Gedenkblätter aus der Geschichte der ehemaligen freien Reichsstadt Nordhausen

Aus NordhausenWiki

Vorwort

 Aus dem literarischen Nachlaß meines am 9. März 1893 verstorbenen teuren Vaters biete ich hier die Ausarbeitungen, die derselbe über die Geschichte seiner Vaterstadt Nordhausen schon vor Jahren gemacht hat. Obwohl der Verstorbene stets mit großer Liebe seines Geburtsortes gedacht, ihn häufig besucht und sich des mächtigen Aufblühens gefreut hat, so ließ die Bearbeitung und Herausgabe größerer theologischer und historischer Werke ihn nicht dazu kommen, die vorliegende Schrift zu veröffentlichen.

 Was der Verfasser hier als Gedenkblätter und Marksteine aus der Geschichte Nordhausens heraushebt, ist wohl wert, dem größeren Publikum bekannt zu werden. Die älteren Bearbeitungen der Geschichte der Stadt sind längst selten geworden und, wo sie zu finden, dem Laien weniger verständlich, als die hier gegebenen Mitteilungen.

 Mag man auch hier und da größere Ausführlichkeit verlangen — wir wollen diese Liebesgabe des Verewigten dankbar hinnehmen. Er hat hier sowie auf anderen Gebieten sein Lebenlang mit regem Geiste und feinem praktischen Verständnis unermüdlich geforscht und in seinen zahlreichen Schriften die Resultate seines Forschens dargeboten. Er wird nicht vergessen werden, da er so in seinen Werken weiterlebt. Möge auch seine Vaterstadt ihm ein dankbares Andenken bewahren!

Nörten in Hannover.
Rudolf Eckart,
Inspektor der Waisenanstalt.

Der Slaven Art und Weise. Mission.

 Die Slaven waren gleich den Deutschen stark und kräftig, wohnten in Dörfern und Städten (Gards) zusammen, verstanden wollene Zeuge zu weben, liebten den Ackerbau, trugen lange Kleider, hatten aber für Freiheit und Wissenschaft keinen Sinn. Sie besaßen die Kunst, Metalle zu schmelzen, handelten mit den Erzeugnissen des Landes, waren mild und gastfreundlich im Frieden, wild und grausam im Kriege. Sie verehrten ihre Götzen in Bildsäulen und brachten ihnen Tiere und Gefangene zum Opfer.

 Der erste christliche Missionar, welcher in Thüringen das Evangelium predigte, war der Irländer Kilian, welcher mit den Seinigen von des Herzogs Gotzbert Frau, Geilana, ermordet wurde. Diesem folgte Willibrod. Dem eifrigen Bonifacius gelang es aber erst, wirkliche christliche Gemeinden in Thüringen zu begründen, und seine Kreuze stehen noch, wo er das Evangelium gepredigt. Über einem solchen Bonifaciuskreuze gründete der deutsche Kaiser Otto I. den Nordhäuser Dom, genannt zum heiligen Kreuze, und um ihn her scharten sich Nordhausens Urbewohner, dem sich dann die übrigen christlichen Gemeinden nach und nach anschlossen.

Merwigs-Linde.

Schnell ist verweht der Heldenruhm,
Trophäen sind kein Heiligtum;
Ein Fürstenherz voll Menschlichkeit
Sieht feiernd noch die Ewigkeit.


 So singt Heidenreich bei Betrachtung dieses alten Baumes in Erinnerung an den alten thüringischen König Merwig. Die gewöhnliche Volkssage hierüber ist folgende: Der thüringische König Merwig soll der Sohn eines Schuhmachers gewesen sein, den das Volk zum Könige erhob. Dieser Fürst war stets seiner niedern Abkunft eingedenk und schämte sich niemals derselben. In der damaligen Zeit pflegte man das Maifest, welches 1834 aufs neue gestiftet und gefeiert wurde, auf dem Geiersberge mit dem größten Glanze, woran Jung und Alt, Arm und Reich, teilnahmen, zu feiern. Der König feierte stets mit seinen Unterthanen, und da der Platz den Sonnenstrahlen stark ausgesetzt, und die Teilnehmer des Festes, ungeachtet der Maienhütten, viel davon leiden mußten, so pflanzte der König in eigner Person diese Linde. Lange wurde diese Feierlichkeit noch von den Schuhmachergesellen gefeiert, bis es endlich 1736 vom Rate aus unbekannten Gründen aufgehoben, 1834 aber wieder erneuert wurde.

 Wahrscheinlicher aber ist der Ursprung dieses Festes und somit auch der Merwigslinde auf andere Weise entstanden. Im 12. Jahrhundert siedelten sich Holländer, die zur Austrocknung der Sümpfe und Moräste des Riedlandes in der güldenen Aue berufen waren, in der Stadt an und brachten dieses Fest, das noch in den sogenannten Rosenhütten der Mädchen am Johannistage, fortbesteht, aus dem Vaterlande mit. Man pflegte in Holland Bäume beim Maienfeste mit Devisen, Bändern und Flaggen zu zieren. Diesen Gebrauch der eingewanderten Holländer nahmen auch die Nordhäuser zum Teil an; sie pflanzten Bäume, umziert mit Bändern und Flaggen und feierten dieses Fest unter den rauschendsten Vergnügungen. Aus dieser Quelle ist wahrscheinlich auch die Entstehung der Merwig'schen Linde zu suchen, indem man vielleicht einstmals diese mit einer Devise, dem Könige Merwig zu Ehren, schmückte und pflanzte und ihr in der Folge den Namen beilegte, den sie heute noch trägt.


 Bis zum Jahre 1743 war der Geiersberg außer der Merwig'schen Linde von allen Bäumen entblößt; im genannten Jahre aber wurde er auf Befehl des Senats mit Bäumen bepflanzt und hierdurch zu einem angenehmen Lusthölzchen umgewandelt, das von Jahr zu Jahr sich verschönert und den Bürgern angenehme Spaziergänge darbietet.

 Im Jahre 1523 wurde Friedrich Teichgräber erlaubt, hier Eisenstein zu suchen.

 Ein früher im Töpferthore befindlicher Stein mit dem Stadtwappen aus dem 14. Jahrhundert ist jetzt am Rathause eingemauert und trägt folgende Inschrift: Anno dni . CCCC . X . Theodosius 29 nobilissim9. hispan9. romanori, omperator * Anno . imperii . sui . quarto . hanc . urbem . fundavit - libertatibus . armisque . imperialibus . ditavit . hilf . got . maria . berat. Neben diesem Steine, an dem jetzt abgetragenen alten Zwinger, einer der stärksten Befestigungen der Stadt gegen Norden, befand sich in einer Nische ein altes Schnitzwerk „die Kreuztragung Christi“ mit einem Bilde auf Holz im Hintergründe, welches die Stadt Jerusalem vorstellte. Beides ist wohl im Rathause aufbewahrt.

Thüringen in alter Zeit.

 Fast in der Mitte unseres deutschen Vaterlandes liegt das gesegnete Thüringen, eigentümlich in seinen Bewohnern und deren Sitten, Charakter und Gebräuchen. Ein altes Manuskript giebt im 4. Jahrhundert die Grenzen folgendermaßen an: gegen Mittag bis an den Main, gegen Morgen bis an die Saale und Pleiße, gegen Abend bis in die Nähe des Rheines und gegen Mitternacht bis über den Harzwald hinaus. Zu der Zeit des heiligen Bonifacius bezeichnete man mit dem Namen Thüringen alles Land, das zwischen der Werra und der Saale, zwischen dem Thüringerwalde und dem Harze liegt, und diese Bestimmung gilt auch jetzt noch. — Das Land wurde auch in Gaue eingeteilt, wie das ganze deutsche Vaterland. Thüringen ward eingeteilt in einen Nord- und Südthüringergau, deren ersterer sich von dem linken Ufer der Unstrut mitternachtwärts über den Harzwald bis in die Gegend unterhalb Magdeburg erstreckte und sich rechter Hand an die Saale und Elbe, linker Hand aber an die Flüsse Bode, Aller und Ocker anlehnte und eine Menge kleinerer Gaue in sich schloß. Der Südthüringergau umfaßte alles Land auf dem rechten Ufer der Unstrut mittagwärts, zwischen der Saale und Werra bis über den Thüringerwald. Ein besonderer Gau war auch der Helmgau, welcher von Wallhausen bis Nordhausen sich erstreckte und an der Helme lag.

 In Thüringen giebt es eine Menge Orte, welche die Sage in die frühesten Jahrhunderte hinaufrückt, und die das Alter der geschriebenen Urkunden weit übersteigen. Zu diesen ältesten bewohnten Orten gehören: Nordhausen, Eisenach, Tilleda, Wallhausen, Allstedt, Merseburg, Scheidingen, Bibra, Beichlingen, Sachsenburg, Mücheln und die meisten Orte der sogenannten goldenen Aue und der Pflege im Süden des Finngebirges. Diese Gegenden sind es besonders, in welchem die ersten Anfänge der Kultur in dem Thüringerlande gesucht werden müssen.

