Bearbeiten von „Nordhausens erste Blütezeit unter der Herrschaft der Geschlechter

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Das dritte der angeführten Privilegien aber bedeutete nichts anderes, als daß Nordhausen ein Staat wie jeder andere war unter eigenem Regiment, der auf gleichem Fuße mit anderen Mächten des deutschen Reiches verkehren und seine Händel selber austragen durfte. Der Rat hatte damit die Vertretung der Stadt nach außen hin allein in seine Hand bekommen und übernahm auch das Kriegs- und Befestigungswesen der Stadt.
Das dritte der angeführten Privilegien aber bedeutete nichts anderes, als daß Nordhausen ein Staat wie jeder andere war unter eigenem Regiment, der auf gleichem Fuße mit anderen Mächten des deutschen Reiches verkehren und seine Händel selber austragen durfte. Der Rat hatte damit die Vertretung der Stadt nach außen hin allein in seine Hand bekommen und übernahm auch das Kriegs- und Befestigungswesen der Stadt.


Man kann nicht ohne weiteres urteilen, daß die Autonomie der einzelnen Teilgewalten im deutschen Vaterland zu dessen Unsegen gewesen sei. Sie hätte zum Segen werden können. Denn genau so wie heute die kommunale Selbstverwaltung für das ganze deutsche Volk im höchsten Maße ersprießlich ist, da sie jeden einzelnen zur Mitarbeit und Mitverantwortung erzieht und reichstes Regen und Streben erweckt, genau so hätte auch damals im Mittelalter diese Auflokkerung wirken können. Daß sie zur Zersplitterung führte und dadurch Deutschland zum Verderben wurde, lag nicht daran, daß den einzelnen Teilen zuviel Macht und zuviel Freiheit gewährt wurde, sondern daran, daß die Spitze zu wenig Macht und zu wenig Freiheit behielt. Starke Zentralgewalt und starke Teilgewalt schließen einander durchaus nicht aus. So hätte z. B. 1290 Nordhausen ohne Schaden des Reiches alle oben angeführten Rechte bekommen können, wenn nur den Reichsbeamten die nötige Aufsichtsgewalt und die nötige Macht, dem Spruche des Reiches Geltung zu verschaffen, gesichert geblieben wäre. Doch scheint dem Deutschen, nicht nur jener Zeit, sondern auch heute, die Fähigkeit zu fehlen, gerecht abzumessen, was dem einzelnen zusteht und was dem Ganzen gebührt. Haben die einzelnen Teile gewisse Rechte erhalten, so suchen sie dieselben auf Kosten des Ganzen ohne Maß zu erweitern, und hat sich das Reich seine Rechte gesichert, so sucht es dieselben auszubauen auf Kosten der Sonderart des einzelnen Gebildes. Am Ausgang des 13. Jahrhunderts war jedenfalls die Zuständigkeit der Teilgewalten schon derart, daß es früher oder später zum gänzlichen Verfall der Zentralgewalt kommen mußte. Auch das Prinzip des Wahlkönigtums hatte sich gänzlich durchgesetzt. Neid und Gewinnsucht der Fürsten verhinderten die Wahl eines machtvollen Herrschers, und die auf ihre Rechte so sehr pochenden Teile des Reiches kamen gerade durch ihre zu große Selbständigkeit selbst in Gefahr, da kein König da war, der „nie stirbt..., der dem Schwachen beisteht und den Bösen schreckt, der den Neid nicht kennet, denn er ist der Größte“.
