Bilder aus der Geschichte Nordhausens und des Kreises „Grafschaft Hohenstein“

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Eine Jagd zur Urzeit

In grauer Vorzeit, als es bei uns noch kein Dorf und keine Stadt, keine Hütte und kein Haus gab, suchten die Menschen in Höhlen und Felsklüften einen Unterschlupf. Auch in der Einhornhöhle bei Scharzfeld hatte eine Horde einen sichern Zufluchtsort gefunden. In dem weiten halbdunklen Raum sieht man nur Weiber und Kinder hocken, ein paar Männer sitzen vor einem Steinhaufen, aus dem sie durch geschicktes Zerschlagen der mit Bedacht gewählten Steine spitze und scharfkantige Waffen und Geräte zum Schneiden, Stoßen und Schlagen verfertigen. In einer Ecke liegen abgenagte und gespaltene Knochen. Wochenlang haben die Bewohner der Höhle schon von Wurzeln und Beeren gelebt. Gern hätte man Fleisch gegessen, aber das Glück war den Jägern nicht günstig gewesen. Heute morgen waren wieder alle Männer ausgezogen, nur die Steinhauer ließ man zurück, sie waren den Anstrengungen einer Jagd nicht gewachsen. In Gruppen waren sie nach verschiedenen Richtungen hin fortgegangen. Auf dem Wege, den das Wild nach der Tränkestelle zu benutzen pflegt, waren Fallgruben angelegt. Dahin ging ein Teil der Jäger zuerst. Diesmal hatten sie Glück: ein Wisent war hineingestürzt und hatte sich dabei die Vorderläufe gebrochen. Mit wildem Geschrei machten sich die Jäger daran, dem Tier durch Steinwürfe den Schädel zu zertrümmern und es so zu töten. Als das geschehen war, legten sie um die Füße des Tieres Schlingen aus Weidenruten und zerrten es aus der Grube.

Eine andere Gruppe der Jäger war ausgezogen, um äsendes Wild zu beschleichen. Nach längerem Suchen entdeckten sie ein Rudel Riesenhirsche. Auf allen vieren, gedeckt durch Gras und Busch, krochen sie möglichst nahe an die Tiere heran und schossen dann mit dem Wurfspeer und mit dem Bogen auf sie. Eins der Tiere ist getroffen, auf der Flucht bricht es zusammen.

Die Beute wird an einen Fluß geschafft und hier zerlegt. Ein scharfes Steinmesser trennt das Fell, das durch einen stumpfen Schaber von dem Fleisch losgelöst wird. Die Tierhaut zu gerben verstand der Urmensch noch nicht, er trocknete sie und benutzte sie dann als Kleidungsstück. Aus den Därmen werden Riemen und Bänder angefertigt, der Kopf des erlegten Wildes kam als Siegestrophäe in die Wohnung,- das zerlegte Fleisch wird in der Höhle am Feuer gebraten.

Unsere Heimat zur Urzeit

Vor vielen tausend Jahren — man nimmt 100000 und mehr Jahre an — war ganz Norddeutschland und Thüringen von Eis bedeckt. Auch der Harz war teilweise vereist. Zeitweilig wurde es wieder wärmer, das Eis schmolz, die Erde ward trocken und belebte sich mit Pflanzen und Tieren. Dann setzte wieder ein kälteres Klima ein, und das Eis rückte wieder vor. Dieser Wechsel wiederholte sich einige Male. Die mit Eis bedeckten Flächen boten dem Menschen keine Daseinsmöglichkeit erst gegen Ende der Eiszeit finden sich in unserer Gegend Spuren menschlichen Lebens und zwar die frühesten in der Einhornhöhle bei Scharzfeld.

Hier entdeckte man in drei aufeinanderfolgenden Erdschichten Reste von Knochen und andern Gegenständen, die auf die Anwesenheit von Menschen schließen lassen.

In einer Tiefe von 2-3 m findet sich eine Erdschicht, worin Knochen vom Höhlenbären, Höhlenlöwen, Wolf, Dachs, von der Fischotter, einige Topfscherben und Holzkohlen eingeschlossen waren. Viele Knochen waren der Länge nach gespalten: man hatte aus ihnen das Mark gewinnen wollen. Die Tiere waren den Menschen zur Beute gefallen und in die Höhle geschleppt worden, um hier verzehrt zu werden. Manche Knochen zeigen Spuren von Abrundung und Abrollung. Das läßt darauf schließen, daß später das Eis wieder vorrückte,- und als es dann wieder schmolz, ist ein Bach durch die Höhle geflossen, der die Knochen gegeneinander und gegen die Felswand stieß. Zugleich brachte das Wasser Schlamm mit, der diese unterste Schicht bedeckte.

Nachdem die Erde wieder trocken geworden war, diesmal nun endgültig, also nachdem die Eiszeit vorüber war, nahmen wieder Menschen von der Höhle Besitz. Die Erdschicht, die von ihnen Kunde gibt und über dem Lehm liegt, der die ältere bedeckt, enthält neben Knochen vom Bären, Wolf und von der Fischotter auch schon solche vom Wildschwein, Hirsch und Reh, also von Waldtieren, ein Zeichen, daß das Eis von den Berghängen völlig gewichen ist und die Umgegend sich mit Wald bedeckt hat. Von unsern Haustieren findet sich unter den Knochenresten noch keine Spur.

Diese zweite Schicht ist teilweise mit einer Tropfsteinplatte bedeckt. Auf dieser und zum Teil unmittelbar über der zweiten Schicht liegt eine dritte, die sich von der darunter liegenden durch ihre dunkle Farbe unterscheidet, mit Holzkohle und Asche stark vermengt ist und völlig den Eindruck einer Moderschicht macht. Sie gehört einer viel späteren Zeit an, etwa der Zeit bis 1000 v. Chr. und war vielleicht noch in den ersten Jahrhunderten nach der Geburt Christi bewohnt. Unter den Knochen befinden sich neben denen vom Bär, Wolf, Dachs, Fuchs, Elch und Wildschweine auch solche von Haustieren, vom zahmen Schwein, Rind, Schaf, von der Ziege, vom Pferd, Hund und auch Menschenknochen. Außerdem fand man darin zahlreiche Topfscherben, die meisten von roher Arbeit, aber auch schon solche, die auf der Drehscheibe hergestellt waren. Die Scherben sind vom Feuer geschwärzt,- die Gesäße sind also als Kochgeschirr benutzt worden. Als Herd hat offenbar die Tropfsteinplatte gedient. Es wurden ferner darin gefunden Schmucksachen und Waffen, namentlich ein durchbohrter Steinhammer, ein feingeschliffener Steinkeil, eine rohe Tonperle, eine Bernsteinperle, ein bearbeitetes Stück Hirschhorn, auch einige Gegenstände von Metall, wie eine Spirale von Bronze und eine eiserne Nadel.

Spuren menschlichen Daseins aus der Vorzeit hat man auch sonst an vielen Orten unserer engeren Heimat gefunden, namentlich viele Grabstellen, so bei Nordhausen, Urbach, am Zoll hinter Crimderode, bei Oberdorf, Hainrode unter der Wöbelsburg, auf der Hasenburg, bei Uthleben, Berga und besonders zahlreich bei Auleben. Hier hat man an der Straße nach Kelbra am Abhange des Soolberges ein ganzes Gräberfeld, einen vorzeitlichen Friedhof, entdeckt, von dem eine Anzahl Gräber geöffnet ist. Man fand in ihnen Urnen, Schmuckgegenstände wie Nadeln und allerlei Ringe aus Bronze, ferner kleinere Tongefäße und Waffen. Sie werden im städtischen Museum in Nordhausen aufbewahrt.

Außer diesen Gräberfunden werden häufig auch noch Einzelfunde bei Erdarbeiten oder beim Bestellen des Ackers gemacht: Topfscherben und ganze Töpfe, Steinbeile und -messer, Waffen, Geräte und Schmucksachen aus Bronze und Eisen kommen zum Vorschein, die alle für die Vorgeschichte von größter Bedeutung sind.

Nach allen diesen Funden teilt man die Vorzeit ein in eine Steinzeit, Bronzezeit und Eisenzeit.

Am weitesten zurück liegt die Steinzeit. In dieser Zeit lieferte der Stein dem Menschen die notwendigsten Geräte,- daneben benutzte er noch die Knochen und Geweihe der Tiere. Je nach der Bearbeitung dieser Rohstoffe unterscheidet man eine ältere und eine jüngere Steinzeit. In der älteren wurden die Steine nur roh behauen. Hauptsächlich wurden Feuersteine verwendet, wo diese nicht zu haben waren, wie in unserer Heimat, auch andere harte Steine, die beim Spalten scharfe Kanten ergaben. Gefäße aus Ton gab es in der älteren Steinzeit noch nicht. Den Lebensunterhalt gewährte die Jagd und das Sammeln von Beeren und Wurzeln. Ackerbau und Viehzucht lagen noch in weiter Ferne. Daher war der Mensch auch noch nicht seßhaft. Außer in der Etnhornhöhle hat man in unserer Nähe noch bei Weimar Spuren des Menschen aus der älteren Steinzeit gefunden.

Die jüngere Steinzeit. Die Menschen der älteren Steinzeit wurden durch das wieder vorrückende Eis aus ihren Wohnräumen vertrieben. Tausende von Jahren war alles wieder von Eismassen bedeckt. Dann wechselte das Klima abermals. Dem zurückweichenden Eise folgte der Mensch,- aber es ist ein anderer Menschenschlag, der jetzt in unsern Gegenden erscheint. Die trocken gewordene Erde bot ihm die Möglichkeit zu längerem Verweilen an einem Orte. Er fing an, den Acker zu bauen und Vieh zu züchten,- er wurde seßhaft. Wo natürliche Höhlen oder überhängende Felsen vorhanden waren, mag er diese noch zu Wohnräumen benutzt haben,- sonst grub er Löcher in die Erde und bedeckte sie mit einem btenenkorbartigen Schutzdache aus Rutengeflecht, das er mit einer Lehmschicht gegen Wind und Wetter dicht machte. Solche Wohnstätten treten an verschiedenen Stellen in größeren Gruppen zu dorfartigen Ansiedlungen vereinigt auf. In unserer Gegend hat man davon noch keine Spuren gesunden, wohl aber bei Sangerhausen, bei Göttingen. Weißenfels, Zeitz u. a. O. Daß aber auch unsere Heimat damals schon bewohnt war, das beweisen die zahlreichen Einzelfunde, die auch hier gemacht worden sind, wie z. B. die Steinbeile, Meißel, Hämmer, Messer, Schaber, Dolche, Pfeilspitzen. Sie sind zum Unterschiede von den Geräten der älteren Steinzeit jetzt sauber geschliffen, die Beile und Hämmer haben bereits ein Loch für den Stiel. Auch Tongefäße (Urnen) findet man häufig, meist jedoch nur Scherben davon. Sie sind im Feuer gebrannt und mit allerlei Zierat versehen, wie mit Schnüren und Bändern in den verschiedensten Mustern.

Von der äußeren Erscheinung der damaligen Bewohner unserer Gegenden kann man sich nach den erhaltenen Skelettresten eine nicht ungünstige Vorstellung machen, sie lassen auf einen wohlgebauten Menschenschlag schließen. Für die Kleidung standen außer den Fellen schon gewebte Stoffe zur Verfügung. Die sichtbaren Körperflächen bemalte man gern mit Rötel. Den Hals schmückten Ketten, zu denen perlen aus Bernstein, Marmor, Braunkohle, Schiefer, Muscheln, durchbohrten Tierzähnen u. dergl. verwendet wurden. Auch Ohrringe trug man schon, ebenso Armringe aus Marmor oder Muscheln. Ein künstlerischer Sinn zeigt sich bereits in der Formgebung und Verzierung der Gefäße. Auch einen lebhaften Handelsverkehr unterhielt der Mensch der jüngeren Steinzeit schon. Da in Thüringen der Feuerstein selten ist oder nur in kleineren Stücken vorkommt, bezog man die größeren Dolche und Lanzenspitzen aus dem Norden,- aus südlicheren Gegenden stammen die Marmorringe,- Bernsteinperlen kamen von der Ostsee,- sogar kupferne Schmuckstücke, ebenfalls aus dem Süden, finden sich. Dieser Einfuhr fremder Waren entsprach eine Ausfuhr hier angefertigter Gegenstände,- so kommen Steingeräte von einer ganz bestimmten Form aus Steinen des Harzes weit nach Süden und nach Osten hin vor.

Die vorherrschende Bestattungsform war die Beisetzung der unverbrannten Leiche in Erdgräbern und zwar meist mit gekrümmten Knien (Hocker) in liegender oder sitzender Stellung, daneben kommen auch gestreckte Skelette vor.