 Thüringen als Königreich bestand schon vor 431 und ging im Kampfe mit den Franken 531 unter. Darauf fiel es unter die Herrschaft der Franken, später wurde es eine Landgrafschaft unter eigenen Landgrafen. Dann nahmen es die Kurfürsten von Sachsen zum größten Teil in Besitz und im Frieden zu Wien 1815 kam es an Preußen. Der größte Teil davon bildet einen Teil der preußischen Provinz Sachsen.

Nordhausen und Umgegend.

 Nordhausen, die alte, weitbekannte ehemalige freie Reichsstadt, liegt am südlichen Fuße des Harzgebirges in einer wahrhaft romantischen Gegend. Im Norden wird das Umschau haltende Auge von dem stolzen Harzgebirge begrenzt; im Süden umlagert die schöne Hainleite die Gegend, im Osten erhebt sich der Kyffhäuser mit seinem auch von hier zu sehenden Kaiser Friedrichturme, und im Westen erblickt man das Ohmgebirge am Eichsfelde und die Porta Eichsfeldika. Herrliche Fluren und Wiesen, durchströmt von der schönen Helme und Salza und von der dicht an der Stadt vorbeifließenden wilden Zorge und vielen andern kleinen Bächen, wechseln in den schönsten Partien ab. Einen großen Teil der „goldenen Aue“ kann man von hier aus übersehen; überall ragen die Kirchtürme freundlich gelegener Dörfer aus schattigen Bäumen hervor bis hinunter nach Kelbra. Steht man aber auf dem Geiersberge, so sieht man den stolzen Rabensberg, welcher den im Vordergründe in malerischen Schattierungen dahin gelagerten Kohnstein majestätisch überragt, unter dessen Abdachung sich das Dorf Salza am gleichnamigen Flusse ausbreitet.

 Nordhausen hat jetzt 26 847 Einwohner und ist, im Verhältnis seiner Größe, eine der lebhaftesten und verkehrreichsten Städte. Sie zerfällt in die Ober-, Unter- und Neustadt und das Altendorf. Die Neustadt und das Altendorf lagen früher außerhalb der Ringmauer. Von der alten Mauer ist in neuerer Zeit nur noch so viel stehen geblieben, als wegen der steilen Lage mancher Straßen und Häuserreihen unumgänglich nötig ist. Die Stadt liegt 500 Fuß über der Meeresfläche, weshalb auch die Wasserbrunnen ziemlich tief sind und das Flußwasser aus dem Stadtgraben durch Pumpwerke in die Ober- und Unterstadt geleitet wird.

 Die Straßen der Stadt sind nicht nach dem Lineal gebaut, aber deshalb gefallen sie auch besser, als die langweiligen Straßen großer Städte. Die alten Häuser verschwinden immer mehr und machen neueren und geschmackvolleren Platz; sowie auch sämtliche Straßen gepflastert sind. Sämtliche Straßen müssen wöchentlich zweimal gereinigt werden. Das meiste Leben und Treiben herrscht auf dem Sande, in der Neustadt, dem Rumbach, in der Rautenstraße, auf dem Steinwege, dem Kornmarkte, im Töpfern, vor dem Barfüßern, im Altendorfe; die übrigen Straßen sind, je nach ihrer Entfernung von den genannten, stiller. Der lebhafteste Verkehr findet an den drei Wochenmärkten Dienstags, Donnerstags und Sonnabends statt.

 Die Stadt hat sechs Thore, nämlich 1) das Töpferthor, führt nach Magdeburg, Berlin, Leipzig, Halle; 2) das Altenthor, führt nach dem Harz und den braunschweigischen Ländern; 3) das Grimmelthor, nach den hannöverschen Ländern; 4) das Siechenthor, nach Hessen und dem Rheine; 5) das Sundhäuserthor, nach den schwarzburgischen Ländern und Süddeutschland; 6) das Bielenthor, nach Halle und Leipzig.

 Rings um die Stadt führen Fahrstraßen und Fußwege, an beiden Seiten mit Bäumen bepflanzt, mehrere derselben sind zu herrlichen Promenaden umgewandelt. Fast um die ganze Stadt herum liegen die Gärten der Bürger, und man hat einen wirklichen Genuß, wenn man im Frühling öfter diese Wege um die Stadt passiert. Aus dem Töpferthore über den Friedrich Wilhelmsplatz und die neuen englischen Anlagen führt der Weg nach dem sogenannten Gehege oder dem Kirschberge, einem köstlichen Wäldchen, dessen Bäume sich ganz dicht an die Stadt herandrängen. Den höchsten Punkt dieses Lusthölzchens ziert die weit und breit bekannte Merwigslinde. Nicht weit davon ist das sogenannte Schöpfmännchen, das die Wasser der Oberkunst bis auf den Petersberg befördert.

 Schön geebnete Wege führen unter den herrlichen Bäumen nach dem Hauptplatze des Geheges, wo Bude an Bude sich reiht, wo man Erfrischungen bekommen kann, und vor denen sich an schönen Abenden die Bewohner der Stadt sammeln, um der Unterhaltungsmusik auf dem schön gebauten Orchester zuzuhören oder die Zeit in traulicher Unterhaltung zuzubringen. Bis zum Jahre 1743 war der Kirschberg entblößt von allen Bäumen.

 Nordhausen hat sechs evangelische und eine katholische Kirche und ist in sechs Gemeindebezirke eingeteilt, welche unter einem Superintendenten stehen; die katholische Gemeinde gehört in den Sprengel des Bischofs von Paderborn. Die sechs evangelischen Kirchen sind:

  1. ) Die St. Nikolai- oder Marktkirche, ist die Hauptkirche der Stadt, an welcher ein Superintendent oder auch ein Oberprediger steht.
  2. ) Die Kirche St. Blasii, mit einer Hausmannswohnung auf dem Turme.
  3. ) Die Kirche St. Petri, mit dem höchsten Turme der Stadt, auf welchem eine Hausmannswohnung und die Normaluhr der Stadt sich befindet.
  4. ) Die St. Jakobi- oder Neustädterkirche, einfach aber geschmackvoll gebaut, die jüngste von allen.
  5. ) Die Kirche Beatae Mariae Virginis in monte oder Frauenberger Kirche, die einzige Kreuzkirche Nordhausens.
  6. ) Die Kirche Beatae Mariae Virginis in Valle oder Altendorfer Kirche.

 Die katholische oder Domkirche St. Crucis, deren Gemeindeglieder in der ganzen Stadt zerstreut wohnen, hat zwei Geistliche.

 Die kleine Kirche St. Cyriaci im Siechenhofe hat ihren eigenen Geistlichen oder wird von einem der anderen Stadtprediger verwaltet.

 Die jüdische Synagoge, vor dem Hagen, ist hübsch gebaut und liegt ganz angenehm und ihrem Zweck entsprechend.

 Von den Kirchhöfen hat der Spendekirchhof den ersten Rang. Er liegt an der Stadtmauer und diente den Gemeinden zu St. Blasii und St. Nikolai zum Begräbnisplatze. Auf demselben stand früher die Barfüßer- oder Spendekirche. In der letzten Zeit ihres Bestehens wurden nur noch die Leichenpredigten in derselben gehalten. Ein Leineweber, Namens Wolf, hatte unter der Emporkirche seinen Webestuhl aufgeschlagen und lebte mit seiner Familie an dem unheimlichen Aufenthaltsorte, bis ihn die Baufälligkeit des Gebäudes zwang, dasselbe zu verlassen. Die alten Grabsteine und Monumente zeigen manches Schöne und Beachtenswerte. An der Stadtmauer befindet sich das Filtersche Erbbegräbnis mit einem Saale darüber, worin eine Reihe Bildnisse dieser Familie sich befindet. Der St. Jakobikirchhof befindet sich vor dem Siechenthore und ist mit einer Mauer von Quadersteinen eingefaßt. Derselbe ist von zwei Vermächtnissen zu je 500 Thlr. angekauft und eingerichtet. Es ist ein freundlicher Begräbnisplatz, für dessen Verschönerung und Instandhaltung viel gethan wird. Der Gottesacker der Frauenberger Gemeinde ist vor dem Bielenthore neu angelegt und eingerichtet. Die Kirchhöfe der Petri- und Mendorfer Gemeinde werden jetzt noch benutzt; ebenso der der Gemeinde des Doms. Die Juden haben ihren Begräbnisplatz vor dem Töpferthore. In neuester Zeit besitzt die Stadt einen Centralfriedhof..

 Schulen hat die Stadt folgende:

  1. ) Das königliche Gymnasium.
  2. ) Das königliche Realgymnasium vor dem Töpferthore, 1841 erbaut.
  3. ) Die städtische höhere Töchterschule auf dem Pferdemarkte.
  4. ) Die städtische Mittelschule vor dem Töpferthore, 1841 erbaut.
  5. ) Die städtische Volksschule für unbemittelte Bürgerkinder beiderlei Geschlechts.