Man kann nicht ohne weiteres urteilen, daß die Autonomie der einzelnen Teilgewalten im deutschen Vaterland zu dessen Unsegen gewesen sei. Sie hätte zum Segen werden können. Denn genau so wie heute die kommunale Selbstverwaltung für das ganze deutsche Volk im höchsten Maße ersprießlich ist, da sie jeden einzelnen zur Mitarbeit und Mitverantwortung erzieht und reichstes Regen und Streben erweckt, genau so hätte auch damals im Mittelalter diese Auflokkerung wirken können. Daß sie zur Zersplitterung führte und dadurch Deutschland zum Verderben wurde, lag nicht daran, daß den einzelnen Teilen zuviel Macht und zuviel Freiheit gewährt wurde, sondern daran, daß die Spitze zu wenig Macht und zu wenig Freiheit behielt. Starke Zentralgewalt und starke Teilgewalt schließen einander durchaus nicht aus. So hätte z.B. 1290 Nordhausen ohne Schaden des Reiches alle oben angeführten Rechte bekommen können, wenn nur den Reichsbeamten die nötige Aufsichtsgewalt und die nötige Macht, dem Spruche des Reiches Geltung zu verschaffen, gesichert geblieben wäre. Doch scheint dem Deutschen, nicht nur jener Zeit, sondern auch heute, die Fähigkeit zu fehlen, gerecht abzumessen, was dem einzelnen zusteht und was dem Ganzen gebührt. Haben die einzelnen Teile gewisse Rechte erhalten, so suchen sie dieselben auf Kosten des Ganzen ohne Maß zu erweitern, und hat sich das Reich seine Rechte gesichert, so sucht es dieselben auszubauen auf Kosten der Sonderart des einzelnen Gebildes. Am Ausgang des 13. Jahrhunderts war jedenfalls die Zuständigkeit der Teilgewalten schon derart, daß es früher oder später zum gänzlichen Verfall der Zentralgewalt kommen mußte. Auch das Prinzip des Wahlkönigtums hatte sich gänzlich durchgesetzt. Neid und Gewinnsucht der Fürsten verhinderten die Wahl eines machtvollen Herrschers, und die auf ihre Rechte so sehr pochenden Teile des Reiches kamen gerade durch ihre zu große Selbständigkeit selbst in Gefahr, da kein König da war, der „nie stirbt..., der dem Schwachen beisteht und den Bösen schreckt, der den Neid nicht kennet, denn er ist der Größte“.


Auch Nordhausen kam bald nach dem Tode Rudolfs in die Lage zu spüren, was es heißt, wenn der König nicht „der größte“ ist, sondern nur um seiner selbst willen danach strebt, „der größte“ zu werden. Die Kurfürsten hatten aus Eigennutz nicht Rudolfs mächtigen Sohn Albrecht zum König gewählt, sondern Adolf, Grafen von Nassau. Ohne rechtes Ansehen und ohne eigene Macht, suchte dieser alsbald sein königliches Amt dazu auszunutzen, sich eine Hausmacht zu schaffen.
Auch Nordhausen kam bald nach dem Tode Rudolfs in die Lage zu spüren, was es heißt, wenn der König nicht „der größte“ ist, sondern nur um seiner selbst willen danach strebt, „der größte“ zu werden. Die Kurfürsten hatten aus Eigennutz nicht Rudolfs mächtigen Sohn Albrecht zum König gewählt, sondern Adolf, Grafen von Nassau. Ohne rechtes Ansehen und ohne eigene Macht, suchte dieser alsbald sein königliches Amt dazu auszunutzen, sich eine Hausmacht zu schaffen.
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Wir hatten gesehen, wie schon nach 1220 die Anforderungen an den königlichen Aufsichtsbeamten über Handel, Gewerbe und Marktgericht so gewachsen waren, daß er, ein Adliger und zunächst diesem Pflichtenkreise fernstehend, gar nicht mehr das ganze Feld seiner Betätigung überschauen konnte und daß er deshalb in weitgehendem Maße Bürger heranziehen mußte. Immerhin war sein Amt selbst nach den kaiserlichen Privilegien vom Jahre 1290 nicht ganz bedeutungslos.
Wir hatten gesehen, wie schon nach 1220 die Anforderungen an den königlichen Aufsichtsbeamten über Handel, Gewerbe und Marktgericht so gewachsen waren, daß er, ein Adliger und zunächst diesem Pflichtenkreise fernstehend, gar nicht mehr das ganze Feld seiner Betätigung überschauen konnte und daß er deshalb in weitgehendem Maße Bürger heranziehen mußte. Immerhin war sein Amt selbst nach den kaiserlichen Privilegien vom Jahre 1290 nicht ganz bedeutungslos.