Die jüngere Steinzeit dauerte bis etwa 2000 v. Chr.

Die Bronzezeit (2000 — 500 v. Chr.).
Mit der Zeit verdrängte das Metall den Stein als Material für Werkzeuge und Waffen. Schon in der jüngeren Steinzeit kamen vereinzelt kleine Gegenstände aus Kupfer vor,- doch war dieses Metall für den Gebrauch zu weich. Erst als man durch eine Mischung des Kupfers mit Zinn ein Metall, die Bronze, erfunden hatte, das dem Stein an Härte gleich kam, ihn aber an Dauerhaftigkeit übertraf, wurden die Steingeräte in den Hintergrund gedrängt, obgleich sie immer noch gebraucht wurden. Die Bronze ist vermutlich Ln Spanien, wo sich viel Kupfer und Zinn findet, erfunden worden und ist zunächst auf dem Handelswege nach Norden gekommen. Später wurde sie hier selbst hergestellt. Aus Bronze fertigte man Beile, Dolche, Schwerter, Hals- und Armringe, Nadeln usw. Funde dieser Art find bei Nordhausen, Auleben, Görsbach, Sangerhausen, Uthleben, Oberdorf gemacht worden. (S. Nordhs. Museum).

Große Bronzefundstätten entdeckte man in Hallstadt im Salzkammergut, daher nennt man diese Zeit auch oft die Hallstadtzeit.

Die Eisenzeit. Etwa um 500 v. Chr. kamen zu den Bronzegegenständen noch eiserne. Da Eisenteile leicht rosten, sind Waffen und Geräte aus Eisen, die man in Gräbern oder einzeln findet, stark vom Rost angefressen. Die oberste Schicht in der Einhornhöhle enthält auch Eisenteile. Ebenso ist in einem Grabe am Zoll eine eiserne Schwertklinge gefunden worden,- auf der Hasenburg fand man ebenfalls eiserne Nadeln, eine eiserne Schere u. a., ferner bei Sondershausen usw.

Je mehr wir uns der Zeit der Geburt Christi nähern, desto besser werden auch die Wohnverhältnisse. Ein Bild davon geben uns dieGräber. Man findet Grabkammern aus festgezimmertem Eichenholz mit einem Dach aus schrägen Sparren/ aus den Sparren ruhen Bohlen, deren Fugen mit Gips verstrichen sind. Ähnliche Formen haben die sogen. Hausurnen. Man kann diese Gräber und Urnen als Modelle der damals üblichen Wohnhäuser ansehen. Wie nun aber neben den reich ausgestatteten Grabstätten auch noch einfache Flachgräber Vorkommen, so war sicher auch ein Unterschied in den Wohnhäusern: der Vornehme saß im festgefügten Holzbau, der geringe Mann hauste in der schon von der Steinzeit her bekannten Wohn- oder Herdgrube, die von einer leichten mit Lehm beworfenen Reisighütte überdacht war.

An manchen Stellen unserer Heimat kommen Wallburgen vor sie liegen meist auf Bergen oder an andern von der Natur geschützten Punkten, so z. B. auf dem Kohnstein, dem Mühlberg, auf der Wöbelsburg, auf der Hasenburg, wo die eine Seite unzugänglich ist und die andere Seite durch Wall und Graben geschützt wurde. Diese Wälle sind noch heute zu erkennen. Sie stammen schon aus sehr alter Zeit, z. T. schon aus der Bronzezeit und wurden wohl auch noch in späterer Zeit benutzt. Dahin flüchteten die Bewohner der Gegend sich in Zeiten der Not, wenn ein Feind sie bedrohte.

Die Leichen wurden bis in die Bronzezeit hinein in der Erde bestattet. Aber schon in der späteren Bronzezeit tritt die Leichenverbrennung auf, die bis zur Zeit der Franken die herrschende Bestattungsweise blieb. Die Asche wurde mit den Brandknochen und mit Schmucksachen des Verstorbenen in eine Urne getan und in Gräbern beigesetzt, die manchmal zu großen Friedhöfen vereinigt erscheinen. Erst als die Franken unser Gebiet erobert hatten (531), gelangt die bei diesem Volk übliche Leichenbestattung auch bei uns wieder zur Herrschaft. Die Gräber aus dieser Zeit sind durchweg Skelettgräber und zwar Flachgräber, in denen die Leiche in einem Holzsarge oder auf einem Brett beigesetzt wurde. Manchmal liegen die Leichen auch in einem Steinkistengrab, das aus Steinplatten zusammengesetzt ist.

Wie Nordhausen entstand

 1. Es war um das Jahr 785.

 Auf der alten Heerstraße von dem Königshofe Tilleda über Kelbra, Auleben, Heringen, Uthleben kam ein Trupp Reiter daher. Es waren Franken. Das sah man an der Kleidung. An den Füßen hatten sie Lederschuhe, deren lange Riemen bis an die Knie um die engen Hosen gewunden waren. Ein Mantel bedeckte die Schultern,- darunter war das lederne Panzerhemd sichtbar. An der Seite hing ihnen ein kurzes Schwert und auf dem Rücken der runde Schild aus Holz, mit Leder überzogen. Ein schwerer Wagen kam hinter ihnen her.

 Bei Sundhausen machten sie halt. Die Pferde befestigten sie auf einem Grasplatz mit langen Leinen an pflöcken, die in die Erde geschlagen waren. Dann gingen sie an die Arbeit. Von dem Wagen holten sie lange Ketten und pfähle und fingen an das Land hier auszumessen. In langer Richtung wurde zunächst die Grenze abgesteckt und dann das Feld in kleinere Flächen zerlegt. Wo heute das Dorf liegt, wurden Hofplätze abgeteilt, ein weiter Raum für einen großen Hof und daneben Plätze für einige kleinere. Abends kehrten sie nach Tilleda zurück, um am andern Tage ihre Arbeit fortzusetzen.

 Nach einiger Zeit, als sie hier fertig waren, zogen sie weiter und kamen dahin, wo jetzt Nordhausen liegt. Das schien ein besonders günstig gelegener Platz zu sein. Hier trafen mehrere alte Heerstraßen zusammen, von Tilleda, von Wallhausen, von Erfurt, die von hier um oder über den Harz nach Goslar führten. Don der Höhe des heutigen Frauenberges konnte man das ganze Helmetal übersehen. Hier wurde daher ein besonders weiter Raum ausgemessen, auf dem ein großer Hof mit Herrenhaus, landwirtschaftlichen Gebäuden und Häusern für die Arbeiter Platz hatte. Das Ackerland in der Umgebung wurde ebenfalls für den Hof abgegrenzt.

 Von hier aus zog die Schar dann weiter nach Salza, Woffleben, und Wolkramshausen, um dort ebenfalls die Flur aufzuteilen.

 Den fränkischen Landmessern folgten Bauleute, die auf dem ausgemessenen Gebiet an den genau bezeichnten Stellen die Wohn- und Wirtschaftsgebäude aufführten.

 2. Die Vermessung hing mit der Eigenart der fränkischen Landbesetzung zusammen.

 Thüringen bildete früher ein eigenes Königreich, zu dem auch unsere Heimat gehörte. Im Jahre 5Z1 wurde es von den Franken erobert und gehörte nun zum fränkischen Reiche. Nach fränkischem Gesetz erhielt der König einen Teil des eroberten Landes als persönliches Eigentum. Als solches kam hauptsächlich das ödliegende Grenzland zwischen den einzelnen Stämmen und Gemeinden in Betracht, dann aber auch das von den Besitzern im Kriege verlassene Land, und wo solches nicht genügend vorhanden war, wurde es durch gewaltsame Wegführung der Bewohner geschaffen. In den ersten kriegerischen Zeiten begnügten die fränkischen Herrscher sich damit, von den Thüringern durch den Herzog, der über sie gesetzt war, Abgaben einzuziehen,- dann aber, etwa vom 8. Jahrhundert ab, begann man mit der planmäßigen Aussonderung und Ausmessung des Königsgutes. Dom Main und von der Werra drangen die damit beauftragten fränkischen Beamten, den Flußtälern folgend, in Thüringen ein. Das Land wurde ausgemessen und dabei das Königsgut ausgesondert. Ein Teil des neugewonnenen Gutes wurde für einen Königshof bestimmt, den der König für sich bewirtschaften ließ,- anderes Land wurde an fränkische Krieger verteilt,- auch an vornehme Herren, die dem Könige wichtige Dienste im Kriege geleistet hatten, wurde Königsgut verliehen. So wurde alles eroberte Land von fränkischen Kriegeransiedelungen durchzogen,- darauf beruhte die militärische Sicherung des Landes. Der Mittelpunkt dieser fränkischen Besatzung war der Reichsh o f. Er diente in erster Linie militärischen Zwecken. Er war mit Wall und Graben, häufig auch schon mit einer Mauer umgeben und war so groß, daß er in Kriegszeiten die umwohnenden Bauern aufnehmen konnte. Beim Vormarsch wurde das Heer hier untergebracht und von hier aus verpflegt. Wenn der König auf Reisen war, kehrte er in dem Reichshofe ein. Der Verwalter des Reichshofes hatte auch die Aussicht über die anderen kleineren Höfe auf dem Reichsgut in der Umgebung.

 3. Auch in Nordhausen wurde unter Karl d. Gr. — etwa um das Jahr 785 — ein Reichshof angelegt. Er hat wahrscheinlich südlich von der Frauenbergskirche gestanden. Hier erhebt sich heute auf sehr altem steinernen Unterbau ein hohes Fachwerkgebäude, in dem alleinstehende arme alte Frauen ein Unterkommen finden,- da hat, wie man annimmt, das Herrenhaus des Reichs- Hofes gestanden. Südlich und westlich davon nach dem Mühlgraben zu, werden die Wirtschaftsgebäude gewesen sein. Der ganze Hof war mit einer Mauer umgeben,- Reste davon sind im Norden bei der Frauenbergskirche und im Westen bei der Schafgasse noch zu sehen. Mit dem Hofe zugleich wurde der Mühlgraben angelegt, um daran eine Mühle zu bauen (die heutige Klostermühle), die den Reichshof mit Mehl versorgte.

Nördlich vom Reichshofe wurden fränkische Krieger angesiedelt, die den Wacht- und Schutzdienst versehen und auch in der Landwirtschaft tätig sein mußten. Sie wohnten am Frauenberge, in dem untern Teil der Frauenberger Stiege und in der Lichtengasse. Diese Ansiedelung bildete das fränkische R eich s- dorfNordhausen, das wir als die älteste Ansiedelung in geschichtlicher Zeit auf dem Raume der jetzigen Stadt Nordhausen ansehen müssen. Die Ansiedelung auf dem Reichsgute südlich von Nordhausen, die gleichzeitig mit dieser entstand, erhielt den Namen Sund- (d. h. Süd-) Hausen. Die Endung -Hausen in Ortsnamen ist besonders den Franken eigen. Nord- wie Sundhausen kommen häufiger vor, ebenso auch Osterhausen.

4. Mehr als 100 Jahre später finden wir nordwestlich vom fränkischen Reichshofe einen zweiten Hof,- er gehörte dem deutschen König Heinrich l. Von dieser Stelle aus, nicht von dem fränkischen Reichshofe und Reichsdorfe, ist die heutige Stadt Nordhausen ausgegangen. Nachdem Heinrich!. König geworden war, hieß der Hof fortan der Königshof. Er lag auf dem Platze, der noch jetzt „Königs Hof" heißt. Von hier aus wurden die Ländereien beackert, die zu dem Hofe gehörten. Wie auf einem heutigen Gutshose wurden dort Pferde, Ochsen und Kühe, Schafe, Schweine, Federvieh und Bienen gehalten. Außer den Scheunen und Ställen waren hier auch die Wohnungen der Knechte, die den Acker bestellten und die Werkstätten der Schmiede, Schuster, Netzemacher und anderer Handwerker. Frauen und Mädchen spannen in besonderen Häusern Flachs und Wolle, webten Gewänder, strickten und färbten. So schlossen sich an die eigentlichen Wirtschaftsgebäude viele andere Häuser, die nach und nach einen besonderen Ort bildeten. Auch eine Kirche wird bald gebaut worden sein, die Vorläuferin der heutigen Marktkirche. Die jetzige Kirchengemeinde, die allmählich aus der Vergrößerung des Königshofsbezirkes hervorgegangen ist, können wir als den ältesten Stadtteil Nordhausens ansehen.

