Königin-Luise-Schule Nordhausen
Die Königin-Luise-Schule war eine historische Schule in Nordhausen und befand sich in der Blasiistraße 15/16. Sie wurde 1808 als Höhere Töchterschule gegründet und anlässlich ihrer Hundertjahrfeier nach Königin Luise von Mecklenburg-Strelitz (1776–1810) benannt. Nach 1945 wurde sie in Wilhelm-von-Humboldt-Schule umbenannt.
Geschichte
Anfänge
Die Anfänge einer Mädchenbildung der Stadt reichen bis ins Mittelalter zurück. Im dem seit dem 13. Jahrhundert bestehenden Zisterzienser Nonnenkloster Neuwerk am Frauenberg hatten bereits lange vor der Reformation Nonnen Mädchen Unterricht gegeben. Im Jahr 1557 hatte die Priorin Margarete Bese dem Magistrat Liegenschaften und Einkommen des im Bauernkrieg gelittenen Klosters zum Zweck der Gründung des Aufbaus und der Unterhaltung einer Mädchenschule überlassen. Seit dem Jahr 1558 wurden im Kloster die Mädchen durch zwei Lehrerinnen unterrichtet. Inspektor der Schule war der Pfarrer der Petrikirche. Später wurde eine „Jungfernschule“ in der Pfaffengasse errichtet, wo die Schülerinnen in zwei Klassen unterrichtet wurden. Die beiden Lehrerinnen erhielten für Ihre Arbeit jährlich 20 Gulden. Dieses Gebäude wurde aber bereits beim Stadtbrand im Jahr 1712 vernichtet. Die Schule wurde nun einstweilen in das Broihanhaus in der oberen Rautenstraße verlegt. Im Jahr 1735 konnte dann die neue Schule in der Sackgasse (spätere Wolfstraße) bezogen werden. Wegen der Überfüllung der Klassen wurde 1734 an der Schule nun auch eine dritte Lehrkraft angestellt. Nun unterrichteten neben Frauen auch Männer die Schülerinnen. Hauptfach war der Religionsunterricht und später vor allem Französisch. Durch Handarbeitsunterricht sollten die Mädchen auf ihre zukünftige Rolle als Hausfrauen und Mütter vorbereitet werden. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hatte die Mädchenschule aber ihren Charakter verloren und Knaben und Mädchen wurden dort gemeinsam unterrichtet. Die Mädchenschule in dieser Form wurde dann aufgehoben und zwei Mädchenvolksschulen gegründet. Die Anstalt in der Sackgasse wurde nun als „Mädchenschule der Oberstadt“ bezeichnet. Die zweite Schule befand sich am Jakobikirchplatz und erhielt den Namen „Mädchenschule der Unterstadt“. In beiden Schulen wurden 205 Mädchen unterrichtet.
19. Jahrhundert
Im Jahr 1807 wurde Nordhausen Teil des Königreiches Westfalen. Aufgrund der schlechten Mädchenschulverhältnissen dachte der Magistrat daran lm Rahmen einer Schulreform eine höhere Töchterschule einzurichten. Zu diesem Zweck wurde Christian August Heyse als erster Lehrer an das Nordhäuser Gymnasium berufen, damit er die Leitung der zu gründenden Töchterschule übernehme und man ernannte ihn zum Mitglied der Schulinspektion. Heyse, Verfasser eines bekannten Fremdwörterbuches, kam aus Oldenburg, wo er eine private Töchterschule gegründet hatte. Zusammen mit Bürgermeister Grünhagen und Gymnasialdirektor Sparr betrieb er die Neuregelung des Nordhäuser Schulwesens. Am 3. Mai 1808 wurde Heyse in sein Amt als Rektor der höheren Töchterschule eingeführt und am 9. Mai wurde die Höhere Töchterschule zweiklassig mit 17 Mädchen eröffnet. Elementare Kenntnisse wurden für die Aufnahme vorausgesetzt. Da aber bei einem Teil der Mädchen diese Vorkenntnisse fehlten, wurde 1809 eine dritte Klasse als Vorklasse eingerichtet. Neben dem Rektor Heyse unterrichteten an der Schule der Pastor Bohne, die Kollaboratoren Ehring und Ude, Demoeiselle Wetzel als Französischlehrerin, Demoiselle Melde als Handarbeitslehrerin und der Tanzmeister Münzel. Den Schülerinnen wurde ebenso wie am Gymnasium Wissen über die elementaren Kenntnisse hinaus vermittelt. Unterrichtet wurden die Mädchen in Religions- und Pflichtenlehre, Aufbau des menschlichen Körpers, Natur, Gewerbe- und Warenkunde, Erd- und Weltbeschreibung, Geschichte und Mythologie, Vernunftlehre, Deutsch, Französisch, Rechnen, Zeichnen, Singen, Tanzen und Handarbeit. Im Jahr 1809 zählt die Schule 51 Schülerinnen und im Schuljahr 1832/1833 wurden 74 Mädchen in 3 Klassen unterrichtet.
