Gedenkblätter aus der Geschichte der ehemaligen freien Reichsstadt Nordhausen

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Vorwort

 Aus dem literarischen Nachlaß meines am 9. März 1893 verstorbenen teuren Vaters biete ich hier die Ausarbeitungen, die derselbe über die Geschichte seiner Vaterstadt Nordhausen schon vor Jahren gemacht hat. Obwohl der Verstorbene stets mit großer Liebe seines Geburtsortes gedacht, ihn häufig besucht und sich des mächtigen Aufblühens gefreut hat, so ließ die Bearbeitung und Herausgabe größerer theologischer und historischer Werke ihn nicht dazu kommen, die vorliegende Schrift zu veröffentlichen.

 Was der Verfasser hier als Gedenkblätter und Marksteine aus der Geschichte Nordhausens heraushebt, ist wohl wert, dem größeren Publikum bekannt zu werden. Die älteren Bearbeitungen der Geschichte der Stadt sind längst selten geworden und, wo sie zu finden, dem Laien weniger verständlich, als die hier gegebenen Mitteilungen.

 Mag man auch hier und da größere Ausführlichkeit verlangen — wir wollen diese Liebesgabe des Verewigten dankbar hinnehmen. Er hat hier sowie auf anderen Gebieten sein Lebenlang mit regem Geiste und feinem praktischen Verständnis unermüdlich geforscht und in seinen zahlreichen Schriften die Resultate seines Forschens dargeboten. Er wird nicht vergessen werden, da er so in seinen Werken weiterlebt. Möge auch seine Vaterstadt ihm ein dankbares Andenken bewahren!

Nörten in Hannover.
Rudolf Eckari,
Inspektor der Waisenanstalt.

Der Slaven Art und Weise. Mission.

 Die Slaven waren gleich den Deutschen stark und kräftig, wohnten in Dörfern und Städten (Gards) zusammen, verstanden wollene Zeuge zu weben, liebten den Ackerbau, trugen lange Kleider, hatten aber für Freiheit und Wissenschaft keinen Sinn. Sie besaßen die Kunst, Metalle zu schmelzen, handelten mit den Erzeugnissen des Landes, waren mild und gastfreundlich im Frieden, wild und grausam im Kriege. Sie verehrten ihre Götzen in Bildsäulen und brachten ihnen Tiere und Gefangene zum Opfer.

 Der erste christliche Missionar, welcher in Thüringen das Evangelium predigte, war der Irländer Kilian, welcher mit den Seinigen von des Herzogs Gotzbert Frau, Geilana, ermordet wurde. Diesem folgte Willibrod. Dem eifrigen Bonifacius gelang es aber erst, wirkliche christliche Gemeinden in Thüringen zu begründen, und seine Kreuze stehen noch, wo er das Evangelium gepredigt. Über einem solchen Bonifaciuskreuze gründete der deutsche Kaiser Otto I. den Nordhäuser Dom, genannt zum heiligen Kreuze, und um ihn her scharten sich Nordhausens Urbewohner, dem sich dann die übrigen christlichen Gemeinden nach und nach anschlossen.

Merwigs-Linde.

Schnell ist verweht der Heldenruhm,
Trophäen sind kein Heiligtum;
Ein Fürstenherz voll Menschlichkeit
Sieht feiernd noch die Ewigkeit.

 So singt Heidenreich bei Betrachtung dieses alten Baumes in Erinnerung an den alten thüringischen König Merwig. Die gewöhnliche Volkssage hierüber ist folgende: Der thüringische König Merwig soll der Sohn eines Schuhmachers gewesen sein, den das Volk zum Könige erhob. Dieser Fürst war stets seiner niedern Abkunft eingedenk und schämte sich niemals derselben. In der damaligen Zeit pflegte man das Maifest, welches 1834 aufs neue gestiftet und gefeiert wurde, auf dem Geiersberge mit dem größten Glanze, woran Jung und Alt, Arm und Reich, teilnahmen, zu feiern. Der König feierte stets mit seinen Unterthanen, und da der Platz den Sonnenstrahlen stark ausgesetzt, und die Teilnehmer des Festes, ungeachtet der Maienhütten, viel davon leiden mußten, so pflanzte der König in eigner Person diese Linde. Lange wurde diese Feierlichkeit noch von den Schuhmachergesellen gefeiert, bis es endlich 1736 vom Rate aus unbekannten Gründen aufgehoben, 1834 aber wieder erneuert wurde.

 Wahrscheinlicher aber ist der Ursprung dieses Festes und somit auch der Merwigslinde auf andere Weise entstanden. Im 12. Jahrhundert siedelten sich Holländer, die zur Austrocknung der Sümpfe und Moräste des Riedlandes in der güldenen Aue berufen waren, in der Stadt an und brachten dieses Fest, das noch in den sogenannten Rosenhütten der Mädchen am Johannistage, fortbesteht, aus dem Vaterlande mit. Man pflegte in Holland Bäume beim Maienfeste mit Devisen, Bändern und Flaggen zu zieren. Diesen Gebrauch der eingewanderten Holländer nahmen auch die Nordhäuser zum Teil an; sie pflanzten Bäume, umziert mit Bändern und Flaggen und feierten dieses Fest unter den rauschendsten Vergnügungen. Aus dieser Quelle ist wahrscheinlich auch die Entstehung der Merwig'schen Linde zu suchen, indem man vielleicht einstmals diese mit einer Devise, dem Könige Merwig zu Ehren, schmückte und pflanzte und ihr in der Folge den Namen beilegte, den sie heute noch trägt.


