Nordhäuser Polizeistrafen im 18. Jahrhundert: Unterschied zwischen den Versionen

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Schon während der letzten Jahrhunderte
Schon während der letzten Jahrhunderte
des Mittelalters war es dem Rate der Freien
des Mittelalters war es dem Rate der Freien

Version vom 7. Februar 2019, 11:34 Uhr

Textdaten
Autor:
Titel: Nordhäuser Polizeistrafen im 18. Jahrhundert
Untertitel:
aus: Nordhäuser Familienblätter. Unterhaltungsbeilage der Nordhäuser Zeitung (Februar 1934)
Herausgeber:
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1906
Verlag:
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Quelle: Scan
Kurzbeschreibung: Leicht gekürzter Scan
Digitalisat:
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Nordhäuser Polizeistrafen im 18. Jahrhundert


Schon während der letzten Jahrhunderte des Mittelalters war es dem Rate der Freien Reichsstadt Nordhausen gelungen, sowohl wesentliche Teile der hohen Strafgerichtsbarkeit als auch so gut wie die gesamte niedere und Zivil-Gerichtsbarkeit in seine Hand zu bekommen, obgleich ein Reichsvogteiamt und ein Reichsschultheißenamt bis ins 18. Jahrhundert hinein bestanden hat. Waren nun schon auf diesen Gebieten der Gerichtsbarkeit den Kompetenzen des Rates weite Grenzen gezogen, so war er hinsichtlich der Polizeigewalt seit Ausgang des 13. Jahrhunderts so gut wie unabhängig. Schon im Mittelalter erließ er deshalb eine Unmenge von Verordnungen, die eine reibungslose Gestaltung von Handel und Wandel gewährleisten sollten. Ganz besonders aber griff er seit dem 16. Jahrhundert mit Verfügungen und Bestimmungen ein, um Ordnung in die immer verwickelter werdenden Verhältnisse zu bringen. Eine Reihe dieser Erlasse sind Reichsverordnungen, d. h. Verordnungen, die der Rat der Stadt Nordhausen einfach vom Reiche übernehmen mußte und auch konnte, weil sie Einrichtungen berührten, die in Nordhausen ebenso anzutreffen waren wie im ganzen Reiche. So war z. B. die Reichshandwerksordnung auch für Nordhausen maßgebend. Bei anderen Verordnungen wiederum griff der Rat einfach auf Verordnungen, die schon Schwesterstädte erlassen hatten, zurück, weil die Verhältnisse in Nordhausen ähnlich lagen wie in jenen Städten. So stimmen Nordhausens Kanzleiordnung und die Erbrechtordnung in allen wesentlichen Punkten mit denen anderer Städte überein. Auch die Ordnung vom Jahre 1549, welche direkt den Namen Polizeiordnung hat, war vielleicht eine ähnliche wie die der Städte Erfurt und Leipzig. Die allein erhaltene Abschrift dieser Polizeiordnung hat die Aufschrift: „Der Stett Erfortt, Leipzig, Northausen Policeyordnung“, enthält aber nur die von Nordhausen.

Die meisten Verfügungen des Nordhäuser Rates aber betrafen naturgemäß spezifisch Nordhäuser Verhältnisse, und diese sind für uns die interessantesten. So bezieht sich z. B. eine zweite Ordnung vom Jahre 1668, die auch speziell mit dem Namen Polizeiordnung ausgezeichnet ist, auf Bräuche, Einrichtungen, Unsitten, die gerade für die Bevölkerung Nordhausens charakteristisch waren. Ebenso tragen Vorschriften für die Brau- und Branntweinge werbe, Verordnungen für den Frucht- und Getreidehandel ausgesprochen Nordhäusische Züge. Verstöße gegen seine Vorschriften ahndete der Rat mit Polizeistrafen, und von der Art und dem Umfange dieser Strafen, nicht etwa von dem Inhalt der Vorschriften, soll hier die Rede sein. Auch hinsichtlich des Zeitraumes, während dessen die Strafen verhängt worden sind, mag eine Beschränkung auf das 18. Jahrhundert eintreten, eine Zeit, die schon in vieler, besonders kultureller Beziehung der unseligen verwandt ist, die aber gerade hinsichtlich ihres Rechtsverfahrens und ihrer Rechtsgebräuche noch stark altertümliche Züge aufweist.