Neben dem Hofe, wo nur Wirtschaftsgebäude waren, baute Heinrich I. eine Burg, in der er wohnte, wenn er in Nordhausen war. Sie lag wahrscheinlich neben dem heutigen Dom am Steilabhange des Berges, so daß sie nicht leicht einzunehmen war. (Bild Heinrichs I. im Stadthause.)

Vom Königshofe Heinrichs I. aus ist also die Stadt entstanden, darum kann man Heinrich I. den Gründer Nordhausens nennen. Im Jahre 927 schenkte er seiner Gemahlin Mathilde Hof und Burg mit allem, was dazu gehörte. In diesem Jahr waren also die Anfänge der späteren Stadt schon vorhanden, darum kann Nordhausen 1927 seine Tausendjahrfeier begehen.

Auf den um den Königshof entstandenen Ort ging nun der Name "Nordhausen" über, während die fränkische Ansiedelung mit "Altennordhausen" bezeichnet wurde.

5. Als der sächsische Königshof angelegt wurde, kam an ihn ein großer Teil der Länderet des alten Reichshofes, der am Frauenberge, wenn auch verkleinert, noch weiter bestand und von einem Vogt verwaltet wurde. Gegen Ende des 12. Jahrhunderts entstand dann aus der Stelle des Reichshofes ein Nonnenkloster, an das nun alle seine noch vorhandenen Besitzungen und Einkünfte übergingen. Damals wird auch die Frauenbergskirche gebaut worden sein, die ihrer Bauweise nach auf diese Zeit hinweist. Sie trat wohl an Stelle von einem Kirchlein des alten Reichsdorfes und diente nun auch als Klosterkirche. Die Klostergebäude sind zum Teil noch vorhanden, so das Hauptgebäude, das noch heute "Kloster" genannt wird, und dessen hoher Fachwerkbau aus der Zeit um 1500 stammt.

Königin Mathilde gründet in Nordhausen das Nonnenkloster zum heiligen Kreuz. 962

Die Königin Mathilde war die Gemahlin Heinrichs I. Damit sie nach des Königs Tode keine Not leiden sollte, hatte er ihr neben andern Gütern die Königshöfe in Nordhausen und Quedlinburg als Witwengut geschenkt. Auf beiden Höfen wohnte sie in ihrer Witwenzeit abwechselnd, und an beiden Orten gründete sie ein Kloster. 2n Nordhausen stiftete sie nahe der königlichen Burg ein Nonnenkloster/ später erhielt das Kloster als wertvolle Gabe (Reliquie) einen Holzsplitter vom Kreuze Christi und hieß nun das "Kloster zum heiligen Kreuz". Auch eine Kirche ließ sie für das Kloster bauen/ daraus ist später der heutige Dom entstanden.

Bald nach der Errichtung des Klosters kam ihr Sohn, König Otto I., nach Nordhausen. Sieben Tage verweilte er bei seiner alten Mutter. Als er wieder abreisen wollte, gingen sie frühmorgens zusammen in die Kirche. Dann traten sie aus der Tür, um Abschied zu nehmen. Mathilde bat den König noch einmal inständigst, für das Kloster zu sorgen, wenn sie nicht mehr da sei, bei ihrem hohen Alter könne sie nicht mehr hoffen noch lange zu leben. Tiefgerührt versprach Otto, alle ihre Bitten zu erfüllen. Unter Tränen schlossen sie sich noch einmal in die Arme/ dann schwang sich Otto auf sein Roß. Die Mutter aber kehrte in die Kirche zurück nach der Stelle hin, wo Otto während des Gottesdienstes gestanden hatte und kniete dort nieder. Einige der noch zurückgebliebenen Begleiter des Königs, die dies bemerkten, teilten es ihrem Herrn mit. Otto sprang sofort aus dem Sattel und kehrte zu seiner Mutter zurück, die in Tränen zerfließend hier noch betete. Er hob sie auf und sprach: „Durch welchen Dienst kann ich dir diese Tränen vergelten?" Noch einmal tauschten sie tief bewegt einige Worte aus, noch einmal bat Mathilde um die Gunst, daß ihr Sohn sorgsam dieses Klosters gedenken möge/ dann nahmen sie Abschied voneinander. Otto hat seine Mutter nicht wieder gesehen. (Bild im Stadtverordnetensitzungszimmer im Stadthause.)

Otto I. und seine Nachfolger haben den Wunsch der Stifterin erfüllt und getreulich für das Kloster gesorgt. Ihr Enkel Otto II. schenkte dem Kloster den um den Königshof entstandenen Ort Nordhausen.

Andere Klöster in Nordhausen und der Grafschaft Hohenstein

1. In Nordhausen gibt es eine „Barfüßerstraße". Sie hat den Namen von dem Kloster der Barfüßermönche, das auf dem Spendekirchhof lag. Die Barfüßermönche hießen auch Franziskaner, denn ihr Mönchsorden war von dem heiligen Franz von Assisi in Italien gegründet worden. Bon dort aus verbreiteten sie sich auch nach Deutschland. Angetan mit einem braunen Gewand, barfuß oder nur mit Sandalen unter den Füßen zogen sie von Ort zu Ort und predigten, meist unter freiem Himmel, auf der Straße oder wie es die Gelegenheit mit sich brachte. Sie fanden großen Zulauf,- denn sie verstanden volkstümlich zu reden, aus dem Leben heraus, oft spottend und scheltend, aber immer in der Sprache des Volkes. Fast in allen größeren Städten entstanden Franziskaner- oder Barfüßerklöster. Zu Anfang des 13. Jahrhunderts kamen sie auch nach Nordhausen. Auf dem Spendekirchhofe hatten sie ihr Kloster und ihre Kirche. Später hieß diese Kirche auch Spendekirche, weil in ihr an die Armen der Stadt alljährlich am Freitag vor Palmarum eine Spende von Brot und Heringen verteilt wurde. Der Rat der Stadt hatte diese Spende gestiftet zum Andenken an die glückliche Errettung der Stadt bei einem Überfall durch die Grafen von Honstein und Stolberg (1329). Die Kirche wurde in den letzten Jahrhunderten nur noch zur Abhaltung der Leichenpredigten bei Beerdigungen auf * dem dortigen Friedhof benutzt und 1805 abgetragen. Der Spendekirchhof wurde bis 1855 von den Gemeinden St. Nikolai und St. Blasii benutzt.

2. Bald nach den Barfüßermönchen kamen die Dominikaner. 2m Jahre 128? erhielten sie von dem Rate der Stadt auf dem Grundstück der heutigen Mädchenmittelschule ein Stück Land, auf dem sie ihr Kloster und ihre Kirche erbauten. Weil ihre Hauptaufgabe das predigen war, nannte man sie auch Predigermönche. An sie erinnert heute noch die „Predigerstraße".

3. Etwa um das Jahr 1300 bauten sich auch die Augustinermönche hier an. 2hr Kloster lag auf dem Grundstück Neustadtstraße 46, wo noch alte Grundmauern des Klosters zu sehen sind. Auch Augustinerklöster gab es in allen größeren Städten. Aus dem Augustinerorden ist Dr. Martin Luther hervorgegangen.

Franziskaner, Dominikaner und Augustiner waren Bettelmönche, weil sie ihren Lebensunterhalt erbettelten.

4. Nonnenklöster gab es nach der Auflösung des von der Königin Mathilde gestifteten Klosters zum heiligen Kreuz später noch zwei: das schon erwähnte Frauenbergskloster und das Altendorfskloster neben der Altendorfer Kirche.

Außerhalb Nordhausens lag vor dem Töpfertor das Mönchskloster Himmelgarten.

5. Von besonderer Bedeutung für unsere Gegend ist das Kloster Walkenried geworden. Es soll 1129 von einer Gräfin Adelheid von Klettenberg gegründet worden sein. Die Mönche, die hier wohnten (es waren Zisterzienser, nach dem ersten Kloster dieses Ordens, Zisterzium in Frankreich, genannt), sollten sich von ihrer Hände Arbeit ernähren, vor allem sollten sie den Boden bebauen. Sie fanden hier reichlich Arbeit. Das Helmetal war damals noch ein Sumpfgebiet. Da fingen die Mönche an, es trocken zu legen und in Ackerland zu verwandeln. Die urbar gemachten Flächen gab ihnen der Kaiser als Eigentum, und bald hatten sie in dem ganzen Tale von Nordhausen über Heringen bis nach Artern hin Höfe, Felder und Wiesen.

2m Laufe der Zeit vermehrte das Kloster seinen Besitz dauernd, fast in jedem Dorfe der näheren Umgebung hatte es Land oder ganze Bauernhöfe. 2n Nordhausen hatte es ein Haus, den Walkenrieder Hof (jetzt Haupt- zollamt, Ecke Ritter- und Waisenhausstraße), dort wurde das Korn angesammelt, das von den Höfen in der Umgebung geliefert werden mußte.

Aber auch ln entfernteren Orten hatte das Kloster Besitzungen: Waldungen und Erzhütten im Harz, Weinberge in Würzburg, Anteil an dem Salzwerk in Lüneburg. Mit Recht konnten die Mönche sich rühmen, auf einer Reise nach Rom jede Nacht auf ihrem Eigentum oder in einem Kloster ihrer Brüderschaft übernachten zu können.

Weil das Kloster so reich war, konnte es sich auch eine Kirche bauen (im 13. Jahrhundert), wie sie größer und schöner in Deutschland nicht zu finden war. Sie war aus Werksteinen aus einem Steinbruch bei Nüxei aufgemauert, die die Mönche so fein und genau behauen hatten, daß die Fugen kaum zu sehen waren und die Kirche in blendendem Weiß wie aus einem einzigen Stein gehauen erschien. Sie war 85 m lang und Z5 m hoch. Die Mauerreste mit den hohen Fensteröffnungen zeugen noch heute von der ehemaligen Pracht des Baues.

Ein Turnier zu Nordhausen. 1263

Heinrich der Erlauchte, Landgraf von Thüringen, war ein rechter Ritter, ein Liederdichter und Freund der Dichtkunst und weit und breit bekannt. Zu Nordhausen hielt er 126Z ein Turnier ab, von dem noch lange Zeit nachher die fahrenden Sänger erzählten und sangen. Aus ganz Deutschland lud er die Grafen und Herren, Ritter und Knechte ein. Die Ebene draußen vor dem Bielenlore, „auf dem Hammer", war zum Turnierplatz ausersehen. Lange Zeit wurde daran gearbeitet, um den Platz für das Fest herzurichten/ er wurde geebnet, mit Sand bestreut und mit einem Lattenverschlage eingefriedigt. Hinter der Einfriedigung wurden Tribünen, Buden und Zelte erbaut. Die Tribünen waren für die geladenen Gäste, für die Ritter und Edelfrauen bestimmt. Die Sitzplätze waren so hoch gebaut, daß man von da aus den ganzen Turnierplatz übersehen konnte. Zum Schuhe gegen die Witterung waren sie mit einem Dache versehen und an den Seiten mit bunten Teppichen behängen. Zuletzt wurden noch die Tribünen und Eingangspforten mit frischen Laubkränzen geschmückt.

Unterdes bereitet man sich auch in der Stadt auf das Turnier vor. Überall herrscht geräuschvolles Treiben: Schmiede, Lederarbeiter, Schildmaler, Gewandschneider, Goldschläger, Federschmücker und andere Handwerker sind in angestrengtester Tätigkeit. Bald kommen auch schon fremde Ritter/ mit stattlichem Gefolge in bunten Farben und glänzenden Rüstungen ziehen sie durch alle Tore ein. Je näher man dem festgesetzten Turniertage kommt, desto zahlreicher treffen sie ein. Die Herbergen füllen sich, auch Bürgerhäuser nehmen Einquartierung. Auf den Straßen ist jetzt ein lebhafter Verkehr, der bis spät in die Nacht hinein dauert. Die Ritter, welche des Abends einander besuchen, lassen sich große Wachslichter vorantragen/ davon ist die Stadt, in der damals noch keine Straßenlaternen brannten, hell erleuchtet.

Endlich bricht der Turniertag an. Am Morgen dieses Tages reitet der Herold durch die Straßen der Stadt und ruft: „Wappnet euch, gute Ritter, wappnet euch, tragt stolzen Mut und zieht freudig aufs Feld erweiset eure Ritterschaft und dienet schönen Frauen" Nun legen die Ritter ihre Rüstung an: die aus Ringen geflochtene Eisenhose, welche an den Knien mit Eisen- platten versehen ist/ ferner die blankgescheuerte eiserne Brünne oder den Brustharnisch, über den sie noch einen seidenen Wappenrock ziehen den Kopf bedecken sie mit dem Helme, das Schwert gürten sie um, und über die Schulter hängen sie den dreieckigen Schild, auf dem das Wappen des Ritters zu sehen ist, ein Löwe, ein Hirsch, ein Bär, ein Adler, eine Blume u. dergl. Dann besteigt der Ritter sein Roß, das mit einer prachtvollen bunten Decke behängen ist, nimmt seinen Speer in die rechte Hand und zieht auf den Marktplatz. Hier versammeln sich alle Ritter. Nachdem sie in zwei Haufen geteilt und zu paaren geordnet sind, ziehen sie mit Trompetengeschmetter die Rautenstraße hinunter, den Backhausberg und den Frauenberg hinauf und durch die jetzige Sangerhäuser Straße zum Bielentore hinaus. Unter lauter Kriegsmusik reiten sie durch die Schranken in den Turnierplatz ein. Auf einen Wink des Landgrafen gibt der Herold das Zeichen zum Beginne des Turniers. Zuerst reiten je zwei durch das Los bestimmte Ritter einzeln gegeneinander. In vollem Galopp sprengen sie mit eingelegtem Speere aufeinander es gilt, den Gegner so zu treffen, daß er vom Pferde geworfen wird. Sitzen beide Ritter fest im Sattel, so zerbrechen von dem Stoße die Speere/ dann bringen die Knappen neue. Nach dem Einzelkampfe beginnt das Kampfspiel der einzelnen Haufen der beiden Parteien. Jede Schar sucht die Ritter der feindlichen Partei im Anrennen aus dem Sattel zu werfen oder gefangen zu nehmen.

Hinter den Schranken steht das Volk dicht gedrängt, bis oben auf den Weinberg hinauf wimmelt es von Zuschauern. Manche sind darunter, die nicht aus Neugierde hergekommen sind: Spielleute, fahrende Sänger, Gaukler und Narren in bunten Gewändern belustigten schon damals das Volk, wie sie es jetzt noch auf Jahrmärkten und Schützenfesten tun. Hier zeigt einer einen kleinen Affen mit roter Jacke, dort tanzt ein Bär, und daneben steht ein Kamel mit großem Höcker. An einer anderen Stelle ist ein Seil ausgespannt, auf dem ein Seiltänzer seine Künste zeigt. Hier hat sich um einen Spielmann ein Kreis gebildet: er besingt unter Begleitung der Guitarre die Taten eines Ritters, der im Turniere einen Sieg davongetragen hat, oder er gibt ein bekanntes, aber immer gern gehörtes Lied von Siegfried, dem Drachentöter, zum besten. In den Buden und Zelten wird gegessen und getrunken, und überall ertönt Freude und Jubel.

Bach Beendigung des Turniers wird der Dank an die Sieger verteilt. Als Preis hatte der Landgraf einen künstlich aus Gold und Silber bereiteten Baum anfertigen lassen. Wer im Rennen seinen Speer an dem Gegner zerbrochen hatte, bekam ein silbernes Blatt, wer aber den Gegner vom Pferde geworfen hatte, erhielt ein goldenes. Mit einem Festschmause schloß das Turnier.

Die Revolution in Nordhausen am 13. Februar 1375

Am Nachmittag des 1Z. Februar 1Z75 war im Wirtshaus „Zur roten Tür" eine Bürgerversammlung/ man war mit dem Rate der Stadt unzufrieden und wollte darüber beraten, was zu tun sei, damit der Bürgerschaft ihr Recht werde. Ein Fleischer, Claus Hofmann, redete: „Der Rat braucht immer mehr Geld. Mit allen Grafen umher fängt er Streit an, und die Bürger müssen dann zahlen. Der letzte Handel mit dem Honsteiner wegen der Schnabelsburg hat uns 1500 Mk. gekostet.[1] Der Rat erhebt stets neue Steuern, aber wieviel Geld einkommt und was davon bezahlt wird, davon erfährt keiner etwas/ zur Rechnungslegung ist der Rat nicht zu bewegen. Wie kommen die Herren Gewandschnitter (Tuchhändler) dazu, allein im Rate zu sitzen und der Stadt Geschäfte zu führen, zumal ein großer Teil von ihnen adelige Herren sind, wie die von Tettenborn, von Urbach, von Trebra, von Hain usw., die ihr Dorf verlassen haben und seht bei uns Handel treiben. Das mögen sie tun, aber sie sollen den gemeinen Bürger nicht schlecht behandeln und sich nicht einbilden, daß sie mit ihren Freunden die Herren der Stadt sind. Wir Fleischer, Bäcker, Schmiede, Schuhmacher und die anderen Zünfte müssen auch mit im Rate sitzen, und zwar nicht, wie es setzt wohl geschieht, daß die Gewandschnitter aus Gnade und Barmherzigkeit einen Handwerker mit in den Rat hineinnehmen, sondern wir wollen ein Recht dazu haben. In anderen Städten, wie in Mühlhausen und Magdeburg, haben die Zünfte es durchgesetzt, daß sie mit in den Rat gewählt werden; das müssen wir auch erreichen."

Das war die Meinung der ganzen Versammlung. Es wurden nun drei Männer gewählt, die sollten sogleich nach dem Rathaus gehen und dem dort versammelten Rat ihre Forderungen vortragen. Als die Abgesandten ihr Begehren vorbrachten, entstand unter den Ratsherren gewaltige Aufregung; sie dachten gar nicht daran, auf die Forderung der Zünfte einzugehen, und hitzige Reden wurden geführt. Einer der Räte rief, mit diesen unzufriedenen Handwerkern müsse aufgeräumt werden, man solle sie alle aufs Rad legen, dann habe man endlich Ruhe vor ihnen.

Die Abgesandten der Bürger eilten zurück in ihre Versammlung, wo ihr Bericht wirkte wie der Funke im Pulverfaß. Die aufgeregten Bürger bewaffneten sich und zogen zu Haufen vor das Rathaus. Aber die Ratsherren hatten es schon verlassen und sich in das Riesenhaus geworfen, das einem ihrer Genossen gehörte, auch hatten sie ihre Freunde in der Stadt benachrichtigt, daß sie Ihnen zu Hilfe kommen sollten. Die Bürger drangen nun gegen das Niesenhaus vor. Die Ratsherren waren der Menge nicht gewachsen und wurden schließlich nach blutiger Gegenwehr gefangen genommen. Die Bürger räumten nun mit ihren schlimmsten Gegnern gründlich auf: 41 von ihnen mußten die Stadt »aus ewige Zeiten' verlassen. So endete dieser Ständekampf mit dem Siege der Zünfte.

Von nun an lag die Stadtverwaltung in den Händen der Zünfte: aus 9 Zünften wurden hinfort die Ratsherren gewählt, und zwar aus jeder Zunft zwei,- außerdem wurden auch noch 9 Bürger aus den verschiedenen Stadtvierteln gewählt. 2n dem sogen. Wahlbriefe wurden genaue Bestimmungen über die Wahl der Ratsherren festgesetzt. Diese Bestimmungen bildeten hinfort ein wichtiges Gesetz für die Stadt und haben bis 1802 Gültigkeit gehabt. Die Wahl fand in der Nacht auf Heiligen drei Könige (6. Januar) auf dem Rathause statt.

Luther in Nordhausen

Luther ist zweimal in Nordhausen gewesen. Als er das erstemal unsere Stadt betrat, gehörte er noch dem Augustinerorden an. Vom Vorsteher dieses Ordens hatte er den Auftrag bekommen, die Augustinerklöster in Thüringen zu besichtigen. Am Abend des 29. Mai 1516 kam er von Langensalza nach Nordhausen, predigte am andern Tage in der Klosterkirche und ermahnte die Mönche zum fleißigen Lesen der heiligen Schrift und zu einem frommen Leben. Von hier reiste er weiter nach Sangerhausen und Eisleben, wo ebenfalls Augustinerklöster waren.

Als Luther das zw eite mal Nordhausen besuchte, stand er schon mitten im Kampfe. Im April des Jahres 1525 war er mit Melanchthon von Wittenberg nach Eisleben gereist, um dort eine Schule einzurichten. Da hörten sie, daß in Stolberg Bauernunruhen ausgebrochen seien. Sofort reiste Luther dahin, predigte dort und stellte durch sein mächtiges Wort die Ruhe wieder her. Bei dieser Gelegenheit soll er auch auf der Höhe über der Stadt gestanden sein, wo heute die Lutherbuche ist und soll Stolberg mit einem Adler verglichen haben, dessen Kopf das Schloß ist und dessen Flügel und Schwanz die Straßen in den drei Tälern sind. Von Stolberg reiste er nach Nordhausen, wo die Gemüter auch schon erregt waren. Er selbst bekam davon eine Probe. Denn als er in der Kirche des St. Georgshospitals (Ecke Kornmarkt und Töpferstraße) predigte, wurde er von etlichen Zuhörern verhöhnt, die dazu mit Glocken klingelten, und es fehlte wenig, so brach mitten in der predigt der Sturm los. Während dieses Aufenthaltes In Nordhausen wohnte er bei seinem Freunde Michael Meyenburg, dessen Haus in der Baltzerstraße über dem Vereinshause lag.

Luther und der Nordhäuser Schuhmacher. (Sage)

Seit alters wird in Nordhausen das Martinsfest gefeiert, Luther selbst soll sogar einmal daran teilgenommen haben. Davon geht folgende Geschichte. Luther kam einst zur Feier seines Geburtstages nach Nordhausen. Nahe vor der Stadt holte er mit seinem Wagen einen Nordhäuser Schuhmacher ein, den er einlud, sich zu ihm zu setzen. Alsbald waren die beiden Männer im Gespräche. Mit Freuden bemerkte Luther, wie klar und schlicht sich der Mann über die Religion aussprach, und wie warm er dem Evangelium zugetan sei. Noch mehr erstaunte aber der Schuster über die Worte seines Reisegefährten,- so schön hatte er noch keinen Menschen reden hören. Unvermerkt kamen sie an die Stadt. Da fragte der Schuhmacher seinen Gefährten, ob er schon eine Herberge zur Nacht habe. »Noch nicht/ antwortete Luther. Ob denn der Herr wohl bei ihm vorlieb nehmen wolle, fragte der Schuhmacher weiter, seine Frau habe Gänsebraten, Blaukohl und Fische zur Feier des Martinsabends angerichtet. Luther sagte zu und stieg im Hause des Schuhmachers ab. Als sie nun in der Stube weiter redeten, und der Schuhmacher immer mehr über die Weisheit seines Gastes erstaunte, ging er hinaus in die Küche zu seiner Frau und sagte: „Wir haben einen hochgelahrten Gast, dem müssen wir Wein vorsetzen/ „Ja/ sagte darauf die Frau, „ich getraue mich nur nicht zur Apotheke, dort sitzen die Herren vom Rate, und wenn ich komme und will Wein haben, so sagen sie: Was will die Schusterfrau mit dem Wein? Wüßte ich nur, wie unser Gast heißt, dann könnte ich sagen, es sei für ihn." Da trat Luther, der ihr Gespräch gehört hatte, hinzu und sagte: „Nun, liebe Frau, ich will ihr sagen, wie ich heiße, ich bin Doktor Martin Luther/ Da stieß die Frau einen Freudenschrei aus, lief hinüber zur Apotheke und rief: „Gebt mir Wein, der Doktor Luther ist bei uns! Als die Ratsherren das hörten, sagten sie: „Was schwatzt dies Weib, wie käme Luther zu dem Schuster?" Die Frau blieb aber bei ihrer Rede, und die Ratsherren gingen mit ihr. Schon an der Tür kam ihnen Luther entgegen und begrüßte sie. Nun war die Freude groß in der ganzen Stadt, alles lief herbei und wollte Luther sehen, sie läuteten mit den Glocken und sangen das Lied: Ein' feste Burg ist unser Gott.

Wie Nordhausen evangelisch ward

Zwischen Nordhausen und den Lutherstädten Eisleben, Mansfeld und Wittenberg war von jeher lebhafter Verkehr gewesen, so daß von Luthers Reden und Taten alsbald Kunde nach Nordhausen kam. Außerdem studierten viele Nordhäuser in Erfurt und Wittenberg und waren zu Luther in persönliche Beziehung getreten. Unter diesen sind besonders Justus Jonas, ein geborner Nordhäuser und Lorenz Süße zu nennen. Süße hatte mit Luther in Erfurt studiert, war mit ihm dann Mönch im Augustinerkloster gewesen und später nach Wittenberg gekommen, wo er Luthers Tischgenosse wurde, im Jahre 1519 wurde er zum Vorsteher des Augustinerklosters in Nordhausen ernannt. Einige Jahre später finden wir ihn als Prediger an der Petrikirche. Hier hielt er am 16. Februar 1522, am Sonntag Sexagesimä, die erste evangelische predigt. Sein ruhiges und mildes Auftreten bereitete den Boden für die evangelische Lehre in rechter Weise vor.

Neben Süße wirkten für Luthers Lehre im stillen noch zwei Männer, der Ratsapotheker Blasius Michel und der Ratsschreiber Michael Meyenburg, der später Bürgermeister von Nordhausen ward. Blasius Michel brachte von seinen Geschäftsreisen regelmäßig die neuesten Schriften Luthers mit. In seiner Wohnung, der alten Ratsapotheke (sie lag auf der Stelle der jetzigen Häuser Lutherplatz 8 u. 9), versammelten sich dann Freunde und Anhänger der neuen Lehre, um die Schriften zu lesen und zu besprechen. Zu den Anhängern Luthers gehörte auch Michael Meyenburg, ein Mann von scharfem Verstand und praktischem Geschick. 2hm zumeist ist es zu verdanken, daß die Einführung der Lehre Luthers ohne große Schwierigkeiten vonstatten ging. Der große Maler aus der Reformationszeit, Lukas Kranach, hat ihn und seine Familie auf einem Bilde dargestellt, das in der Blasiikirche hängt und ein Epitaphium, d. h. Grabdenkmal des 1555 verstorbenen Bürgermeisters ist; es stellt die Auferweckung des Lazarus dar; außer den dabei beteiligten Personen sieht man auch die Reformatoren wie auch Meyenburg mit seiner Familie auf dem Bilde.

Der eigentliche Reformator Nordhausens ist aber Johannes Spangenberg. Er hatte in Erfurt studiert und war dort mit dem Grafen Botho von Stolberg bekannt geworden, der ihn bald nach Stolberg berief. Hier wirkte er mit großem Erfolg für die Lehre Luthers. In dieser Zeit (1524) wurde die Pfarrstelle an der St. Blasiikirche in Nordhausen frei, und nun wurde Spangenberg zum Prediger an dieser Kirche gewählt. Seine glänzende Beredsamkeit und sein festes entschiedenes Auftreten führte die evangelische Bewegung zu dem gewünschten Ziele; denn schon 1521 erließ der Rat den Befehl: „Die Pfarrer an allen Pfarrkirchen sollen nach Beschluß der Ehrbaren und Freien Reichsstadt das göttliche Wort einträchtig nach dem heiligen Evangelio und den biblischen Schriften hinfüro predigen; wer aber dagegen und des Widerspiels befunden, dem soll sein predigen verboten sein." Wenn der Sieg der evangelischen Lehre auch erst endgültig im folgenden Jahre durch die Auflösung der Klöster während des Bauernkrieges entschieden wurde, so gehört Nordhausen doch zu den ersten Städten, die die Lehre Luthers annahmen/ Luther rühmt sie daher auch mit folgenden Worten: „2ch weiß keine Stadt am Harz oder im deutschen Lande, welche sich dem Evangelio so bald unterworfen, als die Stadt Nordhausen."

Von allen Kirchen in Nordhausen blieb allein der Dom katholisch.

Justus Jonas

Aus unserer Stadt stammt einer der eifrigsten Förderer der evangelischen Sache und einer der besten Freunde und Gehilfen Luthers; er heißt Justus Jonas. 2m Jahre 1493 wurde er als Sohn des Ratsmeisters Jonas Koch geboren und hieß anfangs Jobst Koch. Nach damaliger Sitte der Gelehrten änderte er später seinen Namen, aus Jobst machte er Justus und setzte dazu den Vornamen seines Vaters, Jonas. Den ersten Unterricht erhielt er in der lateinischen Stadtschule. Er machte so gute Fortschritte, daß er schon mit dem dreizehnten Jahre die Universität zu Erfurt beziehen konnte. Später ging er nach Wittenberg, ward hier mit Luther befreundet und stand ihm im Kampfe treu zur Seite. Zunächst kam Jonas wieder nach Erfurt, wo er Lehrer an der Universität wurde. Er trat hier mutig für Luther ein und riß in seiner Begeisterung für ihn auch die Studenten mit fort. Im Jahre 1521 begleitete Jonas seinen Freund Luther nach Worms zum Reichstage und war hier Zeuge seines entschiedenen Bekenntnisses. Während Luther noch auf der Wartburg saß, ward Jonas als Lehrer an die Universität zu Wittenberg und daneben als Prediger an die Schloßkirche berufen. Luther, Melanchthon und Jonas schlossen sich nun als Freunde innig aneinander und teilten getreulich Freud und Leid bis an ihr Ende.

Ein besonderes Geschick zeigte Jonas bei der Bildung evangelischer Gemeinden. Daher sandte Luther ihn nach vielen Städten, um dort den Gottesdienst nach evangelischer Ordnung einzurichten. So führte er 1536 in Naumburg trotz des dortigen Bischofs die Reformation durch. In den folgenden Jahren ordnete er das Kirchenwesen in Zerbst und Anhalt; 1539 war er in Leipzig, hielt hier die erste evangelische predigt und gab dem Herzogtum Sachsen eine Kirchenordnung. Ein neues Arbeitsfeld erwartete ihn in Halle. Hier verlangte die Bürgerschaft evangelische Prediger. Der Rat wählte unseren Jonas; auch hier richtete er den Gottesdienst evangelisch ein,- bald danach ernannte ihn der Rat zum Superintendenten. Als Luther 1546 zum letztenmal nach Eisleben reiste, begleitete ihn Jonas und ward Zeuge seines gläubigen Abscheidens. Als er sah, daß es mit Luther zu Ende ging, rief er ihm noch zu: „Ehrwürdiger Vater, wollet Ihr auf Christum und die Lehre, wie Ihr sie gepredigt, beständig sterben?"' Deutlich und vernehmlich antwortete Luther darauf noch: „Ja!" dann starb er.

Nach dem Tode Luthers brach für Jonas eine schwere Leidenszeit an. Der Herzog Moritz von Sachsen gewann im Schmalkaldischen Kriege auch Halle und forderte von dem Rate, daß der Prediger Jonas, der gegen ihn und den Kaiser geredet habe, entlassen würde. Jonas mußte die Stadt verlassen. Er floh mit Weib und Kind nach seiner Vaterstadt Nordhausen. Ein neues Amt fand er bald darauf in Hildesheim, wo er das Kirchenwesen im evangelischen Sinne ordnete. Aber er fühlte sich dort nicht wohl, und als ihm Melanchthon bei dem Herzoge Moritz Verzeihung erwirkt hatte, kehrte er wieder nach Halle zurück. Doch stellte ihn der Rat nicht wieder als Prediger an, so daß es ihm mehrere Jahre recht schlecht erging. Schließlich verließ er Halle, war kurze Zeit in Koburg und Regensburg Prediger und kam dann nach Eisfeld, wo er als Superintendent nach zweijähriger Wirksamkeit 1555 starb. — Nordhausen hat seinen vierhundertjährigen Geburtstag festlich begangen und an der Adlerapotheke, in deren Nähe sein Geburtshaus gestanden hat, eine Gedenktafel angebracht, die folgende Inschrift enthält: Ihrem großen Sohne Or. Justus Jonas, geboren 5. Juni 1493 zu Nordhausen, gestorben 9. Oktober 1555 zu Eisfeld, die Stadt Nordhausen am 5. Juni 1893."

Der Bauernkrieg in Nordhausen und Umgegend 1525

Im Frühling des Jahres 1525 brachen unter dem Landvolk unserer Heimat Unruhen aus. Die Bauern rotteten sich zusammen und plünderten besonders die Rittergüter der Edelleute, die Klöster und die katholischen Geistlichen.

Ein Bauernhause überfiel das Kloster Himmelgarten vor Nordhausen. Der vorsichtige Abt des Klosters hatte aber schon vor Ankunft der Bauern die wertvolle Büchersammlung des Klosters und andere Schätze nach seinem Klosterhof in Nordhausen (in der Töpferstraße gelegen) schaffen lassen. Als die Plünderer daher kamen, fanden sie nur Vieh und Getreide, das sie unter sich verteilten. Die geflohenen Mönche kehrten nicht wieder in das verödete Kloster zurück, und seitdem ist Himmelgarten eine stolbergische Domäne. Die ehemalige Klosterbibliothek befindet sich heute in der Sakristei der St. Blasiikirche.

Die Bauern der Grafschaft Lohra plünderten Dietenborn und Münchenlohra. Als sie die Pfarre in Elende überfielen, soll der Pfarrer seine Bienen aufgerüttelt haben, so daß sich diese auf die Plünderer stürzten, die nun eiligst die Flucht ergriffen.

Die klettenbergischen und hohensteinischen Bauern hatten das Kloster Walkenried zu ihrem Standquartier erwählt. Damit sie das Kloster nicht zerstören sollten, hatte der Abt bei seinem Wegzuge die Schlüssel stecken lassen. Trotzdem blieb das Kloster nicht verschont. Zunächst zerschlugen die Bauern alle Fenster, Ofen, Türen und Bilder; dann richteten sie ihr Augenmerk auf die große Glocke, deren Metall sie verkaufen konnten. Sie hing in einem kleinen Turme mitten über der Kirche; beim Herabstürzen zerschlug sie das Kirchendach. Der Schaden wurde später nicht wieder ausgebeffert, und die Kirche verfiel immer mehr/ heute sind nur noch Ruinen davon vorhanden. — Auch kriegerische Übungen wurden vorgenommen, an denen selbst der Graf Ernst von Honstein teilnehmen mußte. Als die Bauern einst von solcher Übung zurückkehrten, sagte der Anführer, der Schäfer Hans Arnold von Bartholfelde, zu dem Grafen, indem er sich auf einem Bein umdrehte: „Sieh, Bruder Ernst, den Krieg kann ich führen, was kannst denn du?" Der Graf antwortete: „Ei Hans, sei zufrieden, das Bier ist noch nicht in dem Fasse, darin es gären soll." Diese Antwort verdroß die Bauern sehr, und der Graf mußte sie mit guten Worten beschwichtigen.

Nach einiger Zeit zogen die Bauern weiter auf Nordhausen zu und lagerten sich auf der Wiese bei der Flarichsmühle vor Kleinwechsungen. Schnell traf nun der Rat von Nordhausen Vorkehrungen zum Schutze der Stadt. Er verstärkte die Besatzung durch vierhundert Fußknechte, nahm die Kleinodien der Klöster in Verwahrung und ließ die einzelnen Stadtviertel zu einer Beratung Zusammenkommen und ihre Beschwerden, die sie etwa gegen den Rat hätten, aufsetzen. Trotzdem konnte der Rat nicht verhindern, daß auch hier Ausschreitungen vorkamen. 2n einer Nacht wurde das predigerkloster erbrochen und ausgeplündert, ebenso das Augustinerkloster in der Neustadt und das Barfüßerkloster. Ein gleiches Schicksal ereilte die beiden Nonnenklöster auf dem Frauenberge und im Altendorfe und die Häuser der Stiftsgeistlichen im Dome. Ein Haufe zog aus dem Altentore, um sich mit den klettenbergischen Bauern auf der Flarichswiese zu vereinigen. Als diese am anderen Tage nach Heringen kamen und von der Niederlage Münzers bei Frankenhausen hörten, stoben sie erschreckt auseinander.

Die Grafen von Honstein sowohl wie der Rat von Nordhausen straften die Empörer ziemlich milde, nur einige der Haupträdelsführer wurden hingerichtet. Einer, ein Töpfer von Ellrich, der den glücklichen Einfall hatte, den Grafen zu Gevatter zu bitten, wurde unter der Bedingung begnadigt, daß er lebenslänglich die gräflichen Ofen zu Lohra und Klettenberg im Stande erhielt. Der übrige Haufe mußte zur Erntezeit 1525 an einem bestimmten Tage auf dem Teichdamme bei Schiebungen[2] ohne Wehr und mit weißen Stäben in den Händen erscheinen. Hier umringten die Grafen und Edelleute sie und berieten, was mit ihnen zu tun sei. Bernhard von Tettenborn, dessen Sohn in dem Aufstande umgekommen war, hielt für recht, daß an jedes Edelmannes Spieße neun Bauern hingen. Andere meinten, man sollte alle in den großen Teich jagen und ersäufen/ doch Balthasar von Sundhausen, Stadthauptmann in Nordhausen, von dem Grafen Ernst um seine Meinung befragt, sagte, das arme Volk habe freilich den Tod verdient, aber der Graf möge bedenken, daß dadurch viele Acker wüst liegen und die Menge der Witwen und Waisen groß werden würde; darum möge man sie lieber die Acker bauen und hie Ihrigen ernähren lassen, den einzelnen aber nach ihrem Vermögen Geldstrafen auflegen. Da entschied der Graf: „Sundhausen, du hast heute geredet wie ein ehrlicher Mann, dein Wort soll Ehre haben/ Aber die anderen Edelleute waren über diese Entscheidung so unwillig, daß der Graf den wackeren Sundhausen zur Sicherheit durch seine Diener zurückbegleiten ließ. Die Bauern zahlten darauf Geldstrafen, doch keiner über vier Gulden.

So ward die Ruhe alsbald wieder hergestellt. Rat und Bürgerschaft durften wieder freudig aufatmen. Den armen irregeführten Bauern brachte der Aufstand die erhoffte Freiheit nicht,- sie gerieten vielmehr in eine noch größere Abhängigkeit von ihren Herren, und ihre Lage ward schlimmer als vorher. Die Stadt Nordhausen dagegen gewann an Besitz und Macht. Fünf Klöster standen zum Teil verlassen da, ihre reichen Besitzungen fielen der Stadt zu, denn die entflohenen Insassen hatten sich zerstreut und zeigten keine Lust zurückzukehren. Von den predigermönchen ließen sich die meisten als Landpfarrer anstellen, einige von ihnen heirateten nach Luthers Beispiel. Die Barfüßer und Augustiner forderten nur Entschädigungen für die Aussteuer, die sie einst dem Kloster zugebracht hatten. In das Frauenbergkloster kehrten die Nonnen nach zwei Jahren wieder zurück und blieben darin bis 1557 da stifteten die letzten aus dem Klostervermögen eine Mädchenschule.

Ein Hexenprozeß in Nordhausen. (1573)

Es sind im 16. und 17. Jahrhundert auch in Nordhausen Frauen, die man der Zauberei und des Umganges mit dem Teufel beschuldigte, als Hexen verbrannt. Uber einen solchen Fall wird folgendes berichtet: „1573 am 18. Juli ist Catharina Wille in Güte befragt, ob sie Hans Reinhardts Frau die Krankheit zugebracht oder nicht, sie gesteht aber ganz und gar nicht. Darauf ist sie mit der Schärfe angegriffen und nun bekannte sie: Reinhards Frau habe ihr gedroht, sie wolle sie noch in großen Schaden bringen, da sei sie hernach zu ihr gegangen und habe eine Suppe mit ihr gegessen und ihr ein pülverchen hineingetan von Osterluzei, Reinfal und wilder Kreuzwurzel, davon habe sie den Schaden bekommen. Zum andern wurde ihr vorgehalten, daß sie Heinrich Pechsteins Jungen, der ihren Hund geworfen, gedroht und gesagt: es solle ihn gereuen, daß er den Hund geworfen. Darauf hat sie gesagt: Ja, sie gestehe es, daß sie dem Jungen sechs paar Elben zugebracht habe und diese Worte in aller Teufels Namen gesprochen: es komme dich an, wie ich es meine. Gefragt, von wem sie solches gelernt habe, hat sie berichtet, der Teufel habe es sie gelehrt. Frage: ob sie auch auf dem Brocken gewesen sei? Antwort: Ja, sie sei einmal auf Walpurgisabend auf dem Brocken gewesen und sei auf einem weißen Ziegenbock durch die Lust dahingefahren. Der Teufel habe dort mit ihr getanzt. — Wonach sie getanzt? — Antwort! Es habe einer eine lange Pfeife gehabt, der sei gestaltet gewesen wie ein Schäfer und habe gepfiffen. Es hätten auch noch andere mehr am Reigen getanzt, doch habe sie diese nicht erkannt. Frage: Wem sie die Elben zugebracht? — Antwort: Zwei paar habe sie des Bäckers Jungen auf dem Frauenberge zugebracht, weil er sie mit Dreck geworfen habe,- doch habe sie der Junge nur zwei Tage gehabt. — Um die Elben abzubringen, habe sie die Leute geräuchert und diesen Segen gesprochen: Alle Elben über den Reyn, so gebiete ich dir zu welchen, daß du niemand Schaden tust, weder Menschen, Vieh noch Tiere,- im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes! — Nachher wurde ihr das abgelegte Bekenntnis noch einmal vorgelesen und sie in Güte gefragt, ob sie dabei bleiben wolle, worauf sie gesagt hat: Ja!

Auf solch ihr Bekenntnis ist Catharina Wille Freitags, den 7. August, mit dem Feuer vom Leben zum Tode gerichtet worden."

Der Dreißigjährige Krieg in unserer Heimat

Bis zum Jahre 1625 merkte man in unseren Gegenden nichts vom Kriege. Da kam Tilly mit seinen Scharen, und bald daraus erschienen auch wallen- steinische Truppen. Alle Dörfer, Städte und Schlösser lagen voll von Kriegern, die unglaublich zügellos waren,- sie verwüsteten die Felder, raubten das Vieh und erpreßten unerschwingliche Kriegssteuern von den Bewohnern, so daß diese fast an den Bettelstab kamen.

Nordhausen hatte von 1626 — 1649 unter fortwährenden Einquartierungen zu leiden. Zuerst kamen kaiserliche Truppen, später auch schwedische,- beide hausten gleich schrecklich in der Stadt. Die Kaiserlichen betrachteten sie als ein Ketzernest, und die Schweden sahen in ihr eine kaiserliche Reichsstadt.

Im Herbst 1627 besetzte der sächsische Oberst Vitzthum von Eckstädt die Grafschaft Hohenstein. Da die geforderte Summe der Kriegsschatzung nicht sogleich aufgebracht werden konnte, ließ er in der Chrlstnacht trockenes Holz um die Burg Hohnstein aufsichten und dann das Holz anzünden, so daß auch die Burg mit verbrennen mußte. Damit niemand löschen oder etwas aus der Burg retten könne, ließ er eine Postenkette um den Burgberg aufstellen. So wurde die alte Grafenburg ein Raub der Flammen und liegt seit dieser Christnacht (1627) in Trümmern.

Die Kirchenbücher aus dieser Zeit enthalten erschütternde Beispiele von dem Elend, das überall herrschte.

Die Dorfinsassen hatten durch die langen Schreckensfahre jede Zucht verloren und zeigten sich vielfach nicht besser als die Kriegsvölker. So schreibt der Pfarrer in Stöckey: »Anno 16Z? da die kaiserliche Armee den 18. und 19. Januar und folgends durchzog, haben etliche meiner pfarrkinder dasjenige, was die Soldaten nicht verdorben und genommen, alles von der Pfarre abtragen, also daß ich nicht einen Löffel, Topf oder Becken, ja nicht soviel wiedergefunden, daß ich könnte die Hände an trocknen, haben mich also mit meinem Weib und Kindern (weil ich nichts hinweggebracht) gänzlich an den Bettelstab gesetzt, daß ich auch ihrethalben, wo mich unser Herrgott nicht wunderlich ernähret, die größte Not leiden müssen".

Im Totenregister von Niedergebra heißt es: "Es wurden begraben: Hans Schillings Enkelkind, so von Hüpstedt wegen der Soldaten hergelaufen, eine Magd, so allhier gedient, ist von Soldaten bei Bleicherode erwürget, ein Soldat, der auf dem Felde erschossen worden,- Ulrich Michel, der Knecht eines Kornetts, so von diesem erschossen worden. Ein armes Bettelkind vom Eichsfelde begraben, ein arm Kind, so sein Vater hier sitzen lassen, ein Söhnlein, so tot auf dem Wege wiedergefunden, ein fremdes Mägdlein auf Hägens Hofe, dann wieder ein armes Mägdlein,- ein armer Knabe zur Erde gestattet, die unser aller Mutter ist.

Das Kirchenbuch in Pustleben enthält folgende Aufzeichnungen: »Martin Knöchelmann, welcher von den Soldaten zu Tode geschlagen, ungefähr 14 Tage vor Weihnachten von seinem Tochtermann »»gepredigt, ungesungen und ungeklungen begraben.

Ottilia Scheffers und ihr Kind, welche in der bösen Zeit beide Hungers gestorben und von den Hunden fast aufgefressen, und das übrige zusammengelegt und von ihrer Schwester ungeklungen und -gesungen begraben worden.

Das Kirchenbuch von Mitteldorf bringt folgenden Bericht: »Etliche kaiserliche Soldaten von den Schwedischen erschlagen und allhier beigeschoren.

Etliche Kinder „ob tumultum dsllicum" (in den Kriegsunruhen) als die Herde zerstört, in die Erden verschoren worden.

Von Buhla heißt es: »1639 am 5. Marti! ist Lorentz Keßler von Lraja begraben, welcher den Tag zuvor, als er das Eisen nach der Schmiede tragen wollte, von den Soldaten unterwegs jämmerlich und unschuldig erschlagen und erstochen worden. Und wie sah es am Ende des Krieges bei uns aus?

Nordhausen war an den Rand des Verderbens gebracht, die Stadt hatte mehr als 1½ Millionen Mark an Kriegskosten bezahlt.

Ellrich hatte beim Friedensschlüsse nur noch 146 bewohnte Häuser, 237 lagen in Schutt und Asche.

Sachsa hatte 9 bewohnte Häuser, 56 waren wüste Schuttstätten.

Über den Zustand der Dörfer in der Grafschaft am Ende des Krieges gibt folgendes Verzeichnis Auskunft:

Name bewohnte Häuser wüste Hausstellen
Buhla 38 16
Klettenberg 24 15
Etzelsrode 5 15
Epschenrode 16 12
Gratzungen 13 7
Großwenden 27 16
Haferungen 7 21
Hainrode 24 15
Holbach 4 10
Kleinwenden 16 2
Liebenrode 27 17
Limlingerode 26 16
Lipprechterode 35 19
Mackenrode 0 25
Obersachswerfen hatte
nur 12 Familien
Pützlingen 8 12
Rüxleben 17 32
Schiebungen 3 8
Sollstedt 37 21
Steinsee 4 4
Stöckey 24 10
Tettenborn 30
Trebra 21 36
Werningerode 20 47
Wülfingerode 32 19

Vom Kloster Münchenlohra wird berichtet: Schafstall abgebrannt, der Kuhstall ist eingefallen, das Wohnhaus eingefallen, Pferdestall eingefallen, ebenso die Kirche, das Brauhaus und der Heuschuppen; die Kirche ist sehr wüste; am Kloster ist das Tor ganz wüste.

Wie in Nordhausen der Westfälische Friede gefeiert wurde

Quellenbericht.

1650 am 2. September ist der Frieden- und Freuden-Festtag nach geschlossenem Frieden allhier feierlich gehalten worden. Des Abends vorher ist die Vesper gehalten und darauf von 4-5 Uhr mit allen Glocken 1 Stunde lang geläutet. Des andern Tages frühe ward der Anfang gemacht auf der Schule und mit Trompeten und anderem Saitenspiel über die Mauer hinaus, denn der Rat ließ allda eine Bühne Hinsehen, mit 4 Choren trefflich musizieret,- dies hat gewähret bis um 6 Uhr. Nach solchem sind die Knaben, Schüler und die ganze Schule, dazu auch die Bürger ihre kleinen Kinder geschicket, mit paaren vor den Weinkeller auf den Markt gegangen, die jüngeren Knaben haben weiße Hemden an, grüne Kränze auf ihren Häuptern und grüne Zweige in ihren Händen und sungen miteinander bis dahin, fingen auch aufs neue und stattlichste an mit allen Saitenspielen zu musizieren auf dem Markt vor dem Rathause mit pauken und Trompeten. Nachdem solches vollbracht, gingen die Schüler und alle Knaben dreimal um die Kirche St. Nikolai über den Kornmarkt durch den Krämern her und sungen,- letztlich aber nahm ein jeglicher Lehrer seine Schüler, so in seine Pfarre gehörten und sungen ein jeglicher mit solchen bis in seine zugehörige Kirche hinein und ward der Gottesdienst mit Singen, Loben, predigen und Danken in allen Kirchen gehalten. Um 12 Uhr ward von St. Nikolai, St. Blasii, St. Petri und St. Jakobi Kirchturm mit Trompeten chorweis, da einer dem andern herumgeantwortet, gespielet und um 1 Uhr zum abermaligen Gottesdienst geläutet. Auch von 4 bis 5 Uhr abermals 1 Stunde mit allen Glocken geläutet und letzlich abends um 8 Uhr von allen jetztgedachten 4 Kirchtürmen wechselsweise musizieret und sonderlich das Te Deum laudamus (Herr Gott, dich loben wir) sowohl mit Vocal- als auch mit Instrumentalmusik abgesungen.

