über Kunst und Litcratur gesprochen, über Heimatgeschichte und andere Bereiche. Besonders die Laienspielgruppe machte von sich reden, einmal hinsichtlich der Stückauswahl (das Repertoire erstreckte sich vom „Raub der Sabinerinnen“ von Schönthan, der „Goldenen Traube“, einem „heiteren Volksstück“ mit Musik, bis zu Lessings „Der junge Gelehrte“ und war damit noch nicht erschöpft) und zum anderen durch eine beachtliche Aktivität auch im Kreisgebiet.

Am 16. April 1947 fand in Bleicherode ein literarischer Abend mit Paul Dornberger, nach Franz Hammer Landessekretär des Kulturbundes in Thüringen, statt. In den Aufzeichnungen von Paul Pfannmöller über diesen Abend findet sich folgende Notiz: „Paul Dornberger . . selbst Schriftstel1er. Innerhalb des Kulturbundes haben wir manch scharfen Disput in Bleicherode geführt. Dieser Abend mit ausschließlich moderner Lyrik lastete wie ein schwerer Alp auf allen Besuchern (Die Kindergeschichte von Lidice).“

Die Wirkungsgruppe Nordhausen führte am 3. Juni 1947 eine öffentliche Versammlung im Stadttheater („Harmonie“) durch, in der Franz Myrer (?) vom Kreisvorstand Nordhausen der SED über das Thema „Die UdSSR für die Schaffung eines geeinten Deutschlands und die Bedeutung der Moskauer Konferenz für den kulturellen Wiederaufbau Deutschlands und für die Intelligenz“ sprach. Anläßlich des Jahrestages der Durchführung der demokratischen Schulreform sprach Oberbürgermeister Dr. Mertens aus Jena am 10. Juni im Saal der ehemaligen „Loge“, der dem Kulturbund in Nordhausen lange Jahre als Veranstaltungsraum für größere Vorträge diente, über „Sorgen und Hoffnungen der jungen Generation“. Unter dem Motto „Kunstwerke des Monats“ machte der Kulturbund Werke bildender Künst1er der Öffentlichkeit zugänglich, im Juni 1947 „Morgen an der Zorge“ von Karl Bornträger.

Die Kreisorganisation des Kulturbundes ist offenbar im Frühjahr 1947 geschaffen worden. Am 5. Juli 1947 fand die erste Kreisdelegiertenkonferenz des Kulturbundes im Kreis Nordhausen mit der Wahl des Kreisvorstandes statt. 15 Delegierte aus den Wirkungsgruppen Nordhausen, Bleicherode und der im Aufbau begriffenen Wirkungsgruppe Benneckenstein vertraten die bis dahin insgesamt 270 Mitglieder umfassende Kreisorganisation. Als Vertreter der Thüringer Landesleitung nahm Franz Hammer an der Konferenz teil. Als Kreisvorsitzender wurde Rudolf Gaidzik gewählt. Er war schriftstellerisch tätig und hatte sich vorübergehend dem Kulturbund angeschlossen, bis sich seine antidemokratische und antikommunistische Gesinnung offenbarte und er 1950 illegal die DDR verließ. Weitere Mitglieder des Kreisvorstandes wurden Kurt Kohlmann, Dr. Theodor Nebelung, Karl Bornträger, Willi Janz, Paul Pfannmöller und Eva Gaidzik.