Die Strafarten

Die geringsten Strafen waren die der Verwarnung und der Androhung einer Geldstrafe. Sie kamen noch im 18. Jahrhundert recht häufig vor, da es der Staat unter dem Einfluß der Kirche für seine Pflicht erachtete, auch in das häusliche Leben des Einzelnen hie und da einzugreifen, nicht um darauf zu achten, daß auch das Privatleben auf die Grundsätze des öffentlichen Lebens abgestimmt sein und ihm untergeordnet werden müßte, sondern um zu erreichen, daß in den Familien ein rechter christlicher Geist, wie man ihn verstand, herrschte.

Die häufigste Polizeistrafe war, wie auch heute, die Geldstrafe; sie erstreckte sich von Summen über 8 Groschen bis zu der recht erheblichen Strafe von 30 Talern. Statt der Geldbuße konnte auch Haft von 3 Tagen bis zu 4 Wochen eintreten.

Die Haftlokale befanden sich in den Tortürmen der Stadt, besonders über dem Töpfertore und dem Altentore. Nicht selten kam es auch damals schon vor, daß Landstreicher und durch eigene Schuld völlig mittellose Leute mit Behagen das Haftlokal erstiegen und sich freuten, ein Dach über dem Kopf zu haben und einen Magistrat, der ihnen tägliche Notdurft und Nahrung reichte, ohne daß sie vom bittersten Kelche irdischen Daseins, der Arbeit, zu schlürfen brauchten. Doch der Rat kannte diese redlichen Gesellen, sah bei ihnen deshalb von der Inhaftierung ab und verschrieb ihnen einige Wochen Karrenschieben, eine Arznei, von der er sich mehr versprach als von mehrwöchigem süßen Nichtstun. Neben der Geld- und Haftstrafe wurde nur noch selten verhängt, war aber immer noch möglich die Prügelstrafe.

Diese polizeiliche Züchtigung ist nicht zu verwechseln mit dem öffentlichen Ausstreichen durch den Scharfrichter, das nur vom Strafgericht als ehrenrührigste Sühne für schwere Verbrechen meist im Zusammenhang mit ewiger Landesverweisung verhängt wurde. Die Rute des Polizeibüttels wurde nur über jugendliche Sünder geschwungen, bei denen man hoffte, durch ein wackeres Durchbläuen besser zum Ziele zu gelangen als durch Geld oder Haft. Neben dieser Prügelstrafe, die man Jugendlichen gegenüber nicht als Ehrenstrafe aufzufassen hat, kommt allerdings als Polizeistrafe auch die Androhung von ehrabsprechenden Strafen vor, so die Androhung des Prangerstehens und des Schandsteintragens.

Solche polizeilichen Verwarnungen zogen sich meist Personen weiblichen Geschlechtes zu. Schließlich konnte die Polizei auch noch mit dem Verluste des Bürgerrechtes drohen, das ja im 18. Jahrhundert für jeden Bewohner Nordhausens von größter Wichtigkeit war.

Die Strafgründe

In erster Linie wurden Polizeistrafen ausgesprochen, um den reibungslosen Verkehr zwischen den Bürgern zu schützen und alles zu verhindern, was ihn stören konnte. Da waren es die Schlägereien auf offener Straße, die am häufigsten Ahndung heischten. Wenn die jungen Burschen vom Tanzvergnügen kamen oder von einem schweren abendlichen Umtrunk, mußten sie nicht selten ihre schlagfertige Laune mit einer Schröpfung ihres Geldbeutels büßen. Doch nicht nur allzu fröhliche Jünglinge, sondern auch ehrenfeste Handwerksmeister gerieten wohl, wenn ihnen vom Bier das Blut in die Köpfe gestiegen war, tätlich aneinander und mußten für nächtliche Raufereien einen harten Taler lockern.

Wurde das männliche Geschlecht wegen Tätlichkeiten aller Art gern besteuert, so hatte das weibliche Geschlecht oft darunter zu leiden, daß eine hohe Polizei durchaus den so notwendigen Streit lästerlicher Zungen gegeneinander durchaus nicht einzusehen vermochte. Für gewöhnlich suchte die Polizei Beschimpfungen und üble Nachrede zunächst durch Verwarnungen zu bekämpfen; nützte ein solches Eingreifen nichts, so traten Geldstrafen ein, und verfehlten auch diese ihre Wirkung - liebgewordene Gewohnheiten lassen sich nun einmal schwer untersagen - dann machte die Polizei schließlich vom Schandsteinetragen Gebrauch, wobei die Delinquentin einen Stein eine halbe Stunde lang vor dem Rathause auf und ab tragen mußte, oder drohte das Prangerstehen oder gar die Verweisung aus der Stadt an, wie es einer ränkesüchtigen Frau noch im Jahre 1777 geschah.