 Außerdem haben Handwerkerlehrlinge noch Gelegenheit, sich in der Sonntagsschule weiter auszubilden in etwa versäumten Kenntnissen.

 Ein städtisches Altertumsmuseum wurde 1875 begründet.

{idt2|25}}An öffentlichen Gebäuden sind außer den genannten noch zu bemerken: das Rathaus mit der hölzernen Statue des Roland; das Riesenhaus mit der Statue eines Riesen; das Waisenhaus; der Siechenhof; das Hauptsteueramt; das Stadtgefängnis, „Lorenzens Lust“ im Volksmunde genannt; das königliche Lazarett vor dem Bielenthore; das Schützenhaus mit den Schießgräben, worin das jährliche Freischießen abgehalten wird; das Theater im Berliner Hofe, welches neu restauriert ist und manchen Kunstgenuß seinen Besuchern verschafft; die städtische Gasanstalt vor dem Siechenthore; sowie eine ziemliche Anzahl Gasthäuser, darunter die vorzüglichsten: der Römische Kaiser, der Berliner Hof, der Lorbeerbaum, der Dresdener Hof; die Post.

 Nordhausen, obgleich es seiner Einwohnerzahl nach nur eine Stadt dritten Ranges genannt werden kann, verdient doch dadurch, daß es in weiten Umkreisen der Hauptmarkt für den Getreidehandel ist, eine Stadt zweiten Ranges genannt zu werden. Man kann annehmen, daß zehn Meilen im Umkreise sich alle Orte mit ihren Getreidepreisen nach denen Nordhausens richten. Der Getreidehandel ist fast täglich, Sonn- und Festtage ausgenommen, überaus lebhaft und wird die Frucht, so viel auch kommt, schnell und sicher abgesetzt. Das meiste Korn wird, außer zu Brot, zu Branntwein und zu Bier verbraucht. Der Nordhäuser Kornbranntwein ist weit bekannt. Der Bierbrauereien sind eine ziemliche Anzahl. Mit ihnen hängt zum großen Teil die bedeutende Viehmästung, besonders der Schweine, zusammen. — Da die Ökonomen und Bauern, welche ihre Früchte hier verkaufen, auch ihre Bedürfnisse hier nehmen, so sind Handel und Gewerbe dadurch im blühenden Zustande. Färbereien, Schlächtereien, Lederfabriken, Möbelmagazine, Tabak- und Cigarren-, Cichorien- und Rübenzucker-, Futter-, Kattun-, Leim-, Tapeten- und andere Fabriken beschäftigen Tausende der Einwohner. Sechs Buchhandlungen, mehrere Leihbibliotheken, Buchdruckereien, Lithographische Anstalten, Buchbindereien, Photographische Anstalten, Maler, Bildhauer versorgen die Bewohner mit allen Bedürfnissen des Geistes. Die an dem Mühlgraben liegenden großen Wassermühlen sind unausgesetzt thätig, das nötige Brotmehl und das Schrot für Brennereien und Brauereien zu liefern. Der Material-, Tuch- und andern Handlungen sind eine große Menge. Eine große Anzahl Fuhrleute bringen und führen Waren aus. Der auswärtige Verkehr hat sich aber noch bedeutend gehoben durch die Eisenbahnen, welche von Nordhausen nach Kassel, Leipzig, Erfurt führen.

 Nordhausen hat zwei Jahrmärkte, im Frühjahr und Herbst, welche acht Tage dauern, aber von geringer Bedeutung sind, da man alle Waren zu jeder Zeit in der Stadt bekommen kann. Bedeutender sind die beiden Viehmärkte. Der Platz zum Verkauf des Getreides, der Feld- und Gartenfrüchte und sonstiger aus der Landwirtschaft gewonnener Produkte befindet sich auf dem Kornmarkte; der Schweinemarkt ist auf dem Königshofe; die Töpferwaren lagern „hinter den Predigern“; die Kramwaren aber werden in Buden auf dem Steinwege verkauft; der Schuhmarkt ist auf dem Pferdemarkte.

 An Vereinen bestehen folgende:

  1. ) Der Missionsverein, ein Hülfsverein für die Berliner Gesellschaft zur Ausbreitung des Evangeliums unter den Heiden, gestiftet 1846 vom Pastor Abel.
  2. ) Der landwirtschaftliche Verein in der goldenen Aue, welcher seine Sitzungen in seinem Vereinslokale vor dem Sundhäuser Thore hat.
  3. ) Der Bürger-Rettungs-Verein, welcher bei Feuersgefahr thätig ist, und wozu alle Bürger verpflichtet sind.
  4. ) Der Handwerkerverein, zur Besprechung und Feststellung der Interessen des Handwerks.
  5. ) Der Leichenbestattungsverein, eine sehr nützliche Einrichtung, wodurch für geringe Kosten die Leichen auf eine anständige Weise beerdigt werden.
  6. ) Mehrere Gesangvereine, darunter der älteste der Männergesangverein „Concordia.“
  7. ) Der Gesellenbildungsverein, für junge Leute aus dem Handwerkerstande zur Anregung wissenschaftlicher Ausbildung.
  8. ) Mehrere Begräbnis- und Sterbekassenvereine, deren Mitglieder einen wöchentlichen Beitrag zahlen und bei ihrem Tode eine festgestellte Summe Geldes ausgezahlt erhalten, eine höchst wohlthätige Einrichtung für unbemittelte Einwohner.
  9. ) Der Frauenverein, zur Bekleidung armer Kinder mit Kleidungsstücken, besonders zur Konfirmation.
  10. ) Die Freimaurer, welche ihre Zusammenkünfte in der Loge „zur gekrönten Unschuld“ beim Dom halten.

 Die einzelnen Gewerke haben ihre Herbergen in einzelnen Gasthäusern der Stadt, welche man an den ausgehängten Emblemen und Schildern derselben leicht erkennen kann.

 In neuester Zeit hat, wie überall, so auch hier, das Vereinswesen in dem Maße überhand genommen, daß die Aufzählung aller Vereine ermüden würde.

 Der früher scharf ausgeprägte Charakter der Bewohner Nordhausens hat sich in neuerer Zeit sehr verändert, und wird sich noch immer mehr ändern durch die so sehr erleichterte Kommunikation mit Städten und Gegenden, welche gesehen zu haben in früheren Zeiten schon für etwas Besonderes galt; teils auch durch das fortwährende Zuströmen vieler Fremder, sowie durch die Niederlassung vieler Auswärtiger. Dessen ungeachtet haben sich aber noch viele Eigentümlichkeiten in Charakter, Lebensweise und Sitten, als gemeinsames Gepräge, erhalten.

 Der ächte Nordhäuser hat eine besondere Vorliebe für seine Vaterstadt, ist offenherzig, wohlthätig, gastfrei und gesellig, hat jedoch auch sein Geschäft, welches ihm besonders am Herzen liegen muß, stets im Auge. Daß unter diesen Umständen auch die Sprache sich verändert hat, versteht sich von selbst. Man hört den früheren breiten thüringer Dialekt weniger als sonst, und es läßt sich erwarten, daß er, wie in andern Städten, nach und nach immer mehr verschwindet. Der gemütliche Sinn der Nordhäuser sucht, wie ein Bürger der Stadt es ausgesprochen, dem Leben die beste Seite abzugewinnen.[1] Dahin zielen denn auch die Volksfeste, deren hier einige erwähnt werden sollen.

 Wenn nach des Winters Stürmen die warme Frühlingssonne wieder neues Leben in Wald und Flur bringt, im lieblichen Maimonat, dann feiern Nordhausens Bürger draußen im Gehege „das Maifest.“ Alt und Jung nimmt daran teil. Man lagert sich in fröhlichen Kreisen im frischen Rasen unter den Gebüschen und Bäumen und trauliche Gespräche wechseln mit Musik und Gesang bis zum späten Heimzug die sinkende Sonne und der aufgegangene Mond mahnt, wo man dann überall auf den Wegen fröhlichen Gesellschaften begegnet, die in Gottes freier Natur einmal des Tages Last und Mühe in trauter Fröhlichkeit zu vergessen suchten.

 Zur Zeit der Sommersonnenwende, wenn die köstlich duftende Rose in voller Blüte sich entfaltet, feiern die Jugend und die Alten mit ihnen „den Rosentopf.“ Haus bei Haus findet man in und außer dem Hause Rosenhütten von Birkenbüschen, Laubguirlanden und Rosenkränzen und mit einer prächtig gekleideten Puppe in dem schönsten Kranze. In den Hütten spielen die Mädchen, die Knaben aber schießen mit Armbrüsten nach einem hölzernen Vogel, und der, welcher die Krone des Vogels abschießt, ist König und giebt den anderen einen Schmauß, der dann in den Rosenhütten verzehrt wird, nachdem der König erst mit Trommelbegleitung hernmgeführt ist. Dieses Rosenfest wird am Johannistage, den 24. Juni, gefeiert und ist wohl alten Ursprungs.