Zunächst war die Schule im Beckerschen Stipendienhaus neben dem Rathaus untergebracht. Am 4. Februar 1833 siedelte die Schule in das ehemalige Waagegebäude am unteren Pferdemarkt über. 1861 bezog die Schule das für sie neu errichtete Schulhaus in der Blasiistraße, in dem sie bis 1945 verblieb. Den Schulneubau konnte die Stadt nicht aus laufenden Haushaltsmitteln bestreiten. Für den Bau wurde eine Anleihe in Höhe von 23.280 Reichsmark aufgenommen. Notwendige Anbauten an das Schulgebäude erfolgten in den Jahren 1876 und 1891.
Der Zugang zur Schule erfolgte dabei durch das Tor des alten Vorderhauses in der Blasiistraße 16. In den engen Räumen dieses um 1700 errichteten Fachwerkgebäudes wurden die Vorklassen unterrichtet. Diese Vorklassen waren ab 1876 der Anstalt zugeordnet. Am 29. September 1876 wurde in einem Zimmer dieses Vorderhauses das erste städtische Altertums-Museum eingerichtet und am 4. Oktober 1876 für die Bürgerschaft eröffnet. Eines der ältesten Museumsstücke soll eine holzgeschnitzte Passionsgruppe des abgebrochenen Töpfertorzwingers gewesen sein. Das Museum verblieb in diesem Raum bis zu seinem Umzug in das neue erbaute Volksschulgebäude am Taschenberg im Jahr 1878.
20. Jahrhundert
Im Herbst 1904 wurde auf das Schulgebäude ein weiteres Stockwerk aufgesetzt und im März 1905 wurde der Innenausbau dieses Stockwerkes abgeschlossen. Dadurch waren 6 neue Klassenzimmer mit hellen, großen Fenstern entstanden. Nun wurden auch die Vorklassen im Schulgebäude unterrichtet und damit die gesamte Schule in einem Gebäude vereinigt.
Im Jahr 1911 erhielt die Lehranstalt als vierte städtische Schule eine eigene Turnhalle. Die Lyzeal-Turnhalle entstand östlich des Torhäuschens am Spendekirchhof hinter den Häusern der Blasiistraße. Auf dem Programm des Turnunterrichts standen Übungen mit Barren, Bock, Pauschenpferd, Kasten, Sprungbrett und Schaukelringen.
Im April 1903 wurde die bisher 9stufige Anstalt 10 stufig.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts nahm die Schule einen schnellen Aufstieg. Im Jahr 1908 besuchten 396 Schülerinnen die Schule. Mit 610 Schülerinnen in 20 Klassen mit 28 Lehrkräften wurde 1924 die Höchstfrequenz erreicht.
Vom 8. bis 10. April 1908 beging die Schule ihre Hundertjahrfeier. Im Rahmen dieser Feier erhielt die Bildungseinrichtung als eine der ältesten höheren Mädchenschulen in Preußen mit Zustimmung des Kaisers den Namen Königin-Luise-Schule. Für die Feierlichkeiten hatte man den größten Saal der Stadt und das Stadttheater angemietet. Ausführlich wurde in den Tageszeitungen über die Schule und ihre Bedeutung als „schola materna“ für die Stadt berichtet. In Vorbereitung auf die Hundertjahrfeier hatte im Februar 1908 der Kaiserliche Manufakturrat Gustav Heyse in St. Petersburg zum Andenken an seinen Großvater Chrstian August Heyse, den Begründer der Schule, an Schuldirektor Reinsch 4500 Mark für die Schaffung einer Heyse-Stipendien-Stiftung überwiesen. Ein anderer Enkel des Schulgründers, der Dichter Paul Heyse, schenkte der Schule ein Gemäldeporträt seines Großvaters, dass in der Aula der Schule seinen Platz finden sollte.
