Marmor- und Alabasterbrüche in der Grafschaft Hohenstein.
Wie heute die Gypsindustrie blühte vor 200 Jahren ein dieser verwandter Erwerbszweig in der Grafschaft Hohenstein: der Steinbruchbetrieb. Die bedeutendsten Brüche waren am Kohnstein, der Rote Bruch bei Steinsee, bei Woffleben und bei Hörningen, wo vorwiegend Alabaster gebrochen wurde. Auch Marienglas wurde gewonnen, und C. Duval mag recht haben, wenn er berichtet, daß im Anfänge des 18. Jahrhunderts ganze Wagenladungen davon ins Ausland geführt wurden, wenigstens wurde am 22. Mai 1705 eine Fuhre mit 4 Faß zu 4½ Zentner exportiert.
Der Ruf der Hohensteiner Brüche war so gut, daß er bis nach Berlin zum König drang, und dieser beschloß, den Hohensteiner Marmor zum Bau des Königlichen Schlosses zu verwenden, falls er geeignet sein sollte. In einem eigenhändig unterschriebenen Rescript vom 23. Mai 1704 heißt es: „Wir wollen versuchen laßen, ob man den dortigen Marmor und Alabaster auch Marienglase zu Unserm Schloßbau zu Cöln an der Spree gebrauchen könne und befehlen Euch demnach hiemit in Gnaden, von solchem Stein brechen und denselben mit denen Fuhren, so von dort aus nach Halle gehen und von dar Saltz hohlen, dahin bringen und sbey unserm Saltz Factor daselbst Reißingen abliefern zu laßen, welcher den Stein zu Schiffe ferner anhero senden soll. Ihr habet auch den Vorschuß zum Brecherlohn aus Unser Cammer herzugeben, und wollen wir Euch denselben aus Unsern Baugefällen ersetzen laßen.“
Nun begann in den Brüchen der Grafschaft ein eifriges Arbeiten für den Landesherrn. 29 Wochen hindurch wurde unter Leitung der Nordhäuser Meister (auch Bildhauer) Johann Christian und Valentin Weißenstein fleißig gearbeitet, und 660 Zentner Steine wurden von Nordhäuser und Ellricher Fuhrleuten nach Halle gefahren. Die Gebrüder Weißenstein hatten an den Brüchen, die natürlich dem Fiskus gehörten, einen besonder« Anteil; nach einer Eingabe vom 28. Januar 1705 scheinen sie es gewesen zu sein, die die Brüche entdeckt und den Steinbruch-Betrieb eröffnet haben, auch erhielt jeder von ihnen doppelt so viel Wochenlohn (2 Thlr.) wie jeder andere Steinhauer. .Jedenfalls waren sie nicht nur Poliere, sondern Pächter; am 21. Januar 1705 bittet Johann Christian Weißenstein, den König, ihn in seinem Handwerk als „Königlicher Steinarbeiter“ zu schützen, und am 7. April beschwert sich sein Bruder über Eingriffe seitens des Nordhäuser Kalkbrenners unterm Kühnstem. Jedoch nur kurze Zeit verwalteten die Gebrüder Weißenstein die Königlichen Steinbrüche. Schon am 4. April 1707 wurden die Marmor- und Alabasterbrüche in der Grafschaft Hohenstein mit allen Rechten dem Königlichen Salzfaktor Carl Menzel übertragen. Ich teile das interessante Berg-Privilegium in folgendem wörtlich mit:
Wir Friederich von Gottes Gnaden König in Preußen, Markgraf zu Brandenburg, des Heiligen Römischen Reichs Erz-Cämmerer und Churfürst, Souverainer Prinz von Oranien, zu Magdeburg, Kleve, Jülich, Berge, Stettin, Pommern, der Kasuben und Wenden, auch in Schlesien, und zu Croßen Herzog, Burggraf zu Nürnberg, Fürst zu Halberstadt, Minden und Mors, Graf zu Hohenzollern, Ruppin, der Marck, Ravensberg, Hohenstein, Tecklenburg, Lingen, und Lehrdem, Marquis zu der Veher und Vlissingen, Herr zu Ravenstein, der Lande Lauenburg und Butow, wie auch Bredapp tun kundt und fügen hiermit zu wissen, demnach Uns Unser in