Immer wieder stößt man auch auf Geldstrafen für die Mißhandlung von Dienstboten, von männlichen Lehijungen durch ihre Meister und von weiblichen Hausangestellten durch ihre Herrinnen. Das 18. Jahrhundert hatte zwar das in früheren Zeiten weitgehende Züchtigungsrecht des Hauspersonals eingeschränkt, doch ließen sich die Herrschaften noch immer, durch den ersten Unwillen veranlaßt, körperliche Mißhandlungen an ihren Dienstboten zu Schulden kommen, die oft weit über das Maß des Erlaubten und Zweckdienlichen hinausgingen. Ueberhaupt prügelte selbst das aufgeklärte 18. Jahrhundert wie frühere Jahrhunderte noch gern. Auch Beamte und Angestellte irgendwelcher Behörden glaubten nicht selten ihrer Amtsgewalt auf diese Weise Nachdruck verleihen zu können. So mußte der Läuter von St. Petri am 20. Oktober 1705 um 2 Taler oder 3 Tage Haft gestraft werden, weil er ein junges Mädchen gröblich geschlagen hatte.

Ebenso wie die Polizei einzelne Bürger gegen die Uebergriffe ihrer Nächsten schützen mußte, so mußte sie dafür Sorge tragen, die gesamte Bürgerschaft vor gewissen Ausschreitungen und Torheiten zu bewahren. So hatten z. B. zeitweilig die Handwerksburschen von den Studenten das Degentragen übernommen und mit dieser Sitte alle Unsitten, die sich daran knüpften. Uebten sich die Herren Studiosi darin, ihr Seitengewehr an den Bordsteinen zu wetzen, wenn sie jemanden verhöhnten und herausforderten, so wollten die Handwerksburschen hinter dieser löblichen Aeuße- rung der Rauflust nicht Zurückbleiben, und der ruhige Nordhäuser Bürger wurde zuweilen stark dadurch beunruhigt, daß ganze Nächte hindurch das Schleifen der Degen an den Straßensteinen nicht aufhörte. Polizeistrafen bis zu 5 Talern wurden zunächst ausgesprochen, dann aber, als auch das nichts half, mußte den Burschen das Degentragen überhaupt verboten werden. Da hatten die Bürger wieder ihre Ruhe.

Vor allem ließ es sich die Polizei angelegen sein, die Bürgerschaft vor Feuerschaden zu bewahren, der etwa durch die Nachlässigkeit einzelner Personen entstehen konnte. Nachdem in den Jahren 1710 und 1712 zwei furchtbare Feuersbrünste große Stadtteile in Asche gelegt und über viele Familien Not und Elend gebracht hatten, schenkte man der Beobachtung der Vorschriften gegen Feuergefahr ganz besondere Aufmerksamkeit, zumal sich im Laufe des 18. Jahrhunderts das Tabakrauchen immer mehr einbürgerte und dadurch die Feuersgefahr vergrößert wurde. Es war deshalb verboten, die Straßen mit brennender Pfeife zu betreten, und manch einmal mußten wegen Verletzung des Verbotes Geldstrafen verhängt werden. Besonders aber achtete die Polizei darauf, daß nicht Scheunen und Schober durch die Unachtsamkeit tabakliebender Männer gefährdet wurden. Doch die Furcht vor dem Ausbruch eines Feuers ließ die Behörden jener Zeit nicht allein wirkliche Fahrlässigkeit ahnden, sondern selbst so gut wie unverschuldete Vorkommnisse, aus denen sich aber leicht ein Brand hätte entwickeln können. Vor allem vermochte in dem in Nordhausen allmählich stark gepflegten Brennereigewerbe nicht selten eine ganz geringe Unachtsamkeit unabsehbaren Schaden heraufbeschwören. So lesen wir denn unter dem 14. Oktober 1767 in dem Polizeibuche folgende Eintragung: „Meister Emmert an dem Markt ist in 5 Taler Strafe kondemnieret worden, weilen er das Unglück gehabt, daß beym Abziehn des Bran- teweins denselben hat lassen in Brant geraten. Benebst Unkosten denen Spritzen- Gesellschaften.“ Also die Strafe kam der Einrichtung zu gute, die für die Bekämpfung des Feuers zu sorgen hatte. Im übrigen aber spricht das ganze Unglück, das Meister Emmert gehabt, für die Güte seines Schnapses und den hohen Prozentgehalt an Alkohol.

