Erstaufnahmeeinrichtung Nordhausen

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Die Erstaufnahmeeinrichtung Nordhausen, abgekürzt EAE, ist eine mögliche bzw. in Planung befindliche Anlaufstelle und Unterkunft für Asylbewerber, die ihren Antrag stellen.

Nordhausen war im November 2023 als potentieller Standort im Gespräch. Am 27. November 2023 entschied die Thüringer Landesregierung, dass eine neue EAE in Gera etabliert werden soll.

Hintergrund

Nordhausen und Gera wurden im November 2023 nach einem Markterkundungsverfahren als potentielle Standorte für eine Erstaufnahmeeinrichtung identifiziert. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei dem ehemaligen Finanzamt bzw. der früheren Kautabakfabrik Kneiff. Die geplante Einrichtung soll bis zu 500 Flüchtlinge aufnehmen können. Das Nachrichtenportal NNZ-Online berichtete am Abend des 20. Novembers darüber.[1]. Sowohl der Oberbürgermeister Kai Buchmann als auch der Landrat Matthias Jendricke äußerten sich überrascht über die Ankündigung.

Jendricke sieht potenzielle Vorteile in der Einrichtung einer Erstaufnahme in Nordhausen, insbesondere könnte dies zu einer geringeren Belastung des Landkreises mit Flüchtlingszahlen führen. Gleichzeitig gibt es Sicherheitsbedenken und Widerstand in der Bevölkerung, wie eine Online-Petition zeigt, die von über 6.500 Menschen unterzeichnet wurde (Stand: 22. November 2023[2]).

Neben dem ehemaligen Finanzamt wird auch das Reemtsma-Gelände als möglicher Ort zur Flüchtlingsunterbringung diskutiert, allerdings eher als Notaufnahmequartier.

Der Oberbürgermeister von Gera, Julian Vonarb, hatte sich am 22. November 2023 gegen eine mögliche Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in seiner Stadt ausgesprochen, da Gera bereits über der Sollzahl für Flüchtlingsaufnahme liegt und Integrationsschwierigkeiten aufweist. Julian Vonarb kritisiert das Land Thüringen für mangelnde Kommunikation und schlechtes Management in der Flüchtlingskrise, da die Stadt über Pläne zur Unterbringung weiterer Flüchtlinge im Unklaren gelassen wurde.[3]

Landrat Matthias Jendricke beriet am 22. November mit den Fraktionsvorsitzenden des Kreistages über die mögliche neue Erstaufnahmeeinrichtung. Er betonte, dass er erst kürzlich von der Bewerbung einer privaten Immobiliengesellschaft für eine EAE erfahren habe und dass der Landkreis Nordhausen im formellen Markterkundungsverfahren des Landes Thüringen kein formelles Mitspracherecht besitzt. Jendricke hält den vorgeschlagenen Standort für ungeeignet und hat dem Land Thüringen vorgeschlagen, stattdessen vorübergehend eine Notunterkunft zu betreiben, um Zeit für die Suche nach einem geeigneteren Standort zu gewinnen. Er erklärte, dass eine Landeseinrichtung die eigene Aufnahmequote von Asylsuchenden reduzieren würde, da Flüchtlinge in solchen Einrichtungen nur kurzzeitig bleiben und dann weiterverteilt werden, was eine Entlastung für den lokalen Mietmarkt und die Schulen bedeuten würde.[4]

Die Stadtverwaltung Nordhausen äußert sich am 23. November kritisch gegenüber der Einrichtung einer neuen Massenunterkunft für Flüchtlinge und argumentiert, die Stadt trage bereits die Hauptlast bei der Unterbringung. Trotz Bemühungen um Informationen von verschiedenen Ministerien fühlt sich die Verwaltung schlecht informiert und kritisiert mangelnde Transparenz seitens des Landrats. Nordhausen beherberge 92 Prozent der im Landkreis registrierten Flüchtlinge, was zu angespannten Schulkapazitäten und einem ausgelasteten Wohnungsmarkt führe. Die Stadtverwaltung fordert eine ausgewogene und vertretbare Unterbringung im gesamten Kreisgebiet und lehnt die Errichtung einer neuen Erstaufnahmeeinrichtung oder Notunterkunft in Nordhausen unter den aktuellen Umständen als unverhältnismäßig ab.[5]