 Das Schützenfest, welches alljährlich im Sommer gefeiert wird, rührt wohl, wie in den meisten Städten, noch von den Waffenübungen der Bürger aus den Zeiten Kaiser Heinrichs I. her. Damals waren diese Waffenübungen nötig, da die Bürger meist auf eigene Verteidigung ihrer Stadt bedacht sein mußten, jetzt sind sie nur noch zum Vergnügen, sowohl das Scheiben- als Vogelschießen. Das Scheibenschießen dauert fünf Tage, vom Montag bis Freitag. Auf dem Schützenplatze sind Buden errichtet mit allerlei Erfrischungen, und Alt und Jung nimmt an diesem Vergnügen Anteil und freut sich, wenn die kleinen Geschütze abgefeuert werden, das Musikchor lustig aufspielt und ein Feuerwerk mit Illumination des Schützenhauses den letzten Tag des Festes beschließt.

 Der 10. November, Luthers Geburtstag, wird sonderbarer Weise hier mehr als anderwärts als Volksfest gefeiert. Die Veranlassung dazu hat eine alte Volkssage gegeben. Doktor Luther soll mit einem Schuhmachermeister von Sondershausen, wo Markt abgehalten war, nach Nordhausen gereist sein und bei dem Schuhmacher geherbergt haben. Der Meister hatte gut verkauft und die Frau Meisterin hatte einen Gänsebraten zum Abendbrote aufgetragen, wozu der Meister nun noch inbetracht seines guten Verdienstes aber auch besonders wegen seines werten Gastes eine Flasche Wein zum besten gab. Als nun der Doktor erwähnte, daß heute gerade sein Geburtstag sei, da leerte man jubelnd ein Glas auf das Wohl des großen Reformators, der mit herzlichem Danke von seinem werten Gastfreunde schied. Seitdem wird sein Geburtstag alljährlich gefeiert. Schon am Tage vorher wird die sogenannte Martinsgans geschlachtet und die bemalten Lichter gekauft, worauf das Bild Luthers, zur großen Freude der Kinder, deren jedes ein Licht bekommt; überhaupt so viel Familienglieder, so viel Lichter. Nachmittags versammeln sich die Gewerke mit ihren Fahnen auf dem Markte und singen unter Posaunenbegleitung das Lied: Eine feste Burg ist unser Gott, welches auch am Abend zwischen 5 und 6 Uhr vom Petrikirchturme geblasen wird. In dieser Stunde wird auch mit allen Glocken geläutet und eine Festmahlzeit gehalten, es wird die Martinsgans verzehrt, bei Hellem Lichterschein. Doch ist dieses Volksfest jetzt sehr materiell geworden, man denkt nur ans Essen und vergißt des Mannes, dem zu Ehren man feiert.

 Möchte doch auch das seit dem Jahre 1846 am 300 jährigen Todestage Luthers gestiftete und alljährlich wiederkehrende Missionsfest im eigentlichen Sinne immer mehr ein Volksfest werden, wie es in Westfalen und an andern Orten schon geworden ist. Der so sehr verweltlichte Sinn der meisten Menschen ist aber nicht dafür gestimmt und nimmt wenig daran Teil.

 Für den Besucher der Stadt, sowie für den Nordhäuser selbst, der es liebt, nicht bloß in den engen Mauern der Stadt zu verweilen, giebt es manchen angenehmen Spaziergang in der nächsten Umgebung derselben. Geht man durch das Gehege, durch die Wolfsgasse nördlich, so gelangt man in Wilde's Hölzchen, in welchem der Wartturm steht, von dessen Gallerie man eine schöne Rundsicht genießt. Aus Wilde's Hölzchen gelangt man nach dem Kühberge, hinter welchem der Gesundbrunnen liegt, eine frische, köstliche Quelle. Von hier aus zieht sich ein schöner Weg nach Rüdigersdorf, welches dicht an hohe Kalkberge gelehnt, eine überaus romantische Lage hat. Hier ist die sogenannte „Hohensteinische Schweiz,“ deren zunächst höchst gelegener Berg, der Glockenstein, mehrere Höhlen enthält.

 Vom Altendorfe aus führt eine schöne Allee nach dem Dorfe Crimderode, auf dessen Feldmark sich mehrere Alabasterarten befinden. Dabei befindet sich der Bettelmannsgraben, auf einer Wiese zwei Erdfälle, die am 21. April 1710 entstanden sind. Auch die Goldschmiedshöhle, in welcher sich im 30 jährigen Kriege ein Goldschmied aufhielt, ist hier. Nicht weit vom Dorfe liegt der Johannisberg, auf welchem eine Kapelle stand, die im Bauernkriege zerstört ist, von der man noch die Grundmauern sieht. Ihre Glocken befinden sich in Sachswerfen. Vom Johannisberge hat man nicht weit nach Nieder-Sachswerfen, welches an dem Mühlenberge, einer schroffen Felswand von blendendem Gips, gelegen ist, aus welchem früher viele Kunstgegenstände gefertigt wurden. In diesem Dorfe ist Laurenz Rhodomann, welcher 1616 als Professor der Geschichte in Wittenberg starb, geboren. Der „Zoll“, ein geschmackvolles Gasthaus, vom Grafen Josef von Stolberg erbaut, gewährt eine gute Aufnahme und aus seinen Zimmern eine köstliche Aussicht. Von hier aus hat man es nicht weit nach dem Kohnstein, bei dem Dorfe Salza, eine Stunde von Nordhausen. Bei Salza besucht man die Hauptquelle der Salza, das „grundlose Loch“, und auf dem Kohnsteine die Schnabelsburg. Von Salza führt ein interessanter Weg nach dem Dorfe Herreden, bei welchem auf einer kahlen Höhe die Seelöcher liegen, zwei trichterförmige Erdfälle in der Tiefe mit Wasser, deren oberer Umkreis 160 Ruten, der des Wasserrandes 112 Ruten und deren Waffertiefe 36 Ellen beträgt. Früher befand sich auf dem großen Seeloche eine schwimmende Insel, welche vom Blitz entzwei geschlagen wurde, wovon aber nichts mehr zu sehen ist. Die Sage erzählt davon: In alten Zeiten war an der Stelle des Sees eine Grasweide. Da hüteten etliche Pferdejungen ihr Vieh. Einer unter ihnen aß Weißbrot, welches die andern ihm abforderten. Er wollte aber nicht. Darüber wurden sie zornig, fluchten ihren Herren, daß sie ihnen nur Schwarzbrot gegeben, warfen ihr Brot zur Erde und schlugen es mit der Peitsche. Alsbald kam Blut heraus. Da erschracken sie. Der Unschuldige floh von ihnen. Die Buben aber wurden samt ihren Pferden in die Tiefe verschlagen. Seitdem wachsen aus dem See Pflanzen mit Blättern wie Hufeisen, die ganz den Lotosblumen gleichen.

Das Turnier zu Nordhausen. 1265.

 Begünstigt durch die deutschen Könige, die ihr viele Rechte und Privilegien gaben, erhob sich die kaiserliche Freie Reichsstadt Nordhausen und gewann an Macht und Ansehen, sowie sich die Wohlfahrt ihrer Bürger mehrte. War sie nun schon in frühern Zeiten der Ort wichtiger Versammlungen gewesen, so wurde sie jetzt nicht minder durch ein glänzendes Ritterspiel geehrt.

 Im Jahre 1265 hielt hier nämlich der edle Markgraf von Meißen, Heinrich der Erlauchte, Landgraf von Thüringen, eines der prächtigsten und glänzendsten Turniere ab, die je gefeiert wurden.

 Der jetzige Hammerrasen vor dem Bielenthore, damals eine freie Fläche, wurde in einen großen Garten umgewandelt. Am Ende der Rennbahn war ein Baum aufgestellt, der die Preise der Sieger, nämlich goldene und silberne Blätter, trug. So oft nun zwei Ritter auf ihren mutigen Pferden und in ihrer vollen Rüstung mit ihren Lanzen gegen einander rannten, und der eine seine Lanze auf des Gegners Brust brach, ohne daß sie beide wankten, so bekam er ein silbernes Blatt; warf er aber seinen Gegner aus dem Sattel, so erhielt er ein goldenes als Siegespreis aus den Händen des hierzu bestimmten edlen Ritterfräuleins. Acht Tage lang währten die Kampfspiele der Ritter, auch zur Belustigung der Nordhäuser, von denen täglich eine Menge Zuschauer den Spielen zusahen. Mit züchtigem Tanz und andern Festlichkeiten wurde das Fest beschlossen.

Ablaß. Wohlfeile Zeit. Siechenhof.

