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Aktuelle Version vom 9. Juni 2024, 11:25 Uhr

Ernst Wilhelm Förstemann
Ernst Wilhelm FörstemannErnst Wilhelm Förstemann, Gemälde von Julius Scholtz (1882)
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geb. 18. September 1822 in Danzig
gest. 4. November 1906 in Berlin
Bibliothekar, Archivar, Historiker, Germanist, Volkskundler, Amerikanist, Linguist
Bilder und Medien bei Commons
Wikidata: Datensatz
GND-Nummer 116635886
DNB: Datensatz

Ernst Wilhelm Förstemann (geb. 18. September 1822 in Danzig; gest. 4. November 1906 in Berlin) war Bibliothekar, Archivar und Sprachwissenschaftler. Er leistete bedeutende Beiträge zur Erforschung altdeutscher Orts- und Personennamen sowie zur Entzifferung der Dresdner Mayahandschrift (Codex Dresdensis).

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Herkunft und Jugend[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ernst Wilhelm Förstemann wurde als ältester von sechs Geschwistern in Danzig geboren. Sein Vater Wilhelm August Förstemann war Professor für Mathematik am Danziger Gymnasium. Die Mutter Wilhelmine Dorothee stammte aus der angesehenen Familie Jarcke. Schon früh zeigte sich bei Ernst Wilhelm eine ausgeprägte sprachliche Begabung und ein reges Interesse an der Erforschung der heimatlichen Umgebung.

1840 nahm Förstemann im Alter von 17 Jahren an der Universität Berlin ein Studium der klassischen Philologie auf. Bald wechselte er jedoch zur philosophischen und historischen Sprachforschung. Wegweisend war für ihn die Begegnung mit dem Sanskrit. In Berlin wurde Förstemann Mitglied der Gesellschaft für deutsche Sprache und Altertumskunde. 1844 wurde er in Halle mit einer Arbeit über althochdeutsche Zaubersprüche promoviert. Schon während des Studiums unternahm er ausgedehnte Fußwanderungen, die ihn u.a. nach Nordhausen führten, in die Heimatstadt seines Vaters. Dort knüpfte er enge Beziehungen zu seinen Verwandten, insbesondere zu dem Historiker Ernst Günther Förstemann.

Lehrer und Bibliothekar in Danzig und Wernigerode[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach Abschluss des Studiums kehrte Förstemann nach Danzig zurück, wo er eine Stelle als Hilfslehrer am Gymnasium antrat. Daneben war er als Hauslehrer tätig. 1845 legte er das Oberlehrerexamen ab und unterrichtete fortan als Gymnasiallehrer. Gleichzeitig vertiefte er seine Studien zur altdeutschen Namenforschung. Auf eine Preisaufgabe der Berliner Akademie hin reichte er 1849 anonym eine umfangreiche Arbeit über altdeutsche Orts- und Personennamen ein, für die er ausgezeichnet wurde. Der renommierte Sprachwissenschaftler Jacob Grimm wurde auf den jungen Gelehrten aufmerksam und förderte ihn nach Kräften.

1851 verließ Förstemann Danzig und übernahm eine Stelle als Lehrer und Bibliothekar am gräflichen Hof in Wernigerode. In dieser Position ordnete und katalogisierte er die bedeutende Bibliothek, die in der ehemaligen Orangerie untergebracht war. Gleichzeitig setzte er seine germanistischen Studien fort. 1856 erschien bei seinem Vetter Ferdinand Förstemann in Nordhausen der erste Band von Förstemanns Hauptwerk, dem "Altdeutschen Namenbuch", der die Personennamen behandelte. Drei Jahre später folgte der zweite Band mit den Ortsnamen. Förstemann hatte dafür die enorme Summe von 2000 Talern aufgewendet. Durch häufige Besuche in Nordhausen festigte er in diesen Jahren die Verbindung zu seiner väterlichen Familie.

Oberbibliothekar in Dresden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im September 1865 wurde Förstemann als Nachfolger von Gustav Klemm zum Leiter der Königlichen Öffentlichen Bibliothek in Dresden berufen. In den folgenden zwölf Jahren reorganisierte und modernisierte er die Bibliothek von Grund auf. Dabei kam ihm seine enorme Arbeitskraft zugute - oft war er von frühmorgens bis spätabends im Dienst. Daneben fand Förstemann noch Zeit für sprachwissenschaftliche Studien. 1874/75 veröffentlichte er in zwei Bänden eine "Geschichte des deutschen Sprachstammes", die jedoch Fragment blieb. Ein wichtiger Grund dafür war der Tod seines Verlegers und Vetters Ferdinand Förstemann im Jahr 1876.