Eine weitere Sorge der Polizei galt der Sauberkeit der Straßen. Hierauf acht zu haben, war im 18. Jahrhundert noch viel nötiger als heutzutage, da nur wenige Straßen gepflastert, die meisten nur mit Schrittsteinen belegt waren und da in der ganzen Stadt eine ausgedehnte Viehhaltung, besonders zur Schweine- und Gänsemast, gepflegt wurde. Die Schweine wurden von den Hirten auf die Weide getrieben, liefen auch wohl gar ebenso wie das Geflügel ohne Aufsicht auf den Straßen herum, obgleich der Rat die Unsitte durch häufige Verbote zu beseitigen suchte. Da häufte sich denn der Kot in den Straßen und vor den Türen der Bürger, konnte schließlich kaum noch weggefegt werden, oder die Bewohner suchten den Unrat, weil sie ihn nicht mehr fortschaffen konnten, einander zuzukehren. Da traten natürlich wegen nachlässiger Säuberung oder unstatthafter Belästigung der Nachbarn Polizeistrafen ein.

Viehhaltung in Wohnräumen. Bei der Enge der Stadt rief die Viehhaltung überhaupt mancherlei Unzuträglichkeiten hervor. Viele Einwohner hatten nicht die nötigen Gelasse, die Tiere ordnungsgemäß in Ställen unterzubringen, und waren doch für ihren Lebensunterhalt auf die Aufzucht angewiesen. Da wurde dann wohl trotz Verbotes das Vieh in den Wohnräumen, in der Küche, ja selbst in der Krankenstube untergebracht, wie denn z. B. noch im Jahre 1779 der Unterdiener Wentzel einer Frau mitteilen mußte, sie sei gehalten, innerhalb dreier Tage ihre Ziegen und Gänse aus der Küche und Krankenstube zu entfernen, widrigenfalls sie eine Geldstrafe von 3 Talern treffe.

Viele Polizeistrafen, und zwar die kulturhistorisch wichtigsten, werden nun aber nicht über irgendwelche beliebige Bürger wegen Uebertretung von Verordnungen verhängt, sondern über Bürger aus bestimmten Gruppen von Menschen, etwa über Handeltreibende oder Ackerbürger, welche die über ihr Gewerbe bestehenden Bestimmungen verletzt hatten; oder aber es handelt sich auch um Strafen, mit denen einzelne außenstehende Bürger belegt wurden, die gegen die für gewisse Stände aufgerichtete Ordnung verstoßen hatten. Da stößt man immer wieder auf Strafen, die gegen Bauern ausgesprochen werden mußten weil sie vom Feldweg oder Wiesenrain alljährlich eine Pflugbreite abpflügten und sich dadurch bereicherten, eine Unsitte, die auch in den teuren Zeiten kurz nach Beendigung des Weltkrieges im Schwunge war. In den zwanziger Jahren des 18. Jahrhunderts trieben die Bauern ihr Unwesen mit diesem Abpflügen so arg, daß der Rat befürchten mußte, seine Feldmark werde allmählich ein anderes Bild bekommen. Es war deshalb höchste Zeit, die Ländereien durch Feldmesser genau festlegen zu lassen, ein Beschluß, der im Juni 1727 gefaßt wurde und noch im Herbste desselben Jahres zur Ausführung kommen sollte. Gänzlich durchgeführt wurde die Vermessung aber nicht, und das Geschäft des Abpflü- gens schien so verlockend und einträglich zu sein, daß die Sünder lieber die 6 Taler Strafe, die der Rat ihnen auferlegte, entrichteten, als daß sie von ihrer lieben Gewohnheit ließen. Viel verschiedenerer Art als in der Landwirtschaft waren die Ueber- tretungen der Vorschriften durch einzelne im Gewerbestande. Hier war der einzelne bei der Ausübung seines durch die Fesseln des Zunftzwanges eingeschnürten Gewerbes durch zahlreiche Verfügungen behindert und suchte sie deshalb zu umgehen. Von der Freiheit des Individuums, die sonst das aufgeklärte 18. Jahrhundert forderte, war in den Zünften noch nichts zu spüren, denen es nicht auf Freiheit und Entwicklungsmöglichkeiten ankam, sondern auf Gleichheit und Niederhaltung des Emporstrebenden. Die unzähligen Verordnungen aber, die Gleichheit und Mittelmäßigkeit unter allen Handel- und Gewerbetreibenden festzuhalten bestrebt waren, verführten gerade zur Uebertretung, und die Uebertretung zog dann natürlich die Polizeistrafe nach sich. Ein in Nordhausen zu allen Zeiten sehr wichtiger Handel war der mit Korn und Früchten. Die Nordhäuser Marktordnung regelte ihn aufs genaueste, damit jeder Fruchthändler geschützt sei vor rechtmäßiger und unrechtmäßiger Konkurrenz. Vor 10 Uhr morgens durfte der Fruchthandel überhaupt nicht beginnen. Fremde, die sich auf dem Markte zum Kaufe einstellten, durften erst dann kaufen, wenn die Einheimischen ihre Kauflust befriedigt hatten. Auch jeder unkontrollierbare Handel in Winkeln und Gäßchen oder in nicht konzessionierten Läden war verboten. Gegen derlei Bestimmungen kamen fast täglich Verfehlungen vor. Immer wieder lesen wir im Poüzeibuche: Ein Makler hat zur Unzeit Früchte für Fremde gekauft. Strafe: 3 Taler. Oder ein Gastwirt hat vor 10 Uhr Frucht aufgekauft und, was die Strafe verschärft, sofort an den aufnahmefähigen Harzer Markt weiterverkauft. Strafe: 5 Taler.

„Verbotenes“ Bier. Wichtige Gewerbe waren die Bierbrau- und Branntweingewerbe, die durch mancherlei Verfügungen eingeengt, durch manche Verbote gegen Konkurrenz aber auch geschützt waren. So bestand zum Schutze des heimischen Gewerbes seit alters das Verbot, kein Nordhäuser dürfe Bier aus dem Dome, der in der Hand der katholischen Pfaffen war, und aus dem Walkenrieder Hofe, der in der Hand der beinah noch verhaßteren Preußen war, holen. Besonders das Dombier aber war gut und billig, und gegen dieses Argument konnte die ganze protestantische Frömmigkeit der Nordhäuser mitsamt einem Dutzend Polizeiverordnungen nicht aufkommen. Jahr für Jahr bereicherten die Liebhaber für Dombier die Polizeikasse. Zeitweilig fing die Polizei ganze Schwärme von durstigen Seelen ab, wie z. B. Anfang des Jahres 1782 gleich 12 dombiertrinkende Familien gebüßt wurden. Es nützte alles nichts; selbst die Erhöhung der Strafe von 1 Taler auf 2 und 3 Taler hatte keinen Erfolg. Ja, das Dombier war so begehrt, daß es Nordhäuser Bürger sogar auf sich nahmen, es wiederzuverkaufen. Sie müssen dabei gute Geschäfte gemacht haben, wenn sie selbst durch Geldstrafen von 10 Talern, wie sie wegen dieses Vergehens ausgesprochen wurden, von dem unrechtmäßigen Biervertriebe nicht abgehalten werden konnten.

Das Bierbrauen selbst und der Ausschank des Bieres aus den brauberechtigten Häusern unterlag der Brauordnung vom 23. Dez. 1726. Damit die Einwohnerschaft ständig frisches Bier hatte, war es die Pflicht der Marktmeister, genau darauf zu achten, daß jeder Brauherr rechtzeitig anbraute und dem nächsten rechtzeitig mitteilte, wann das von ihm gebraute Bier ausging. Die Brauordnung schrieb vor, daß der Säumige seines sogenannten Brauloses verlustig gehen sollte. Doch ging man in Wirklichkeit nicht so scharf vor, sondern begnügte sich, da die Brauberechtigten sämtlich einflußreiche Bürger waren, mit Geldstrafen von 3 bis 5 Talern. Die Braumaße waren Eigentum des Fiskus und wurden bei Beginn des Ausschankes den Brauern zugestellt; nach Beendigung wurden sie wieder eingezogen und weitergegeben. Nicht selten aber kam es vor, daß, wenn die Maße schon weiter wanderten, noch Bier vorhanden war und daß dieses dann mit ungeeichten Maßen verschenkt wurde. Ein solches Vergehen zog eine Strafe von 2 Talern und Einziehung des benutzten Gerätes nach sich.

Eifersüchtig wachte auch die Stadt darüber, daß kein Bier aus dem einen Stadtviertel ins andere gelangte, so daß die dortigen Brauherm durch die Konkurrenz benachteiligt wurden. Dennoch kamen immer wieder Uebertretungen vor, die vielleicht die Güte des Bieres aus dem benachbarten Viertel oder die Bequemlichkeit, wenn nämlich gerade der Grenznachbar braute, veranlaßt hatten. So wurde 1770 die Wirtin vom Hammer mit 2 Talern Strafe belegt, weil sie heimlich ein Faß Broihan aus der Neustadt hatte holen lassen; und im Juli 1782 mußte ein redlicher Wirt das Entgegenkommen, mit dem er die durstigen Seelen der Oberstadt mit Neustadtbier hatte laben wollen, mit 1 Taler büßen.