Vom 10. bis 12. Februar 1910 fand eine Gesamtrevision der Schule durch das Provinzschulkollegium in Magdeburg statt. Mit Erlaß vom 7. März 1910 wurde die Schule als höhere Lehranstalt anerkannt und dem Provinzschulkollegium unterstellt. Seit dem 18. November 1910 trug die Schule die amtliche Bezeichnung „Lyzeum“. Unter dem Schuldirektor Oberstudiendirektor Dr. Benno Bodenstädt wurde während des 1. Weltkrieges der Ausbau der Anstalt zum Oberlyzeum betrieben und am 5. März 1916 von den Stadtverordneten beschlossen. Drei Jahre später am 17. Juli 1919 wurde die Schule als Oberlyzeum anerkannt.
Weimarer Republik
Ab Ostern 1922 wurde die dreijährigen Vorschulklassen gemäß dem neuen Reichsgrundschulgesetz von 1920 aufgelöst und als schulgeldfreie Grundschulklassen in die vollstufigen städtischen Mädchenvolksschulen integriert. Im Schuljahr 1922-1923 war die Anstalt kurzfristig „deutsche Oberschule“. Diese Entscheidung wurde aber bereits ein Jahr später wieder revidiert. Mit Beginn des Schuljahres 1923 wurde die Anstalt "Oberlyzeum neuen Typs" im Sinne der Bestimmungen über das höhere Mädchenschulwesen. Die Schule war nun ein neunjähriges neusprachliches Mädchengymnasium mit Abiturabschluß, der auf den vier Grundschuljahren aufbaute. Mit dem Abitur erlangten die Mädchen nunmehr die Allgemeine Hochschulreife, und nicht mehr nur, wie bisher, die Berechtigung zur Lehrtätigkeit an Höheren Mädchenschulen. Zu diesem Zeitpunkt zählte die Schule 557 Schülerinnen, die mit neusprachlichen Schwerpunkt unterrichtet wurden.
Im Gegensatz zu den schulgeldfreien Volksschulen konnte sich den Schulbesuch nur die städtische bürgerliche Mittel- und Oberschicht leisten. So besuchten im Schuljahr 1918/1919 von 2686 schulpflichtigen Mädchen 2112 die städtischen Volksschulen und die Mädchenmittelschule, aber nur 513 die Höhere Töchterschule, was einen Anteil von 21,3% entsprach. Im Jahr 1926/27 betrug das Schulgeld monatlich für einnheimische Schülerinnen 15 RM, auswärtige Schülerinnen mussten 25% mehr bezahlen. 1927/28 mussten für einheimische Mädchen bereits 200 RM jährlich gezahlt werden. Für auswärtige Schülerinnen betrug der Aufschlag 25% mehr. Bei mehreren Geschwistern wurde eine Ermäßigung gewährt. Einige begabte und bedürftige Mädchen erhielten eine Erziehungsbeihilfe aus dem Schulgeldaufkommen. Im Schuljahr 1926/27 waren es z.B. zehn Schülerinnen mit einem Betrag zwischen 200 und 500 RM, dazu freies Schulgeld. 1927/28 wurde ein Betrag zwischen 100 und 300 RM, zuzüglich Schulgeldfreiheit, an neun Schülerinnen verteilt.
Von 1919 bis 1933 bestanden 240 Schülerinnen die Reifeprüfung. Im Jahr 1908 hatte die Schule 15 Klassen, die Höchstzahl war 21. Mit der Anzahl der der Klassen sieg auch die Zahl der Lehrkräfte. Ihre Höchstzahl wurde 1928 mit 30 dort tätigen Lehrkräften erreicht. Im Schuljahr 1933/34 wurden die 482 Schülerinnen in 17 Klassen unterrichtet.
NS-Zeit
Die mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten im Januar 1933 einsetzende Gleichschaltung und Politisierung des Lebens wirkte sich auch auf das Schulleben und den Unterricht aus. Hauptziel der Eingriffe in das Schulwesen waren die Vermittlung der nationalsozialistischen Weltanschauung an die Heranwachsenden und der Zurückdrängung des schulischen Einflusses zugunsten der außerschulischen Erziehung im Rahmen der Hitlerjugend. Seit März 1933 gab es in rascher Folge Erlasse und Gesetze, die die bisherige Freiheit im Erziehungswesen und die Achtung der Verfassung und der Grundrechte, ja sogar die freie Gestaltung des Schulalltags Schlag auf Schlag beseitigten. Diese Erlasse des Reichs- und Preußischen Ministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung wurden über die mittleren und unteren Behörden in die Verwaltungen der Schulen weitergegeben und dort praktisch umgesetzt. Der Schulausschuss des Oberlyzeums, der aus gewählten Elternvertretern bestand, wurde zum 1.12.1933 aufgelöst. Im Sinne der Ideologie der „Volksgemeinschaft“ trat an seine Stelle durch ministeriellen Erlass vom 24.10.1934 die Schulgemeinde, die zunächst aus vom Schulleiter berufenen 5 Jugendwarten bestand. Ab dem Schuljahr 1936/37 gehörten dieser Schulgemeinde 11 Mitglieder, darunter neben Eltern und Lehrern eine Vertreterin des BDM, an. Im Schuljahr 1936/37 hatte Jugendführerin Rosemarie Fuhltrott, 1937/38 Jugendführerin Ursula Hoffmann und 1938/39 Jugendführerin Ilse Athen dieses Amt inne. Im Zuge der Gleichschaltung wurde auch der seit 1921 bestehende Schülerinnen-Turnverein am 17. März 1934 aufgelöst und den Mädchen der Wechsel in den BDM dringend empfohlen. Die Mitgliedschaft im BDM wurde an der Schule massiv vorangetrieben. Eine ehemalige Schülerin erinnerte sich später: "Ob wir wollten oder nicht wurden wir in die schmucken BDM- oder Hitlerjugenduniformen gesteckt. Die Schülermützen wurden ad acta gelegt und wir waren alle gleich, was einigen von uns gut gefiel." Noch vor Erlass des Gesetzes über die Hitlerjugend im Dezember 1936, der die Mitgliedschaftschaft in den nationalsozialistischen Jugendorganisationen verpflichtend machte, konnte der Direktor im Jahresbericht 1935/36 feststellen: "Dem BDM wandten sich die Schülerinnen immer mehr zu, so dass Ostern 1936 fast alle arischen Schülerinnen ihm angehören". Im Schuljahr 1937/38 waren laut Jahresbericht von 397 nichtjüdischen Schülerinnen 388 Mitglied im BDM.
Der Schulalltag wurde immer deutlicher durch Rituale und NS-Symbole wie Hakenkreuze, Fahnen, Fahnenappelle, Hitlerporträts und Hitlergruß geprägt. Durch Erlass von Reichsinnenminister Frick gehörten seit Dezember 1933 der obligatorische Hitlergruß zu Unterrichtsbeginn und Flaggenappelle an allen Schulen zum Alltag. Diese Flaggenappelle, die vor und nach den Ferien erfolgten, liefen wie folgt ab: Aufstellung der Schülerinnen im Kreis um den Masten, Fahnenhissung, Ansprache des Direktors, Singen des Horst-Wessel- und des Deutschlandliedes, klassenweises Abrücken in die Unterrichtsräume. Zu den neu eingeführten Feiertagen, wie zu Hitlers Geburtstag oder zum „Jahrestag der Machtergreifung“ wurden auch an der Königin-Luise-Schule Schulfeiern durchgeführt. All dies sollte dazu dienen, die NS-Ideologie noch stärker bei den Mädchen zu verankern. Hierzu zählten auch das gemeinsame Hören der im Rundfunk übertragenen Reden Hitlers oder anderer hoher NS-Funktionsträger sowie der gemeinsame Besuch von Propagandafilmen und Ausstellungen. Genannt seien hier als Beispiele der Besuch der Filme „Hitlerjunge Quex“ im September 1933, des Reichsparteitagsfilms "Triumph des Willens" am 2. Mai 1935 oder einer Luftschutzausstellung am 27.11.1935. Auch verschiedene Großereignisse, wie etwa die Rückgliederung des Saarlands im Jahr 1935, wurden an der Schule intensiv gefeiert.
