Ein Abend auf der Löwenburg: Unterschied zwischen den Versionen

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{{idt2|25}}Schön ist die Welt überall, nicht nur dort, wo geschäftige Reklame die Vorzüge der Heimat in alten Tonarten preist, nicht nur dort, wohin dich mit überschwänglichen Lobeserhebungen die Reisehandbücher locken. Schön ist's auch, wo noch nicht marktschreierischer Geschäftssinn oder ein heimatfeindlicher Lokalpatriotismus die heimatlichen Städte und Dörfer der Überschwemmung durch anspruchsvolle Sommerfrischler preisgegehen hat, wo noch nicht modernes Piratentum dir schamlos die mühsam zur Erholung gesparten Kronen und Silberstücke aus der Tasche holt.  
{{idt2|25}}Schön ist die Welt überall, nicht nur dort, wo geschäftige Reklame die Vorzüge der Heimat in alten Tonarten preist, nicht nur dort, wohin dich mit überschwänglichen Lobeserhebungen die Reisehandbücher locken. Schön ist's auch, wo noch nicht marktschreierischer Geschäftssinn oder ein heimatfeindlicher Lokalpatriotismus die heimatlichen Städte und Dörfer der Überschwemmung durch anspruchsvolle Sommerfrischler preisgegehen hat, wo noch nicht modernes Piratentum dir schamlos die mühsam zur Erholung gesparten Kronen und Silberstücke aus der Tasche holt.  


{{idt2|25}}Wenn du gleich mir bei der Wahl deines Reiseziels mit deinem Geldbeutel zu Rate gehen mußt, wenn du dich nicht von der augenblicklich herrschenden Reisemode beeinflussen läßt und mit dem großen Strome der Vergnügungsreisendenden „fashionablen“ Landschaften und Orten den Vorzug giebst, um dann daheim mit dem Geschauten und Erlebten protzen zu können, sondern wenn du wirklich Erholung und wahre, noch nicht vonspekulativer Kultur retouchierte Schönheit suchst, wenn du, kein Bequemling und Grillenfänger, ein wanderfroher Geselle mit rüstigem Fuß Klippen und Berge erklimmst, mit dem schäumenden Bergbache um die Wette zu Tale stürmen kannst, unbekümmert um des Amtes hohe Würde und der Gesellschaft steife Etikette, wenn Vogelfang und Waldesrauschen dich hell aufjauchzen lassen, dann verlasse getrost die von der Reidemode vorgeschriebenen Straßen und kommen zu uns, auf unseren waldgeschmückten Höhen, in unseren traulichstillen Dörfern und Städten wirst du dich heimisch fühlen!
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{{idt2|25}}Und du, der du im Banne unsere Berge daheim bist, suchst du Frieden nach heißen Kämpfen, suchst du Erholung nach angreisender Tätigkeit, so schürfe die Schätze, welche dein heimatlicher Wald bietet Suche nach des Tages Unruhe und Last des Waldes Einsamkeit; erst in der Stille, weitab vom Wege, zeigt er dir seine Wunder und vertraut dir seine Heimlichkeiten. Wie einst in der Kindheit glücklichen Tagen dich das Märchen aus Muttermund bannte, so hält dich der Waldeinsamkeitszauber gefangen in stillem, selbstvergessenem Träumen.
{{idt2|25}}Wenn du gleich mir bei der Wahl deines Reiseziels mit deinem Geldbeutel zu Rate gehen mußt, wenn du dich nicht von der augenblicklich herrschenden Reisemode beeinflussen läßt und mit dem großen Strome der Vergnügungsreisendenden „fashionablen“ Landschaften und Orten den Vorzug giebst, um dann daheim mit dem Geschauten und Erlebten protzen zu können, sondern wenn du wirklich Erholung und wahre, noch nicht von spekulativer Kultur retouchierte Schönheit suchst, wenn du, kein Bequemling und Grillenfänger, ein wanderfroher Geselle mit rüstigem Fuß Klippen und Berge erklimmst, mit dem schäumenden Bergbache um die Wette zu Tale stürmen kannst, unbekümmert um des Amtes hohe Würde und der Gesellschaft steife Etikette, wenn Vogelfang und Waldesrauschen dich hell aufjauchzen lassen, dann verlasse getrost die von der Reisemode vorgeschriebenen Straßen und komm zu uns, auf unsere waldgeschmückten Höhen, in unseren traulichstillen Dörfern und Städten wirst du dich heimisch fühlen!
 
{{idt2|25}}Und du, der du im Banne unsere Berge daheim bist, suchst du Frieden nach heißen Kämpfen, suchst du Erholung nach angreifender Tätigkeit, so schürfe die Schätze, welche dein heimatlicher Wald bietet. Suche nach des Tages Unruhe und Last des Waldes Einsamkeit; erst in der Stille, weitab vom Wege, zeigt er dir seine Wunder und vertraut dir seine Heimlichkeiten. Wie einst in der Kindheit glücklichen Tagen dich das Märchen aus Muttermund bannte, so hält dich der Waldeinsamkeitszauber gefangen in stillem, selbstvergessenem Träumen.


{{idt2|25}}Und wenn du dann heraustrittst aus dem Banne des Waldesfriedens, dann hörst und siehst du nicht der Welt verworren Treiben zu deinen Füßen; still freust du dich des farbenprächtigen Bildes, das sich deinem entzückten Auge enthüllt.  
{{idt2|25}}Und wenn du dann heraustrittst aus dem Banne des Waldesfriedens, dann hörst und siehst du nicht der Welt verworren Treiben zu deinen Füßen; still freust du dich des farbenprächtigen Bildes, das sich deinem entzückten Auge enthüllt.  


{{idt2|25}}Auch ohne das starre Kreuz mit der Mahnung „O Land, Land höre des Herrn Wort“, das zu Ehren des verdienten Bleicheröder Superintendenten Hahn die Höhe der Löwenburg schmückt, fühlst du dich hier oben deinem Schöpfer nahe und wie ein still Gebet durchzittert's deine Seele, wenn des Tages Strahlenkönigin aus ihrem schimmernden Thronsaale der Erde, wo sie auch heute wieder gar prächtig Hof gehalten und alles mit dem leuchtenden Scheine ihrer allbeglückenden Gunst erfreut und erquickt hat, majestätisch schreitet. — Jetzt ist sie verschwunden; prächtige, vollblühende Purpurrosen,schmücken noch des Weges Saum, den sie gegangen.
{{idt2|25}}Auch ohne das starre Kreuz mit der Mahnung „O Land, Land höre des Herrn Wort“, das zu Ehren des verdienten Bleicheröder Superintendenten Hahn die Höhe der Löwenburg schmückt, fühlst du dich hier oben deinem Schöpfer nahe, und wie ein still Gebet durchzitterts deine Seele, wenn des Tages Strahlenkönigin aus ihrem schimmernden Thronsaale der Erde, wo sie auch heute wieder gar prächtig Hof gehalten und alles mit dem leuchtenden Scheine ihrer allbeglückenden Gunst erfreut und erquickt hat, majestätisch schreitet. — Jetzt ist sie verschwunden; prächtige, vollblühende Purpurrosen, schmücken noch des Weges Saum, den sie gegangen.


{{idt2|25}}Langsam naht die Nacht. Immer stiller wird's zu deinen Füßen. Aus dem dunkeln Grün der Gärten, von denen Bleicherode in weitem Halbbogen
{{idt2|25}}Langsam naht die Nacht. Immer stiller wird's zu deinen Füßen. Aus dem dunkeln Grün der Gärten, von denen Bleicherode in weitem Halbbogen
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da sie in unserer Heimat selten geworden
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{{idt2|25}}Weithin schweift der Blick über die stattlichen,
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sich immer dichter auf das ruhende Gelände
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senken. Weich und zart, grau und blau malt
senken. Weich und zart, grau und blau malt
die nahende Nackt das Bild zu deinen Füßen.
die nahende Nacht das Bild zu deinen Füßen.


{{idt2|25}}Und nun singen die Glocken unten den
{{idt2|25}}Und nun singen die Glocken unten den

Aktuelle Version vom 1. November 2019, 21:50 Uhr

Textdaten
Autor: Wilhelm Kolbe
Titel: Ein Abend auf der Löwenburg
Untertitel:
aus: Heimatland. Illustrierte Blätter für die Heimatkunde des Kreises Grafschaft Hohenstein, des Eichsfeldes und der angrenzenden Gebiete
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1904 (Nr. 1)
Verlag:
Drucker:
Erscheinungsort:
Quelle: Scan
Kurzbeschreibung:
Digitalisat:
Eintrag in der GND: [1]
Bild
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Bild
Ein Abend auf der Löwenburg.


Mit Abbildungen nach Photographien von C. C. Becke, Bleicherode.
Von W. Kolbe, Bleicherode.


 Schön ist die Welt überall, nicht nur dort, wo geschäftige Reklame die Vorzüge der Heimat in alten Tonarten preist, nicht nur dort, wohin dich mit überschwänglichen Lobeserhebungen die Reisehandbücher locken. Schön ist's auch, wo noch nicht marktschreierischer Geschäftssinn oder ein heimatfeindlicher Lokalpatriotismus die heimatlichen Städte und Dörfer der Überschwemmung durch anspruchsvolle Sommerfrischler preisgegehen hat, wo noch nicht modernes Piratentum dir schamlos die mühsam zur Erholung gesparten Kronen und Silberstücke aus der Tasche holt.

Löwenburg.

