NSDAP Nordhausen-Südharz
Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei – Kreis Nordhausen-Südharz umfasste die Kreise Nordhausen und Grafschaft Hohenstein.
Geschichte
Thüringen
Nordhausen und der Südharz waren durch die kleinstaatlichen Strukturen vielfach geteilt. So gehörte die Stadt zur preußischen Provinz Sachsen, während weite Teile der Umgebung der preußischen Provinz in Hannover unterstellt waren. War Nordhausen zwar nicht Teil des 1920 gegründeten Landes Thüringen, gehört es dennoch dem Thüringer Kulturboden an und lag im „Gau Thüringen“.
Die ersten Ortsgruppen in Thüringen entstanden 1921 und spielten in den folgenden Jahren kaum eine Rolle. Anfang 1925 zählte die Thüringer NSDAP 82 Ortsgruppen mit rund 600 Mitgliedern. Gauleiter war zunächst der völkische Schriftsteller Arthur Dinter. Die erste bedeutende Kundgebung der National-sozialisten war der Anfang Juni 1926 initiierte Reichsparteitag in Weimar mit 5.000 Teilnehmern. Auf diesem Parteitag fiel u. a. auch die Gründung der Hitler-Jugend. Im Herbst 1926 verdoppelte sich die Mitgliederzahl der Thüringer NSDAP, was wahrscheinlich direkt auf die Tagung zurückzuführen ist.
Im September 1927 ernannte Hitler den 33-jährigen Fritz Sauckel zum Gauleiter. Nennenswerte Wahlerfolge blieben in den 1920er Jahren für die NSDAP in Thüringen aus und erst der Börsencrash 1929 brachte vorzeigbare Wahlergebnisse mit sich. Am 23. Januar 1930 kam es zu einer Koalition von bürgerlichen Parteien mit den Nationalsozialisten und Wilhelm Frick wurde der erste Minister der NSDAP. Dieser brachte u. a. ein Ermächtigungsgesetz ein, der es der Landesregierung befristet ermöglichte, relativ unabhängig von der Legislative zu agieren. Wilhelm Frick wurde Innenminister, der sogleich wichtige Posten in Polizei und Verwaltung mit Parteigenossen besetzte. Für den Historiker Günter Neliba war Thüringen das „Experimentierfeld für die nationalsozialistische Machtergreifung“.[1] Die Entwicklung in Thüringen schuf daher beste Voraussetzungen auch für den Aufstieg der NSDAP in Nordhausen.
Interessant für die thüringischen Nationalsozialisten ist, dass sie in ihrer Propaganda auf antisemitische Themen wenig Wert legten und das parteipolitische Programm mehr auf wirtschaftliche Forderungen ausgelegt war.[2] Für Thüringen und Nordhausen kann daher geschlussfolgert werden, dass die Partei hauptsächlich durch ihr Versprechen gewählt worden war, die wirtschaftlichen Probleme des Landes zu lösen und die soziale Situation der Menschen zu verbessern. Die NSDAP trat als rigoroser Gegner des „Weimarer Systems“ mit ihren Verhältnissen auf und wurde daher in Thüringen wie auch im übrigen Reich als eine geeignete Alternative begriffen.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Jahre 1930 bis 1932 den Durchbruch der Thüringer NSDAP hin zu einer Massen- bzw. Volkspartei mit sich brachten und gute Voraussetzungen für das Erstarken der Ortsgruppe in Nordhausen lieferten. Fritz Sauckel, der nach 1933 Reichsstatthalter (vergleichbar mit Ministerpräsident) Thüringens wurde, rühmte sich in seinem Werk „Kampf und Sieg in Thüringen“ (1934), dass er das „rote Thüringen“ in eine „Hochburg Adolf Hitlers“ verwandelt hatte.[3]
Nordhausen
Aufstieg und politische Lage