der Grafschaft Hohenstein bestellter Ober-Salz- Factor Karl Menzel unterthänigst vortragen lassen, wie in selbiger Grafschaft einige Marmor- und Alabaster Brüche gefunden würden, auch von selbigen Uns einige Proben zeigen und weisen laßen, selbige noch vor itzo jedermann offen stünden und Meist von Fremden ohne einiges Unsers dabei habenden intörsissa verführet und außer Land verarbeitet würden, er aber im Gegentheil gesonnen zu Unserm Landes und allgemeinen Besten solche Marmor- und Alabaster-Brüche mehr aufzusuchen, die gesuchten auf seinem harzard und Risico je mehr und mehr in die Tiefe zu verfolgen und in ein gutes Aufnehmen zu bringen, wann Wir Ihme Karl Menzel samt seiner associerten Gewerckschaft nach Bergmanns Arth und Gewohnheit belehnen und ein Berg-Privilegium darüber ertheilen und ihn als Ober-Berg-Factor dabey zu bestellen allergnädigst geruhen möchten. Wenn Wir nun nach Besichtigung und abgestatteten Relation Unsers Ober-Berg-Direktoris Krug von Nidda solche Aufnahme der Marmor- und Alabaster-Brüche Unsern Lande und Leuten auch männiglich zu Nutzen für gut befunden, und solches zur Vermehrung und Aufnahme unserer Unterthanen auch des Commercii allerdings gereiche, alß haben Wir seinen geziemten Bitten stattgegeben und ihn nebst seiner Gewerckschaft folgenden Gestalt allergnädigst beliehen und nachgehendes Privilegium ausgestellet.
- Erstl. belehnen und priveligieren Wir obbenannten Unsern Ober-Berg- und Saltz-Factor Karl Menzel, dessen Mitgewerken samt ihren Erben und Erbnehmern Kraft dieses mit denen schon aufgeräumten und noch zu erfindenden Marmor- und Alabaster-Brüchen Unserer gantzen Grafschaft Hohenstein, an was Ende und Orth sie sich hervortun oder brechen mögen, daß sie sollen Macht haben, aller Orthen solche aufzusuchen, zu bauen und zu fördern, wo und wie sie wollen, alles nach Bergmanns Arth und Gewohnheit und wie es Unsere herausgegebene Berg-Ordonnantze und andere Königlich und Fürstlich Verordnte Bergrechte erfordern, auch zum Behuef dessen und Fortbringung der Steine geben Wir ihm die Freyheit, auf erscheinende Nothdurft zu diesen Gruben neue Fuhr und Wege, wie auch Stege zu machen und zu gebrauchen, jedoch daß sie Acker und Wiesen soviel möglich ist, verschonen oder da es nicht zu ändern nach Bergwerks Gewohnheit denen Eigentumsherren billigmäßige Zatisluotiou thun und soll sich niemandt gelüsten lassen bei Vermeidung Unserer Ungnade und ernster Bestrafung, sie oder die Ihrigen daran zu hindern, vielweniger dieselbe abspenstig zu machen, sondern vielmehr sie geruhig fortbauen zu lassen und in keinem Stücke turbireu.
- Wie dann zweitens Unsere allergnädigste Willensmeinung dahingehet, daß sie freyen Handel und Wandel mit diesen Marmor- und Alabastersteinen in und außerhalb des Landes haben sollen und selbige vertreiben und zu Gute machen können nach ihren eigenen Gefallen ohne Jemandes Wiedersprache, dahero wir ihnen auch allergnädigt conce liren, alle sich befindliche freye Waßerfälle zu Berg- und Poliermühlen einzulegen, Teuche zu machen, Gräben zu führen und alles dazu zu veranstalten, wie es benötiget sein konnte. Wie wir denn zur Beförderung dieses Werks den verfallenden hohen Ofen und Hammer-Gebäuden, so zu Beneckenstein an dem Orte, so ruiniret, ehemals sich befunden, be- nebst dem Waßerfall zu Anlegung einer dergleichen Poliermühlen wollen überlaßen haben.
