Das Nadelöhr bei Ilfeld: Unterschied zwischen den Versionen
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Als die Riesen noch im Harze hausten, für welche Berge und Täler nur kleine Wegunebenheiten waren, machte ein junger Riese eine Fußreise. Er blieb am Brocken an einem Felsen hängen mit der Schuhspitze und brach dabei ein paar Stückchen vom Gestein ab. Eines davon kollerte in des Riesen Schuh, denn er hatte sich bequeme Reiseschuhe machen lassen. | Als die Riesen noch im Harze hausten, für welche Berge und Täler nur kleine Wegunebenheiten waren, machte ein junger Riese eine Fußreise. Er blieb am Brocken an einem Felsen hängen mit der Schuhspitze und brach dabei ein paar Stückchen vom Gestein ab. Eines davon kollerte in des Riesen Schuh, denn er hatte sich bequeme Reiseschuhe machen lassen. | ||
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„Na ja," sagte der Riese, „das soll nicht drücken! Da konnte ich mir ja eine Quese laufen," schüttelte den Schuh aus, der Stein kollerte ein Stückchen und blieb dann liegen. So liegt er noch heute bei Ilfeld, ist gestaltet wie ein großes Nadelöhr, und ein alter Schriftsteller, der seit hundert Jahren keine Zahnschmerzen mehr hat, schrieb davon: | „Na ja," sagte der Riese, „das soll nicht drücken! Da konnte ich mir ja eine Quese laufen," schüttelte den Schuh aus, der Stein kollerte ein Stückchen und blieb dann liegen. So liegt er noch heute bei Ilfeld, ist gestaltet wie ein großes Nadelöhr, und ein alter Schriftsteller, der seit hundert Jahren keine Zahnschmerzen mehr hat, schrieb davon: | ||
„Durch dieses Loch müssen die Knechte, sowohl aus Nordhausen als andern umliegenden Ortern, wenn sie zum erstenmal hinter Ilfeld in den Harz, um daher Brennholz auf Wägen abzuholen, fahren, und an diesen Ort gelangen, mit großer Mühe, der Enge wegen, dreimal kriechen, und werden noch dazu von ihren dabei stehenden Kameraden nicht allein bei dem Ein- sondern auch bei dem Auskriechen mit Peitschen- und Geißelstielen tapfer abgeschmissen, zumal wenn dieselben korpulent oder dicke sind, und diesertwegen sobald durch das Nadelöhr nicht kommen können; wollen sie aber diese Kurzweil nicht ausstehen, und haben es im Vermögen, so müssen sie solches Trakte- ment mit Gelds bezahlen. Es ist zwar dieses böse Wesen, insonderheit von der Obrigkeit zu Ilfeld, bei ziemlicher Strafe verboten worden, weilen dadurch die Knechte abgeschreckt werden, hinter Ilfeld zu fahren und damit dem Holzhandel großer Abbruch geschiehst. Es Hilst aber solches wenig, denn will ein Knecht vor seinen Kameraden Friede haben und in ihrer Saustompanie gelitten werden, so muß er doch nach ihrer Pfeife Lanzen, und Hilst dazu kein Kläglichtun. | „Durch dieses Loch müssen die Knechte, sowohl aus Nordhausen als andern umliegenden Ortern, wenn sie zum erstenmal hinter Ilfeld in den Harz, um daher Brennholz auf Wägen abzuholen, fahren, und an diesen Ort gelangen, mit großer Mühe, der Enge wegen, dreimal kriechen, und werden noch dazu von ihren dabei stehenden Kameraden nicht allein bei dem Ein- sondern auch bei dem Auskriechen mit Peitschen- und Geißelstielen tapfer abgeschmissen, zumal wenn dieselben korpulent oder dicke sind, und diesertwegen sobald durch das Nadelöhr nicht kommen können; wollen sie aber diese Kurzweil nicht ausstehen, und haben es im Vermögen, so müssen sie solches Trakte- ment mit Gelds bezahlen. Es ist zwar dieses böse Wesen, insonderheit von der Obrigkeit zu Ilfeld, bei ziemlicher Strafe verboten worden, weilen dadurch die Knechte abgeschreckt werden, hinter Ilfeld zu fahren und damit dem Holzhandel großer Abbruch geschiehst. Es Hilst aber solches wenig, denn will ein Knecht vor seinen Kameraden Friede haben und in ihrer Saustompanie gelitten werden, so muß er doch nach ihrer Pfeife Lanzen, und Hilst dazu kein Kläglichtun.“ | ||
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Aktuelle Version vom 8. Januar 2023, 17:12 Uhr
Als die Riesen noch im Harze hausten, für welche Berge und Täler nur kleine Wegunebenheiten waren, machte ein junger Riese eine Fußreise. Er blieb am Brocken an einem Felsen hängen mit der Schuhspitze und brach dabei ein paar Stückchen vom Gestein ab. Eines davon kollerte in des Riesen Schuh, denn er hatte sich bequeme Reiseschuhe machen lassen.
Gleich merkte er das Felsstück nicht, aber nach einer Weile fing er an, auf seinen Schuster zu schimpfen, ward immer ärgerlicher und sagte:
„Der Kerl müßte nur selber darin laufen!" setzte sich auf den nächsten Berg und zog den Schuh aus, um nachzusehen, ob etwa eine Zwecke durch die Brandsohle gucke. Nein, aber ein Steinchen lag darin.
„Na ja," sagte der Riese, „das soll nicht drücken! Da konnte ich mir ja eine Quese laufen," schüttelte den Schuh aus, der Stein kollerte ein Stückchen und blieb dann liegen. So liegt er noch heute bei Ilfeld, ist gestaltet wie ein großes Nadelöhr, und ein alter Schriftsteller, der seit hundert Jahren keine Zahnschmerzen mehr hat, schrieb davon:
„Durch dieses Loch müssen die Knechte, sowohl aus Nordhausen als andern umliegenden Ortern, wenn sie zum erstenmal hinter Ilfeld in den Harz, um daher Brennholz auf Wägen abzuholen, fahren, und an diesen Ort gelangen, mit großer Mühe, der Enge wegen, dreimal kriechen, und werden noch dazu von ihren dabei stehenden Kameraden nicht allein bei dem Ein- sondern auch bei dem Auskriechen mit Peitschen- und Geißelstielen tapfer abgeschmissen, zumal wenn dieselben korpulent oder dicke sind, und diesertwegen sobald durch das Nadelöhr nicht kommen können; wollen sie aber diese Kurzweil nicht ausstehen, und haben es im Vermögen, so müssen sie solches Trakte- ment mit Gelds bezahlen. Es ist zwar dieses böse Wesen, insonderheit von der Obrigkeit zu Ilfeld, bei ziemlicher Strafe verboten worden, weilen dadurch die Knechte abgeschreckt werden, hinter Ilfeld zu fahren und damit dem Holzhandel großer Abbruch geschiehst. Es Hilst aber solches wenig, denn will ein Knecht vor seinen Kameraden Friede haben und in ihrer Saustompanie gelitten werden, so muß er doch nach ihrer Pfeife Lanzen, und Hilst dazu kein Kläglichtun.“