Als königlicher Beamter genoß der Schultheiß innerhalb seines Amtsbereiches eine Reihe von Vorrechten. Überall, wo er als Bevollmächtigter des Königs auftrat, war er von Verpflichtungen, die andere Bürger zu leisten hatten, befreit, wo er dagegen als Privatmann handelte oder als solcher innerhalb einer Genossenschaft stand, hatte er dieselben Leistungen aufzubringen wie jeder andere. So war er befreit von der Grundsteuer, denn Nordhausen stand auf dem Boden des Reichs, und der Reichsbeamte brauchte deshalb die auf diesem Boden ruhende Abgabe nicht zu zahlen. Dagegen mußte er natürlich von Gütern, die er während seiner Amtstätigkeit nicht als Schultheiß, sondern als Privatmann erwarb, Zins zahlen wie jeder andere. Ebenso war es die Stadt ihm schuldig, ihn von den gewöhnlichen Aufgaben und Pflichten eines Bürgers zu befreien. Er tat keinen Wachtdienst, er brauchte sich nicht zum Feuerlöschen zur Verfügung zu stellen. Das Umgeld, das auf das Bierbrauen gelegt war, brauchte er für zwei Bier, d. h. für die Menge, die er und seine Familie für ihren Lebensunterhalt benötigten, nicht zu bezahlen; wollte er mehr brauen, so hatte er dafür Umgeld wie jeder andere zu entrichten.
Als königlicher Beamter genoß der Schultheiß innerhalb seines Amtsbereiches eine Reihe von Vorrechten. Überall, wo er als Bevollmächtigter des Königs auftrat, war er von Verpflichtungen, die andere Bürger zu leisten hatten, befreit, wo er dagegen als Privatmann handelte oder als solcher innerhalb einer Genossenschaft stand, hatte er dieselben Leistungen aufzubringen wie jeder andere. So war er befreit von der Grundsteuer, denn Nordhausen stand auf dem Boden des Reichs, und der Reichsbeamte brauchte deshalb die auf diesem Boden ruhende Abgabe nicht zu zahlen. Dagegen mußte er natürlich von Gütern, die er während seiner Amtstätigkeit nicht als Schultheiß, sondern als Privatmann erwarb, Zins zahlen wie jeder andere. Ebenso war es die Stadt ihm schuldig, ihn von den gewöhnlichen Aufgaben und Pflichten eines Bürgers zu befreien. Er tat keinen Wachtdienst, er brauchte sich nicht zum Feuerlöschen zur Verfügung zu stellen. Das Umgeld, das auf das Bierbrauen gelegt war, brauchte er für zwei Bier, d.h. für die Menge, die er und seine Familie für ihren Lebensunterhalt benötigten, nicht zu bezahlen; wollte er mehr brauen, so hatte er dafür Umgeld wie jeder andere zu entrichten.


War er einerseits als Beamter von allen Lasten befreit, so hatte er andererseits als Angehöriger eines bestimmten Standes dieselben Lasten wie jeder andere zu tragen. Daher bestand die Anordnung, daß er, wenn er ein Handwerker war, allen seinen Verpflichtungen gegen die Zunft, der er angehörte, nachkommen mußte.
War er einerseits als Beamter von allen Lasten befreit, so hatte er andererseits als Angehöriger eines bestimmten Standes dieselben Lasten wie jeder andere zu tragen. Daher bestand die Anordnung, daß er, wenn er ein Handwerker war, allen seinen Verpflichtungen gegen die Zunft, der er angehörte, nachkommen mußte.
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Wenn wichtigere oder schwer zu beurteilende Angelegenheiten zur Verhandlung standen, so daß das Schöffengericht nicht allein den Spruch abzugeben wagte, so „borgte“ man sich das Urteil, holte ein „Weistum“ ein. Im allgemeinen wandte man sich dabei an Goslar, dann, wenn das Goslarer Urteil nicht befriedigte, an Mühlhausen. Bei außergewöhnlich wichtigen Prozessen holte man sich das Urteil auch von ganz berühmten Schöffenstühlen, vor allem von Magdeburg, und ließ es sich dann auch gehörig Geld kosten, wie denn hinter einem Magdeburger Weistum anzumerken nicht vergessen wird: „unde hat gekost 23 Rinsche gülden“. Schon zu Beginn des 14. Jahrhunderts wurde es übrigens üblich, die Prozeßakten an den Rat der Stadt einzuschicken und diesen nach seiner Meinung zu fragen, so daß allmählich der Syndikus der Stadt Nordhausen den Ausschlag bei der Urteilsfällung gab. Dieser Brauch, der gewohnheitsmäßig schon früh geübt wurde, erhielt Rechtskraft durch ein königliches Privileg vom 10. August 1349, wo Karl IV. zu Köln der Stadt Nordhausen gewährte, daß die Urteile des Rates „Kraft und Macht“ haben sollten. Und in einer zweiten Urkunde, die am 10. September 1354 in Zürich gegeben worden war, erweiterte der städtefreundliche Kaiser noch die Aufsichtsbefugnis der Stadt über das Schulzengericht. Diese beiden Urkunden neben der Rudolfs vom Jahre 1290 waren die Grundlagen, von denen aus die Hoheit der Stadt weiter ausgebaut werden konnte.
Wenn wichtigere oder schwer zu beurteilende Angelegenheiten zur Verhandlung standen, so daß das Schöffengericht nicht allein den Spruch abzugeben wagte, so „borgte“ man sich das Urteil, holte ein „Weistum“ ein. Im allgemeinen wandte man sich dabei an Goslar, dann, wenn das Goslarer Urteil nicht befriedigte, an Mühlhausen. Bei außergewöhnlich wichtigen Prozessen holte man sich das Urteil auch von ganz berühmten Schöffenstühlen, vor allem von Magdeburg, und ließ es sich dann auch gehörig Geld kosten, wie denn hinter einem Magdeburger Weistum anzumerken nicht vergessen wird: „unde hat gekost 23 Rinsche gülden“. Schon zu Beginn des 14. Jahrhunderts wurde es übrigens üblich, die Prozeßakten an den Rat der Stadt einzuschicken und diesen nach seiner Meinung zu fragen, so daß allmählich der Syndikus der Stadt Nordhausen den Ausschlag bei der Urteilsfällung gab. Dieser Brauch, der gewohnheitsmäßig schon früh geübt wurde, erhielt Rechtskraft durch ein königliches Privileg vom 10. August 1349, wo Karl IV. zu Köln der Stadt Nordhausen gewährte, daß die Urteile des Rates „Kraft und Macht“ haben sollten. Und in einer zweiten Urkunde, die am 10. September 1354 in Zürich gegeben worden war, erweiterte der städtefreundliche Kaiser noch die Aufsichtsbefugnis der Stadt über das Schulzengericht. Diese beiden Urkunden neben der Rudolfs vom Jahre 1290 waren die Grundlagen, von denen aus die Hoheit der Stadt weiter ausgebaut werden konnte.


Im übrigen waren die Befugnisse und Einkünfte des Schultheißen durch sein Aufsichtsamt über den Verkehr und den Handel der Stadt bestimmt. Eine seiner wichtigsten Obliegenheiten in dieser Beziehung war die Überwachung der Münze zu Nordhausen. Im 12. und im Anfang des 13. Jahrhunderts standen die Münzmeister, monetarii oder magistri monetae, die ebenso wie Vogt und Schultheiß Ministeriale der Burg waren, noch fast selbständig neben diesen Beamten und traten auch selbständig in Urkunden auf.<ref>1232. Godescalcus monetarius. Walk. Urk. p. 131. Nr. 174. 1242. Walk. Urk. p. 171.237. Gottschalk kommt auch in einer Frauenberger Urk. vor. - 2. VII. 1298 Bruno monetarius in einer Altendorfer Urkunde. 1.7.1299 Hildebrand monetarius, Frauenbergs-Urkunde.</ref> Seitdem aber die Tätigkeit des Schulzen auf die Stadt beschränkt war, wurde ihm die Münze mitunterstellt, und der monetarius erschien nunmehr nur noch als Unterbeamter des Schultheißen. Dieser verpachtete meistens die Münzen an Unternehmer, behielt aber jederzeit die Oberaufsicht. Er bestimmte nach höheren Anweisungen Gewicht und Feingehalt der Geldstücke, er schloß auch mit anderen Städten über die Anerkennung der Nordhäuser Münze und ihren Wert Verträge ab. So sind z. B. aus älterer Zeit vom 30. März 1322 und 14. Juli 1360 Verträge über die Münze mit Ellrich auf uns gekommen. In den dreißiger Jahren des 14. Jahrhunderts galten 30 Schilling gleich einer Mark Silber, in den sechziger Jahren 50 Schilling, 1382 gar 52 Schilling gleich einer Mark.<ref>1322 heißt es: ouch glichen slegeschatz seil man neme beyder sit und uz der montze gebe 30 Schilling vor die mark.</ref> Diese Verträge wurden nötig nach der Zeit, wo die Honsteiner um 1340 und 1350 das Schulzenamt besessen und damit einen wahren Raubbau betrieben hatten. Sie zeigen, wie wichtig selbst in jenen Zeiten, deren Handel doch noch großenteils auf der Naturalwirtschaft fußte, eine vollwertige Münze war, und daß die Verschlechterung der Münze zu der Zeit, wo die Honsteiner Besitzer des Schulzenamts waren, dem Handel und Verkehr sofort größten Schaden zufügte.
