Öffentlich, Privat, Jüdisch: Jüdisches Leben in Nordhausen 1871-1933: Unterschied zwischen den Versionen

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== Externe Verweise ==
== Externe Verweise ==
* [https://www.nordhausen.de/_daten/mm_objekte/2021/11/21040_1124_40373887.pdf PDF]
* [https://www.nordhausen.de/_daten/mm_objekte/2021/11/21040_1124_40373887.pdf Publikation zur Ausstellung (PDF)]


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[[Kategorie:Judentum in Nordhausen]]
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Aktuelle Version vom 6. Juli 2024, 08:11 Uhr

Öffentlich, Privat, Jüdisch: Jüdisches Leben in Nordhausen 1871-1933 war der Titel einer Ausstellung und Publikation im Oktober 2021 in Nordhausen.

Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Ausstellung mit Begleitbroschüre brachte Einblicke in die jüdische Gemeinschaft Nordhausens während des Deutschen Kaiserreichs und der Weimarer Republik. Herausgegeben von der Stadt Nordhausen und verfasst von Alexander Hahn, wird darin das kulturelle, gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben der jüdischen Bevölkerung in dieser Periode beleuchtet. Die Publikation wurde im Rahmen des Themenjahrs „Neun Jahrhunderte Jüdisches Leben in Thüringen“ von der Thüringer Staatskanzlei gefördert.

Seit dem 12. Jahrhundert gab es in Nordhausen immer wieder jüdische Bewohner. Eine stabile und dauerhafte jüdische Gemeinde entstand jedoch erst im 19. Jahrhundert. Die Haskala, die jüdische Aufklärung, initiiert durch Persönlichkeiten wie Moses Mendelssohn (1729-1786), schuf die geistigen Voraussetzungen für eine Annäherung der jüdischen Bevölkerung an die christliche Mehrheitsgesellschaft in Nordhausen. Diese Periode der Integration und des kulturellen Austauschs ermöglichte es den Juden, sich stärker in das städtische Leben zu integrieren.

In der Broschüre wird ausführlich beschrieben, wie jüdische Einwohner Nordhausens ab dem frühen 19. Jahrhundert durch den Code Napoléon und die preußische Gesetzgebung rechtlich gleichgestellt wurden. Diese rechtliche Gleichstellung eröffnete ihnen neue wirtschaftliche Möglichkeiten. Bis 1933 existierten in Nordhausen mindestens 45 jüdische Geschäfte, darunter bedeutende Kaufhäuser wie „Pinthus und Ahlfeld“. Diese wirtschaftlichen Aktivitäten trugen wesentlich zur städtischen Ökonomie bei und förderten die Integration der jüdischen Gemeinschaft.

Ein zentraler Bestandteil der Broschüre ist das Sportleben der jüdischen Gemeinde. Trotz der in vielen deutschen Turnvereinen vorherrschenden antisemitischen Tendenzen blieben jüdische und nichtjüdische Bürger in Nordhausen vereint. Turnen, das seit dem frühen 19. Jahrhundert als deutscher Nationalsport galt, war von nationalistischen und militaristischen Tönen geprägt. Dennoch turnten in Nordhausen Juden und Nichtjuden gemeinsam in Vereinen wie dem Turnverein „Friesen“, wo jüdische Mitglieder wie der Zahntechniker Harry Kleemann und der Kaufmann Erich Goldschmidt aktiv waren.

Der Fußball war ein weiteres bedeutendes Betätigungsfeld. Juden und Nichtjuden spielten gemeinsam in Vereinen wie dem „SV Preußen Nordhausen“. Der Kaufmann Georg Goldschmidt, ein aktives Mitglied dieses Vereins, wanderte nach 1933 nach Palästina aus und eröffnete dort ein Café.

Auch abseits des Vereinssports waren jüdische Nordhäuser aktiv, besonders im Wandern. Zahlreiche neue Organisationen, die sich der Natur und dem Wandern widmeten, entstanden sowohl im Kaiserreich als auch in der Weimarer Republik. Der „Wandervogel“ und der „Jüdische Pfadfinderbund Deutschlands“ boten jüdischen Jugendlichen die Möglichkeit, an Wanderungen teilzunehmen und die Natur zu erleben. Werner Ahlfeld, ein Kaufmann und Mitglied des „Wandervogels“, und Ruth Goldstein, Mitglied des „Jüdischen Pfadfinderbundes“, sind prominente Beispiele für diese Bewegungen.

Die wirtschaftliche Stärke jüdischer Unternehmer zeigte sich nicht nur im Handel, sondern auch im gesellschaftlichen Engagement. Viele jüdische Kaufleute unterstützten Sportvereine und wohltätige Zwecke finanziell. Diese Tradition der Wohlfahrtspflege reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück, als gemeinnützige jüdische Vereine zur Unterstützung Bedürftiger gegründet wurden. Besonders hervorzuheben sind die Aktivitäten der Familie Plaut, die 1880 eine gemeinnützige Stiftung ins Leben rief, die bis 1939 eine zentrale Rolle im städtischen Leben spielte.

Die Ausstellung beleuchtet auch die Rolle jüdischer Familien im sportlichen Leben Nordhausens. Werner Ahlfelds Familie beispielsweise führte das Kaufhaus „Pinthus und Ahlfeld“, das als sicherer Arbeitgeber für viele Mitglieder der jüdischen Gemeinde galt. Ähnlich engagiert war die Familie Goldstein, deren Mitglieder sowohl im Geschäftsleben als auch im Sport aktiv waren. Ruth Goldstein trat dem „Jüdischen Pfadfinderbund Deutschlands“ bei und emigrierte 1939 eigenständig nach Israel.

Die Broschüre schließt mit der Feststellung, dass die enge Verflechtung von jüdischem und nichtjüdischem Leben in Nordhausen erst durch den Nationalsozialismus zerstört wurde. Die reiche und vielfältige Geschichte der jüdischen Gemeinschaft in Nordhausen zeuge von einer Zeit des Miteinanders und gegenseitigen Respekts, die durch politische Veränderungen ein Ende fand.

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