Am 27. November kam die Thüringer Landesregierung bekannt, dass die ehemalige Frauenklinik des Wismut-Krankenhauses in Gera-Ernsee umfunktioniert werden soll, um Flüchtlinge (ca. 200 Menschen) aufzunehmen.[6] Für diese Umgestaltung sind Kosten von 3,8 Millionen Euro veranschlagt. Das Gebäude in Gera, das bereits im Besitz des Landes ist, wurde als Standort ausgewählt, im Gegensatz zu potenziellen Standorten in Nordhausen, die erst erworben werden müssten. Die jährlichen Betriebskosten der Einrichtung in Gera werden auf etwa 180.000 Euro geschätzt. Hinzu kommen Bewirtschaftungskosten von 40.000 Euro, Kosten für eine rund um die Uhr anwesende Bewachung von 1,44 Millionen Euro sowie 350.000 Euro für Reinigungsdienste. Zusätzlich belaufen sich die Kosten für soziale Betreuung auf 504.000 Euro und für medizinische Betreuung auf 240.000 Euro. Die Verpflegungskosten werden auf etwa 936.000 Euro jährlich geschätzt.

Reaktionen

Am 21. November teilte die AfD-Kreistagsfraktion mit, dass sie zwei Anträge gestellt hat, um dem Zuzug von Flüchtlingen entgegenzuwirken. Im ersten Antrag wird der Landrat von Nordhausen aufgefordert, der Thüringer Landesregierung mitzuteilen, dass der Landkreis Nordhausen an seiner Kapazitätsgrenze für die Aufnahme weiterer Flüchtlinge sei, was zu sozialen Spannungen führen könne. Der zweite Antrag fordert, dass die Bundesregierung den Zuzug von Asylbewerbern und Flüchtlingen nach Deutschland begrenzt und ihre Asylpolitik an die Realitäten der Kommunen anpasst, da die unkontrollierte Migration als bedrohlich für den gesellschaftlichen Frieden und die innere Sicherheit angesehen wird.[7]

Unter dem Titel „Menschenrecht bleibt Menschenrecht“ kommentierte Kristin Müller von der Thüringer Allgemeinen, dass trotz Sicherheitsbedenken und der Möglichkeit sozialer Spannungen die Einrichtung einer Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Nordhausen notwendig sei, um das Menschenrecht auf Asyl zu wahren. Sie erkannte an, dass der Staat Sicherheitsbedenken ernst nehmen und das Recht konsequent durchsetzen müsse, betonte aber gleichzeitig die Bedeutung von Erstaufnahmen in einem humanitären Staat. Müller kritisierte, dass das Land Thüringen die Lokalpolitik vor vollendete Tatsachen stelle, ohne deren Ortskenntnisse zu nutzen, und merkte an, dass Nordhausen aufgrund seiner Infrastruktur und angestrebten Rolle als Oberzentrum für Nordthüringen sowohl Förderungen als auch Pflichten zu erwarten hätte.[8]

Christian Döring, Geschäftsführer des Seniorenwerks, kritisiert in einem offenen Brief die Pläne des Landes zur Errichtung einer Erstaufnahmeeinrichtung in der ehemaligen Kneiff-Tabakfabrik scharf. Er äußert Bedenken hinsichtlich des Images seines Pflegeheims, der Sicherheit der Bevölkerung und befürchtet ähnliche Probleme wie in Suhl, wo es zu Überbelegungen und Gewaltausbrüchen kam. Döring betrachtet das Vorgehen der Landesregierung, die Kommunalpolitik und die Bevölkerung nicht in den Entscheidungsprozess einzubeziehen, als „demokratieverachtend“ und fordert ein transparentes Verfahren mit Bürgerbeteiligung gemäß demokratischen Grundsätzen.[9]

Der Nordhäuser CDU-Kreisverband äußerte am 23. November 2023 Bedenken über die Einrichtung einer Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Nordhausen. Das Vorhaben löste „blankes Entsetzen“ im Kreisverband aus und könne als einzigartig in Thüringen und Deutschland betrachtet werden, stehe im Konflikt mit dem demokratischen Verständnis über Entscheidungsfindungen und wird als Beispiel für schlechtes Flüchtlingsmanagement des Freistaats Thüringen kritisiert. Fraktionsvorsitzender René Fullmann monierte mangelnde Transparenz und Informationsweitergabe durch den Landrat und verwies darauf, dass Nordhausen bereits mehr Flüchtlinge aufgenommen hat, als erforderlich. Die CDU kritisiert zudem die Leistungsfähigkeit der Kreisverwaltung, die durch zusätzliche Aufgaben in verschiedenen Bereichen, darunter Gesundheit und Jugend, überlastet werden könnte, und betont die Notwendigkeit des Schutzes für Kriegs- und Verfolgungsflüchtlinge, während gleichzeitig selbstkritisch auf frühere Entscheidungen zurückgeblickt wird.[10]

Am 24. November sagte Matthias Ehrhold (SPD-Fraktionsvorsitzender im Kreistag), dass der favorisierte Standort der ehemaligen Kneiff-Fabrik abgelehnt wird, die Fraktion jedoch in der Etablierung einer Erstaufnahmeeinrichtung nicht nur Nachteile sehe. Nach Ehrhold müssten frühzeitig lokaler Akteure in den Entscheidungsprozess eingebunden werden und er unterstreicht die Notwendigkeit neuer Unterbringungseinrichtungen zur Entlastung des Mietmarktes. Er hebt hervor, dass durch die Anrechnung der Bewohnerzahlen von Landeseinrichtungen auf die kommunale Verteilungsquote eine dauerhafte Entlastung erreicht werden kann. Die SPD-Kreistagsfraktion ist grundsätzlich offen für eine Landeseinrichtung in Nordhausen, stellt jedoch eine angemessene Standortwahl und die Vermeidung einer totalen Blockade in den Vordergrund.[11]

Externe Verweise

Einzelnachweise

  1. Peter-Stefan Greiner: Wird ehemalige Kautabakfabrik eine EAE?. NNZ-Online. 20. November 2023, abgerufen am 23. November 2023.
  2. Olaf Schulze: Stiller Protest vorm Landratsamt. NNZ-Online. 22. November 2023, abgerufen am 22. November 2023.
  3. Gera: Oberbürgermeister wehrt sich gegen mögliche Erstaufnahme für Flüchtlinge. MDR Thüringen. 23. November 2023, abgerufen am 23. November 2023.
  4. Landrat: Notunterkunft statt Erstaufnahme. NNZ-Online. 23. November 2023, abgerufen am 23. November 2023.
  5. Olaf Schulze: Klare Position gegen eine Erstaufnahmeeinrichtung. NNZ-Online. 23. November 2023, abgerufen am 23. November 2023.
  6. Vorläufige Entwarnung für Nordhausen. NNZ-Online. 27. November 2023, abgerufen am 28. November 2023.
  7. Nordhäuser AfD will keine weiteren Flüchtlinge. Thüringer Allgemeine. 22. November 2023, abgerufen am 23. November 2023.
  8. Kristin Müller: Kommentar zu möglicher Erstaufnahme in Nordhausen: Menschenrecht bleibt Menschenrecht. Thüringer Allgemeine. 22. November 2023, abgerufen am 23. November 2023.
  9. Kristin Müller: Deutliche Kritik aus Nordhausen: Falsche Standortsuche für Erstaufnahme. Thüringer Allgemeine. 22. November 2023, abgerufen am 23. November 2023.
  10. Olaf Schulze: Nordhäuser CDU übt Selbstkritik in Flüchtlingsfrage. NNZ-Online. 23. November 2023, abgerufen am 23. November 2023.
  11. Keine grundsätzliche Ablehnung. NNZ-Online. 24. November 2023, abgerufen am 24. November 2023.