- Zu mehrerer Facititirung und Beförderung dieses Werks befreyen Wir alle, die daran arbeiten und dabei in Diensten stehen, von allen ousribus, denen im Hohensteinischen Berg-Privilegio ertheilte Freyheiten wollen wir sie gleich denen andern Bergleuten, als Accisse-Zoll-, Kopf- und Nahrungsgelder, Contributionen, Einquartierung, Dienstgelder, Vorspann, Herrenfahrten, und aller Beschwerung, wie sie vor itzo bekannt oder noch ferner auf- geleget werden, genießen laßen. Wie wir ihnen denn eine freye ll'aetorsi vor die Berg- und in der Schneidt- und Poliermühlen arbeitenden Leuten, wie auch freyes Bier, Brühahn und Branntweinschanks, ohngezwungen zu sein von einen gewissen Orth es zu nehmen, gönnen und es sich erfreuen haben, jedoch daß der Lehnträger sowohl als Gewercke bey Vermeidung ernstlicher Strafe dahin sehe, daß es bloß zu des Werks Nutzen und derer dabei arbeitenden Nothdurft und Consumption verwendet, nicht aber einiger Handel oder Unterschleif zum Nachtheil Unser revenuen vorgenommen werde.
- Dieweil 4tens auch die Bergleute ihr forum privilegiatum haben und vor niemandt als vor ihrem Berggericht zu stehen berechtiget sein, als haben wir dergleichen allen und jeden bei diesen Marmor- und Alabaster-Brüchen arbeitenden ebenfalls gegönnet, daß sie von aller Jurisdiction befreyet und vor niemandt als vor Unserm in der Grafschaft Hohnstein bestellten Bergambt, tam in civili, quam in criminali actione, stehen und sich richten laßen sollen, die Appellationes aber gehen immediate an Uns und Unser Ober-Berg-Dirictorium wie dann diesfals schon Vorsehung geschehen und Unser interims-Berg-Ordonnantz Ao. 1696 und die ergangene Rescripta und Hohnsteinisches Berg-Privilegium mit mehren besagen.
- Verwilligen auch 5tens, daß der Lehnträger sowohl als Gewercken bey diesen Marmor- und Alabaster-Brüchen Factores und allerhand Bedienten annehmen können und soll Unser bestelltes Berg-Ambt solche angenommene Bediente jederzeit auf Erfordern mit Eydt und Pflichten belegen.
- tens behalten wir Uns vor von allen den Marmorn und Alabastern den Vorkauf und daßjenige, so zu Unserm Bauen hierher geliefert worden, soll jeder Cubic-Fuß drey Groschen wohlfeiler als der ordinaire Preiß ist, Uns verkauftet und Wir vor allen gefordert werden.
- Wie Uns dann auch 7tens der Zehende gebühret von denen Ausbeuten solcher Marmor- und Alabaster-Brüche, dahero der Haupt-Muther und die Gewercke gehalten sollen sein, bey dem bestellten Berg-Ambt in der Grafschaft Hohnstein solchen treulich anzugeben, auch alle Anschnitte und Rechnungen zu übergeben, damit sie danach reguliret und an das Berg-Dicectorium nach Berlin geschicket, auch die Gelder auf assignation gezahlet werden könnten.
- Dieweil auch 8tens diese Steinbrüche durch eine ordentliche Gewerckschaft getrieben werden, als erlauben wir solche in hundert- und acht Kuxe oder Bergtheile zu schlagen, über das aber vor Uns vier freye Kuxe bis zur Ausbeute zu bauen und das Ausbringen richtig Uns liefern zu laßen, wie sie dann auch gehalten sein sollen Kirchen und Schulen zu bedenken, weswegen dann auch sowohl der Hauptmuther als die sämtliche Gewerckschaft frey Macht habe, ihre Kuxe zu verhandeln, in ein bis eine halbe nnd eine viertel Kuxe zu verkaufte, hiergegen auch wieder an sich zu handeln und Verkehr damit zu treiben, wie es ihnen gefällt, jedoch daß es alles nach Berg- wercks-Rechten geschehe und solche im Kauf und Verkauf conserviret werden.
- Wie wir da 9tens zu besserer Beförderung und Aufnehmen des Wercks oft bemelten Lehnträger und seiner Gewerckschaft drey zehend-freye Jahre aus sonderbaren Königlichen Gnaden, damit sie desto mehr encuragiret werden, die Werke mit allen Fleiß zu treiben und zu Unseres Landes Nutz förderlichst befördern.