Eine große Rolle für die NS-Propaganda spielte am Lyzeum auch der "Volksbund für das Deutschtum im Ausland" (VDA). Dieser Verein war 1881 als Schulbund gegründet worden und sollte das kulturelle und soziale Leben der Auslandsdeutschen zu fördern. Im Jahr 1933 wurde er gleichgeschaltet und diente nun der NS-Volkstumspropaganda. Ihm sollten nach Willen der Nationalsozialisten möglichst viele Schülerinnen und Lehrerinnen beitreten. Im Schuljahr 1936/37 gehörten am Lyzeum der VDA-Schulgemeinschaft 98% der Schülerinnen an. Fahrten des Vereins führten in die Grenzgebiete, so zu Pfingsten 1936 eine Fahrt von 22 Schülerinnen nach Königsberg, dem Tannenbergdenkmal und nach Danzig. Daneben wurden Referenten eingeladen, die über das Leben deutscher Minderheiten im Ausland berichteten. Meist dürfte dies mit Hinweis auf deren Unterdrückung durch die jeweilige Regierung geschehen sein. Die VDA-Schulgemeinschaft beteiligte sich auch am jährichen "Fest der deutschen Schule" mit anschließenden Fackelzug im Gehege und dem Festzug zum 1. Mai. Die propagandistisch in Szene gesetzte soziale Tätigkeit, getragen durch die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt, hatten auch in Nordhausen eine große Bedeutung. Schülerinnen der VDA-Schulgemeinschaft beteiligten sich so an Haus- und Straßensammlungen für das Winterhilfswerk oder Geldsammlungen für den VDA. Auch wurden im Nadelarbeitsunterricht angefertigte Gegenstände für das Winterhilfswerk gespendet. Geleitet wurde die VDA-Schulgemeinschaft von Dr. Herrmann Engelhardt. Nach dessen Berufung an die Spitze aller Nordhäuser VDA-Schulgemeinschaften übernahm Oberschullehrerin Hedwig Staepel im Schuljahr 1935/36 diese Funktion.
Auch der Unterricht zunehmend durch die NS-Ideologie geprägt. Die Veränderungen waren besonders stark in den Fächer Deutsch, Geschichte und Biologie. Der NS-Geschichtsunterricht sollte den "völkischen Gedanken", "große Führergestalten" und das Ziel eines "großgermanischen Reiches" in den Mittelpunkt rücken, Mit dem Erlass des preußischen Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung vom 13. September 1933 wurden die „Vererbungslehre, Rassenkunde, Rassenhygiene, Familienkunde und Bevölkerungspolitik“ in die Lehrpläne dse Biologieunterrichts der Abschlussklassen aller Schularten eingefügt und als „pflichtgemäßes Prüfungsgebiet“ vorgeschrieben. Das Eindringen der NS-Ideologie zeigt sich an der Königin-Luise-Schule in den Jahrbüchern für das Fach Deutsch. Ein Vergleich der Lesestoffe vor und nach der "Machtergreifung" 1933 belegt eine fortschreitende ideologische Gleichschaltung der Lerninhalte durch das NS-Regime. Viele moderne und bekannte Schriftsteller durften nicht mehr gelesen werden. Der Deutschunterricht wurde dazu genutzt, das nationalsozialistische Gedankengut auf die Schülerinnen zu übertragen und sie auf ihre zukünftige Rolle als „Frau und Mutter“ einzuschwören. Er wurde vor allem von germanischen Heldensagen und den Werken unbedeutender zeitgenössischer völkisch-nationalistischer Autoren bestimmt. Erstmals wurde im Schuljahr 1934/35 im Deutschunterricht der Oberstufe das Werk „Volk ohne Raum“ des völkischen Schriftstellers Hans Grimm gelesen. Sein Titel diente den Nationalsozialisten als griffiges Schlagwort und Synonym für den Expansionskrieg, für das Recht auf den „Lebensraum im Osten“. Ebenso wurden auch Werke des völkisch-nationalen Lyrikers des Ersten Weltkriegs Walter Flex "Der Wanderer zwischen den Welten", des nationalsozialistischen Dichters Erwin Guido Kolbenheyer "Gregor und Heinrich" und des nationalstischen Autors Ernst Jünger "Der Krieg als inneres Erlebnis" behandelt. Auch in den Abiturthemen finden sich deutliche Hinweise auf eine gründliche Vermittlung der NS-Ideologie. Als Beispiele sind hier zu nennen: „Blut, Boden, Persönlichkeit – die Grundlagen der nationalsozialistischen Weltanschauung.“ (Reifeprüfung 1935), „Was verlangt der nationalsozialistische Staat von der Frau?“ (Reifeprüfung 1937) oder „Der Kampf gegen den Bolschewismus in der Außenpolitik des Dritten Reiches“ (Reifeprüfung 1938).
Staatlich verordnet wurden jüdische Schülerinnen und Schüler nach 1933 auch in Nordhausen zunehmend erniedrigt, isoliert und ausgegrenzt, um sie schließlich ganz aus dem Bildungswesen zu drängen. Am 25. April 1933 wurde das „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“ erlassen. Der Anteil jüdischer Schüler an einer Schule durfte den Gesamtanteil aller Juden an der Bevölkerung im Deutschen Reich von 1,5% nicht übersteigen. Von da an mussten Eltern, die ihre Kinder an einer Schule anmeldeten, einen Nachweis für ihre rein „arische“ Abstammung bringen. Eine Aufnahme von nichtjüdischen Schülern war nur dann möglich, wenn der Vater einen Nachweis erbringen konnte für das Deutsche Reich oder einen seiner Verbündeten im Ersten Weltkrieg an der Front gekämpft zu haben. Nach der Reichspogromnacht wurde am 15.11.1938 per Erlaß des Reichserziehungsministeriums Juden der Besuch öffentlicher Schulen ganz verboten. Der Nordhäuser Oberbürgermeister Dr. Meister untersagte per Rundverfügung an alle städtischen Ämter und Schulen vom 6.12.1938 die weitere Teilnahme jüdischer Schüler und Schülerinnen am Schulunterricht. Am 20. Dezember 1938 meldete Schuldirektor Kammer dem Schulzahnarzt, dass die 6 jüdischen Schülerinnen Ursula Eisler, Ilse Hecht, Hannelore Heilbrun, Ingeburg Heilbrun, Ruth Heilbrun und Eva Warburg die Schule zum 15.11.1938 verlassen haben.
Ein wichtiger Teil der Schulpolitik des „Dritten Reichs“ war die ideologisch ausgerichtete „Rückführung der Frau an den heimischen Herd“. Mit einem Erlaß des Oberpräsidenten der Provinz Sachsen vom 27.3.1935 wurde der Mädchenschule eine zunächst einjährige Frauenschule angliedert. Ein weiterer Erlaß ordnete am 28.4.1936 den Ausbau dieser Frauenschule zu einer dreijährigen Anstalt an. Die ab 1935 eingeführte Schulform der dreijährigen Frauenschulen sollte nach dem Willen der Nationalsozialisten zukünftig der vorherrschende Typ der Höheren Mädchenschule sein und die Mädchen auf ihren Beruf als „Hausfrau und Mutter“ vorbereiten. Hauptsächlich wurden sie dort in hauswirtschaftlichen Fächern, dazu zählten Hauswirtschaft, Gartenarbeit, Nadelarbeit und Kinderpflege und -erziehung, und in körperlicher Ertüchtigung unterrichtet. Auch die Fächer Biologie, Chemie, Physik, Erdkunde und Rechnen fielen dabei unter den theoretischen hauswirtschaftlichen Unterricht. Das wissenschaftliche Abitur war nur einer begrenzten Zahl von Schülerinnen vorbehalten. Der Abschluss, inoffiziell als „Puddingabitur“ bezeichnet, berechtigte nicht uneingeschränkt zum Hochschulstudium. Er ermöglichte den Absolventinnen nur ein Studium an einer Hochschule für Lehrerbildung oder eine Ausbildung zur Gewerbelehrerin.
Durch den Erlaß „Erziehung und Unterricht in der höheren Schule“ wurden die höheren Lehranstalten von den Nationalsozialisten im Jahr 1937 „gleichgeschaltet“ und das Schulsystem komplett umstrukturiert. Anstelle der „Gymnasien“ oder „Lyzeen“ trat der allgemeine Name „Oberschule“. Die Schulzeit in der höheren Schule wurde auf 8 Jahre beschränkt. Durch diese nationalsozialistische Schulreform hatten die Mädchen nur die Wahl zwischen hauswirtschaftlicher und sprachlicher Form. Die damals altsprachliche humanistische Bildung war den Mädchen dadurch grundsätzlich versagt. Die Mädchen wurden bis zur 10. Klasse gemeinsam unterrichtet. Danach erfolgte die Gabelung in einen hauswirtschaftlichen und einen sprachlichen Zweig. Hauswirtschaftliche Fächer wie Handarbeit, Hauswirtschaft und Pflege wurden in beiden Ausrichtungen gelehrt. Am 4. August 1937 erhielt die Schule entsprechend des ministeriellen Erlasses die neue amtliche Bezeichnung „Königin Luise Schule, Städtische Oberschule für Mädchen“. Sie wurde in einen hauswirtschaftlichen Zweig und einen sprachlichen aufgegliedert. Zu diesem Zweck wurde die dreijährige Frauenschule nun in die hauswirtschaftliche Form der Oberschule überführt.
Bei den britischen Luftangriffen auf Nordhausen am 4. April 1945 wurden das Vordergebäude in der Blasiistraße und die Turnhalle durch mehrere Bomben zerstört. Das Schulgebäude selbst wurde nur beschädigt. Wegen der Beschädigungen des Hauses konnte der Unterricht dort aber erst wieder im Anfang November 1945 aufgenommen werden. Da das Schulgebäude des Gymasiums und Realgymnasiums am Taschenberg/Ecke Morgenröte zerstört war, wurden die drei höheren Lehranstalten – Gymnasium, Realgymnasium und Oberlyzeum – zusammengelegt und die Schule erhielt den Namen Humboldt-Schule.
Personen
Gründer und erster Rektor war Christian August Heyse. Im Jahr 1819 ging als Leiter der höheren Töchterschule nach Magdeburg. Sein Nachfolger wurde der bisherige Konrektor Ernst David Meyer, der die Schule bis 1850 leitete. Weitere Direktoren der Schule waren: Dr. Friedrich Wilhelm Zimmermann (1853 – 1866), Dr. Robert Kunze (1866 – 1875), Dr. Hugo Kordgien (1875 – 1880), Schulrat Gustav Reinsch (1880 – 1914), Oberstudiendirektor Dr. Benno Bodenstädt (1914 – 1925) und Oberstudiendirektor Prof. Dr. Otto Rabes (1925 - 1935). Ab dem 01.01.1936 wurde die Schule durch Oberstudiendirektor Walter Kammer geleitet. Von 1941 bis zu seiner offiziellen Entlassung aus dem Preussischen Schuldienst im Frühjahr 1945 vertrat Oberstudienrat Sigurd Rudloff als kommissarischer Leiter den erkrankten Oberstudien-Direktor Kammer.
Im „Adressbuch 1937“ der Stadt sind für die Schule folgende Lehrkräfte genannt:
- Leiter: Kammer, Oberstudiendirektor.
- Stellvertretender Schulleiter: Oberstudienrat Rudloff, seit 1937 .
- Studienräte: Dr. Wahl, Dr. Engelhardt, Schwennen, Laute, Scheler, Sümnich, Koch.
- Studienrätinnen: Sumpf, Teeke, Hossenfelder, Dr. Haustein, Kloetzsch, Stümpel, Dr. Breuer.
- Oberschullehrerinnen: Becker, Staepel.
- Oberturnlehrerin: Seehaus.
- Treichel, Oberschullehrer (Musik), Damaske, Oberschullehrer (Musik).