 Bis zum Jahre 1743 war der Geiersberg außer der Merwig'schen Linde von allen Bäumen entblößt; im genannten Jahre aber wurde er auf Befehl des Senats mit Bäumen bepflanzt und hierdurch zu einem angenehmen Lusthölzchen umgewandelt, das von Jahr zu Jahr sich verschönert und den Bürgern angenehme Spaziergänge darbietet.

 Im Jahre 1523 wurde Friedrich Teichgräber erlaubt, hier Eisenstein zu suchen.

 Ein früher im Töpferthore befindlicher Stein mit dem Stadtwappen aus dem 14. Jahrhundert ist jetzt am Rathause eingemauert und trägt folgende Inschrift: Anno dni . CCCC . X . Theodosius 29 nobilissim9. hispan9. romanori, omperator * Anno . imperii . sui . quarto . hanc . urbem . fundavit - libertatibus . armisque . imperialibus . ditavit . hilf . got . maria . berat. Neben diesem Steine, an dem jetzt abgetragenen alten Zwinger, einer der stärksten Befestigungen der Stadt gegen Norden, befand sich in einer Nische ein altes Schnitzwerk „die Kreuztragung Christi“ mit einem Bilde auf Holz im Hintergründe, welches die Stadt Jerusalem vorstellte. Beides ist wohl im Rathause aufbewahrt.

Thüringen in alter Zeit

 Fast in der Mitte unseres deutschen Vaterlandes liegt das gesegnete Thüringen, eigentümlich in seinen Bewohnern und deren Sitten, Charakter und Gebräuchen. Ein altes Manuskript giebt im 4. Jahrhundert die Grenzen folgendermaßen an: gegen Mittag bis an den Main, gegen Morgen bis an die Saale und Pleiße, gegen Abend bis in die Nähe des Rheines und gegen Mitternacht bis über den Harzwald hinaus. Zu der Zeit des heiligen Bonifacius bezeichnete man mit dem Namen Thüringen alles Land, das zwischen der Werra und der Saale, zwischen dem Thüringerwalde und dem Harze liegt, und diese Bestimmung gilt auch jetzt noch. — Das Land wurde auch in Gaue eingeteilt, wie das ganze deutsche Vaterland. Thüringen ward eingeteilt in einen Nord- und Südthüringergau, deren ersterer sich von dem linken Ufer der Unstrut mitternachtwärts über den Harzwald bis in die Gegend unterhalb Magdeburg erstreckte und sich rechter Hand an die Saale und Elbe, linker Hand aber an die Flüsse Bode, Aller und Ocker anlehnte und eine Menge kleinerer Gaue in sich schloß. Der Südthüringergau umfaßte alles Land auf dem rechten Ufer der Unstrut mittagwärts, zwischen der Saale und Werra bis über den Thüringerwald. Ein besonderer Gau war auch der Helmgau, welcher von Wallhausen bis Nordhausen sich erstreckte und an der Helme lag.

 In Thüringen giebt es eine Menge Orte, welche die Sage in die frühesten Jahrhunderte hinaufrückt, und die das Alter der geschriebenen Urkunden weit übersteigen. Zu diesen ältesten bewohnten Orten gehören: Nordhausen, Eisenach, Tilleda, Wallhausen, Allstedt, Merseburg, Scheidingen, Bibra, Beichlingen, Sachsenburg, Mücheln und die meisten Orte der sogenannten goldenen Aue und der Pflege im Süden des Finngebirges. Diese Gegenden sind es besonders, in welchem die ersten Anfänge der Kultur in dem Thüringerlande gesucht werden müssen.

 Thüringen als Königreich bestand schon vor 431 und ging im Kampfe mit den Franken 531 unter. Darauf fiel es unter die Herrschaft der Franken, später wurde es eine Landgrafschaft unter eigenen Landgrafen. Dann nahmen es die Kurfürsten von Sachsen zum größten Teil in Besitz und im Frieden zu Wien 1815 kam es an Preußen. Der größte Teil davon bildet einen Teil der preußischen Provinz Sachsen.

Nordhausen und Umgegend.

 Nordhausen, die alte, weitbekannte ehemalige freie Reichsstadt, liegt am südlichen Fuße des Harzgebirges in einer wahrhaft romantischen Gegend. Im Norden wird das Umschau haltende Auge von dem stolzen Harzgebirge begrenzt; im Süden umlagert die schöne Hainleite die Gegend, im Osten erhebt sich der Kyffhäuser mit seinem auch von hier zu sehenden Kaiser Friedrichturme, und im Westen erblickt man das Ohmgebirge am Eichsfelde und die Porta Eichsfeldika. Herrliche Fluren und Wiesen, durchströmt von der schönen Helme und Salza und von der dicht an der Stadt vorbeifließenden wilden Zorge und vielen andern kleinen Bächen, wechseln in den schönsten Partien ab. Einen großen Teil der „goldenen Aue“ kann man von hier aus übersehen; überall ragen die Kirchtürme freundlich