- Weswegen wir auch 10tens verstatten, daß alle Ausfuhren dieser Steine von aller Accise, Weg- und Brückengeldt, auch ingemein von allen Imposten, so Handel und Wandel zahlen, befreyet seyn sollen und ohne dieselbe zu zahlen passiren können.
- Letzlichen wollen wir auch alles dasjenige, was etwa in diesem Berg-privilegio mit klaren Worten nicht beschrieben, jedoch sowohl Unserer Interims-Ordonnantz anderen beschriebenen Berg-Rechten und Berg-Gebräuchen und dem Hohnsteinischen Privilegio gemäß ist, hiermit einverbleibet haben, als wenn es von Wort zu Wort exprimiret wäre, und Unsern Königlichen Consens deswegen ertheilet haben, wie Wir denn den mehrmahlen berührten Lehixträger und deßen Gewerckschaft Unserer Königlichen Gnade und mächtigen Schutzes hierdurch versichern auch gegen jedermann vertreten, und wollen selbige nach allen diesen im Privilegio enthaltenen Punkten geschützet wissen, solchem nach befehlen wir allen Unfern hohen und niedrigen Bedienten, sowohl Civil als Militair auch insbesondere Unserer Hohnsteinischen Regierung nebst dem Obersteuer-Directorio Unserm Forst- und Berg - Ambt und allen denen, die Uns mit Pflicht und Gut zugethan sind, sich allergehorsamst hiernach zu achten und denen Impretanten dieß ihr erlangtes Privilegio ohne alle Turbation geruhig genießen zu lassen und nicht nur in allen billigen Dingen hülfreiche Hand leisten, sondern sie auch gegen männiglichen zu schützen.
Urkundlich haben wir gegenwärtiges krivi- IsKium und Freiheit mit unserer eigenhändigen Unterschrift und anhängenden Lehn-Siegel bekräftiget. So geschehen Cöln an der Spree den 8ten Aprilis nach Christi Unsers lieben Herrn und Seligmachers Geburt im Eintausend Siebenhundert und Siebenden Jahre.
- Gez. Friedrich
Der Hohensteiner Marmor und Alabaster wurde nicht nur als Baumaterial, sondern auch zu künstlerischen Zwecken „zu Grotten und anderen Zieraten“ verwendet. Daß die Steine auch von den benachbarten Dörfer begehrt wurden, geht aus einer Eingabe Menzels vom 10. Dezember 1711 hervor, in der er sich über zahlreiche Diebstähle der hannoverschen und einheimischen Bauern beklagt. Infolgedessen befiehlt die Regierung zu Ellrich unterm 2. Februar 1712 männiglich, sich an denen Marmor- und Alabasterbrüchen und darin bereits gebrochenen Steinen im geringsten nicht zu vergreifen, oder aber widrigenfalls gewärtig zu sein, daß im Fall jemand dawider zu handeln sich gelüsten und darüber betreten lassen würde, derselbe zum ersten Male mit 10 Rthlr. und das andere Mal mit 20 Rthlr. gestrafet oder nach Befinden in ermangels Geldmittel mit Leibesstrafe angesehen werde.
Jedoch hat diese Drohung nichts gefruchtet, nach wie vor holten die Untertanen ihren Bedarf aus den Königlichen Brüchen, wenn auch nur zum Kalkbrennen. Zwanzig Jahre später beklagt sich der Königliche Bildhauer Johann George Glume aus Berlin bitter über diese Unsitte. Von diesem Künstler erfahren wir auch, daß der Hohensteiner Alabaster auch damals noch einen vorzüglichen Ruf genoß. Durch eigenhändiges Rescript des Königs Friedrich Wilhelm I. vom 31. August 1725 war ihm nämlich die Erlaubnis erteilt, in den Hohensteiner Brüchen nach Belieben Material für seine künstlerischen Zwecke zu suchen und ihm die Unterstützung der Behörden versprochen. Er fand geeigneten Alabaster und ließ ihn aptiren (für seine Zwecke behauen). Leider wurden ihm die Steine gestohlen, aber ihm gefiel das Material so gut, daß er noch einmal von Berlin zur Steinsuche in die Grafschaft reiste.
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