Am 2. Oktober 1949 wurde aus Anlaß des Weltfriedenstages eine Veranstaltung mit dem Titel „Weiße Taube über den Kontinenten“ in Nordhausen durchgeführt; es wirkten der Volkschor Nordhausen und das Streichquartett des Städtischen Orchesters mit. Auch in Bleicherode war der Kulturbund Träger einer Feier zum Weltfriedenstag. In einer Entschließung wurde die von den amerikanischen Imperialisten betriebene Kriegshetze verurteilt. Es wurde ein Bekenntnis zur Völkerverständigung, zur Freundschaft mit der Sowjetunion und der Erhaltung des Friedens in der Welt abgegeben. Nicht unerwähnt soll auch die theoretische wie praktische Unterstützung bleiben, die dem Kulturbund in jenen Jahren durch die damalige sowjetische Militärkommandantur, die Kreisleitung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und die Räte der Städte Nordhausen und Bleicherode zuteil wurde. Kurt Kohlmann, bis 1950 Vorsitzender der Ortsgruppe Nordhausen, langjähriges Kreisleitungsmitglied und später Ehrenmitglied der Kreisleitung Nordhausen, berichtete aus den ersten Jahren der Tätigkeit des Kulturbundes, in denen es noch kein hauptamtliches Sekretariat gab, wie folgt: „Hätte ich nicht bei der sowjetischen Kommandantur vollste Unterstützung gefunden, so hätte ich es überhaupt nicht geschafft … Wir haben Abende russischer Literatur, Musik usw. in der ehemaligen Loge gegeben, wobei mir die über die Nazizeit geretteten Bücher russischer und sowjetischer Autoren gut zu Hilfe kamen; wir brachten sowohl die russischen Klassiker, als auch Gorki, Majakowski u. a. sowjetische Dichter. Die Abende waren stets gut besucht, der große Logensaal meist ausverkauft. Jedes Jahr im Oktober haben wir eine „Woche der Kultur“ veranstaltet, verbunden mit einer großen Kunst- und Gemäldeausstellung in dem früheren Logenraum, in dem jetzt das Theater seine Tischlerwerkstatt hat. Wir hatten aber auch fast jede Woche ein oder zwei gut besuchte Veranstaltungen, so daß sich allmählich ein festes Publikum einfand, die treue Mitglieder des Kulturbundes wurden.“

Der Veranstaltungsplan der ersten Jahre enthielt sehr häufig Kunstausstellungen und Kunstgespräche hauptsächlich mit Nordhäuser bildenden Künstlern, so im September 1947 eine Gemäldeausstellung im Meyenburg-Museum mit Werken von Karl Bornträger, Willi Janz, Ilse Ploetz, Erika Keddig, Frau Schmidt-Franken, Erhard Heckel und Otto Lange.

Im Oktober dieses Jahres wurde gemeinsam mit den Bühnen der Stadt Nordhausen eine „Kulturwoche“ veranstaltet, wieder mit einer Kunstausstellung heimischer Künstler, einem Wilhelm-Busch-Rezitationsabend mit Werner Krynitz, einem Klavierabend mit Martha Meeüwesen, einer literarischen Morgenfeier im Theater und anderen Veranstaltungen. Am 18. Oktober spielte Martha Meeüwesen auch in Bleicherode.

Ab November 1947 erfolgte das Verbot des Kulturbundes im amerikanischen Sektor von Berlin, bald darauf wurde die Tätigkeit des Kulturbundes auch im britischen Sektor der Stadt verboten. Die Landesleitung Thüringen gab aus diesem Anlaß eine Broschüre „Für die kulturelle Einheit Deutschlands“ heraus, in der' die Kulturschaffenden Thüringens zum Verbot des Kulturbundes in Westberlin Stellung nahmen. In dieser Broschüre sind u. a. auch entsprechende Erklärungen aus Nordhausen enthalten, so vom Intendanten der Städtischen Bühnen Hermann Staudt, von Kurt Kohlmann, Vorsitzender der Wirkungsgruppe Nordhausen, vom Kreisbildungsamt und vom Kreisvorstand der LDPD. Am 12. November 1947 wurde in Nordhausen in der „Finkenburg“ die Gründung einer „Abteilung Briefmarkensammler“ vorgenommen. Im gleiChen Monat sprach der Kreisvorsitzende des Kulturbundes auf Einladung von Bürgermeister Knaust vor geladenen Gästen in Ilfeld über die Aufgaben des Kulturbundes. Die Gründung einer Wirkungsgruppe in Ilfeld wurde angeregt und ein Ausschuß gebildet, der unter Leitung von Apotheker Beikirch die erforderlichen Schritte zur Gründung einer Wirkungsgruppe unternahm, so daß bereits am 18. Dezember 1948 die Gründung vollzogen werden konnte. Wie Dr. Beikirch berichtete, nahmen an der Versammlung etwa 80 Personen teil, von denen sich an diesem Abend 42 zum Kulturbund anmeldeten. Ein Vorstand wurde gebildet und Sektionen „Literatur“, „Musik“, „Gemischter Chor“, „Heimatkunde“, „Laienspiel“, „Hand- werkliche Kunst“ und „Briefmarken“ geschaffen. Kunstausstellungen, so eine Ausstellung Dresdener Graphiker unter Leitung von Professor Grundig im Jahre 1949, literarische Veranstaltungen, Kammermusikabende, Diskussionsabende über geistig-kulturelle Fragen der Gegenwart, naturwissenschaftliche Vorträge und Exkursionen (Kurt Wein) standen in diesen Jahren auf dem Programm des Kulturbundes, aber auch künstlerische Selbstbetätigung in Laienspielgruppen (Bleicherode und Ilfeld sowie „Junge Bühne“ in Nordhausen), Laienmusizieren (Bleicherode) und „Werkkunst“ (Ilfeld) sowie die Vermittlung von Theateraufführungen im Kreisgebiet. In Bleicherode wurden aus Anlaß des Goethe-Jahres 1949 mehrere Veranstaltungen unter dem Titel „Der fröhliche Goethe“ von Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaften „Theater“ und „Musik“ durchgeführt. Die Goethe-Feier des Landkreises Nordhausen fand mit maßgeblicher Beteiligung des Kulturbundes vom 27. bis 29. August in Großbodungen statt, die Ansprache hielt Kurt Kohlmann, die Bühnen der Stadt Nordhausen spielten Goethes „Götz von Berlichingen“ im Burghof von Großbodungen. Die Kaliindustrie zeigte eine Ausstellung „Heimat unter Tage“, die MAS Großbodungen „Ein Bild unserer Zeit“, dazu Ausstellungen von bildenden Künstlern (Karl Bornträger) und Volkskunstschaffenden.