Das schlechte Augenmaß der Böttcher. Neben dem Braugewerbe stand das Branntweingewerbe. Vergehen gegen die Ordnung dieses Gewerbes waren meistens so schwer, daß Polizeistrafen sie nicht mehr sühnen konnten und die Gerichte mit Untersuchungen und Bestrafungen einschritten. Desto mehr aber hatte eine eng mit der Branntweinbrennerei zusammenhängende Zunft, die der Böttcher, unter Polizeistrafen zu leiden. Es ist ganz sonderbar, ein wie schlechtes Augenmaß die Nordhäuser Böttcher in früheren Zeiten besessen haben. Immer wieder gerieten ihnen die Branntweinfässer zu klein, und immer wieder mußten sie deshalb bestraft werden. Im Juli 1781 war es beinah die gesamte Böttcher-Innung, welche die Polizeikasse wegen Lieferung zu kleiner Fässer an das Branntweingewerbe bereichern mußte.

Neben allen diesen Verfehlungen gegen Einzelpersonen, gegen die Satzungen gewisser Körperschaften, gegen Ruhe und Sicherheit der gesamten Bürgerschaft stehen nun endlich auch noch Verstöße gegen die Verfassung des Staates Nordhausen, welche die Polizei ahnden mußte.

Selten kamen Ueberschreitungen der Sonntagsruhe vor. In unseren Polizeiakten findet sich nur ein einziger Fall, wo am 5. Juli 1775 ein Töpfer bestraft wurde, weil er am Sonntage gebrannt hatte. Von den 3 Talem, um die er gebüßt wurde, verfiel die eine Hälfte, 1 Taler 12 Groschen, der Kämmereikasse, die andere dem geschädigten Handwerk. Oefter erscheinen andere Vergehen wider die kirchliche Ordnung, die jedesmal mit reichlich hohen Geldstrafen belegt wurden. So mußte am 19. Juli 1787 ein Perückenmacher, weil er sich ohne Genehmigung des Rates außerhalb der Stadt hatte kopulieren lassen, 10 Taler bezahlen, und es heißt in dem Strafbuche ausdrücklich, damit sei die Angelegenheit noch nicht aus der Welt geschafft, auch mit dem Konsistorium habe er sich noch auseinanderzusetzen. Ebenso ist die ungeheuerliche Strafe von 20 Talem - heute etwa 350 M - ganz unverständlich, die ein armer Knecht in demselben Jahre 1787 bezahlen mußte, weil er sich ohne Magistratskonzession im katholischen Domstift hatte trauen lassen.

Bekannt ist fernerhin, daß für Nordhausen eine Kleiderordnung bestand, die jedem Stande wenigstens gewisse Richtlinien für die Kleidung vorschrieb, besonders aber darüber wachte, daß in der Kleidung der Dienstboten kein übertriebener Luxus aufkam. Uebertretun- gen, die sich in dieser Beziehung vor allem das weibliche Geschlecht zu schulden kommen ließ, wurden mit kleinen Geldstrafen geahndet. Schwerer wurden natürlich die Strafen, wenn jemand eine auffällige, ihm nicht zukommende Kleidung angelegt hatte, um damit andere zu ärgern, oder wenn gar eine Magd durch ihre Herrschaft veranlaßt wurde, sich mit Kleidern zu schmücken, die anderen gehörten, um diese damit zu beleidigen. So mußte es die Magd des Konditors Sieckel am 29. Januar 1783 mit 30 Talem büßen, daß sie dem Befehle ihrer Brotherrin nachgekommen war und eine violette Mütze aufgesetzt hatte, die der Frau Bürgermeister Pauland gehörte und „um deren Verlust diese sehr getrauert hatte“. Erscheint die hohe Geldstrafe bei diesem Falle von offensichtlich recht üblem Schabernack verständlich, so mutet dieselbe Strafe von 30 Talem, die der Senator Seeber wegen Uebertretung der Kleiderordnung bezahlen mußte, heute ganz seltsam an. Seeber hatte seiner verstorbenen Tochter ein neuseidenes Kleid mit in den Sarg gegeben und dadurch gegen die Trauerordnung verstoßen: 30 Taler Strafe! Endlich sind noch Polizeistrafen wegen Verletzung von bürgerlichen Verpflichtungen in Betracht zu ziehen, die jeder Bürger als Nordhäuser Untertan zu erfüllen hatte. Da war es zunächst wichtig, daß überhaupt jeder Einwohner sich das Bürgerrecht erwarb und den Bürgereid leistete. Aus den Zeiten des Mittelalters bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts hatte sich die Rechtsauffassung erhalten, daß eigentlich nur der in Nordhausen vollgültiger Bürger sein konnte, der sich in der Stadt angekauft hatte. Bei allen selbständig Handel und Gewerbe Treibenden sowie bei den freien Bemfen wurde die Verleihung des Bürgerrechts meist vom Erwerb eines Grundstücks abhängig gemacht. Hatte sich ein Geselle selbständig gemacht und dachte daran, ein Haus zu kaufen, so wurde ihm von der Polizei eine bestimmte Frist gesetzt, während welcher er es sich kaufen mußte, andernfalls er des Bürgerrechts verlustig ging und sein Gewerbe niederlegen mußte. Ohne bestimmte Zusicherungen und Kautionen wurde das Bürgerrecht an bisher Ortsfremde für gewöhnlich überhaupt nicht verliehen; meistens bürgte der Schwiegervater für den Grundstückserwerb des jungen Bürgers.

Immer tritt das Bestreben des Rates hervor, möglichst keine Bewohner in Nordhausens Mauern zu dulden, die so arm waren, daß sie keinen Gmnderwerb tätigen konnten, oder so zurückgekommen waren, daß sie ihr Häuschen nicht mehr halten konnten und der Stadt zur Last fielen. Ein wachsames Auge hatte deshalb die Polizei auf Hausverkäufe, bei denen offenbar die Besitzer, vielleicht durch eigene Schuld, soweit heruntergekommen waren, daß sie ihr Besitztum veräußern mußten. Solchen Bürgern wurde regelmäßig eröffnet, sie müßten sich „binnen Jahr und Tag“ wieder angekauft haben, andernfalls sie die Stadt zu räumen hätten. In schwierigen Fällen verlangte man den Neuerwerb sogar binnen einem halben Jahr. Auch sonst achtete die Polizei darauf, daß jeder Untertan seinen bürgerlichen Verpflichtungen gewissenhaft nachkam. So konnte z. B. jeder taugliche Bürger zum Spritzendienst und zu Uebungen an den Spritzengeräten herangezogen werden. Mehrfaches un- entschuldigtes Fehlen zog Geldstrafen nach sich. Eine weitere allgemeine Bürgerpflicht war es, jedes Jahr Anfang Januar, wenn das alte Stadtregiment abtrat und das neue seine Regierung begann, diesem auf dem Markt den Huldigungseid zu leisten. Dabei mußte jeder Bürger anwesend sein. Unentschuldig- tes Fehlen wurde mit 1 Taler bestraft. Diese Strafe findet sich deshalb jedes Jahr nach dem Heiligen-Drei-Königstage, an dem der Rat wechselte, immer wieder in den Akten. Ist schon hieran zu erkennen, daß der Rat gewillt war, nicht bloß die Rechte des Bürgers auf Kontrolle der Stadtverwaltung zu achten, sondern ihm auch seine Pflichten gegenüber dem Staate und der Obrigkeit zu Gemüte zu führen, so geht das noch viel mehr hervor aus den Ahndungen wegen offenbarer Verletzung der staatlichen Autorität.

Die Reichshandwerkerordnung, die auch für Nordhausen galt, regelte u.a. den Verkehr zwischen Behörde und Innung und sprach dem Rate ein Aufsichtsrecht über die Innung zu. Demgemäß durfte ein amtlicher Brief, der an die Zunftmeister gelangte, nur mit Wissen des Magistrats geöffnet werden; im Uebertretungsfalle sah die Reichsordnung 20 Taler Strafe vor. Mehrfach versuchten nun die Obermeister der Innungen, um dem Rate keinen Einblick in Zunftangelegenheiten zu gewähren, diese Vorschriften zu umgehen. Sie mußten diese Mißachtung der Behörde jedesmal mit 5 Talern büßen. Die von der Reichsordnung verfügten 20 Taler wurden zwar immer angedroht, aber nie verhängt. Ließ sich der Rat auf der einen Seite das Aufsichtsrecht über die Innung nicht nehmen, so gewährte er ihren Einrichtungen auf der anderen Seite aber auch Schutz. So wurde in eine Strafe von 2 Talern genommen, wer dem von der Innung selbstgewählten Obermeister den gehörigen Respekt versagte. Ebenso mußten die Gesellen unter sich und ihren Meistern gegenüber die vorgeschriebene Zucht und Ordnung beachten. So mußte z. B. das Amt des Altgesellen alle 4 Wochen wechseln, damit ein Geselle nicht zu mächtig wurde. Uebergab der amtierende Altgeselle nicht ordnungsgemäß und rechtzeitig seine Würde, so hatte er die hohe Strafe von 5 Talern zu entrichten. Ein Sattlergeselle aus Heilbronn, der im Jahre 1787 in seiner Innung Unruhen angestiftet hatte, wurde mit 2 Talern gebüßt.

Schließlich verlangten die städtischen Behörden auch noch unbedingtes Wohlverhalten gegen den Rat selbst, der ja für die Freie Reichsstadt Nordhausen, wie jeder andere Reichsstand für sein Land auch, souverän war. Gegen Uebertretungen solcher Art war der Rat immer ganz besonders empfindlich, weil er sie als Verletzung der Hoheitsrechte betrachtete. Bei allen Gerichts- und Polizeistrafen in Nordhausen tritt ein Zug immer wieder hervor, daß man nämlich gegen die meisten Vergehen im allgemeinen milder vorging, als es sonst üblich war. Die Urteile, die man von den Juristenfakultäten oder auswärtigen Schöppenstühlen einholte, wurden häufig vom Rate gemildert, und daß auch bei den Polizeistrafen der Rat gern gegenüber der eigentlich festgesetzten Ordnung etwas nachließ, haben wir bei der Verhandlung der Reichskonkordatsordnung in Nordhausen gesehen. Vergingen sich aber Bürger oder Bürgerinnen gegen den Rat oder kritisierten sie seine Verfügungen und Entschlüsse, so traf sie in jener Zeit des 18. Jahrhunderts, wo es allmählich mit der Reichsffeiheit zu Ende ging und man deshalb gerade bestrebt war, sie und ihre Rechte bis aufs äußerste zu verteidigen, jedesmal schwerster Groll der beleidigten Obrigkeit und harte Strafe. Meistens erschienen dem Rate solche Verletzungen des Untertanengehorsams und der Ehrerbietung, die der Bürger der von ihm ja selbst gesetzten Behörde schuldig war, so schwer, daß Polizeistrafen nicht genügten und die ordentlichen Gerichte sich mit dem Verschulden beschäftigen mußten. Deshalb treffen wir unter den Polizeiakten selten auf die Bestrafung derartiger Vergehen. Sie kommen aber immerhin vor. So mußte ein Zimmermann, der seine Zunge nicht hatte im Zaume halten können und dem außerdem nachgewiesen worden war, daß er im Dome gebraut hatte, 10 Taler Strafe zahlen. Die Bäckerin Schönemann, die im Juni 1766 die Arbeitsleistung des hohen Rats durch die Aeußerung zu kritisieren gewagt hatte, die Magistratsarbeit erschöpfe sich darin, Fleischer und Bäcker, Jrerumzuschieren“, wurde ebenfalls in 10 Taler Strafe genommen, und ihrer jüngeren Schwester, die sich einem Ratsbeschlusse widersetzt hatte, wurden 5 Taler Strafe oder 3 Tage Haft auf erlegt.

Wie bei den meisten anderen Verhältnissen, so blieb auch im Polizeiwesen bis zum Jahre 1802, bis zum Verluste der Reichsfreiheit, in Nordhausen im wesentlichen alles beim alten. Mit der Besitzergreifung durch Preußen, mit der Einführung des allgemeinen Landrechtes, mit der neuen Zusammensetzung der städtischen Körperschaften fand auch eine Umgestaltung des Polizeiwesens statt. Nach der westfälischen Zeit war Nordhausen eine Kreisstadt und stand unter dem Landrat. Die Polizeigewalt wurde nur indirekt durch den Magistrat gehandhabt. Daher kommt es auch, daß in dem Dreijahresetat von 1833 bis 1840 nur 10 Taler, in dem von 1845 bis 1847 gar nur 5 Taler für polizeiliche Zwecke bei einem Gesamtausgabenetat von rund 21 000 Talem vorgesehen sind. Das änderte sich erst mit dem 1. April 1882, wo die Stadt aus dem Landkreis herausgenommen wurde und fortan einen eigenen Stadtkreis bildete. Nunmehr übernahmen der Magistrat und die ihm unterstellten polizeilichen Organe wiederum wichtigste Aufgaben.