Nach der Neugründung der NSDAP am 27. Februar 1925 in München trat bereits am 10. März die erste öffentliche „Volksversammlung“ der Nordhäuser Nationalsozialisten in der Gaststätte „Riesenhaus“ zusammen.[4] Ortsgruppen-leiter wurde der Bäcker Oskar Hebestreit, ihm folgten der Ingenieur Rudolf Pfennig (bis April 1927), der kaufmännische Angestellte Albert Schneider und der Major a. D. Friedrich Quelle. Ende Juli 1931 trat der Rechtsanwalt Heinz Sting, der sich 1925 der NS-Bewegung anschloss, an die Parteispitze. Sting sollte bedeutenden Anteil am Ausbau der lokalen NSDAP in den letzten Jahren der Weimarer Republik und zu Beginn des Dritten Reiches haben; unter seiner Führung wurde im November 1931 die Ortsgruppen der Bund Deutscher Mädel (BdM) und der Schutzstaffel (SS) gegründet. Weiterhin konnte ein SA-Heim, eine Geschäftsstelle und eine Bücherstube mit nationalsozialistischen Schriften im Stadtteil Altendorf eingerichtet werden. Heinz Sting und die NSDAP mussten dabei gute Arbeit geleistet haben, denn der Reichsorganisationsinspekteur Robert Ley äußerte sich während eines Wahlkampfbesuches am 22. Februar 1931 lobend über die Ortsgruppe.[5] Dies ist insoweit bemerkenswert, da das „Gau Thüringen“ ohnehin eine nationalsozialistische Vorreiterrolle innehatte und als vorbildlich galt.
Mit dem verstärkten Auftreten der Nationalsozialisten ist zu fragen, wie die Politik auf diese Entwicklung reagierte. Durch Verbot der SA und SS am 13. März wurde versucht, der Radikalisierung auf der Straße zu begegnen. So wurden auch in Nordhausen „feldmarschmäßige“ Ausrüstung der SA durch die Polizei beschlagnahmt.[6] Abgesehen davon gab keine Maßnahmen staatlicher Seite. Auch wirksamer ziviler Widerstand ist für die Zeit von 1931 bis 1933 nicht erkennbar. Zwar war das direkt bei Nordhausen gelegene Dorf Salza stark durch kommunistische und sozialdemokratische Arbeiter geprägt, doch bis auf die sogenannte „Schlacht von Salza“ im Juni 1932, als sich die Nationalsozialisten nach einer Propagandafahrt zurückziehen mussten und einige Verletzte zu beklagen hatten, gab es keine organisierte Opposition von Bedeutung.[7] Ende 1932 versuchten Nordhäuser Kommunisten vergeblich mit der SPD eine „Einheitsfront“ zu etablieren.[8]
Neben der Präsenz im Stadtbild trat die NSDAP auch bei Wahlen immer mehr hervor. Erreichte sie bei den Reichstagswahlen am 20. Mai 1928 lediglich 4,4 Prozent in Nordhausen, konnte sie zwei Jahre später, am 14. September 1930 ihr Ergebnis auf 20,92 Prozent stark verbessern.[9] Am 31. Juli 1932 errang sie 45,3 Prozent und am 5. März 1933 schließlich 47,7 Prozent.[10] Damit lagen die NSDAP-Ergebnisse immer über dem deutschlandweiten Durchschnitt. Wie auch im übrigen Reich verstand es die NSDAP, die als junge aufstrebende Bewegung anziehend wirkte, mit schlagkräftiger Propaganda immer breitere Wählerschichten anzusprechen.
Nordhausen galt bis Ende der 1920er Jahre als eine bürgerliche, links-liberale Stadt.[11] Dies geht aus den Wahlergebnissen dieser Zeit hervor: die SPD war nach dem Ersten Weltkrieg stärkste Kraft, die Deutsche Demokratische Partei (DDP), die reichsweit zunehmend an Bedeutung verlor, war mit einem durchschnittlichen Stimmenanteil von 35 Prozent ungewöhnlich stark.
Bei Auswertung der Wahlergebnisse der Parteien lässt sich ein Stimmungswandel mit dem Zusammenbruch des Weltmarktes im Oktober 1929 feststellen. Nordhausen und die fruchtbare Goldene Aue waren durch die Agrarwirtschaft geprägt, für die Produktion von Luxus- und Spezialgütern wie Kautabak und Branntwein berühmt, und eben diese Märkte brachen mit Beginn der Krise als erstes ein.[12] Dies mag, neben der allgemein schlechten Lage der jungen Demokratie, den überdurchschnittlichen Anteil an NSDAP-Wählern in Nordhausen erklären. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich in kaum einem anderen deutschen Land während der Weimarer Zeit ein solch gravierender Wandel der politischen Gesinnung vollzog wie in Thüringen bzw. Nordhausen.