Zur Teilnahme an einer Faschingsveranstaltung im Februar 1949 in Bleicherode war noch Markenabgabe erforderlich (50 g Fleisch, 10 g Fett, 100 g Brot und 20 g Zucker). Ab März 1949 konnte endlich ein hauptamtliches Sekretariat in Nordhausen errichtet werden; Walter Baumert wurde Kreissekretär, ihm wurden bald einige weitere hauptamtliche Mitarbeiter zur Seite gegeben. Das Sekretariat des Kulturbundes befand sich ab jetzt bis zum Sommer 1950 in der damaligen Osterstraße (heute Puschkinstraße) Nr. 28. Anläßlich der Ausstellung „Nordhausen mahnt“, die der Zerstörung der Stadt im April 1945 und den Wiederaufbauplänen gewidmet war und unter dem Protektorat des thüringischen Ministerpräsidenten W. Eggerath durch den Rat der Stadt Nordhausen vom 6. bis 27. März 1949 in den Nordhäuser „Stadtsälen“ durchgeführt wurde, beteiligte sich der Kulturbund mit einer Kunstausstellung, einem Goethe-Abend, einer Brecht-Matinee, einem musikalischen Abend und einer Briefmarkenausstellung.

Am 2. Juli 1949 erfolgte die Neuwahl des Kreisvorstandes; ihm gehörten an: Rolf Barthel, Walter Baumert, Hans Bornmann, Karl Bornträger, Alfred Geißler, Fritz Gießner, Dr. Friedrich Gloeckner, Willi Janz, Benno Kiebs, Paul Pfannmöller, Karl Simoneth, Ernst Trost, Horst Wandrey, Josef Wenzl und Ursula Zäncker. Wer die Funktion des Kreisvorsitzenden übernahm, kann nicht gesagt werden. Inzwischen waren weitere Wirkungsgruppen des Kulturbundes in Benneckenstein und Breitenworbis gegründet worden.

Klaus Gysi sprach in einer Kulturtagung vor Mitgliedern des Kulturbundes und Kulturfunktionären aus Betrieben am 4. April 1950 im Haus des FDGB über den Kulturplan der Deutschen Demokratischen Republik, Professor Jürgen Kuczynski, damals Kandidat des KB Thüringen zur Volkskammer, in einer Friedenskundgebung des Kulturbundes am 19. September 1950 im Stadttheater Nordhausen über das Thema „Der Fünfjahrplan, die Volkswahlen und die schaffende Intelligenz“.

