Die Knappschafts-Heilstätte Sülzhayn

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Die Geschichte der Heilstätte

Die Norddeutsche Knappschaftspensionskasse

Die Knappschaftsheilstätte Sülzhayn ist von der Norddeutschen Knappschaftspensionskasse zu Halle a. S. erbaut worden, einer zugelassenen besonderen Kasseneinrichtung im Sinne der §§ 8 ff. des Invalidenversicherungsgesetzes vom 13. Juli 1899, welche die reichsgesetzliche Invalidenversicherung für die Mitglieder folgender 18 Knappschaftsvereine besorgt, des

  1. Halleschen Knappschaftsvereins zu Halle a. S.,
  2. Halberstadter Knappschaftsvereins zu Halberstadt,
  3. Brandenburger Knappschaftsvereins zu Guben,
  4. Mansfelder Knappschaftsvereins zu Eisleben,
  5. Rüdersdorfer Knappschaftsvereins zu Rüdersdorf,
  6. Knappschaftsvereins der Saline Halle zu Halle a. S.,
  7. Thüringischen Knappschaftsvereins zu Gr. Kamsdorf,
  8. Haupt-Knappschaftsvereins zu Clausthal,
  9. Unterharzer Knappschaftsvereins zu Goslar,
  10. Helmstedter Knappschaftsvereins zu Helmstedt,
  11. Rübeländer Knappschaftsvereins zu Blankenburg a. H.,
  12. Anhaltischen Knappschaftsvereins zu Cöthen,
  13. Altenburger Knappschaftsvereins zu Altenburg,
  14. Könitzer Knappschaftsvereins zu Könitz,
  15. Salzunger Knappschaftsvereins zu Salzungen,
  16. Thieder Knappschaftsvereins zu Wolfenbüttel,
  17. Knappschaftsvereins zu Lauchhammer,
  18. Tangerhütter Knappschaftsvereins zu Tangerhütte.

Der Bezirk der Pensionskasse umfaßt also die Bezirke der Sektion III (Kgl. Oberbergamt Clausthal) und Sektion IV (Kgl. Oberbergamt Halle a. S.) der Knappschaftsberufsgenossenschaft und erstreckt sich über 7 preußische Provinzen und 15 außerpreußische Staaten, sowie über den Bezirk von etwa 10 Landesversicherungsanstalten.

Diese Kasse besorgt nur die Geschäfte der reichsgesetzlichen Invalidenversicherung und hat mit der knappschaftlichen Berufsversicherung und der Unfallversicherung nichts zu tun. Da es den einzelnen Knappschaftsvereinen nicht möglich war, selbst die Zulassung als besondere Kasseneinrichtung neben den Landesversicherungsanstalten zu erwirken, so riefen sie zusammen für ihre Mitglieder eine eigene Versicherungsanstalt, die Norddeutsche Knappschaftspensionskasse, ins Leben, die dann vom Bundesrate als besondere Kasseneinrichtung im Sinne des Invalidenversicherungsgesetzes zugelassen wurde und ihre Tätigkeit mit dem Inkrafttreten dieser Versicherung am 1. Januar 1891 begann. Sie ist also ein etwas eigenartiges Gebilde: eine zugelassene Kasse, die aber vollständig den Charakter einer Versicherungsanstalt hat. Ihr Statut ist überdies genau und wörtlich dem Invalidenversicherungsgesetze nachgebildet und kennt nur die Leistungen dieses Gesetzes. Infolgedessen gelten die §§ 18ff. des Gesetzes, die den Versicherungsanstalten unter gewissen Voraussetzungen die Befugnis erteilen, für einen Versicherten ein Heilverfahren zur Ausführung zu bringen, auch für die Pensionskasse (§§ 9ff. des Statuts).

Die Norddeutsche Knappschaftspensionskasse ist allerdings etwas anders organisiert als die Versicherungsanstalten. Sie wird durch einen aus zwei Berufsbeamten bestehenden Vorstand verwaltet, dessen Geschäftsführung ein Aufsichtsrat überwacht. Die Rechte der Mitglieder, d. h. der 18 Knappschaftsvereine, wahrt die Generalversammlung, in welche jeder Verein zwei Mitglieder entsendet mit einer der Vereinsgröße entsprechenden Stimmenzahl.

Ein weiteres Eingehen auf die Organisation und Einrichtung der Kasse erübrigt sich hier.

Als die Kasse am 1. Januar 1891 ins Leben trat, zählte sie 67058 Mitglieder. Mit geringen Schwankungen ist die Mitgliederzahl im Laufe der Jahre ununterbrochen gestiegen, bis sie am 1. Januar 1909 auf fast 119000 Versicherte angewachsen war.

Der Gedanke, der zur Gründung der Kasse führte und noch heute von maßgebender Bedeutung ist, war der Wunsch, die Berg- und Hüttenleute, die einen in sich geschlossenen Stand bilden, nicht in der allgemeinen Versicherung aufgehen zu lassen, sondern ihnen auch in dieser allgemeinen Versicherung die ihnen vermöge der Eigenart ihres Berufes und der Geschlossenheit ihres Standes zukommende Sonderstellung zu gewähren und dabei nach Möglichkeit dafür Sorge zu tragen, daß die von der Montanindustrie und ihren Arbeitern aufgebrachten Beiträge auch für diese Arbeiter wieder zur Verwendung gelangen.

Aus diesen Gesichtspunkten heraus ist dann auch der Gedanke entstanden, für die Mitglieder der Pensionskasse eine besondere Lungenheilstätte zu erbauen.

Die Knappschaftsheilstätte Sülzhayn

Als Anfang der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts 1 sich in ganz Deutschland die Bestrebungen bemerkbar machten, für unbemittelte Lungenkranke Volksheilstätten zu errichten, drängte sich dem Vorstand der Norddeutschen Knappschaftspensionskasse sofort die Überzeugung auf, daß die Schaffung einer solchen Heilstätte für die Versicherten der Kasse eine unabweisliche Notwendigkeit sei. Angeregt durch das Vorgehen des Direktors der Hanseatischen Landesversicherungsanstalt Gebhardt, erließ er bereits am 25. März 1894 ein Rundschreiben an die Knappschaftsvereine, in welchem er ausführlich die Grundzüge für die Errichtung einer „Heilstätte für chronisch kranke und rekonvaleszente Versicherte“ darlegte. Die Neuheit und Schwierigkeit des Gegenstandes lassen es begreiflich erscheinen, daß dieser Plan damals nicht sofort überall die erhoffte Zustimmung fand. Je mehr sich aber die beteiligten Kreise und Personen mit dem Gegenstände vertraut machten, um so mehr schwand auch der Widerspruch. Eine vom Aufsichtsrate der Kasse eingesetzte Spezialkommission sprach sich nach eingehender Erwägung aller Umstände am 7. September 1894 einstimmig für die Errichtung der geplanten Heilstätte aus, so daß der Aufsichtsrat sich am gleichen Tage dazu entschließen konnte, die Kosten für die Vorarbeiten zu bewilligen.

Inzwischen war der Vorstand bemüht gewesen, einen geeigneten Bauplatz ausfindig zu machen. Ein Platz bei Hasselfelde erwies sich als nicht geeignet, ein anderer Platz im Ilfelder Tale war nicht zu erwerben. Endlich gelang es im Südharze, unweit des Dorfes Sülzhayn, einen Platz ausfindig zu machen, der allen Anforderungen zu genügen schien. Aber erst als eine größere Anzahl von Sachverständigen, die der Vorstand um ihren Rat gebeten hatte, sich einstimmig dahin äußerten, daß ein besserer Platz überhaupt wohl kaum gefunden werden könnte, entschied sich der Vorstand endgültig für diesen Platz.

Am 19. Oktober 1895 erteilte die Generalversammlung der Pensionskasse grundsätzlich ihre Zustimmung, daß auf diesem Platze nach den Plänen des Regierungsbaumeisters Haße zu Halle a. S. eine Lungenheilstätte für die Versicherten erbaut werde. Am 1. Mai 1896 stimmte sie den Spezialplänen zu und stellte eine Summe von 550000 Mk. für den Bau zur Verfügung. Am 11. August 1896 wurde in Anwesenheit des Aufsichtsrates der Grundstein zu der Anstalt gelegt und der Bau so gefördert, daß zu Beginn des Jahres 1898 das Arztwohnhaus' bezogen werden konnte. Am 17. Januar 1898 zogen die ersten Pfleglinge in zunächst nur provisorisch eingerichtete Räume ein, während für eine Anzahl von Kranken Unterkunft im Dorfe Sülzhayn geschaffen wurde.