Schon bald nach seinem Amtsantritt in Dresden stieß Förstemann auf die dort aufbewahrte Mayahandschrift, die bislang kaum erforscht war. Nachdem er 1878 die Neuordnung der Bibliothek abgeschlossen hatte, wandte er sich verstärkt diesem Schriftdokument zu. 1880 legte er einen Faksimiledruck der Handschrift mit einer Einleitung vor. In den folgenden zwei Jahrzehnten gelang es Förstemann, wesentliche Teile der Handschrift zu entschlüsseln. Dabei konzentrierte er sich vor allem auf die Kalendersysteme der Maya. Seine mathematische Begabung, die er vom Vater geerbt hatte, erwies sich dabei als äußerst nützlich. Mit seinen Forschungen leistete Förstemann Pionierarbeit auf dem Gebiet der Mayaforschung und erwarb sich internationales Renommee.

Ruhestand[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1887 legte Förstemann im Alter von 65 Jahren sein Amt als Oberbibliothekar nieder. Als Anerkennung seiner Verdienste wurde er zum Geheimen Hofrat ernannt. Bis 1899 übernahm er die Betreuung der Privatbibliothek des sächsischen Königs Albert sowie der Prinzlichen Sekundogeniturbibliothek. 1882 hatte der Maler Julius Scholtz ein repräsentatives Porträt von ihm geschaffen, das ihn an seinem Schreibtisch mit der Mayahandschrift zeigt.

Nach dem Tod seiner zweiten Frau Emilie geb. Dette im Jahr 1898 verlegte Förstemann seinen Wohnsitz nach Berlin. Hier lebte ein großer Teil seiner weit verzweigten Familie, darunter auch sein Sohn Ernst Friedrich, der später eine Biographie des Vaters verfassen sollte. In Berlin setzte der Gelehrte seine Mayastudien bis ins hohe Alter fort. Dabei stand er in engem Kontakt mit dem Mayaforscher Paul Schellhas, mit dem er sich regelmäßig zu "Maya-Nachmittagen" traf.

Ernst Wilhelm Förstemann starb im Alter von 84 Jahren in Berlin. Sein Grab befindet sich auf dem dortigen Luisenfriedhof im Stadtteil Charlottenburg-Westend.

Leistung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Förstemann hat sich sowohl als Bibliothekar wie auch als Sprachwissenschaftler und Altamerikanist hohes Ansehen erworben. Als Leiter der Bibliotheken in Wernigerode und Dresden modernisierte er diese nachhaltig und erschloss ihre reichen Bestände für die Forschung.

Auf dem Gebiet der germanistischen Sprachwissenschaft wurde Förstemann vor allem durch sein zweibändiges "Altdeutsches Namenbuch" bekannt, das jahrzehntelang ein Standardwerk der Onomastik blieb. Durch die akribische Auswertung einer Vielzahl von Quellen schuf er eine solide Grundlage für die Erforschung altdeutscher Personen- und Ortsnamen. Bis heute sind viele seiner Deutungen gültig.

Den nachhaltigsten Ruhm erwarb sich Förstemann als Pionier der Mayaforschung. Durch die partielle Entzifferung und historische Einordnung des Dresdner Codex leistete er einen entscheidenden Beitrag zur Erschließung der Mayaschrift und der Erforschung der Mayakultur insgesamt. Noch heute wird in der Fachliteratur anerkennend auf seine Arbeiten verwiesen.

Neben seiner wissenschaftlichen Arbeit ist Förstemanns Wirken für den Zusammenhalt seiner weit verzweigten Familie hervorzuheben. 1893 regte er an, in regelmäßigen Abständen Familientage abzuhalten. Bis zu seinem Tod fanden diese Treffen abwechselnd in Nordhausen und Berlin statt und festigten die Verbundenheit der Förstemann'schen Sippe.

Persönlichkeit und Privates[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Förstemanns enormer Fleiß und seine Leidenschaft für die Wissenschaft werden von Zeitgenossen immer wieder hervorgehoben. Ganz offensichtlich hatte er die "ungeheure Betriebsamkeit" von seinem Vater geerbt. Trotz seines enormen Arbeitspensums blieb er zeitlebens ein Mann von großer Vitalität, der einen ausgedehnten Freundes- und Bekanntenkreis pflegte. Zu den Persönlichkeiten, mit denen er verkehrte, zählten die Sprachwissenschaftler Jacob Grimm und August Heinrich Hoffmann von Fallersleben.