Die Grafschaft Hohenstein kommt an Brandenburg 1648

Im Westfälischen Frieden erhielt der Große Kurfürst, Friedrich Wilhelm von Brandenburg, von unserer jetzigen Provinz Sachsen die geistlichen Fürstentümer Magdeburg und Halberstadt. Zu Halberstadt gehörte seit dem Tode des letzten Grafen von Honstein (1593) auch die Grafschaft Hohenstein; so kam diese jetzt mit Ausnahme des Stifts Walkenried, das an Braunschweig fiel, zu Halberstadt; wie Walkenried, so blieb auch der jetzt Hannoversche Teil der alten Grafschaft bei Braunschweig, dessen Herzöge seit dem 15. Jahrh. Lehnsherrn der Burg Honstein und dessen Zubehör gewesen waren.

Die Besitzergreifung der neuen Landesteile durch den Großen Kurfürsten verzögerte sich aber bis ins Jahr 1650. Im Juni dieses Jahres kamen die kurfürstlichen Abgesandten hierher, um die Untertanen durch den Huldigungseid dem neuen Landesherrn zu verpflichten. Ehe jedoch der Eid geleistet wurde, schlossen die Vertreter der Grafschaft mit den Abgesandten auf dem Rittersitze des Herrn v. Berlepsch zu Buhla[3] einen Vertrag, nach dem für die Grafschaft eine besondere Negierung unter einem von der Grafschaft selbst gewählten Direktor eingerichtet werden sollte. Darauf wurde der Huldigungseid geleistet. Zum Schluß der feierlichen Handlung riefen die Vertreter der Grafschaft: „Es lebe Brandenburg!" So war nun die Grafschaft Hohenstein an Brandenburg gekommen.

Jedoch übernahm der Große Kurfürst die Negierung noch nicht selbst. Schon während der Friedensverhandlungen zu Münster und Osnabrück hatte er die Grafschaft seinem Geheimen Nate, dem Grafen von Sayn-Wittgenstein, verliehen, der bei den Friedensverhandlungen Brandenburg vertrat und es verstanden hatte, manche Vorteile für seinen Herrn durchzusehen. Allerdings kannte der Große Kurfürst die Grafschaft Hohenstein nicht; der Graf von Sayn-Wittgenstein hatte ihm vorgespiegelt, sie bestehe nur aus zwei Ämtern und dem Städtchen Bleicherode und sei nur wenige 100 Taler wert. Als jedoch der Große Kurfürst durch seine Abgesandten zu dem Tage in Buhla erfuhr, daß sie nicht aus zwei Ämtern, sondern aus zwei Herrschaften — Lohra und Klettenberg — bestehe, zu denen 3 Städte, 1 Flecken, 2 Klöster, 45 Amts- und 14 adelige Dörfer, 14 Vorwerke, 51 Rittergüter und 26 Freigüter gehörten, zögerte er, sie dem Grafen zu überlassen. Indessen wollte er sein einmal gegebenes Wort nicht brechen, und so gab er ihm die Grafschaft, jedoch unter dem Vorbehalte, daß sie jederzeit durch etne Zahlung von 150000 Talern, die einige Jahre später auf 60000 Taler verringert wurde, von dem Kurfürsten von Brandenburg wieder eingelöst werden könne; auch schrieb er dem Grafen: „Wenn Wir gewußt, daß es eine solche Beschaffenheit um die Grafschaft Hohenstein, wie Uns erst hernach von Unsern Ständen klar gemacht worden, gehabt hätte, so würden Wir Uns zu einer solchen Vergebung nicht haben verstehen können"". Bevor der Graf von Sayn-Wittgenstein die Negierung antrat, kam es zu Verhandlungen zwischen ihm und den Vertretern der Grafschaft. Das kleine Ländchen glich einem Ball in den Händen der Spielenden. Seit dem Tode des letzten Grafen von Honstein (1593) sollten die Bewohner jetzt zum siebenten Male den Huldigungseid leisten. Nachdem der Graf versprochen hatte, ihnen alle ihre Rechte zu lassen, fand 1651 zu Ellrich die Huldigung statt. Eine besondere Negierung für die Grafschaft wurde in Bleicherode errichtet.

Nur ungern hatte der Große Kurfürst dem Grafen von Sayn-Wittgenstein die Grafschaft überlassen. Er fing auch bald Verhandlungen mit ihm an, um die Grafschaft wieder zu erhalten; sie führten jedoch nicht zum Ziele. Besonders war der Kurfürst darüber erbittert, daß der Graf die Güter schlecht verwaltete. Auch machte der Graf Schulden auf die Grafschaft. Am meisten aber kränkte es dem Großen Kurfürsten, daß der Graf zu Klettenberg (1672) eine Münze einrichtete, die ganz geringwertiges Geld, sogenannte „Heckemünzen" prägte, die bald in ganz Deutschland verrufen waren. Das schlechte Geld, das kaum den halben Wert hatte, den es haben sollte, wurde in der Umgegend in Umlauf gesetzt. Das erregte in den angrenzenden Ländern große Unzufriedenheit, besonders bei der Regierung in Hannover,- denn es war ermittelt worden, daß vorzugsweise das vollwichtige Harzer Silbergeld umgeprägt wurde, das von umherziehenden Juden aufgekauft und in großen Säcken nach Klettenberg geschafft wurde, wo man es einschmolz, mit Kupfer vermischte und wieder neu ausprägte. Der Graf wurde deswegen mehrfach, aber vergeblich, verwarnt. Da beschwerte der Kurfürst Ernst August von Hannover sich beim Kaiser, der die Sache untersuchen ließ; aber einen Erfolg hatte dieser Schritt auch nicht. Da griff die Hannoversche Regierung zur Selbsthilfe. Sie befahl ihren Beamten und Forstleuten Ln der Nähe Klettenbergs den Personen aufzulauern und sie anzuhalten, die Silber dahin oder ausgeprägtes Geld von dort zurückschafften. Längere Zeit war alle Wachsamkeit der Beamten vergebens; endlich entdeckten sie einen verdächtigen Zug und griffen ihn an; aber gräflicher- seits hatte man sich vorgesehen. Denn als beide Teile kaum begonnen hatten, mit Knüppeln und Steinen handgemein zu werden, erschien plötzlich ein Trupp gräflicher Reiter und nötigte die Hannoverschen Beamten, unverrichteter Dinge wieder abzuziehen. Die Hannoversche Regierung berichtete diese Vorgänge an den Kurfürsten von Brandenburg mit dem dringenden Ersuchen, das Unwesen endlich und gründlich abzustellen. Bald traf auch die Antwort ein, daß der Befehl erteilt sei, die Heckemünze zu Klettenberg aufzuheben. Mit dem Jahre 1691 nahmen die Heckemünzen des Grafen von Sayn-Wittgenstein ihr Ende.

Bald darauf kam die Grafschaft wieder an Brandenburg; da gütliche Verhandlungen erfolglos blieben, nahm Kurfürst Friedrich III. im Jahre 1699 die Grafschaft mit Gewalt dem Grafen von Sayn-Wittgenstein ab und verleibte sie seinen Staaten ein. Dem Grafen zahlte er eine Entschädigung von 100 000 Talern und übernahm auch noch die auf den Gütern liegende Schuldenlast von fast 300 000 Talern. Seitdem gehört nun die Grafschaft Hohenstein zu Brandenburg-Preußen. Die Orte der Grafschaft gewannen jetzt an Bedeutung, so besonders Benneckenstein, das im Jahre 1741 durch Friedrich den Großen zur Stadt erhoben wurde. Schon 1691 war die gräfliche Regierung nach Ellrich verlegt worden; dort blieb sie auch als „preußische Landesregierung für die Grafschaft Hohenstein" bis zum Jahre 1714 dann wurde die Grafschaft der „Königlichen Kreis- und Domänenkammer" zu Halberstadt zugeteilt. Neu entstand unter der Regierung Friedrichs I. seit dem Jahre 1700 das Dorf Friedrichsrode in der Grafschaft.

König Friedrich Wilhelm I. in unserer Heimat

Im Jahre 1722 besuchte König Friedrich Wilhelm I. unsere Heimat. Er kam über Benneckenstein und fuhr zuerst nach dem Gute Klettenberg und von da nach Woffleben. Von dem dortigen Amtmann Fahrenholz war allgemein bekannt, daß er die Bauern seines Bezirkes durch Hand- und Spanndienste so schwer drücke, daß sie ihren eignen Ackerbau versäumen mußten und dabei ganz verarmten. Als nun der König in den Amtshof einfuhr, rief er mit lauter Stimme: „Wo ist der Bauernschinder, der Amtmann Fahrenholz?" Dieser war aber aus Angst vor dem König schon geflohen. Aus Unwillen darüber betrat der König das Gutshaus nicht, sondern speiste in einer Scheune zu Mittag. — Hier zu Woffleben spielte sich noch ein drolliger Vorgang ab. Als der König in der Scheune zu Mittag aß, stand das Volk draußen und wollte den König sehen. Da kam der „alte Dessauer", der in der Begleitung des Königs war, heraus und mischte sich unter die Leute. Ehrerbietig zogen alle den Hut vor dem alten Haudegen bis auf einen Nordhäuser Bürger. Dieser meinte, da er als „freier Reichsstädter" nicht preußischer Untertan war, seinen Hut auf dem Kopfe behalten zu dürfen. Darüber wurde der „alte Dessauer" fuchswild und bearbeitete den Nordhäuser so mit seinem Knotenstock, daß er vorzog, das Weite zu suchen.

Von Woffleben begab sich der König nach Bleicherode, der Hauptstadt der Herrschaft Hohenstein. Als er das Städtchen wieder verließ und nach der Domäne Lohra fahren wollte, lief sich eine Achse seines Wagens in Brand. Während der Schaden ausgebessert wurde, erschien die Frau des Amtmanns Hofmann von Lohra, um den König um eine Ermäßigung der Pachtsumme zu bitten. Unglücklicherweise trug die Frau nun ein Kleid von französischem Kattun. Bei der Abneigung des Königs gegen alle ausländischen, besonders aber gegen französische Stoffe, ist es begreiflich, daß die Frau einen Erfolg ihres Gesuches von vornherein vereitelte. Kaum hatte sie sich unter vielen Knixen dem Könige genähert und ihre Bitte vorgebracht, als er unwillig erwiderte, daß er keinen Pfifferling von der Pachtsumme ablassen werde; denn wenn sie noch Geld für französische Kleider übrig habe, dürfte auch die Domänenkammer in Halberstadt (wozu die Grafschaft Hohenstein gehörte) ihr Geld erhalten können. Durch die Bitte der Frau auf die Wirtschaft ihres Mannes aufmerksam gemacht, beschloß der König, sich in Lohra genau von dem Stande der Dinge zu überzeugen. Auch über den Amtmann Hofmann wurden von den Untertanen zahlreiche Beschwerden erhoben; der König fand sie gerechtfertigt, er ließ den Amtmann festnehmen und nach der Festung Magdeburg abführen. — Am andern Tage hielt sich der König auf dem Rittergut in Pustleben auf. Auch hier belustigte der „alte Dessauer" die zahlreich herbeigeeilten Landleute wieder durch seine Späße, indem er sich ihnen als ihren König vorstellte. Er rief aus dem geöffneten Fenster: „Wollt ihr den König sehen? Ich bin es!" Aber lachend erwiderten die Leute: „Dich kennen wir wohl, du bist der alte Dessauer, unser König bist du nicht"* — Über Nordhausen und Halle fuhr der König nach Berlin zurück.

Nordhausen und die Grafschaft Hohenstein im Siebenjährigen Kriege

Auch im siebenjährigen Kriege nahm Nordhausen eine eigentümliche Stellung ein; als Reichsstadt mußte sie auf Seiten des deutschen Reiches stehen und zu Friedrichs des Großen Feinden gehören; das Reich war aber nicht imstande, sie zu schützen, und so war sie dem siegreichen Preußenkönige wehrlos preisgegeben; außerdem war sie ganz von preußischen Landesteilen eingeschlossen, da die Grafschaft Hohenstein preußisch war. Die Franzosen aber, die ja eigentlich Bundesgenossen der Stadt waren, machten als fremdes Volk keinen großen Unterschied zwischen preußischem und nichtpreußischem Gebiete. Anfangs Okrober 1757 rückten sie mit einigen Tausend Mann in Nordhausen ein. Als Magazin für Heu und Stroh diente die Spendekirche, für Korn der Walkenrieder Hof (jetziges Hauptsteueramt), für Hafer der Ilfelder Hof (Pferdemarkt 11), die Hospitäler St. Martini und St. Cyriaci wurden als Lazarett benutzt. Nachdem die Franzosen bei Roßbach geschlagen waren, lagen sie auf dem Rückzuge hier wieder mehrere Tage. — Am schlimmsten trieb es der preußische Rittmeister Kovats. Den Bürgern forderte er ihre Gewehre ab, den Kaufleuten nahm er rotes und grünes Tuch weg, den Kürschnern Pelze, den Schuhmachern und Gerbern Leder. Als der Bürgermeister Riemann ihm die Schlüssel zu den Kanonen nicht aushändigen wollte, nahm er ihn zwei Stunden in Haft und ließ unterdes die Geschütze auf den Kornmarkt vor sein Quartier bringen. Nachdem man ihm 15000 Taler zugesichert hatte, versprach er, die Kanonen hier zu lassen und keine Geiseln mitzunehmen. Er hielt aber sein Wort nicht, denn die Bürgermeister Rennecke und Lange und drei andere Ratsherrn nahm er als Geiseln mit, und außerdem behielt er die schönste Kanone der Stadt, den „Lindwurm", und führte sie nach Magdeburg, wo sie später eingeschmolzen worden ist. — Im ganzen hat Nordhausen während des Siebenjährigen Krieges an Kriegskosten und allerlei Lieferungen an Brot, Getreide, Fleisch usw. etwa 400 000 Taler aufbringen müssen.

Wie für Nordhausen so sind namentlich die Franzosen auch für die Grafschaft eine schwere Last gewesen. Aufzeichnungen und Berichte aus jener Zeit wissen davon zu erzählen.

Zum ersten Male kamen Franzosen auf ihrem Vormarsch gegen Friedrich den Großen vor der Schlacht bei Roßbach durch unsere Gegend. Bei dieser Gelegenheit bemächtigten sie sich auch Ende September der Burg Scharzfels, die fast nur von Invaliden verteidigt wurde. Nach 10 Tagen tapferen Widerstandes ergab sie sich, und der französische General berichtete nach Paris, daß es ihm gelungen sei, eine bedeutende Festung in Deutschland einzunehmen. Die Franzosen bewerteten die Burg als Stützpunkt für weitere Unternehmungen. Von hier aus rückten sie am 1. Oktober in die Grafschaft ein. Etwa 1700 Mann und 600 Pferde wurden in Ellrich einquartiert, wo sie 13 Tage blieben. Ellrich war das Hauptquartier; von hier aus diktierte der Oberst seine Forderungen an das Land; fortgesetzt mußte Getreide, Brot und Fleisch für die Armee geliefert werden. Alle Dörfer waren voll von Franzosen; in manchen Bauernhäusern lagen oft 120 bis 130 Mann. Das Vieh wurde den Leuten aus dem Stalle geholt und nicht bezahlt; in Ellrich wurde einmal eine ganze Herde von 84 Stück aufgefangen und weggeführt. Nach Bleicherode kamen am 2. Oktober (1757) 2200 Mann und blieben dort 9 Tage; von der Stadt wurden bei dieser Gelegenheit 4000 Taler Brandschatzung erpreßt. Ellrich kostete die erste Einquartierung etwa 10000 Taler. Nach Abzug dieser ersten Truppe kam eine zweite in der Stärke von 15000 Mann nach Ellrich. In Kleinwerther wurden 3 Kompagnien Kürassiere gelegt und mußten hier 10 Tage verpflegt werden. Kleinwerther wurde immer stark hetmgesucht, weil hier der Landrat Freiherr von Werther auf seinem Gute wohnte, der stets für das Wohl seines Kreises regste Teilnahme zeigte, auch öfters gefangen gehalten wurde, aber immer mit den Machthabern persönlich verhandelte, um die dem Lande aufgebürdeten Lasten zu erleichtern.

Nach der Schlacht bei Roßbach kamen die Franzosen als Flüchtlinge wieder durch unsere Gegend. Den abziehenden Franzosen folgten österreichische Husaren, die hier 6 Wochen lagen. Was mag da alles von den Bewohnern herausgepreßt sein! Als sie abzogen, nahmen sie den Landrat und je 2 Magistratspersonen von Bleicherode und Ellrich als Geiseln bis nach Heiligenstadt zu dem kommandierenden General mit, weil der Kreis mit Lieferungen im Rückstände war. Als der Landrat sich darüber mit dem General geeinigt hatte, wurden die Geiseln entlassen. Im Sommer des Jahres 1758 kamen abermals österreichische Husaren. Ein Kommando suchte den Landrat wieder auf. Er war nicht sogleich zugegen, kam aber noch zur rechten Zeit, als eben der Hof und das Dorf geplündert werden sollte. Die Plünderung konnte verhindert werden, aber der Landrat wurde zu dem Oberst nach Nohra, von dort nach Bleicherode und schließlich mit noch 4 andern Geiseln nach Prag fortgeführt. Erst nach 3 Wochen kamen sie wieder zurück, der Landrat erhielt aber nun vom König den Befehl, bei Annäherung von Feinden sich sofort aus der Provinz zu entfernen.

Die letzten Jahre des Krieges gehörten für die Grafschaft zu den schlimmsten. Die Franzosen hatten sich in Mühlhausen festgesetzt und brandschatzten von da aus unsere Heimat. Es heißt in einem Bericht: „1761 und 1762 stand die Grafschaft unter beständiger französischer Zuchtrute. Die Truppen haben nicht allein über 100 000 Taler erpreßt, sondern es mußten auch 100 000 vollständige Rationen und 12000 Scheffel Früchte geliefert werden. Über 1500 Pferde hat der Untertan, ohne die Adeligen und Beamten, verloren."

Endlich wurde der Friede geschlossen. Von Ellrich brachte ein Bote die frohe Kunde von Dorf zu Dorf. In ganz Preußen wurde am 13. März das Friedensfest durch feierlichen Gottesdienst begangen. Nordhausen feierte das Friedenssest erst am 10.-12. April. Der 1. Tag (Sonntag nach Ostern) war eine kirchliche Feier. Am 2. Tage fand ein allgemeines Volksfest mit Aufzügen der Schulkinder, der Gewerke und der Bürgergarde und mit Illumination am Abend statt. Am 3. Tage veranstaltete das Gymnasium noch eine besondere Feier durch Schüleraufführungen. - Kinder und Frauen trugen bei dieser Gelegenheit „Friedensbänder", sie waren aus Seide, etwa 25-30 cm lang und 4 cm breit und mit Bildern und Inschriften bedruckt. Im Städtischen Museum zu Nordhausen werden verschiedene Friedensbänder ausbewahrt, die sich aus den Hubertusburger Frieden beziehen und die Inschrift tragen: Nordhausen, den 10. April 1763.

Friedrich der Große in unserer Heimat

Im Jahre 1754 kam Friedrich der Große auf der Reise durch seine Länder auch in die Grafschaft Hohenstein. Er war über den Harz gefahren, wo die Wege für ihn geebnet worden waren und kam über Stiege auf der alten Poststraße (bei der Nordhäuser Talsperre) von Petersdorf her in unsere Gegend. Als er auf der Höhe bei Harzrigi war, ließ er halten und sah sich Nordhausen aus der Ferne an. Dann fuhr er aber nicht auf die Stadt zu, sondern durch die Gumpe an der Stadt vorbei. Es war ihm nicht recht, daß Nordhausen nicht preußisch, sondern eine freie Reichsstadt war. Er wollte die Domäne Salza besuchen und fuhr in der Nähe des Schurzfells durch die Zorge. Hier soll ihm nun, wie die Sage erzählt, ein Rad am Wagen zerbrochen sein. Er mußte aussteigen, bis der Schaden vom Schmied in dem heutigen Schurzfell ausgebessert war.

Während dies geschah, ging der König im Freien umher, und da er Durst bekam, ließ er sich Bier bringen. Er wollte das Bier bezahlen, aber der Schmied weigerte sich, Geld dafür zu nehmen, da er keine Gastwirtschaft habe. „Nun gut", soll der König darauf gesagt haben, „dann sollst du von jetzt an eine haben". Seit dieser Zeit soll das Schurzfell eine Gastwirtschaft sein.

Von Salza fuhr der König nach Bleicherode. Hier erkannte er unter unter den zusammengekommenen Menschen den Oberstleutnant von Hitzacker aus Ascherode, der ihn in seiner Jugend das Exerzieren gelehrt hatte; er rief ihn zu sich, unterhielt sich mit ihm und nahm ihn mit nach Nohra, wo er aus dem dortigen Gut speiste und übernachtete. Der König war hier sehr vergnügt und spielte auch auf seiner Flöte. Er fuhr dann über Bielen nach Halle zu weiter. Um Nordhausen befahl er herumzulenken, denn er hatte erfahren, daß die Stadt ihm eine besondere Ehrung veranstalten wollte. Doch schoß die Stadt mit ihren Kanonen, als sie seinen Wagen von ferne vorbeifahren sah.

Friedrich Christian Lesser

In Nordhausen führt die Lesserstiege von der Neustadtstraße nach der Neuen- und der Rautenstraße, und an dem Pfarrhause der Jakobikirchengemeinde ist eine Lessergedenktafel angebracht. Wer war Lesser und welche Bedeutung hat er für Nordhausen?

Er war Prediger, Naturforscher, Geschichtsschreiber und Erbauer der Jakobikirche.

Friedrich Christian Lesser ist am 12. Mai 1692 in Nordhausen geboren, wo sein Vater Prediger an der Marktkirche war. Auch er wählte diesen Beruf und wurde zuerst Prediger an der Frauenbergerkirche und dann 1741 an der Jakobikirche, an der er bis an sein Ende 1754 gewirkt hat.

Da er kränklich war, rieten ihm die Ärzte, sich häufig Bewegung in der freien Natur zu machen. Das tat er auch, und auf den Spaziergängen, die er recht weit ausdehnte, lernte er seine Heimat genau kennen. Täglich sah man ihn wandern und Pflanzen, Insekten und Steine mit sich nach Hause schleppen. Was er fand, beschrieb er auch, und es erschienen zahlreiche naturkundliche Schriften von ihm.

Wie die Naturgegenstände, so sammelte Lesser auch geschichtliche Nachrichten über Nordhausen. Daraus ist die erste Nordhäuser Chronik hervorgegangen, die er im Jahre 1740 unter dem Titel „Historische Nachrichten von Nordhausen" herausgab. Noch heute ist das Buch für die Geschichte Nordhausens wertvoll, wenn es auch in bezug auf Form und Darstellung veraltet ist. Im Jahre 1860 wurde es durch Professor Förstemann umgearbeitet und erweitert.

Lesser ist auch der Erbauer der Jakobikirche. Die alte Kirche, die bereits 450 Jahre gestanden hatte, war so baufällig geworden, daß eine Ausbesserung nicht mehr viel nützte. Vor einem Neubau scheute sich aber sowohl der Magistrat als auch die Kirchengemeinde, weil das Geld fehlte. Aber Lesser ließ sich dadurch nicht abschrecken. In Halle, wo er studiert hatte, war er mit Aug. Herrn. Franke bekannt geworden und hatte gesehen, wie dieser seine Stiftungen ohne eigene Mittel, allein im Vertrauen auf Gott, ins Leben gerufen hatte. Dies Vorbild gab ihm Mut, ein Gleiches zu wagen. Gleich zu Beginn seiner Tätigkeit an der Jakobikirche fing er an, den Neubau der Kirche zu betreiben. Schließlich erlangte er auch die Zustimmung des Magistrats. Aber woher das Geld nehmen? Lesser erließ einen Aufruf zur Einsendung milder Gaben für den Kirchenbau. Er hatte damit einen solchen Erfolg, daß im Jahre 1744 die alte Kirche abgebrochen und bereits am 14. Juli desselben Jahres der Grundstein für die neue gelegt werden konnte. Aber mit dem Fortschreiten des Baues wuchsen auch die Schwierigkeiten. Lesser war unermüdlich tätig. Alle Pläne und Entwürfe, alle Lieferungen und Rechnungen gingen durch seine Hand. Und immer fehlte das Geld. Der Magistrat genehmigte eine Sammlung in der Stadt. Auch fanden sich stets Gönner, die Geld sandten, oft, wenn die Not am größten war. Der Herzog von Braunschweig gestattete, daß von den Ruinen des Klosters Walkenried Quadersteine für billigen Preis geholt werden konnten, freilich zum Schaden des Klosters. Endlich nach unsäglichen Schwierigkeiten war der Bau vollendet; am 12. Oktober 1749 konnte die neue Kirche eingeweiht werden. Das war der glücklichste Tag Lessers.

Nordhausen wird eine preußische Stadt. 1802

  1. Gegen Zahlung von 1500 Mark konnten die Nordhäuser 1368 die Schnabelsburg, die der Graf v. Honstein erbaut hatte, niederreißen.
  2. Die Teiche sind von 1840—1850 trocken gelegt.
  3. Das Haus mit dem Saale, der ehemalige Rittersih der Herren v. Berlepsch, steht noch bei Buhla.