Im übrigen waren die Befugnisse und Einkünfte des Schultheißen durch sein Aufsichtsamt über den Verkehr und den Handel der Stadt bestimmt. Eine seiner wichtigsten Obliegenheiten in dieser Beziehung war die Überwachung der Münze zu Nordhausen. Im 12. und im Anfang des 13. Jahrhunderts standen die Münzmeister, monetarii oder magistri monetae, die ebenso wie Vogt und Schultheiß Ministeriale der Burg waren, noch fast selbständig neben diesen Beamten und traten auch selbständig in Urkunden auf.<ref>1232. Godescalcus monetarius. Walk. Urk. p. 131. Nr. 174. 1242. Walk. Urk. p. 171.237. Gottschalk kommt auch in einer Frauenberger Urk. vor. - 2. VII. 1298 Bruno monetarius in einer Altendorfer Urkunde. 1.7.1299 Hildebrand monetarius, Frauenbergs-Urkunde.</ref> Seitdem aber die Tätigkeit des Schulzen auf die Stadt beschränkt war, wurde ihm die Münze mitunterstellt, und der monetarius erschien nunmehr nur noch als Unterbeamter des Schultheißen. Dieser verpachtete meistens die Münzen an Unternehmer, behielt aber jederzeit die Oberaufsicht. Er bestimmte nach höheren Anweisungen Gewicht und Feingehalt der Geldstücke, er schloß auch mit anderen Städten über die Anerkennung der Nordhäuser Münze und ihren Wert Verträge ab. So sind z.B. aus älterer Zeit vom 30. März 1322 und 14. Juli 1360 Verträge über die Münze mit Ellrich auf uns gekommen. In den dreißiger Jahren des 14. Jahrhunderts galten 30 Schilling gleich einer Mark Silber, in den sechziger Jahren 50 Schilling, 1382 gar 52 Schilling gleich einer Mark.<ref>1322 heißt es: ouch glichen slegeschatz seil man neme beyder sit und uz der montze gebe 30 Schilling vor die mark.</ref> Diese Verträge wurden nötig nach der Zeit, wo die Honsteiner um 1340 und 1350 das Schulzenamt besessen und damit einen wahren Raubbau betrieben hatten. Sie zeigen, wie wichtig selbst in jenen Zeiten, deren Handel doch noch großenteils auf der Naturalwirtschaft fußte, eine vollwertige Münze war, und daß die Verschlechterung der Münze zu der Zeit, wo die Honsteiner Besitzer des Schulzenamts waren, dem Handel und Verkehr sofort größten Schaden zufügte.


Aus der Münze flössen dem Schultheißen auch die stattlichsten Einnahmen zu, die sich schon im 14. Jahrhundert auf 30 bis 70 Mark jährlich beliefen. Stets war in Nordhausen die Ausprägung von Münzen üblich wie die in Sachsen und Thüringen. Der Nordhäuser Verkehr und Warenaustausch zeigte im Mittelalter nach Süden. So gab z. B. am 9. Oktober 1448 Wilhelm von Sachsen als Inhaber des Schulzenamtes in Nordhausen der Stadt das Recht, für 400 Gulden Münzen auszuprägen, wie die zu Eisenach, Weißensee und Saalfeld, und 1538 lautet eine Bestimmung: „Item man zu Northausen münzet, so hat unser gnediger Herr von Doringen die schlegeschatze daran.“ Dieser wünschte auch nach der neuen vom Kaiser Maximilian geschaffenen Kreiseinteilung das Ausmünzen gemäß der Obersächsischen Kreisordnung, obgleich Nordhausen dem Niedersächsischen Kreise zugeteilt war und in der Tat schon seit dem 15.Jahrhundert wirtschaftlich mit Quedlinburg, Halberstadt, Braunschweig und Lüneburg ebenso im Verkehr stand wie mit den thüringischen Städten.