Über Förstemanns Privatleben ist nur wenig bekannt. 1852 heiratete er in Wernigerode Clara Margarethe Schuhmacher, die Tochter eines Danziger Oberlehrers. Sie starb bereits im folgenden Jahr, kurz nach der Geburt der Tochter Clara. 1856 ging Förstemann eine zweite Ehe mit Emilie Dette ein, der Tochter eines Wernigeroder Kriegsgerichtsrates. Aus dieser Verbindung gingen zwei Söhne hervor. Der ältere starb kurz nach der Geburt, der jüngere, Ernst Friedrich (1860-1917) schlug eine Verwaltungslaufbahn ein und verfasste eine Biographie seines Vaters. Die Tochter Clara heiratete später den preußischen Oberamtmann Georg Barnbeck. Ehrungen

Förstemanns wissenschaftliche Verdienste wurden durch die Ernennung zum Geheimen Hofrat (1887) gewürdigt. Bereits seit 1866 war er ordentliches Mitglied der Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften. Seine Bedeutung für das Geistesleben Dresdens unterstreicht seine Darstellung im Fürstenzug (1907), wo er stellvertretend für die Wissenschaft abgebildet ist. Die Stadt Nordhausen, der alte Stammsitz der Familie Förstemann, benannte ihm zu Ehren eine Straße.

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schriften (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Das nördliche Pommerellen und seine Alterthümer. In: Preußische Provinzial-Blätter. Band 9, Königsberg 1850, S. 254–275.
  • Altdeutsches Namenbuch. 2 Bände (I: Personennamen; II: Orts- und sonstige geographische namen) 1856–1859; 2. Auflage (Altdeutsches Namenbuch) Bonn 1900 (Band 1. Personennamen: teilweise online); Band II in 3. Auflage in zwei Bänden hrsg. von Hermann Jellinghaus, Bonn 1913–1916; Neudruck (aller Teile) München/Hildesheim 1966–1967. 1968 erschien in München ein Ergänzungsband Altdeutsche Personennamen von Hennning Kaufmann.
  • Die deutschen Ortsnamen. Nordhausen 1863; Neudruck Walluf bei Wiesbaden 1973.
  • Über die Gräflich Stolbergische Bibliothek zu Wernigerode. 1866.
  • Mitteilungen der königlichen öffentlichen Bibliothek zu Dresden. 1866 ff.
  • Geschichte des deutschen Sprachstammes. 2 Bände. 1874–1875 (Nachdruck 1966).
  • Die Verbindung zwischen den deutschen Bibliotheken. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen. Jg. 1, 1884, S. 6–12 (Digitalisat).
  • Systematische, alphabetische, chronologische Anordnung. In: Centralblatt für Bibliothekswesen. Jg. 1, 1884, Heft 8, S. 293–303 (Digitalisat).
  • Der Maya-Apparat in Dresden. In: Centralblatt für Bibliothekswesen. Jg. 2, 1885, S. 181–192 (Digitalisat).
  • Graf Christian Ernst zu Stolberg-Wernigerode. Hannover 1886.
  • Die Bibliotheksdiener. In: Centralblatt für Bibliothekswesen. Jg. 3, 1886, S. 190–196. (Digitalisat)
  • Mitteilungen aus der Verwaltung der Königl. öffentlichen Bibliothek zu Dresden in den Jahren 1881–1885. In: Centralblatt für Bibliothekswesen. Jg. 3, 1886, S. 319–331.(Digitalisat)
  • Erläuterungen zur Maya-Handschrift der Königlichen Öffentlichen Bibliothek Dresden. Dresden 1886 Digitalisat.
  • Bedarf und Mittel der Bibliotheken. In: Centralblatt für Bibliothekswesen. Jg. 4, 1887, S. 97–106 (Digitalisat).
  • Wörterbücher und Bibliotheken. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen. Jg. 6, 1889, S. 448–451 (online).
  • Zur Entzifferung der Mayahandschriften. 7 Bände. 1887–1898.
  • Zur Geschichte der Bücher-Sammlungen in der Grafschaft Wernigerode bis zum Dreißigjährigen Kriege, insbesondere der Sammlung Graf Wolfgang Ernst zu Stolberg (angelegt von etwa 1569–1606). o. J. (Manuskript).
  • Eine historische Maya-Inschrift. In: Globus. Band 81, Nr. 10, 1902, S. 150–153.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Externe Verweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

 Commons: Ernst_Förstemann – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien