Merwigslinde

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Die Merwigslinde um 1910

Die Merwigslinde (selten auch Märwigslinde, Merwegslinde, Merchenslinde, Mährchenslinde) ist ein Naturdenkmal und befindet sich oberhalb des Geheges auf dem Geiersberg.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Merwigslinde um 1930

Die wohl schon in vorreformatorischer Zeit stattliche Merwigslinde wurde von der Nordhäuser Bevölkerung als Hutebaum[1] betrachtet und war der verehrungswürdige Mittelpunkt des oft ausschweifend begangenen Nordhäuser Lindenfestes. Dieses Fest wurde schließlich 1736 vom Rat verboten. Die Merwigslinde erinnert an einen thüringischen Stammesfürsten oder -könig mit Namen „Merwig“, der sich vor seiner Königswahl auch als kunstfertiger Schuhmacher einen Namen gemacht hatte. Ihm zu Ehren pilgerten die Nordhäuser Schuhmacher alle sieben Jahre zu der Linde, wo einst ein Bote Merwig über das Ergebnis der Königswahl unterrichtet haben soll.

Theaterspiel (das Friedensfest) des Realgymnasiums unter der Merwigslinde, 1934

Seit Dezember 1833 war die obere Hälfte der Linde durch einen Sturm abgebrochen. 1896 wurde ihr Stamm mit Steinen ausgemauert und die Äste mit Eisenstangen gehalten. 1972 musste die Merwigslinde schließlich gefällt werden. Nach der damals angebrachten Tafel wies die gefällte Linde einen Umfang von neun Meter auf und war über 700 Jahre alt.

Die heutige Merwigslinde wurde 1972 nachgepflanzt und ist mittlerweile zu einer stattlichen Größe herangewachsen. Die Informationstafel mit Erläuterungen zur Sage um König Merwig wurde 2020 erneuert. Sie zeigt u. a. eine Abbildung des Holzreliefs „Die Sage von der Merwigslinde“ der Nordhäuser Holzkünstlerin Tura Jursa.

Unweit des Ensembles befindet sich die Villa Lindenhof.

Sage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Die Sage von der Merwigslinde“, Holzrelief von Tura Jursa (2019)

Die Sage von ihr erzählt, daß im 14. Jahrhundert in Nordhausen auf seinem Schloß der vom Volke erwählte König Merwig lebte. Sein Vater soll ein ehrsamer Schuhmachermeister gewesen sein und auch er hatte die Kunst, die Ahle zu gebrauchen, erlernt. Seinem Untertanen war er ein gerechter und guter Fürst, und Arme und Notleidende fanden stets Gehör bei ihm, während die Wucherer, seine Feinde, ihrer Strafe nicht entgingen. Als Feind aller Schmeicheleien war ihm auch aller Hochmut unbekannt und gern erzählte er von seinem Herkommen, ohne sich dessen zu schämen. Besonders waren ihm die Genossen der Schuhmacherzunft willkommen und mit diesen zog er alle sieben Jahre nach einem Hügel außerhalb der Stadt, woselbst er den Genossen einen fröhlichen Schmaus gab und inmitten derselben bei Speise und Trank sich mit ihnen erfreute und wohl auch manchen heiteren Scherz zum besten gab. Der Hügel, auf dem dieser Schmaus alle sieben Jahre stattfand, war vollständig kahl, kein Baum oder Strauch spendete Schatten. Um nun für künftigen Schatten zu sorgen, pflanzte König Merwig eine Linde. Dieser Baum steht heute noch und ist unter dem Namen „Merwigslinde“ bekannt.

Die alle sieben Jahre stattfindenden Umzüge mit den Genossen der Schuhmacherzunft sollen sich bis zum Jahre 1738 erhalten haben, woran sich später die gesamte Schuhmacherzunft mit Weib und Kind am Feste beteiligte.

Zitat

Auf unserm Königshofe stand, wie die Sage geht,
Ein Schloß sonst auf dem Platze, wo Filter's Haus jetzt steht.

Darinnen wohnt ein König, der König Merwig hieß,
Und den die ganze Gegend mit einem Munde pries.

Gerechtigkeit und Güte umgab des Weisen Thron;
Der Gute, wie der Böse, bekam verdienten Lohn.

Schwer hielt's, ihn zu berücken, selbst Pfaffen war es Kunst;
Mit scharfen Adlerblicken durchschaut er Gleiß und Dunst.

Des Redlichen Begehren kam er mit Huld zuvor;
Der Schalk und seine Bitte fand ein verschlossnes Ohr.

Wen Tück' und Bosheit drängte, fand bei ihm Hülf' und Schutz;
Der kühne Widersacher bot ihm nicht lange Trutz.

Von Wahrheit und vom Frieden war er der wärmste Freund;
Von Schmeichelei und Hader ein abgesagter Feind.

In seinem kleinen Staate litt niemand wirklich Noth;
Zu prassen hatte Keiner, Jedweder aber Brot.

Und nicht aus Fürstenblute kam dieser Biedre her;
Schuhmacher war sein Vater, Schuhmacher war auch er.

Daß ihn dem ohnerachtet des Volkes Wahl berief,
Bleibt in der Nachwelt Augen fein schönster Adelsbrief.

Auch schämt' er auf dem Throne sich seiner Herkunft nie;
Erinnerte die Gegend vielmehr selbst laut an sie.

Denn alle sieben Jahre zog er im Maimonat
Auf einen von den Hügeln dicht hinter unsrer Stadt.

Und mit ihm zog die ganze Schuhmacherzunft hinaus,
Und Merwig gab im Freien ihr einen Ehrenschmaus.

Froh saß er unter ihnen, und schmaust' und zechte mit,
Gern sehend wenn man scherzte, ungern, wenn man sich stritt.

Der Platz war eine Haide, von hohen Bäumen leer;
An heitern Lagen brannte die Sonn' auf ihn fast sehr.

Zu künft'gem Schatten pflanzte drum seine Majestät
Die Lind' auf dessen Rücken, die jetzt darauf noch steht.

Die Ehrfurcht in der Seele deß, der sie steht, erregt,
Und noch von ihm den Namen der Merwigslinde trägt.

Stolz zogen die Gesellen von den Schuhmachern hier,
Noch alle sieben Jahre deswegen hm zu ihr.

Und brachten unter Jauchzen und fröhlicher Musik,
Won ihren Zweigen einen mit nach der Stadt zurück.

Und rühmten und erzählten des Zunftgenossen Lob,
Den nicht Geburt, den Tugend auf seinen Thron erhob.

Zitat
                    — Carl Duval: Nordhausen. In: Thüringen und der Harz. Sondershausen 1841.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Ein Hutebaum (Weidbaum) ist ein im Zusammenhang mit intensiver Beweidung (Hute) entstandener Baum.