Konsolidierung der NS-Herrschaft in Nordhausen
Nach der Machtübernahme feierten Nationalsozialisten, Stahlhelm, DNVP und DVP am 5. Februar 1933 mit einer Kund-gebung die „nationale Erhebung“ und in der ganzen Stadt werden Schwarz-Weiß-Rot und Haken-kreuzfahnen gehisst.[13] Allerdings wurde der Umzug nicht von allen Nordhäusern begrüßt und im Stadtzentrum kam es zu Schlägereien mit KPD-Anhängern. Ähnlich wie in ganz Deutschland standen Gegner des Nationalsozialismus unter massiven Druck; Ende Februar 1933 musste die sozialdemokratische „Nordhäuser Volkszeitung“ ihr Erscheinen einstellen.[14]
Nach Verhaftungen von führenden Sozialdemokraten wie Otto Flagmeyer, nach 1945 kurzzeitig Bürgermeister, oder Otto Reckstat, der 1953 die Arbeiterhebung in Nordhausen anführte, und der Annullierung der KPD-Sitze trat am 25. März 1933 der Stadtrat unter seinem neuen Vorsteher Heinz Sting zusammen; mit 17 von 33 Sitzen verfügte die NSDAP über die absolute Mehrheit. Ab diesem Zeitpunkt war Nordhausen fest in der Hand der Nationalsozialisten und aktiver Widerstand ist für diesen Zeitraum nicht mehr erkennbar. Die Ausschaltung des politischen Gegners schien ohne größere Probleme von statten gegangen zu sein. Der linksliberale Oberbürgermeister Kurt Baller versuchte sich mit den neuen Herrschern zu arrangieren. So hielt er u. a. am 21. März – dem „Tag von Potsdam“ – eine Ansprache und Heinz Sting attestierte ihm einen „guten Willen […] im Geiste der nationalen Erhebung mitzuarbeiten“.[15] Der Zweite Bürgermeister Henschel trat bald darauf der NSDAP bei. Baller konnte sich trotz Fürsprache Stings nicht im Amt halten und ging ins 50 Kilometer entfernte Aschersleben. Die mitgliedsstarke Freimaurerloge, die auch zahlreiche völkisch-gesinnte Mitglieder hatte, verhielt sich ruhig und war ebenso auf ein Arrangement aus.[16]
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Vorgänge linear zu den Entwicklungen in Deutschland verliefen. Nordhausen trat bei der Machtübernahme der „Hitler-Bewegung“ weder mit besonderem Widerstandswillen noch mit vorauseilendem Gehorsam hervor; sie ist eine „typische“ deutsche Stadt des Frühjahres 1933.
Struktur
- (Stand: 1935)
Personal
- Stab der Kreisamtsleiter des Kreises Nordhausen-Südharz der NSDAP
- Kreisleiter: Heinrich Keiser
- Organisations- und Personalamt: Fritjof Hager
- Propaganda: Walter Bock
- NSBO: Kreiswalter Gölzlin
- NS-Hago: Walter Bock
- Amt für Volkswohlfahrt: Arthur Meyer
- Amt für Volksgsundheit: Dr. Otto Sieckel
- Rechtsabteilung: Rechtsanwalt Hans Senger
- Agrarpolitischer Apparat: Emil Timpe
- Amt für Erzieher: Oswald Kraft
- Amt für Kriegsopfer: Christian Kranzbühler
- Amt für Presse: Bürgermeister Henschel
- Amt für Beamte: Reichsbahnrat Vierkant
- Amt für Wirtschaft: Konrad Lowes
- Amt für Kommunal-Politik: Nordhausen: Otto Witzel
- Amt für Kommunal-Politik: Grafschaft Hohenstein: Hermann Burchardt
- Amt für Schulung: Kurt Schößler
- NS-Frauenschaft: Hanna Fricke
- Amt der Hilfskasse: Hermann Rasche
- HJ-Adhutant des Kreisleiters: Hans Tietzel
Kreisparteigericht Nordhausen-Südharz: Dr. Siegmund
Ortsgruppen und Stützpunkte
Nordhausen:
Abschnittsleiter: Otto Witzel
- Ortsgruppe Nordhausen-Altentor: Ogrl. Gustav Selig
- Ortsgruppe Nordhausen-Mitte: Ogrl. Arthur Meyer
- Ortsgruppe Nordhausen-Neumarkt: Ogrl. Otto Tolle
- Ortsgruppe Nordhausen-Neustadt: Ogrl. Herbert Praetzel
- Ortsgruppe Nordhausen-Oberstadt: Ogrl. Hans Kiefer
-
Otto Witzel
-
Gustav Selig
-
Otto Tolle
-
Herbert Praetzel
-
Hans Kiefer
-
R. Gebhardt
Gliederungen
- SA-Brigade 45
- SA-Standarte 252
- SA-Sturmbann I/252
- SA-Reiterstandarte 43
- SS-Sturmbann II/67
- NSKK-Standarte 45
- NSFK-Sturm 13/44/8
Siehe auch
- ↑ Vgl. Neliba, Günter: Wilhelm Frick und Thüringen als Experimentierfeld für die nationalsozialistische Machtergreifung, in: Heiden, Detlev/Mai, Gunter (Hg.): Thüringen auf dem Weg ins „Dritte Reich“ (Thüringen gestern und heute 2), Erfurt 1996, S. 108 f.
- ↑ Vgl. Schilling, Willy: Die Sauckel-Marschler-Regierung und das Ende des Parlamentarismus in Thüringen 1932/33, in: Schriften zur Geschichte des Parlamentarismus in Thüringen (18), Erfurt 2001,S. 51.
- ↑ Sauckel zitiert in Ocken, Nico: Hitlers „Braune Hochburg“, Der Aufstieg der NSDAP im Land Thüringen (1920-1933), Hamburg 2013, S. 68.
- ↑ Vgl. Peter Kuhlbrodt: Nordhausen im Jahre 1932, in: Nordhäuser Geschichts- und Altertumsverein (Hg.): Beiträge zur Geschichte aus Stadt und Kreis Nordhausen (Bd. 27), Nordhausen 2002, S. 58.
- ↑ Vgl. Stadtarchiv Nordhausen (Hg.): Chronik der Stadt Nordhausen, 1802 bis 1989, Horb am Neckar 2003, S. 321.
- ↑ Vgl. ebd., S. 323.
- ↑ Vgl. Schmitke, Klaus: Die Sozialdemokratie in Nordhausen und Salza, in: Schmitke, Klaus (Hg.): Die SPD in Sachsen und Thüringen zwischen Hochburg und Diaspora, Bonn 1993. S. 230.
- ↑ Vgl. ebd., S. 254 f.
- ↑ Vgl. Nordhäuser Volkszeitung, 21. Mai 1928, 15. September 1930.
- ↑ Vgl. ebd., 1. Juni 1932, 6. März 1933.
- ↑ Vgl. Behrends, Birgit: Das bürgerlich-liberale Milieu der Stadt Nordhausen, in: Solidargemeinschaft und fragmentierte Gesellschaft, Opladen 1999, S. 131 f.
- ↑ Vgl. Post, Bernhard: Vorgezogene Machtergreifung 1932, in: Heiden, Detlev/Mai, Gunter (Hg.): Thüringen auf dem Weg ins „Dritte Reich“ (Thüringen gestern und heute 2), Erfurt 1996, S. 153.
- ↑ Vgl. Stadtarchiv Nordhausen (Hg): Chronik der Stadt Nordhausen, 1802 bis 1989, Horb am Neckar 2003, S. 340
- ↑ Vgl. ebd., S. 340.
- ↑ Vgl. Heinz Sting (Hg.): Das 1000jährige Nordhausen und der schöne Südharz, Ein Volksbuch von Heimat und Zeitgeschichte, Hannover 1965, S. 197.
- ↑ Vgl. ebd., S. 204 f.