Das Gehege zu Nordhausen
Das Gehege zu Nordhausen.
Auf dem breiten Hauptwege erreichen wir einen ziemlich am nordwestlichen Ende gelegenen freien Platz. Ein Springbrunnen ziert die Mitte, während an den Seiten unter den Wipfeln hoher Bäume eine größere Anzahl von Restaurationen, „Gehegebuden“, wie sie allgemein genannt werden, liegen. Am westlichen Ende erhebt sich die geschmackvoll hergerichtete „Tonhalle“, aus deren Innern die Musikkapelle den Sommer über an den Nachmittagen und Abenden ihre Weisen erklingen läßt. Auf dem Platze aber lustwandeln dann in großen Scharen Einheimische und Fremde, Damen und Herren, jeglichen Alters und Standes. Wird ein patriotisches Fest oder ein Kinderfest gefeiert oder tagt irgend ein Verband in den Mauern der Stadt, so wird den Fremden zu Ehren ein „Gehegefest“ veranstaltet, wobei es auch an Illuminationen und Feuerwerk nicht fehlt. So ist das liebliche Gehege den Nordhäusern an das Herz gewachsen, und auch den Fremden bleibt ein Aufenthalt in dem prächtigen Stadtparke eine liebe Erinnerung. Das Gehege hat auch seine Geschichte. Ein Nordhäuser Student der Gottesgelahrtheit, Thiemroth, besang es bereits in erhebenden Distichen im 17. Jahrhundert als einen beliebten Aufenthaltsort der Nordhäuser, obwohl zu jener Zeit auf den mit Gras bewachsenen Anhöhen noch das Vieh geweidet wurde. Erst nach 1738, nachdem der Rat der Stadt angeordnet hatte, daß dort kein Vieh mehr geweidet werden dürfe und jeder angehende Bürger gehalten sein solle, auf dem Geiersberge wenigstens sechs junge Bäume zu pflanzen, begann die Entstehung des Geheges in seiner heutigen Gestalt. Im Jahre 1745 ließ der Magistrat der Stadt auf einmal 15000 Waldbäume im Gehege setzen. Der Gehegeplatz wurde in den Jahren von 1817-1320, wo die „Turnsperre“ eintrat, als Turnplatz benutzt, bis im Jahre 1829 die ersten Erfrischungslokale in Gestalt von kleinen Bretterbuden entstanden. Damals wurde auch das „Maienfest" begründet. Es bestand in einem festlichen Aufzuge der Bürger zur Maienzeit und der Abhaltung eines Volksfestes unter den schattigen Bäumen, wobei auch die Schützen mit Armbrüsten und Bolzen nach einem Vogel und einer Flatterscheibe schossen. Die Einrichtung des Orchesters war zunächst eine sehr einfache, denn die Musikanten saßen in luftiger Höhe in den Zweigen einer alten Linde. Zu Anfang der fünfziger Jahre des abgelaufenen Jahrhunderts wurde? die jetzt bestehende Musikhalle erbaut. Am Waldesrande gegen Osten findet der Besucher des Geheges die im Jahre 1871 gepflanzte Friedenslinde und eine zu Ehren des 1857 in Nordhausen gestorbenen berühmten Botanikers Dr. Wallroth errichtete Denksäule. Der älteste, sehenswerte Baum des Geheges ist die sogenannte Merwigslinde, von welcher die Sage erzählt, daß sie um die Mitte des 5. Jahrhunderts von einem Thüringer Könige Merwig, eines Schuhmachers Sohn, gepflanzt sei. Vielleicht ist sie eine sogenannte Mal- oder Gerichtslinde. Vor Zeiten veranstalteten die Mitglieder der Nordhäuser Schuhmachergilde, anfangs jährlich, später alle sieben Jahre, mit Fahnen, Wehr und Musik hinausziehend, bei der alten Linde ein fröhliches Fest, wobei auch des Königs Merwig gedacht wurde. Unter Jauchzen und fröhlicher Lust brachte die Gilde einen Zweig der Linde im Zuge zur Stadt zurück. R. Reichhardt, Rotta. |