 Da, wo früher der Begräbnisplatz der Gemeinden St. Blasii und St. Nikolai war, stehen noch die Mauern eines alten Kirchleins, das den Namen Barfüßer- oder Spendekirche führte. Diese Kirche gehörte zu dem daselbst stehenden Franziskaner- oder Barfüßerkloster. Davon tragen noch der Spendekirchhof und die Barfüßerstraße ihre Namen. Es sind davon nur wenige Nachrichten vorhanden. In dem Zeiträume von 1255 bis 1511 werden mehrere Guardiane oder Vorsteher erwähnt, von denen der erste Otto, der letzte Caspar Schmidt hieß. Wovon sie den Namen Spendekirche hat, soll später erwähnt werden. Diese Kirche war lange Zeit ein Ort gläubiger Wallfahrt für die Vergebung ihrer Sünden suchenden Christen. Denn im Jahre 1279 hatte ihr der Bischof Wurgo von Meißen einen Ablaß erteilt für diejenigen, welche ihr Kirchweihfest besuchten. Da kam mancher mit Sünden Beladene und zog im Frieden wieder heim und hinterließ reiches Geschenk dem Kloster.

 Soll sich die Wohlfahrt des Bürgerstandes erhalten, so ist ein durchschnittlicher Mittelpreis der Lebensmittel für ihn das wohlthuendste. Traurig und auf die Verhältnisse des Mittelstandes verderblich einwirkend sind daher teure als auch wohlfeile Jahre. Freilich ist Teuerung eine der schrecklichsten menschlichen Plagen, doch lernt man darin den Wert der Gaben Gottes erst schätzen und dem himmlischen Geber dankbar sein auch für Weniges. Überfluß macht gar leicht das Herz übermütig und unempfänglich für Gottes Güte. Beides aber schickt uns Gott, um uns zur Buße zu leiten.

 Fassen wir bei dieser Gelegenheit einmal die teuren und wohlfeilen Jahre, die Nordhausen hatte, zusammen. Aus einer Nachricht vom Jahre 1621, als dem teuersten, sehen wir den Preis folgender Artikel ausgezeichnet: 1 Fuder Holz 8-9 Thlr., 1 Schffl. Weizen 6 Thlr., 1 Schffl. Roggen 5 Thlr., 1 Schffl. Gerste 3-4 Thlr., 1 Schffl. Hafer 2 Thlr., 1 Schffl. Erbsen 4 Thlr., 1 Schffl. Rübsamen 6 Thlr., 1 gemästeter Ochse 100 Thlr., 1 gemästete Kuh 40-45 Thlr., 1 Kalb 10 Thlr., 1 Faß Bier 26 Thlr., 1 Pfd. Brot 4 Ggr., 1 Pfd. Schweinefleisch 16 Ggr., 1 Pfd. Lichter 16 Ggr., 1 Pfd. Speck 16 Ggr., 1 Pfd. Holländer Käse 16 Ggr., 1 Pfd. Butter 16 Ggr., 1 Paar Schuhe 4 Thlr.

 Diese schreckliche Teuerung rührte lediglich von dem damaligen schlechten Gelde her, wo die sogenannten Schreckenberger, Plätzer oder Prahler durchgängig im Umlaufe waren. Sie erhielten diese Spottnamen deswegen, weil sie vom Anfänge 4lötig, dann 3, 2½lötig ausgeprägt wurden.

 Auch in den Jahren 1805 und 1806 wurde der Weizen mit 7 bis 8 Thlr., der Roggen mit 5 bis 6 Thlr. pro Scheffel bezahlt und ebenso im Verhältnis die übrigen Früchte; dabei fehlte es aber weder an Früchten noch am Gelde, und jedes Gewerbe fand reichliche Nahrung. Mit dem Vordringen der Franzosen im Oktober 1806 fielen die hohen Preise gänzlich, indem der mit England bis dahin getriebene Fruchthandel bei dem Ausbruche des Krieges plötzlich stockte, da Napoleon die sogenannte Kontinentalsperre eingeführt hatte. In neuerer Zeit war die größte Teuerung im Jahre 1847, wo der Scheffel Roggen 6 Thlr., der Weizen 8 Thlr., die Gerste 4 Thlr. kostete.

 Ebenso traurig als zu teure, sind zu wohlfeile Fruchtpreise, und dieser traurigen Jahre hat Nordhausen mehrere gehabt. 1280 kostete der Schffl. Roggen 1 Ggr. 10 Pfg., 1 Huhn 2 Pfg. Im Jahre 1416 kostete hier 1 Pfd. Hammelfleisch 2 Pfg., 1 Pfd. Rindfleisch 4 Pfg., 1 Pfd. Schweinefleisch 4 Pfg., 1 Pfd. Kalbfleisch 2 Pfg. Im Jahre 1497 konnte man hier 1 Acker Land für 2 Thlr. kaufen; 1521 kostete 1 Huhn 1 Schreckenberger. Ferner gleich wohlfeil war es in den Jahren 1549, 1562, 1618, 1657, 1685. Das wohlfeilste Jahr war 1849, wo der Scheffel Roggen nur 24 Sgr. kostete

 Im Jahre 1281 wurde der Siechenhof von einem Herrn von Werther gestiftet zur Aufnahme armer Kranker, die darinnen gepflegt wurden. Später fanden Kranke und Arme darinnen Schutz und Obdach. In den Kriegsjahren und Zeiten der Garnisonen von 1812—20 diente er als Lazarett. Durch diesen Gebrauch aber zerfiel das Gebäude sehr und ein Hauptbau war nötig, der auch von dem Magistrate unternommen wurde. Der Siechenhof besteht jetzt aus dem Versorgungshause für alte, schwache Leute, aus einem Arbeitshause für arbeitslose oder auch arbeitsscheue Einwohner und einem Krankenhause. Die dabei befindliche Kirche St. Cyriaci lag lange Zeit als Ruine, ist aber in den vierziger Jahren dieses Jahrhunderts mit Benutzung der noch stehenden Mauern wieder recht freundlich und geschmackvoll aufgebaut und dient den Bewohnern des Siechenhofs als Gotteshaus, weshalb auch ein besonderer Prediger angestellt ist. An der alten Mauer dieser Kirche waren Kreuze, auf einem derselben war ein Pfaffe mit dem Kelche in der Hand ausgehauen. Diese sollen bezeichnet haben, daß einst, in den katholischen Zeiten, ein furchtbarer Wolkenbruch unvermutet gefallen sei, die Kirche umgerissen, sechs eben Kommunicierende aber, nebst dem Meßpriester mit fortgespült haben, sodaß sie ihren Tod in den Wellen gefunden hätten. Früher wurden hier drei sogenannte Flurpredigten gehalten, namentlich am dritten Ostertag, am dritten Pfingsttag und nach der Ernte. Diese wurden anfänglich außerhalb des Siechenhofs, in der Folge aber innerhalb desselben gehalten, haben aber längst wegen Mangels an Teilnahme aufgehört.

Bürgerunruhen. 1324.

 In jedem Freistaate herrscht eine ewige Reibung der Aristokraten und Demokraten; nichts wird dem regierenden Senate vorgeschlagen, wobei sich nicht Parteien fänden. Deshalb sind monarchische Regierungen den beiden vorher angegebenen gewiß vorzuziehen, wo nicht ein jeder unwissende Schreier sich Ansehen und Ruhm erwerben kann, sondern wo bloß Geschicklichkeit, innere Kraft und Würde gilt; wo nicht jeder Revolutionssüchtige seiner Willkür ungestraft freien Lauf lassen kann, sondern wo Gesetze und Veränderungen der Prüfung einsichtsvoller Männer unterworfen werden. Welcher Freistaat hat nicht eine oder mehrere Revolutionen erfahren?