Für das Schuljahr 1936/37 sind im Jahresbericht des Direktors folgende Lehrer und Lehrerinnen verzeichnet:
- Kammer, Walter, Oberstudiendirektor.
- Rudloff, Sigurd, Oberstudienrat.
- Sumpf, Charlotte, Studienrätin.
- Teeke, Elisabeth, Studienrätin.
- Hossenfelder, Herta, Studienrätin.
- Dr. Wahl, Edgar, Studienrat.
- Laute, Paul, Studienrat.
- Dr. Engelhardt,Herrmann, Studienrat
- Schwennen, Erich, Studienrat.
- Dr. Haustein, Margarete,Studienrätin.
- Kloetzsch,Charlotte, Studienrätin.
- Stuempel, Else, Studienrätin.
- Scheler, Otto, Studienrat.
- Dr. Breuer, Maria, Studienrätin.
- Sümnich, Erich, Studienrat, Obermusiklehrer.
- Koch, Walter, Studienrat.
- Becker, Maria, Oberschullehrerin.
- Staepel, Hedwig, Oberschullehrein.
- Seehaus, Elisabeth, Oberturnlehrerin.
- Hentze, Hanna, Gewerbeoberlehrerin.
Keine Lehrkraft, aber wichtig für das Lyceum war ab etwa 1939, mindestens bis 1950, Hausmeister Benseler. Er wohnte im nicht zerstörten Teil des Torgebäudes an der Blasiistrasse. Seine Wichtigkeit unterstrich er stets mit der Ankündigung „Ich und der Herr Direktor ...“
Literatur
- Markus Veit: Nordhäuser Kalender-Blätter 2019 (Monatsblätter Juni und Juli).
- Stadtarchiv Nordhausen (Hrsg.): Chronik der Stadt Nordhausen. 1802 bis 1989 (= Heimatgeschichtliche Forschungen des Stadtarchivs Nordhausen, Harz. Band 9). Geiger, Horb am Neckar 2003, ISBN 3-89570-883-6
- Hans Silberborth: Geschichte der freien Reichsstadt Nordhausen.
- Hans Silberborth: Geschichte des Nordhäuser Gymnasiums. Nordhausen 1922.
- Hermann Heineck: Geschichte der Stadt Nordhausen 1802 - 1914.
- Fritz Schmalz: Die Lyzeal-Turnhalle auf dem Spendenkirchhof“'. In: Nordhäuser Nachrichten. Südharzer Heimatblätter (2/2001).
- Adressbuch von 1910/11“
- Adressbuch von 1937
- Hans-Jürgen Grönke: Das Bildungswesenwesen in Nordhausen. In: Nordhausen - Tor zum Harz. Nordhausen 2004, ISBN: 3-00-014133-2
- Birte Förster: Der Königin Luise-Mythos. Göttingen 2011, ISBN: 978-3-89971-810-2
- Heinz Sting (Hrsg.): Das 1000jährige Nordhausen und der schöne Südharz. Hannover 1965.
- Peter Kuhlbrodt: Inferno Nordhausen – Schicksalsjahr 1945. Nordhausen 1995, ISBN: 3-9297667-09-0
- Friedrich Christian Lesser: Chronik der Stadt Nordhausen. Historische Nachrichten von der ehemals kaiserlichen und des heiligen römischen Reichs freien Stadt Nordhausen 1740 umgearbeitet und fortgesetzt von Ernst Günther Förstemann. Nordhausen 1860.
- Manfred Schröter: Die Verfolgung der Nordhäuser Juden 1933 bis 1945. Nordhausen 1992, ISBN: 3-922141-11-0
- ders., 2. Auflage: Das Schicksal der Nordhäuser Juden 1933 bis 1945. Nordhausen 2013, ISBN: 3-939357-13-8
- Marianne Jud: Erinnerungen. In: Das Nordhäuser Geschichtenbuch, S. 185.
- Jost-Dieter Rudloff: Erinnerungen an die Meyenburgstrasse. In: Das Nordhäuser Geschichtenbuch. Nordhausen: le petit, 2011. S. 180 ff.
Externe Verweise
- Geschichte des Humboldt-Gymnasiums Nordhausen
- Berichte über die Schuljahre 1925 bis 1939
- Berichte über die Schuljahre 1921 bis 1924