So konnte der Betrieb allmählich organisiert werden, was sich als sehr vorteilhaft erwies. Am 15. Oktober 1898 wurde die Heilstätte eingeweiht und ihrer Bestimmung übergeben.

Im Juni 1898 wurde im Dorfe ein Bauernhof erworben, der für die Zwecke der Heilstätte umgebaut und eingerichtetwurde insbesondere wurde ein großer Kuhstall erbaut, um die Möglichkeit zu schaffen, den Milchbedarf der Heilstätte einheitlich zu decken. Dieser Bauernhof wurde dann verpachtet, undnachdem sich der Pächter bewährt hatte, an ihn unter Bedingungen verkauft, die der Heilstätte die Lieferung guter Milch und guter Fleischwaren sicherstellten.

Die Kläranlage und die Wasserleitungsanlage machten im Laufe der zehn Jahre besondere Einrichtungen notwendig, über die weiter unten berichtet werden wird. Leider konnte ein groß angelegtes Talsperreprojekt des Vorstandes infolge Widerstandes des Grundeigentümers wie auch noch vieler anderer Schwierigkeiten nicht zur Ausführung gelangen.

Im Jahre 1903 wurde das Wirtschaftsgebäude vergrößert, im Jahre 1907 eine Kirche an die Heilstättengebäude angebaut. Mit diesem letzteren Bau dürften nunmehr die baulichen Anlagen der Heilstätte zu einem gewissen Abschlüsse gelangt sein.

Die Beschreibung der Heilstätte

Die Lage

Die Örtlichkeit

Die Kreischaussee Ellrich—Benneckenstein führt hinter dem Dorfe Sülzhayn in mäßiger Steigung ziemlich genau nach Norden. Etwa zwei Kilometer oberhalb des Dorfes, da wo rechts der Fußweg nach Rothesütte abzweigt, drängt sich ihr der kleine Steigerberg (auch Steierberg genannt) entgegen und zwingt sie in starker Steigung nach Nordwesten auszuweichen. Dieser etwa 500 m hohe Berg wird östlich vom Tale des Klinzwassers, eines von Rothesütte herabfließenden Baches, westlich vom Tale des Tosborn, eines anderen Baches, begrenzt. Durch letzteres führt die genannte Chaussee. Beide Täler sind nur kurz und steigen erheblich an.

Der Steigerberg selbst hängt im Norden mit den ihn umgebenden Bergen zusammen, während er nach Süden steil abfällt bis zu einer großen dreieckig geformten Waldwiese, an deren südlichen Spitze sich die beiden Bäche vereinigen, um nun in dem breiter werdenden Tale nach Sülzhayn abzufließen. Rings um den kleinen Steigerberg erheben sich Berge, die ihn beträchtlich überragen und nach drei Seiten einen völligen Windschutz bieten: Nur nach Südsüdosten öffnen sie sich und gestatten einen weiten Blick über bewaldete Anhöhen nach Ellrich hin und weiter hinaus bis zu den Vorbergen Thüringens (s. Abbildungen). Der dicht bewaldete Südabhang des kleinen Steigerberges und der größte Teil der unter ihm liegenden Waldwiese bilden nun das Heilstättengrundstück.

Ungefähr in der Mitte des Abhanges und 56 m über der Wiese (ca. 400 m über dem Meeresspiegel) erheben sich die Gebäude der Heilstätte. Mitten im Walde und doch freiliegend, nach drei Seiten völlig geschützt und doch der frischen Luft zugänglich, ragen sie infolge der gewaltigen Pfeilerfundamente, auf welchen sie erbaut sind, gleichsam frei in die Luit hinaus, ihre genau nach Süden gerichtete Hauptfront der Sonnenbestrahlung unbehindert darbietend (siehe Titelbild).

Der ganze Abhang des Steigerberges ist in einen Park (siehe Abbildungen) verwandelt, der von ebenen und langsam ansteigenden Promenadenwegen durchzogen ist, die die Möglichkeit zu Terrainkuren geben. Das Gestein, aus dem der Berg besteht, ist Porphyrit Der Park enthält vorwiegend Buchen, während die Wälder in der Umgegend Eichen und Nadelhölzer aufweisen.

Ist so die Lage der Heilstätte landschaftlich von außerordentlicher Schönheit, so läßt sie auch in allen übrigen Beziehungen wohl kaum noch einen Wunsch offen. Mit der dicht an der Heilstätte vorüberführenden Kreischaussee Ellrich— Benneckenstein ist sie durch eine 500 m lange Anfahrtstraße verbunden (siehe Abbildung 3). Ellrich und Benneckenstein sind beide Bahnstation und zu Wagen in einer kleinen Stunde zu erreichen. Trinkwasser ist in genügender Menge vorhanden und fließt mit eigenem Gefälle zur Heilstätte. Eine zweite Wasserleitung führt Betriebswasser bis auf die Wiese unterhalb der Heilstätte, wo es mit 79 m Fall ankommt und zwei Turbinen treibt, auch die Kläranlage der Heilstätte bedient, der die Abwässer mit eigenem Gefälle zufließen. Die reichliche Menge des Wassers gestattete außerdem die Anlage von Spülklosetts. Das geklärte Wasser wird den Bächen zugeführt, die selbst stets reichliche Wassermengen enthalten. So entspricht die Lage der Heilstätte in vorzüglicher Weise allen Anforderungen, die man an eine solche Heilstätte stellen muß.

Die klimatischen Verhältnisse

Auch die klimatischen Verhältnisse der Örtlichkeit sind überaus günstige. Seit dem Frühjahr 1904 sind die Witterungsverhältnisse fortlaufend beobachtet worden; dabei hat sich nun folgendes ergeben.

Es sind gezählt Tage:

im Jahre Klar Bewölkt ohne Regen u. Schnee zusammen Nebel Regen oder Schnee zusammen
1904 98 41 139 13 71 223
1905 197 9 206 37 122 365
1906 131 78 209 6 150 365
1907 157 68 225 18 122 365
1908 189 63 252 27 87 366

Durchschnitt 05/08 168,5 223

Es betrugen die Wärmegrade Celsius:

im Jahre höchste niedrigste durchschnittlich
1903 +36° - 20° + 5,8°
1904 +37° - 10" + 7,2°
1905 +35° - 15° + 6,0°
1906 +43° - 15° + 6,4°
1907 +38° - 20° + 5,4°
1908 +35° - 21° + 5,7°

Die Durchschnittstemperaturen betrugen in den Monaten

des Jahres im Winter (Oktober—März) im Sommer (April—September)
1903 +0,7° + 11,0°
1904 +1,5° + 12,7°
1905 +0,1° + 12,0°
1906 +i,o° + 11,8°
1907 +0,7° + 10,1°
1908 +0,6° + 10,9°

Die Gebäude

Allgemeines

Die Heilstätte besteht aus folgenden räumlich getrennten Anlagen:

a) das eigentliche Heilstättengebäude mit dem Wirtschaftsgebäude und der Kirche;
b) das Arztwohnhaus mit der Privatanstalt;
c) das Stallgebäude;
d) das Maschinenhaus mit der Kläranlage;
e) sonstige Anlagen (Isolierbaracke, Eismaschine, Wasseranlagen).

Ein besonderes, größeres Kesselhaus war nicht erforderlich, da nur für die Heizung Kessel (drei von je 30 qm Heizfläche) nötig waren, als Betriebskraft aber Wasserkraft zur Verfügung stand. Allerdings reicht das Wasser {nicht immer zum Betriebe der Maschine aus, so daß zur Aushilfe zwei Benzinmotoren aufgestellt werden mußten.

Die Gebäude sind sämtlich massiv erbaut unter Vermeidung aller Holzkonstruktionen, mit Ausnahme natürlich der Dächer (Holzzementdächer).

Die Decken sind durch sogenannte Heistersche Platten zwischen eisernen Trägern gebildet. Die Treppen bestehen aus Granitstufen. Als Fußbodenbelag ist überall hartes Material — Torgamant, Terrazzo und Linoleum auf Gipsestrich — gewählt, nur die Dachböden haben Dielung. Die Gebäude werden durch Niederdruckdampfheizung beheizt; zur Beleuchtung dient elektrisches Licht. Elektrische Kraft wird zur Bedienung der Waschmaschine, der Aufzüge, der Wäscherolle und der Stopfmaschine verwendet.

Das eigentliche Heilstättengebäude bildet mit dem Wirtschaftsgebäude und der Kirche einen zusammenhängenden, aber in sich doch völlig getrennten Gebäudekomplex. Da an dem Bergabhange nur eine kleine natürliche Terrasse vorhanden war, war es nötig hinten einen Teil des Abhanges abzutragen und vorn einen Teil der Gebäude auf Pfeiler zu stellen. Diese Pfeiler mußten an den vorspringenden

Ecken ganz besonders große Dimensionen annehmen (bis 18m Tiefe), da die 106 m lange, genau nach Süden gerichtete Hauptfront des Gebäudes zur Erlangung eines besonderen Windschutzes eine konkave Form erhalten hat (siehe die Grundrisse). Infolge dieser Pfeilerbauten befinden sich unter dem Gebäude große Hohlräume, zu der die Sonne und die frische Luft freien Zutritt haben — ein Umstand, der für die gesundheitlichen Verhältnisse der Heilstätte von ganz besonderer Bedeutung ist (siehe Titelblatt).

Die Flügelgebäude

as eigentliche Heilstättengebäude besteht aus dem Mittelbau und den beiden Flügelgebäuden. In den beiden Flügelbauten von je zwölf Fenstern Front befinden sich die sämtlich nach Süden be-legenen Schlafräume der Kranken. Der westliche Flügel enthält außerdem im untersten Geschosse die ärztlichen Arbcits- u. Untersuchungszimmer, sowie in einem Raume daneben die Duschen. Diese sind so eingerichtet, daß der Arzt das Duschen der Patienten von seinem Zimmer aus vornehmen und durch ein in der Zwischenwand angebrachtes Fenster beobachten kann. In diesem Geschosse befinden sich dann noch das Laboratorium und ein Raum zum Verkochen der Sputa. Das Dachgeschoß des Westflügels ist den Wohn- und Schlafzimmern der Schwestern eingeräumt, während im Dachgeschosse des Ostflügels die Wohnung des Assistenzarztes und ein Schlafzimmer für den Vorstand der Kasse eingerichtet ist.

Jeder Flügel enthält einige Zimmer mit 1 Bett; sonst stehen in den Schlafräumen 3-5 Betten. In den Schlafzimmern hat jeder Pflegling eine eiserne Bettstelle (195 x 85 cm groß) mit Patent-Stahlsprungfeder-Matratze und verstellbarem Kopfteil, eine dreiteilige mit Sisal gefüllte Matratze, Roßhaarkopfkissen und 2 wollene Decken, einen kleinen offenen Nachttisch mit Kasten, 1 Stuhl, 1 Trinkglas, 1 Nachtgeschirr, 1 Handtuch, 1 Paar Pantoffeln und einen verschließbaren Kleiderschrank (s. Abb. 14).

Wascheinrichtungen sind in den Zimmern nicht vorhanden. In jedem Stockwerk ist vielmehr ein besonderes Waschzimmer vorgesehen, in welchem sich 12 Patienten gleichzeitig waschen können. Außerdem stehen in jedem Waschzimmer noch 2 Badewannen von Fayence (s. Abb. 15).

Die Oberteile sämtlicher Fenster sind zum Aufklappen eingerichtet. Doppelfenster sind nur an der Nordseite der Gebäude angebracht. Dagegen sind die Südfenster überall mit Rolljalousien versehen. Ferner befinden sich in jedem Stockwerk noch ein Wärterzimmer, ein Raum für reine Wäsche usw. und ein Abort mit zwei Klosetts, Ausguß, sowie dem Raume zur Reinigung der Spuckgefäße und Aufbewahrung der Nachtgeschirre während des Tages. In jedem Korridor ist schließlich noch ein besonderer Zapfhahn zur Entnahme von Trinkwasser angebracht.

Die Kirche

An den östlichen Flügel ist von Norden her die Kirche angebaut (s. Abb. 16) und so in das Gebäude eingefügt, daß man von den Korridoren der einzelnen Stockwerke aus die einzelnen Geschosse der Kirche betreten kann. Vom untersten Stockwerk (Kellergeschoß) kommt man zu den Räumen, die unter der Kirche liegen (Badezimmer, Inhalatorium und Leichenraum), vom Erdgeschoß tritt man in das Schiff der Kirche, vom Obergeschoß auf die Empore (zur Orgel) und vom Dachgeschoß in das Dachgeschoß der Kirche (zur Glocke). Die Kirche ist im Jahre 1907 nach den Plänen des Baumeisters Fahro in Halle a. S. mit einem Kostenaufwande von 33 000 Mk. erbaut worden. Sie bildet einen besonderen Schmuck der Heilstätte. Sie ist 12,54 m lang, 7,85 m breit und 8,50 m hoch. Die Empore nimmt etwa den dritten Teil der Kirche ein. In der Kirche sind 142 Sitz platze vorhanden. Es können aber bequem 200 Personen in ihr Platz finden.

Den schönen Altar schmückt ein Geschenk I. M. der Kaiserin:

in Kruzifix in Goldbronze mit silbernem Korpus. Die drei Altarfenster, der segnende Christus und die Apostel Petrus und Johannes darstellend, sind von der Pensionskasse, 2 schöne Glasfenster von Direktor Tribius und Dr. Kremser gestiftet (s. Abb. 17). Auf der Empore steht ein großes Harmonium mit zwei Manualen und einem Pedal aus der Fabrik Ernst Hinkel in Ulm, dessen herrliche Tonfülle fast zu groß für die Kapelle ist. Die nicht unerheblichen Kosten des Instrumentes sind durch Sammlungen und freundliche Spenden aufgebracht worden.

Einen besonderen Schmuck der Kirche bildet der schöne schmiedeeiserne Kronleuchter, den die Kunst des Maschinenmeisters der Heilstätte Teichfischer geschaffen hat. n der Kirche findet regelmäßig alle 2 Wochen ein Gottesdienst statt.

Der Mittelbau

Die beiden Flügelbauten werden durch einen Mittelbau verbunden, welcher in 3 Geschossen die sehr geräumigen (40 m langen und fast 5 m tiefen) Liegehallen (siehe Abb. 2) enthält. Es kann also von fast jedem Krankenzimmer aus eine Liegehalle erreicht werden, ohne daß Treppen zu steigen sind. Hinter den Liegehallen befinden sich die 40 m langen und 4 m tiefen Wandelhallen, die zugleich als Tageräume benutzt werden (s. Abb. 18).

In der Mitte des Liegeballenbaues, also in der Mitte der gesamten Anlage, sind nach Norden zu Räume angebaut, die im Obergeschoß den geräumigen Speisesaal (s. Abb. 19), im Erdgeschoß die Eintrittszimmer (Pförtnerstube, Stiefelstube, Garderobe u. Konferenzzimmer) enthalten, während im Keller Akkumulatorenbatterie, Heizkessel u. Kohlenvorräte untergebracht sind. Der Speisesaal bietet 120 Platz für Patienten. Zu ihm führt aus dem Heilstättengebäude von der oberen Wandelhalle eine Tür, während er nach der anderen Seite durch einen Gang mit dem hinter dem Heilstättengebäude stehenden Wirtschaftsgebäude verbunden ist. Zwischen Speisesaalbau und Wirtschaftsgebäude führt die Anfahrtstraße hindurch, die durch den obenerwähnten Gang (Anrichteraum) überbaut ist.