 Es war in der Karwoche im Jahre 1324, als der erste bedeutende Bürgeraufruhr entstand. Unter dem Bürgermeister Thiele rotteten sich die unzufriedenen Bürger zusammen, unter Anführung des Ratsherrn Heinrich von Wechsungen, dem sie anhingen. Die Häuser des Bürgermeisters Conrad Thiele und vierzig Ratsherren wurden erstürmt, zerstört und geplündert. Thiele mußte mit seinen Anhängern die Stadt verlassen. Kaiser Ludwig V. befahl, sich der Obrigkeit zu unterwerfen, die Vertriebenen wieder aufzunehmen und in ihre alten Würden wieder einzusetzen, auch die Ruhe und Ordnung wieder herzustellen; aber sie gehorchten nicht. Der Pöbel wurde nur noch wütender. Sie überfielen die Geistlichen des Stifts St. Crucis, welche die Sache vermitteln wollten, mißhandelten und verjagten sie aus der Stadt, zündeten ihre Häuser an und erschlugen die Juden, die in der Stadt wohnten. Matthias, Erzbischof von Mainz, citierte die Rädelsführer, unter Androhung des Bannes, vor seinen Richterstuhl. Die Bürger kehrten sich wenig an die Drohungen des Erzbischofs, sie plünderten und brannten vielmehr alle Stiftshäuser ab; die Folge davon war, daß der Bannfluch wirklich über die Bürgerschaft ausgesprochen wurde. Da nun die Kirchen den Aufrührern geschlossen wurden, erbauten sie, der Kaiser, Könige und Fürsten schrecklichem Spruche zum Trutz, eine Kirche und nannten sie St. Georgii (das Gebäude, welches früher die Nummer 22 führte), in der einige den Aufrührern zugethane Geistliche, unter andern Magister Meinhardt zu St. Nikolai, predigten. Da nun alle vorgeschlagenen Vergleiche, Anträge, alle Mittel, die Ruhe wieder herzustellen, umsonst waren, so verbot Dietrich, Graf von Hohnstein, seinen Unterthanen alle Gemeinschaft mit den Rebellen. Hierdurch gerieten die Bürger in drückende Not, denn durch die Unterthanen des Grafen waren sie bis jetzt mit Früchten und Holz versehen worden. Aber auch diese Maßregel brachte die Wütenden noch nicht zur Ordnung. Nun zog endlich der Erzbischof selbst vor die Stadt, brannte die Mühle ab, und hielt alle Zugänge eng besetzt, bis 1326, wo endlich durch Vermittelung der Domherren Seiffart von Halle und Hermann von Bebra ein Vergleich zustande kam. Der Bann wurde aufgehoben, die Rädelsführer wurden bestraft, die Stadt mußte dem Erzbischof 600 Mark Silber auszahlen und die Bürger mußten am St. Jakobstage die Geistlichen mit Kreuzen und Fahnen am Thore empfangen, von da nach dem Rathause und sodann nach dem Dome begleiten.

Der 14. April 1329.

 Kaiser Ludwig der Baier hatte seine Tochter Mathilde dem Markgrafen von Meißen und Landgrafen von Thüringen, Friedrich dem Ernsthaften, im Jahre 1329 vermählt. Als Mitgift hatte er demselben eine Anweisung auf die beiden Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen gegeben. Als nun aber die Nordhäuser eine solche ihren Rechten und Freiheiten zuwiderlaufende Anweisung nicht anerkennen wollten, brauchte Friedrich Gewalt und belagerte die Stadt, konnte sie aber nicht einnehmen und verbrannte aus Rache das Altendorf, welches außerhalb der Ringmauer lag, und zog wieder ab. Es blieben aber seine Bundesgenossen, die Leute des Herzogs von Braunschweig, vor der Stadt liegen und diesen gelang es, in der Nacht am Freitag vor Palmarum (14. April 1329), das Altenthor zu erbrechen. Schon drang das braunschweigische Kriegsvolk die Barfüßerstraße hinauf, unter dem beständigen Geschrei: Hernach Honstein! Hernach Honstein! und war bis gegen den Blasius-Kirchhof gekommen. Da warfen sich die Bürger und ihre Söldner, hier, wo vier Straßen zusammenstoßen, von vorn und von beiden Seiten herzuströmend, auf den Feind, und es gelang ihnen nach hartem Kampfe, die Eingedrungenen zurückzutreiben und die Stadt zu retten. Der Sieg wurde besonders dadurch entschieden, daß man von den Dächern der Häuser kochende Maische, welche man zur Hand hatte, indem daselbst eben Bier gebraut wurde, auf die Feinde herabgoß, auch wohl Ziegeln und Steine auf sie herabwarf. Dies thaten besonders die Frauen und Jungfrauen und erwarben sich dadurch große Ehre. Viele Feinde wurden erschlagen und in den auf jenem Platze befindlichen Frankenborn gestürzt, der seitdem verschüttet ist.

 Von den Siegern fielen, mutig kämpfend, der tapfere Anführer Hauptmann Alwig, ferner Berthold von Tütcherode, Werner Lutterot und andere wackere Männer. Zwanzig von den Verrätern, welche den Feind in die Stadt geführt haben sollten, wurden ergriffen und vierzehn derselben hingerichtet und auf die Räder geflochten.

 Das Andenken an diesen Sieg sollte unter andern ein Denkstein erhalten, welcher dreißig Jahre nachher aufgestellt wurde. Im Jahre 1360 vollendete man den Bau eines neuen Rathauses. Auf einem großen Steine, den man in die Mauer desselben setzte, wurde in einer Inschrift dieses Jahr nebst den Namen der Baumeister ausgedrückt, und da der Stein noch Raum genug darbot, so wurden einige Zeilen über jene Rettung der Stadt hinzugefügt. Der Stein ist beim Abbruche jenes Rathauses erhalten und in die Mauer des jetzigen Rathauses auf der Nordseite desselben wieder eingefügt worden. Die Inschrift lautet aber:

Post . M . Post . Tria . CCC . L .
Simul . X . Domus . Ecce . Pulcra.
Fenestrata . Rectangula . Stat . Statis.
alta . Structa et completa Domus.
Cum Capella his sub structoribus.
Hermanno de Werthre, Stiffrido
Kremer et Ludewico Burner.
Post M, post Tria CCC - post bis
X, junge novemque Prae Palmis
feria sexta Festo Tiburti
et Valeriani Intrarant postes
urbis tunc istius hostes; Victrix
Nordhusa sed celitus est ope fusa.

 Der Inhalt dieser Schrift ist: Im Jahre 1360 stand dieses schöne, mit Fenstern versehene, rechtwinkliche Haus von ansehnlicher Höhe. Das Haus nebst der Kapelle wurde vollendet unter den Bauherren Hermann von Werther, Siegfried Krämer und Ludwig Börner. Im Jahre 1329, am Freitage vor Palmen, am Tage der heiligen Tiburtius und Valerianus, drangen in die Thore der Stadt die Feinde derselben; doch Nordhausen siegte mit göttlicher Hülfe.

 Ein lebendigeres Andenken an jenen Sieg und die damals für die Vaterstadt Gefallenen gewährten die Stiftungen, welche der fromme Sinn unserer Väter dem Geiste der Zeit gemäß gründete. Bald nach dem Ereignisse stifteten die Angehörigen der Gebliebenen und der Rat selbst in verschiedenen Kirchen tägliche Seelenmessen und feierliche Jahrbegängnisse. Über einige reiche Stiftungen dieser Art sind noch mehrere Urkunden vorhanden. Doch bedeutender als diese Seelenmessen und Jahrbegängnisse und das bedeutendste Denkmal des rettenden Sieges, war die um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts gestiftete Spende, welche jährlich am Freitage vor Palmen, nach einer sehr feierlichen kirchlichen Prozession, Messe und Gedächtnispredigt, ausgeteilt wurde. Die nordhäusischen Statuten enthalten über diese Spende einen eigenen Artikel. In einem Originalexemplar der Statuten, welches um das Jahr 1360 geschrieben ist, lautet derselbe:

Di rat sal alle iar spende an deme vritage uor palmen, alse got dosse stat zto Northusen zeichentliche irnerte welch rat daz lezet da vorluset ichslich ratman sines geldes eine mark an di stat. - Anno domini MCCCXX Nono. In die beatorum tyburti et valeriani tunc sexta feria ante dominicam palmarum accidit predictus hostilis inuasionis casus. - Zo volleist dosser spende het Syfried erwizmel eine ewige halbe mark geldes gekouft. Di sal man vin dem rathus alle iar da zu gebe.

 Friedrich von Bendeleben hat im Jahre 1401 eine ewige nordhäusische Mark dazu gekauft zum Tröste seiner Seele und der Seelen aller seiner Vorfahren und Freunde. Spätere auch den Statuten einverleibte Entscheidungen geben ausführliche Vorschriften für das bei dieser Spende zu beobachtende Verfahren. Die von eigenen Spendeherren verwalteten Güter und Einkünfte der Anstalt wurden immer bedeutender. Wie ansehnlich die Spende im Anfänge des 16. Jahrhunderts war, geht schon aus der Menge des Brotes und der Heringe hervor, welche, außer dem baren Gelde, an die Welt- und Ordensgeistlichen, an die Kirchen- und Schuldiener, an die städtischen Diener und an die Armen und Teilnehmer an der Prozession verteilt wurden. Im Jahre 1527 wurde ausgeteilt Brot von 44 Marktscheffeln (= 528 Scheffeln) Weizen und 16 Tonnen Heringe. Jedes Spendebrot wog damals 3 Pfd. 1520 gab man 36 Marktscheffel Weizen und 10 Tonnen Heringe; 1521 wieder 40 Marktscheffel und 12 Tonnen Heringe, und es blieb viel übrig; 1522 ebensoviel, und es reichte nicht zu, weshalb man 3 Pfennige statt eines Brotes gab. 1526 und 1528 unterblieb Prozession und Austeilung. 1529 gab man 40 Marktscheffel Weizen und 10 Tonnen Heringe, aber die Prozession unterblieb von nun an. 1532 gab man 40 Marktscheffel Weizen und 15 Tonnen Heringe, und es blieben 7 Schock Brote übrig. 1541 wog 1 Spendebrot 1 Pfd. Die Spende dauerte bis in das 17. Jahrhundert, ist aber mit der alten reichsstädtischen Herrlichkeit längst untergegangen.