 Wenn du gleich mir bei der Wahl deines Reiseziels mit deinem Geldbeutel zu Rate gehen mußt, wenn du dich nicht von der augenblicklich herrschenden Reisemode beeinflussen läßt und mit dem großen Strome der Vergnügungsreisendenden „fashionablen“ Landschaften und Orten den Vorzug giebst, um dann daheim mit dem Geschauten und Erlebten protzen zu können, sondern wenn du wirklich Erholung und wahre, noch nicht von spekulativer Kultur retouchierte Schönheit suchst, wenn du, kein Bequemling und Grillenfänger, ein wanderfroher Geselle mit rüstigem Fuß Klippen und Berge erklimmst, mit dem schäumenden Bergbache um die Wette zu Tale stürmen kannst, unbekümmert um des Amtes hohe Würde und der Gesellschaft steife Etikette, wenn Vogelfang und Waldesrauschen dich hell aufjauchzen lassen, dann verlasse getrost die von der Reisemode vorgeschriebenen Straßen und komm zu uns, auf unsere waldgeschmückten Höhen, in unseren traulichstillen Dörfern und Städten wirst du dich heimisch fühlen!

 Und du, der du im Banne unsere Berge daheim bist, suchst du Frieden nach heißen Kämpfen, suchst du Erholung nach angreifender Tätigkeit, so schürfe die Schätze, welche dein heimatlicher Wald bietet. Suche nach des Tages Unruhe und Last des Waldes Einsamkeit; erst in der Stille, weitab vom Wege, zeigt er dir seine Wunder und vertraut dir seine Heimlichkeiten. Wie einst in der Kindheit glücklichen Tagen dich das Märchen aus Muttermund bannte, so hält dich der Waldeinsamkeitszauber gefangen in stillem, selbstvergessenem Träumen.

 Und wenn du dann heraustrittst aus dem Banne des Waldesfriedens, dann hörst und siehst du nicht der Welt verworren Treiben zu deinen Füßen; still freust du dich des farbenprächtigen Bildes, das sich deinem entzückten Auge enthüllt.

 Auch ohne das starre Kreuz mit der Mahnung „O Land, Land höre des Herrn Wort“, das zu Ehren des verdienten Bleicheröder Superintendenten Hahn die Höhe der Löwenburg schmückt, fühlst du dich hier oben deinem Schöpfer nahe, und wie ein still Gebet durchzitterts deine Seele, wenn des Tages Strahlenkönigin aus ihrem schimmernden Thronsaale der Erde, wo sie auch heute wieder gar prächtig Hof gehalten und alles mit dem leuchtenden Scheine ihrer allbeglückenden Gunst erfreut und erquickt hat, majestätisch schreitet. — Jetzt ist sie verschwunden; prächtige, vollblühende Purpurrosen, schmücken noch des Weges Saum, den sie gegangen.

 Langsam naht die Nacht. Immer stiller wird's zu deinen Füßen. Aus dem dunkeln Grün der Gärten, von denen Bleicherode in weitem Halbbogen umkränzt wird, leuchten einladend die roten Ziegeldächer, überragt von zwei Türmen, von denen der größere der evangelischen, der kleinere der katholischen Kirche angehört, ein Gruß deines Gottes für dich, der du fern herkamst. Mit Behagen ruht der Blick auf den Hecken, die gleich mächtigen Guirlanden die einzelnen Gärten, den Stolz der Bleicheröder, umgrenzen. Als Zeugen einer guten, alten Zeit verdienen sie es wohl, erhalten zu werden, umsomehr, da sie in unserer Heimat selten geworden sind.

Bleicherode.

 Weithin schweift der Blick über die stattlichen, weißleuchtenden Häuser der Königlichen Berginspektion; unwillkürlich rastet er auf dem stattlichen Gebäudekomplex des Königlichen Kaliwerkes, mit seinen Mauern und Türmen. Unmittelbar hinter dem Kaliwerke, ebenfalls an der nach Nordhausen führenden Landstraße versteckt sich in lauschigem Grün der Bahnhof, weiter rechts liegt in beschaulicher Ruhe die Walkmühle, im Hintergrund, den Horizont schließend, die Hainleite mit Schloß Lohra und all den traulichen Dörfern.

 So weit der Blick reicht, überall fruchtbares Gefilde, durch das sich wie ein silberner Faden die Bode schlängelt. An ihren Ufern die Herren- und Gemeindemühle, weiter oberhalb das ansehnliche Dorfe Lipprechterode.

 Den Hintergrund bilden die scharfgeschwungenen Silhouetten des Harzes. Deutlich ist jeder einzelne Berg zu erkennen, und bei klarer Luft sollen sogar die Fenster des Brockenhauses sichtbar sein. Noch sind die Gebäude des Sanatoriums von Sülzhain zu erkennen, wie zwei weiße Punkte schimmern sie herüber. In weiter Ferne steigt aus den Ellricher Gypswerken der Rauch wie eine dünne, blaue Säule und gesellt sich leise zu den Nebelschleiern, die, alle harten Umrisse sorgsam verhüllend, sich immer dichter auf das ruhende Gelände senken. Weich und zart, grau und blau malt die nahende Nacht das Bild zu deinen Füßen.

 Und nun singen die Glocken unten den Abendsegen und läuten auch dir Frieden, Frieden nach des Tages wechselvollem Kampfe.