Ein Blick in den '„Kulturspiegel“, ein „Mitteilungsblatt für Mitglieder, Mitarbeiter und Freunde des Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschland* Wirkungsgruppe Nordhausen/Harz“, das von August 1949 bis November 1951 herausgegeben wurde, macht die breite Vielfalt der kulturpolitischen Arbeit und kulturellen Veranstaltungen deutlich, aber auch die politische Situation der damaligen Zeit, wenn wir im Vorwort zur ersten Ausgabe lesen: „So, wie wir denen, die mit ehrlichem Willen bereit sind, an dem kulturellen Wiederaufbau mitzuarbeiten, Gelegenheit geben werden, ihre Gedanken im ,Kulturspiegel' zum Ausdruck zu bringen, werden wir alle kulturschädigenden Kräfte, besonders dann, wenn sie unter dem Deckmantel ,Kultur' auftreten, einer scharfen Kritik unterziehen.“ In einem Artikel im „Thüringer Volk“ vom Juni 1949 war zu lesen, daß die Wirkungsgruppe Ilfeld des Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands ebenfalls eine rege und erfolgreiche Tätigkeit entfaltet hatte. „Nicht nur, daß sie den Einwohnern Ilfelds und der umliegenden Orte regelmäßig Gastspiele der Nordhäuser Bühnen bietet, sie leistet darüber hinaus von sich aus in verschiedenen kulturellen Abteilungen wichtige volksbildende Arbeit, die viel Anklang gefunden hat. In wöchentlicher Abwechslung werden Hausmusikabende … und Literaturabende . geboten.“ Auch die Wirkungsgruppe Sülzhayn, die am 1. Februar 1951 gegründet wurde, entwickelte unter ihrem Vorsitzenden Ewald Streletzki bald umfangreiche Aktivitäten.

In Nordhausen hatte sich inzwischen ein „Autorenkollektiv Nordthüringen“ gebildet, dem die damals jungen Autoren Walter Baumert, Otto Bonhoff, Lori Ludwig und Werner A. T. Selve angehörten, und das den Teilnehmern der III. Weltfestspiele der Jugend und Studenten 1951 in Berlin einen Band Gedichte und Erzählungen „Frieden heut bist du so nah“ widmete. Inzwischen waren der „Deutsche Schriftstellerverband“ und der „Verband bildender Künstler“ innerhalb des Kulturbundes geschaffen worden und verfügten auch in Nordhausen über eine breite Wirkungsbasis, wenn wir an die vielen Kunstausstellungen und die damit verbundenen Kunstgespräche denken, die in dieser Zeit bereits stattfanden.

Im Januar 1950 trat Kurt Kohlmann als Vorsitzender der Wirkungsgruppe Nordhausen zurück. An seiner Stelle wurde im März des gleichen Jahres MD Albert Grünes von den Bühnen der Stadt Nordhausen als Vorsitzender gewählt. Unter seiner Leitung konstituierte sich in der Verantwortung der örtlichen Staatsorgane ein Bach-Ausschuß, der die Aufgabe hatte, Veranstaltungen zum Bach-Jahr 1950 zu initiieren und zu koordinieren.

Zur Volkswahl am 15. Oktober 1950, den ersten Wahlen in Deutschland, in denen alle Parteien und Organisationen mit einem gemeinsamen Wahlprogramm und einer gemeinsamen Kandidatenliste der Nationalen Front auftraten, stellte auch der Kulturbund in Nordhausen seine ersten Abgeordneten zum Kreistag, den Stadtverordnetenversammlungen und Gemeindevertretungen des Kreises. Als Kreistagsabgeordnete des KB nahmen Benno Kiebs, Ernst Trost und Josef Wenzel ihre Tätigkeit auf. In Vorbereitung auf die Wahlen war von der Kreisleitung ein umfangreiches Programm erarbeitet und durchgeführt worden. Es bestand aus einer beachtlichen Anzahl von Veranstaltungen mit dem farbigen USA-Bürger Jack Hillie unter dem Motto „Auch ich bin Amerika“, Vorträgen des Kreisvorsitzenden Fritz Gießner sowie dem Einsatz von Volkskunstgruppen in Nordhausen, in Nordhäuser Betrieben und im Kreisgebiet. Mehrere Veranstaltungen wurden zur Bildung neuer Ortsgruppen genutzt. Vielerlei Sektionen, aus denen sich später Fachgruppen der Natur- und Heimatfreunde und Arbeitsgemeinschaften der Philatelie entwickelten, waren um diese Zeit ebenfalls ins Leben gerufen worden und hatten ihre Tätigkeit aufgenommen. Hierzu zählen besonders die Sektionen „Naturwissenschaft“ (A. Steinbach), „Heimatkunde“ (Dr. Meinecke), und „Philatelie“ (H. Knabe). Auf künstlerischem Gebiet entstanden die Sektionen „Bildende Kunst“ (Domke), „Literatur" (H. Wandrey), „Musik“ Günther), „Theater“ (Dr. Pieritz) und „Fotografie“ sowie weiterhin Sektionen „Technik“ und „Pädagogik“. Die ersten Fachgruppen der Natur- und Heimatfreunde, die in Nordhausen gebildet wurden, waren die Fachgruppen Vivarium „Roßmäßler“ im Juli 1949, die Fachgruppe „Höhlen- und Karstforschung“ im Januar 1951, die Fachgruppe „Wandern und Touristik“ im April 1951 und die Fachgruppe „Heimatgeschichte“ im April 1951.