Neue Empörung. Kamp mit den Grafen von Hohnstein. Vertrag mit demselben 1363.

 Mit der vorhergehenden Erzählung steht auch folgende Nachricht in Verbindung. Um jene Zeit wurde auch bekannt, wer der Anstifter des Tumultes vor fünf Jahren gewesen war (1324). Darüber entstand eine neue Empörung. Die Empörer belagerten das feste Rautenthor, hieben es auf und drangen bis auf den Königshof, wo sie viel Mutwillen trieben. Man schrie, die Stadt sei verraten, und die Bürger griffen zu den Waffen. Es war am 15. Juli 1329, als man der Aufrührer Herr wurde. Viele wurden deshalb gefangen und einige derselben gehängt, andere geköpft, andere gerädert. Die Zwietracht unter den Bürgern wurde dadurch aber größer, als sie je gewesen war, zumal die aus der Stadt Vertriebenen mit Hülfe benachbarter Ritter und Edlen, namentlich der Grafen von Hohnstein, von Stolberg und von Beichlingen mit Gewalt wieder eindringen wollten, wodurch eine Menge Kämpfe und Fehden entstanden, die durchaus nicht förderlich für die allgemeine Wohlfahrt der Stadt waren.

 An den mächtigen Grafen von Hohnstein hatten die Nordhäuser, nachdem der edle Geist diese Familie verlassen hatte, stets arge Plager, die ihnen alles, was sie nur rauben konnten, Wegnahmen. Um dies jedoch ein wenig müheloser zu haben, erbaute Ulrich von Hohnstein auf dem Kohnsteine bei Salza eine Burg, die Schnabelsburg genannt, in die er starke Besatzung legte. Eine Warte derselben lag auf dem noch jetzt sogenannten Schnabel, das Hauptteil der Burg stand jedoch an der Stelle, die noch heute oft von Nordhausen aus besucht wird, und zu welcher man gelangt, wenn man am Kuxloche vorüber zu der steil abfallenden Ecke des Berges gelangt, von welcher man eine herrliche Aussicht auf Sachswerfen, Hohnstein, die Harzberge u. s. w. hat. Von den auf beiden Ecken belegenen Türmen konnten die Hohnsteiner alles gewahren, was an Vieh und Gütern auf der mitternächtlichen Seite der Stadt entweder von Nordhausen nach dem Harze oder von diesem nach der Stadt zog. Kein Reisender war mehr sicher, aufgegriffen und nach der Schnabelsburg gebracht zu werden, von wo aus er mit schwerem Gelde sich wieder lösen mußte, wollte er wieder in Freiheit gelangen. Die Nordhäuser bauten zwar auf einer Spitze des wilden Hölzchens (Wilde's Hölzchen, denn ein Licentiat Wilde war 1598 Besitzer desselben) einen Wartturm, um die Braunschweiger Straße besser überwachen zu können; indessen ehe sie den Bedrängten zu Hülfe kamen, waren dieselben schon im Gewahrsam der Hohnsteiner. Um nun diesem Übel abzuhelfen, beschloß der Senat, die Schnabelsburg dem Grafen abzukaufen, und lud ihn in dieser Absicht in die Stadt. Der Graf erschien auch wirklich und wurde gut empfangen. Im Riesenhause wurde der Kaufvertrag (1363) abgeschlossen. Während der Graf eine Mahlzeit einnahm, schickte der Rat zugleich auch Bürger ab, die die Schnabelsburg abbrannten und bis auf den Grund zerstörten, so daß kaum noch die Grundmauern stehen blieben.

 Die Grafen von Hohnstein hatten geglaubt, die Bürger hintergehen zu können, waren deshalb über die Zerstörung der Burg im höchsten Grade aufgebracht und suchten nun die Stadt auf alle Weise zu quälen und zu befehden; aber der damalige Stadthauptmann Andreas Butler leistete kräftigen Widerstand und verbrannte nicht nur viele Dörfer in der Gegend des Hohnsteins, sondern nahm ihnen auch vieles Vieh weg.

Sieg gegen den Grafen von Stolberg 1374. Belagerung der Burg Hohnstein. Treulosigkeit der Braunschweiger.

 Während der vielen Kämpfe sah sich der Rat der Unterstadt, der bisher unabhängig vom Rate der Oberstadt geurteilt hatte, genötigt, wegen des schlechten Zustandes ihrer Mauern und wegen des Unvermögens, sie allein wieder auszubessern, mit dem Rate der Oberstadt sich zu verbinden, welches auch 1364 bis 1365 zu Stande kam. Zum Andenken an diese Begebenheit wurde aus dem freien Platze am Ende der Neustadt- und Rautenstraße, auf einer Säule ein kupferner Adler aufgestellt, in bestem Bauche sich die Urkunden dieser Bereinigung befanden. Die Säule nebst dem Adler sind längst der allgeschäftigen Neuerungssucht gewichen, doch erinnert der Name des Platzes „vor dem Vogel“ noch immer an jene Begebenheit.

 Diese Bereinigung oder vielmehr Verbindung hatte nun allerdings die so notwendige Ausbesserung und Befestigung der Mauern der Stadt zur Folge, sowie auch 1362 der jetzige hohe Turm der Petrikirche, wie eine Inschrift an der nördlichen Seite desselben bezeugt, aus Stadtmitteln erbaut wurde, indessen waren doch auch manche Ausgaben gemacht, die nicht mit den Ansichten der Bürger übereinstimmten und worüber sie, sowie über die Verwaltung des städtischen Vermögens, vom Magistrate um Rechnungslegung baten. Dies verzögerte sich bis zum Jahre 1375 und zog einen abermaligen Aufruhr nach sich.

 Ehe aber derselbe zum Ausbruch kam, zog ein Kampf mit dem Grafen Hermann von Stolberg die Bürger aus ihren Mauern. Graf Hermann hatte nämlich von der Erichsburg herab alle Vorüberziehenden auf die unverschämteste Weise geplündert. Deshalb zogen die Nordhäuser vor die Erichsburg 1374, belagerten, eroberten sie und nahmen den Grafen nebst zwanzig seiner Spießgesellen gefangen. Sie köpften den Grafen und die mit ihm verbündeten Ritter, die übrigen hingen sie an die nächsten Bäume; das Raubnest selbst aber wurde zerstört.

 Darauf zogen sie vor die Burg Hohnstein, um sie zu zerstören. Da stand aber in der Nähe Herzog Otto von Braunschweig mit einem wohlgerüsteten Heere. Die Nordhäuser schickten Abgesandte zu ihm mit der Frage: wie er sich während der Fehde verhalten wolle. Otto versprach ihnen heiligen Frieden und daß er sie in ihrem Unternehmen ungehindert lassen wolle. Die Nordhäuser trauten also dem herzoglichen Worte und fingen ruhig die Belagerung an. Er aber hatte ein Bündnis mit dem Hohnsteiner geschlossen. Als nun die Nordhäuser die Burg stürmten, überfiel er treulos ihr Lager und nahm die ganze Besatzung des Lagers nebst den andern Zurückgebliebenen gefangen, für welche die Stadt in der Folge 800 Mark Silber als Lösegeld bezahlen mußte. Die übrigen nordhäusischen Truppen sahen sich jetzt genötigt, unverrichteter Sache nach Nordhausen zurückzukehren. — Die Kämpfe mit den raubsüchtigen Nachbarn scheinen sich später mehr gelegt zu haben, wenigstens kommen nur unbedeutende Sachen vor, dagegen wächst das Ansehen der Stadt durch den Schutz und die fortwährende Bestätigung ihrer alten Privilegien, Freiheiten und Rechte durch die deutschen Kaiser, wie die hier beigehenden Urkunden aus dem alten Stadtarchive beweisen.

Übersicht der in diesem Zeitraume gegebenen königlichen und kaiserlichen Urkunden. 1220-1368.