Das Wirtschaftsgebäude

Das vierstöckige Wirtschaftsgebäude (s. Abb. 11) steht hinter dem Heilstättengebäude, mit dem es in der oben beschriebenen Weise verbunden ist, in der Ausbuchtung des Berges, welche durch Abtragen des Erdreiches entstanden ist. Es steht so nahe am Bergabhange, daß von der im ersten Stockwerk befindlichen Küche eine kurze Brücke nach einem am Abhang entlang geführten Fahrwege hinübergelegt werden konnte. Auf diese Weise ist die Küche von hinten unmittelbar zugänglich, so daß alle Lieferungen — Milch, Fleisch, Backwaren usw. — bis vor die Küchentür gefahren werden können. Nach der anderen Seite hin steht die Küche durch den Anrichteraum wiederum in direkter Verbindung mit dem Speisesaal, während rechts von der Küche die Aufwaschküche, links die Speisekammern sich befinden. Diese Lage der Küche erleichtert den Betrieb außerordentlich. In dem Wirtschaftsgebäude befinden sich im Keller die Vorratsräume, im Erdgeschoß das Bureau (s. Abb. 21), die Waschküche und der Desinfektionsapparat (Kümmel); im ersten Obergeschoß die Küche (s. Abbild. 20) mit ihren Nebenräumen und überdem Bureau das freundliche Schwesternheim (s. Abb. 22); im zweiten Obergeschoß wohnt der Maschinenmeister u. schläft dasweiblichePersonal. Im Dachgeschoß schließlich befindet sich die geräumige Plätt- und Rollstube und der Trockenboden. Die Wäscherolle und der Stopfapparat werden elektrisch betrieben. Ein elektrischer Aufzug befördert die gereinigte Wäsche von der Waschküche auf den Trockenboden.

Das Arztwohnhaus und die Privatanstalt

Das Arztwohnhaus liegt westlich neben dem Heilstättengebäude (s. Titelbild). Mit ihm ist eine Privatanstalt verbunden: Beide Gebäude sind in ähnlicher Weise wie das Hauptgebäude gebaut und stehen zum Teil auch auf Pfeilern frei in der Luft.

Die Räume der Privatanstalt sind dem Chefarzte der Heilstätte auf seinen Wunsch überwiesen worden, um ihm Gelegenheit zu geben, auch anderes Krankenmaterial, als nur Bergleute, zu behandeln. Aus dem Vorhandensein dieser kleinen Privatanstalt haben sich für die große Anstalt bisher irgend welche Unzuträglichkeiten nicht ergeben.

Das Stallgebäude

Das Stallgebäude liegt an der Anfahrtstraße am Eingang zum Heilstättengrundstück (s. Abb. 23j. Es enthält Stallungen für 4 Pferde, geräumige Wagenremisen, Kutscherwohnung und die Waschküche für das Arzthaus. Die Heilstätte selbst hält kein Fuhrwerk. Der leitende Arzt stellt das erforderliche Fuhrwerk gegen eine Entschädigung. Ihm ist daher auch das Stallgebäude überwiesen.

Die Kraftwasserleitung und das Maschinenhaus

Etwas oberhalb der Heilstätte sind dicht an der Chaussee große Bassins angelegt, die das aus den verschiedenen Tälern zusammenfließende Wasser sammeln und dann in einer 1 km langen Leitung mit 79 m Fall den Turbinen der Heilstätte zuführen, durch die es dann in die Bäche zurückströmt. Ein Festhalten dieser Wassermassen findet also nur periodisch statt.

In etwa 3 Stunden sind die Bassins leergelaufen. Unter normalen Verhältnissen genügt diese Betriebszeit der Turbinen für den Bedarf der Heilstätte. Neuerlich wird aber beabsichtigt noch weiter oberhalb eine kleine Talsperre anzulegen und hierdurch eine gewisse Reserve von Betriebswasser zu schaffen. In dem Maschinenhause, das auf der Wiese unterhalb der Heilstätte erbaut ist, befinden sich 2 Turbinen von 6 und 15 HP. Da die Betriebswasserverhältnisse wie gesagt nicht gleichmäßige sind, so sind im Maschinenhause außerdem 2 Benzinmotore von gleichfalls 6 und 15 HP. aufgestellt, die in wasserarmen Zeiten je nach Bedarf in Tätigkeit treten. Durch diese Kraftmaschinen werden 2 Dynamomaschinen angetrieben, die die Heilstätte mit Elek- trizitä versorgen. Eine Kabelleitung führt die Elektrizität von hier zu lern im Keller des Mittelbaues liegenden Akkumulatorenraume.

Die Kläranlage

Außerdem treiben die Kraftmaschinen auch die neben dem Maschinenhause befindliche Kläranlage, die nach dem Rothe-Degenerschen Kohlebreiverfahren angelegt ist und sich bisher tadellos bewährt hat. Nur ist ihr Betrieb etwas kostspielig; auch sind bei eintretenden Defekten Reparaturen schwierig. Die Einrichtung einer biologischen Klärstation wird sich daher auf die Dauer wohl kaum vermeiden lassen.

Die Kläranlage wird durch den leitenden Arzt bakteriologisch ständig kontrolliert. Die geklärten Abwässer werden durch das Turbinenwasser noch verdünnt und laufen dann in die vorüberfließenden wasserreichen Bäche ab.

Die Trinkwasserleitung

Etwas oberhalb der genannten Bassins sind 2 Quellen erschlossen worden, welche in eine Brunnenstube geleitet werden, von wo sie mit eigenem Gefälle zur Heilstätte fließen. Der Überlauf wird hier in ein an dem Berge oberhalb des wirtschaftsgebäudes gelegenes Reservoir geleitet, das als Reserve, insbesondere für eine etwaige Feuersgefahr zu dienen hat. Versuche haben ergeben, daß der vorhandene Druck so stark ist, daß man von der Anfahrtstraße aus noch über das Dach des Hauptgebäudes hinwegspritzen kann.

Obwohl der Wasserverbrauch in der Heilanstalt ein sehr großer ist, hat sich doch bisher niemals Wassermangel eingestellt. Die enorme Trockenheit in der zweiten Hälfte des Jahres 1908 zwang zum erstenmal seit Bestehen der Heilstätte zur Sparsamkeit. Um völlig gesichert zu sein, entschloß sich der Vorstand schnell zur Erwerbung einer dritten, noch weiter oberhalb der Brunnenstube zutage tretenden Quelle, die trotz der abnormen Trockenheit stets in gleicher Stärke (über 30 cbm täglich) lief. Diese Quelle ist an die Brunnenstube angeschlossen worden, so daß ein Mangel an Trinkwasser für immer ausgeschlossen erscheint.

Die Eismaschine

versorgt die Heilstätte reichlich mit Eis aus reinem Trinkwasser. Sie besteht aus einem großen Holzgerüste, das bei stärkerem Froste durch eine unter Druck stehende Trinkwasserleitung mit Wasser überbraust wird. Das Wasser gefriert und bildet im Laufe weniger Tage mannsdicke Eisklumpen, die dann abgeschlagen und in Eismieten untergebracht werden.

Der beim Bau der Heilstätte angelegte Eiskeller hat sich nicht bewährt; er wird jetzt als Kartoffelkeller benutzt.

Sonstige Einrichtungen

Die Heilstätte ist telephonisch an das Telephonamt Ellrich unter Nr. 35 angeschlossen. Auch sind die einzelnen Stockwerke und Abteilungen der Heilstätte durch ein Haustelephon miteinander verbunden.

Die Baukosten

Das Terrain der Heilstätte hat eine Größe von 9 ha 51 a 82 qm, d. h. etwa 37½ Morgen Wiese und Wald: Dafür sind 30579,80 Mk. gezahlt worden, für den Morgen (mit Waldbestand) ca. 800 Mk.

Die Baukosten waren nicht gering: immerhin erscheinen sie für das, was geschaffen worden ist, nicht unangemessen. Von Luxus kann nur die Rede sein, soweit Sonnenlicht und Luft in Frage kommen. Im übrigen sind alle Einrichtungen der Heilstätte einfach und sachgemäß. Im ganzen sind für den Bau 861533,46 Mk., für das Inventar nahezu 70000 Mk. ausgegeben worden. Da die Heilstätte einschließlich der Privatanstalt des Chefarztes 150 Betten enthält, so kostet ein Krankenbett 6414 Mark (reine Baukosten ohne Inventar 5743 Mark). Die Knappschaftsheilstätte verfügt über 130 Betten für Kranke, 25 Betten für Personal und eine Familienwohnung (Maschinenmeister).