Nachdem im Januar 1949 dem Kulturbund die Betreuung der Philatelisten übertragen worden war, entstanden in vielen Orten mit Hilfe des Kulturbundes neue Sektionen der Philatelie. In Nordhausen bestand jedoch eine „Abteilung Briefmarkensammler“ bereits seit November 1947. Die Monate September und Oktober 1949 waren zu Werbemonaten für die Philatelie erklärt worden, daher veranstaltete die Sektion Philatelie am 30. Oktober, dem „Tag der Briefmarke“, in der „Finkenburg“ eine Briefmarkenwerbeschau. Im September 1950 fand der erste Deutsche Philatelistenkongreß in Leipzig statt. Er forderte alle Philatelisten auf, tatkräftig mitzuarbeiten und dafür zu sorgen, daß die philatelistische Arbeit „von fortschrittlichem Geiste getragen wird und mit dazu beiträgt, daß die Menschen der verschiedensten Völker der Erde einander näherkommen, sich verstehen lernen und befreunden“.

Im Laufe des Jahres 1950 wurden Ortsgruppen des Kulturbundes in Großlohra, Sollstedt und Kleinfurra gegründet.

Betrachtet man die Vortrags- und Veranstaltungstätigkeit in Nordhausen sowie in den aktivsten Ortsgruppen im Kreisgebiet in den folgenden Jahren, so kann man eine große Breite und Vielfalt des geistig-kulturellen Angebots feststellen. Neben den bereits genannten Veranstaltungen waren die Farblichtbildervorträge im großen „Stadtsaal“ von Erich Feuereißen, Karl Oelßner u. a. über die österreichischen Alpen und angrenzende Gebiete sehr beliebt.

Es wurden auch Veranstaltungsreihen „Nordhäuser Kulturgespräch“ und „Form der freien Meinung“ entwickelt. Ältere Bundesfreunde erinnern sich noch an die interessanten wissenschaftlichen Vorträge und Diskussionen im „Wissenschaftlichen Colloquium“ unter Leitung von Dr. Friedrich Gloeckner, der auf der Jahreshauptversammlung der Ortsgruppe Nordhausen im Februar 1951 als neuer Vorsitzender gewählt wurde.

Im Februar 1951 wurde in einer Kreiskonferenz in der damaligen „Loge“ auch die neue Kreisleitung des Kulturbundes in Nordhausen gewählt; ihr gehörten u. a. Gerhard Bachmann, Walter Eumert, Intendant Hans Bornmann, Dr. med. Klaus Erb, Fritz Gießner, Dr. Friedrich Gloeckner, Paul Pfannmöller, Ernst Trost, Horst Wandrey und Kurt Wein an. Im April 1951 übernahm Fritz Gießner die Funktion des 1. Kreisvorsitzenden des Kulturbundes in Nordhausen.

Während die Kreisorganisation Nordhausen im Juli 1951 bereits über die stattliche Anzahl von 27 Wirkungsgruppen verfügte, deren Gründungsdaten und Aktivitäten heute gar nicht mehr in allen Fällen belegt werden können, mußte bereits im März 1952 auf Grund eines zentralen Beschlusses eine ganze Reihe Ortsgruppen, die auf der Basis von Volkschören, Laienspielgruppen usw. tätig waren, in andere Trägerorganisationen, wie FDGB, FDJ und Deutsche Volksbühne überführt werden. Dadurch entstand ein bedeutender Aderlaß für die gesamte Kreisorganisation. Außerdem wurden kleinere und nicht mehr lebensfähige Ortsgruppen aufgelöst.

Im Juni 1952 bestanden im damaligen Kreisgebiet Nordhausen noch folgende Ortsgruppen (Mitgliederzahlen in Klammern): Nordhausen (687), Bleicherode (167), Benneckenstein (109), Kleinfurra und Großbodungen (je 104), Trebra (92), Niedersachswerfën (88), Ilfeld und Großlohra (je 64), Sülzhayn (52), Niederorschel (40), Sollstedt (30) und Stützpunkte (10), von denen durch die Verwaltungsreform im Juli 1952 Großbodungen und Niederorschel an den neugebildeten Kreis Worbis und die Ortsgruppe Benneckenstein an den Kreis Wernigerode abgegeben wurden. Trebra, Niedersachswerfen und Sollstedt gingen nach einiger zeit wieder ein. Vom Bezirk Halle bzw. Kreis Sangerhausen erhielten wir durch die Verwaltungsreform die Ortsgruppe Heringen.

Im Sommer 1952 beendete Walter Baumert seine Tätigkeit als Kreissekretär des Kulturbundes in Nordhausen und nahm an der Friedrich-Schiller Universität Jena ein Germanistikstudium auf. Sein Nachfolger als Kreissekretär wurde der Verfasser dieser Zeilen. Das Kreissekretariat der Organisation befand sich seit Sommer 1950 in der Käthe-Kollwitz-Straße la (dem heutigen Internat des Instituts für Lehrerbildung).

Ende 1952 wurden die Sektionen der Natur- und Heimatfreunde innerhalb des Kulturbundes in Kreiskommissionen umgewandelt. Die Kreiskommission Nordhausen konstituierte sich bereits im September des Jahres. Die Leitung übernahm Kurt Wein, der sich in der Natur- und Heimatfreundebewegung sehr aktiv eingesetzt hat. Weitere Mitglieder der ersten Kreiskommission waren Friedrich Schuster (Höhlen- und Karstforschung), Gustav Polsfuß (Vivarium), R. H. Walther Müller (Heimatgeschichte), Rudolf Grimm (Entomologie), Werner Lehnert (Ornithologie) und Walter Leopold (Fotografie). Die Fotofreunde zählten zunächst zu den Naturund Heimatfreunden. Mit der Bildung der Kreiskommissionen war die Grundlage für eine größere Selbständigkeit und Entfaltungsmöglichkeit der Natur- und Heimatfreunde geschaffen worden. Landschaftsgestaltung und Naturschutz sowie Denkmalpflege wurden bereits damals als Aufgaben gestellt. Im Kreistag Nordhausen bestand ein Ausschuß zur Pflege und zur Verbesserung unserer Kulturlandschaft; in ihm arbeitete im Auftrage des Kulturbundes u. a. auch Kurt Wein mit.

Die 2. Parteikonferenz der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, die den historischen Beschluß faßte, in der Deutschen Demokratischen Republik planmäßig und systematisch die Grundlagen des Sozialismus zu errichten, vermittelte auch der Kreisorganisation Nordhausen des Kulturbundes wesentliche Impulse durch die Aufgabenstellung, das Kulturleben durch Pflege des klassischen Erbes und durch die schöpferische Entwicklung eines realistischen Kunstschaffens zur Entfaltung zu bringen, den Arbeitern, Angestellten und Angehörigen der Intelligenz in den Großbetrieben die bedeutenden Werke der Literatur und Kunst nahezubringen und die Kulturarbeit auf dem Dorf zu fördern. Mögen diese Ausarbeitungen erkennen lassen, daß auch der Kulturbund in Nordhausen seinen Beitrag „zu den großen Bemühungen um die Renaissance des deutschen humanistischen Geistes“ (Alexander Abusch) geleistet hat.

Verwendete Literatur

  • Archivmaterial der Kreisleitung Nordhausen des Kulturbundes.
  • Stadtarchiv Nordhausen.
  • Franz Hammer, Zeit der Bewährung. Ein Lebensbericht. Berlin 1984.
  • Karl-Heinz Schulmeister, Zur Entstehung und Gründung des Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands. Berlin 1965.