1. Kaiser Friedrich II., aus dem Hause Hohenstaufen, verwandelte das Nonnenkloster in ein weltliches Mannsstift.
2. In einer zweiten Urkunde bestätigt er die Rechte der Nordhäuser Kirche und fügt noch einige Schenkungen hinzu; giebt dadurch der Nordhäuser Kirche eine neue Verfassung.
3. und 4. Kaiser Heinrich VII. wiederholt und bestätigt beide Urkunden seines Vaters und giebt in einer fernern Urkunde dem Stifte zum heiligen Kreuz das Patronat über die Pfarrei St. Blasii. Im Jahre 1234.
5. Heinrich VII. befiehlt dem Schultheißen und den Bürgern, dafür zu sorgen, daß die dem Stifte und dem Kloster Neuwerk entzogenen Güter zurückgegeben werden. 30. Juni 1234.
6. Friedrich II. nimmt das Kloster Neuwerk in seinen Schutz, bestätigt eine Schenkung des Vogt Rupert, schenkt selbst drei Hofstätten und ermächtigt das Kloster, Reichsgüter zu erwerben. 1237.
7. König Wilhelm bestätigt die Privilegien der Stadt. 1253.
8. Kaiser Rudolf erklärt seine Versöhnung, wegen des in den Wirren der kaiserlosen, schrecklichen Zeit zerstörten Reichsschlosses zu Nordhausen. 1290.
9. 10. 11. 12. Die Kaiser: Rudolf (1290), Adolf (1293), Albrecht (1306) und Ludwig (1323) bestätigen die Privilegien der Stadt.
13. Letzterer befreit Nordhausen von der geistlichen Gerichtsbarkeit in nichtgeistlichen Sachen (1323); erklärt sich wegen seiner Forderungen an die Stadt für befriedigt, behält sich aber die Juden als Kammerknechte vor (14.); und ermächtigt die Nordhäuser, die widerspenstigen Geistlichen nicht länger zu hegen (15.) 1331.
16. Kaiser Ludwig bestätigt den Vertrag über die Heimsteuer, welche Nordhausen seinem Schwiegersohn Friedrich von Meißen zahlen soll. 1333.
17. Kaiser Ludwig ladet die Nordhäuser vor das Gericht der Grafen von Hohnstein wegen versagter Leistungen und besonders wegen der Geldhülfe der Juden, 1336; spricht aber die Stadt los von allen Forderungen an dieselben. (18.) 1337.
19. Kaiser Karl IV. bestätigt und erweitert 1349 die Privilegien der Stadt; setzt (21.) den Rat als Bevollmächtigten und Schiedsrichter mit dem Rate von Erfurt in dem Streite zwischen Mühlhausen und den Grafen von Hohnstein 1354; erklärt (22.), daß die Stadt sich vom Markgrafen Friedrich von Meißen freigekauft; daß dieselbe nicht wieder vom Reiche versetzt und also auch die Verpfändung an die Erben des Grafen Günther von Schwarzburg ungültig sei, 1354; (23.) erteilt und bestätigt mehrere Privilegien. Wegen nicht geleisteter Hülfe beim Römerzuge und gegen die aufrührerischen Lombardenstädte, that Kaiser Karl IV. die Stadt in die Acht; hebt dieselbe aber (25.) wieder auf, doch sollen die Bürger 2 500 kleine Goldgulden Entschädigung zahlen. 1358 und 1368 bei einem abermaligen Römerzuge (26.) und (27.).
28. Kaiser Karl I V. befiehlt die Aufhebung einiger neuer Zölle, womit einige Herren in Thüringen die Nordhäuser beschweren, 1368; verbietet das Brauen und die Märkte eine Meile um die Stadt, 1368 (29.); bestätigt den Bürgern den Kauf des Kohnsteins von Friedrich von Ober-Salza, erlaubt ihnen überhaupt Reichslehen drei Meilen um die Stadt zu kaufen und ihre Stadt zu erweitern (30.) und (31.) 1368.

Bau des Dominikanerklosters auf dem Königshofe 1387. Die Pest 1398. Ilfelder Hof, Vertrag von 1398.

 In der katholischen Zeit waren mehrere Klöster in der Stadt, sowohl Mönchs- als Nonnenklöster. Im Jahre 1387 wurde auf der Stelle, wo einst das Gymnasium stand, ein Dominikaner- oder Predigermönchkloster erbaut. Davon hat noch die Predigerstraße ihren Namen. Als der Bauernkrieg ausgebrochen, wurde der letzte Prior dieses Klosters mit den sämtlichen Mönchen Vertrieben. Da nun das Gebäude leer war, indem die Mönche sich weigerten wieder einzuziehen, so trat der Rat, welcher das Gebäude wegen seiner trefflichen Lage zu einer Schule und die Einkünfte des Klosters zur Besoldung der Lehrer zu gewinnen wünschte, mit dem Prior Johannes Lüder, welcher zuerst Prediger zu Großenfurra, dann zu Windehausen geworden war, in Unterhandlung, und dieser übergab es auch endlich dem Rate, der sofort eine Schule darin anlegte und einen gewissen Neander aus Zwickau zum Rektor ernannte. Der große Brand von 1710 zerstörte auch dieses Gebäude, sowie sämtliche Lehrerwohnungen; es ward aber auf Kosten des Magistrats 1711 wieder aufgebaut. Die Herren Direktoren Poppe, Lenz (1802), Sparr (1808), Straß, Kraft (1820), Schirlitz (1827), Schmidt (1868), Rothmaler (1872) und Grosch (1875) haben die Schule immer mehr gehoben, so daß sie bis heute sich des besten Rufes erfreut.

 Die Pest wütete in Nordhausen sehr oft im 13., 14., 15. und 16. Jahrhundert, besonders aber in den Jahren: 1393, 1398, 1438, 1463, 1500, 1550, 1565, 1682. Die vielen Waldungen und Sümpfe in der Umgegend mochten wohl damals dazu beitragen, daß die Pest so oft wütete und ganze Gegenden und Städte heimgesucht wurden. Vom Jahre 1550 fangen erst die Totenverzeichniffe an, und aus denselben er- giebt sich, daß hier 2 500 Menschen starben. Im Jahre 1565 wütete sie durch ganz Thüringen und raffte überall Tausende auf Tausende hinweg, und viele thüringische Städte, am meisten die volkreiche Stadt Erfurt, verödeten unter den Schlägen dieser lebenzerstörenden Geißel. Man hatte nicht Arme, nicht Gräber genug, die Toten zu bestatten. 253 000 Menschen starben an dieser Plage; im Jahre 1682 starben hier 3 509 Menschen.

{{idt2|25}Das Ende dieses Jahrhunderts in der Geschichte der Stadt beschließt der im Jahre 1398 zwischen dem Rate der Stadt einerseits und dem Stifte Ilfeld andererseits abgeschlossene Vertrag wegen des sogenannten Jlfelder Hofes, der zur Einnahme und Aufbewahrung der dem Stifte Ilfeld aus Nordhausen und den bei der Stadt gelegenen, diesem Kloster Zinspflichtigen, diente und worin die Stadt dieses Haus dem Stifte abtrat. —

Bauten im 14. Jahrhundert. Beilegung des Streites um den Walkenrieder Hof 1496.

{{idt2|25}Die Geschichte der Stadt im 14. Jahrhundert weist mehr auf friedliche Unternehmungen hin, obwohl es im Reiche und in der Kirche eben nicht sehr ruhig zuging, indem im Reiche drei Könige, sowie in der Kirche drei Päpste auf einmal regierten und die Hussitenkriege viel Unheil herbeiführten. Der Wohlstand und Reichtum der Stadt nahm durch Handel und Gewerbe zu; der umliegende Adel wurde mehr und mehr durch das Gesetz gezügelt, da nun im Reiche eine bessere Gerichtsverfassung entstand. Außerdem trug die Erfindung des Schießpulvers viel dazu bei, daß derselbe mit den Städten in Freundschaft leben mußte. Auch thaten die Erfindung der Buchdruckerkunst und die neubelebten Wissenschaften zur Verfeinerung der rohen Sitte das ihre. In den Städten hielten die Zünfte und Gilden die Handwerker in fester Vereinigung. Die Bürger liebten geselliges Beisammensein; sie hatten ihre eigenen Trinkstuben, Ratskeller. Zur Erbauung eines Ratskellers schenkte hier der Bürger Heinrich Schwelngrebel 1447 sein Haus dem Rate der Stadt. Dieser erste Ratskeller verbrannte in dem großen Brande 1710, wurde aber wieder hergestellt. Er liegt dem Rathause gegenüber.

{{idt2|25}Weit wichtiger ist die Erbauung des Hospitals St. Martini zur Aufnahme und Verpflegung kranker und altersschwacher Leute. Dieses wurde von zwei reichen Patriziern, den Brüdern Johann und Simon Segemund, gestiftet, indem sie das Wichtigste zur Erhaltung desselben beitrugen. In einem Saale dieses Gebäudes fand man ein Gemälde, welches in zwei Fächer abgeteilt war, im ersten Fache St. Martin zu Pferde mit seinem Degen ein Stück von seinem Mantel abschneidend und einem Armen reichend, veranschaulicht. Im zweiten Fache steht eine lateinische Inschrift mit dem Wappen, einem verschlossenen Helme. Bereits im Jahre 1313 muß auf dieser Stelle schon eine Kirche gestanden haben, wie aus den daselbst aufgefundenen Grabsteinen hervorgeht. Die beiden nachstehenden Inschriften sind wahrscheinlich zum Gedächtnis der in den bezeichnten Jahren verstorbenen Gründer des Hospitals.

Anno Domini 1404
die Agathae obiit
Johannes Segemund.

Anno Domini
MCCCXXII. d. XII.
Martii obiit
Simon Segemund.

  1. Hermann Fischer, Buchbinder und Antiquar.