Aus der Münze flössen dem Schultheißen auch die stattlichsten Einnahmen zu, die sich schon im 14. Jahrhundert auf 30 bis 70 Mark jährlich beliefen. Stets war in Nordhausen die Ausprägung von Münzen üblich wie die in Sachsen und Thüringen. Der Nordhäuser Verkehr und Warenaustausch zeigte im Mittelalter nach Süden. So gab z.B. am 9. Oktober 1448 Wilhelm von Sachsen als Inhaber des Schulzenamtes in Nordhausen der Stadt das Recht, für 400 Gulden Münzen auszuprägen, wie die zu Eisenach, Weißensee und Saalfeld, und 1538 lautet eine Bestimmung: „Item man zu Northausen münzet, so hat unser gnediger Herr von Doringen die schlegeschatze daran.“ Dieser wünschte auch nach der neuen vom Kaiser Maximilian geschaffenen Kreiseinteilung das Ausmünzen gemäß der Obersächsischen Kreisordnung, obgleich Nordhausen dem Niedersächsischen Kreise zugeteilt war und in der Tat schon seit dem 15.Jahrhundert wirtschaftlich mit Quedlinburg, Halberstadt, Braunschweig und Lüneburg ebenso im Verkehr stand wie mit den thüringischen Städten.


Zur Aufrechterhaltung der Münzstätte und für ihre Überwachung flössen dem Schultheißen die Einkünfte von dem sogenannten „großen“ Zolle und die Abgaben einer Reihe von nach Nordhausen hin steuerpflichtigen Dörfern zu. Unter dem „großen“ Zoll verstand man die Steuer, welche auf dem nach Nordhausen eingeführten Wein ruhte und die zwischen 4 Pfennig für einen Wagen mit Wein und 1 Pfennig für eine Weinkarre schwankte. Wein, der nicht zum Selbstverbrauch oder sofortigen Ausschank verwertet wurde, sondern den man zu späterem Verkauf erst lagern ließ, wurde doppelt so hoch besteuert. Von den Dörfern zahlten im 14. Jahrhundert Bielen, Windehausen, Urbach, Görsbach, Grumbach bei Bielen, Vorrieth bei Kleinfurra, Eire, Horn und Wiechstädt besonders Hafer zur Nordhäuser Münze,<ref>Neue Mitteil. III. 1. 36. N. M. V. 3. 45. f. Eire und Hom sind Wüstungen bei Heringen; Wiechstädt eine bei Kehmstedt.</ref> im 16. Jahrhundert leistete auch noch Steinbrücken eine Abgabe, von Crimderode kamen 4 Schock Reisholz, das Kloster von Ilfeld steuerte jährlich ein Fuder Holz, das Walkenrieder 10 Ellen graues Tuch bei. Ilfeld und Walkenried waren zu der Abgabe wegen ihrer in Nordhausen befindlichen Klosterhöfe verpflichtet, aus denen sie ja mancherlei merkatorischen Vorteil zogen.
Zur Aufrechterhaltung der Münzstätte und für ihre Überwachung flössen dem Schultheißen die Einkünfte von dem sogenannten „großen“ Zolle und die Abgaben einer Reihe von nach Nordhausen hin steuerpflichtigen Dörfern zu. Unter dem „großen“ Zoll verstand man die Steuer, welche auf dem nach Nordhausen eingeführten Wein ruhte und die zwischen 4 Pfennig für einen Wagen mit Wein und 1 Pfennig für eine Weinkarre schwankte. Wein, der nicht zum Selbstverbrauch oder sofortigen Ausschank verwertet wurde, sondern den man zu späterem Verkauf erst lagern ließ, wurde doppelt so hoch besteuert. Von den Dörfern zahlten im 14. Jahrhundert Bielen, Windehausen, Urbach, Görsbach, Grumbach bei Bielen, Vorrieth bei Kleinfurra, Eire, Horn und Wiechstädt besonders Hafer zur Nordhäuser Münze,<ref>Neue Mitteil. III. 1. 36. N. M. V. 3. 45. f. Eire und Hom sind Wüstungen bei Heringen; Wiechstädt eine bei Kehmstedt.</ref> im 16. Jahrhundert leistete auch noch Steinbrücken eine Abgabe, von Crimderode kamen 4 Schock Reisholz, das Kloster von Ilfeld steuerte jährlich ein Fuder Holz, das Walkenrieder 10 Ellen graues Tuch bei. Ilfeld und Walkenried waren zu der Abgabe wegen ihrer in Nordhausen befindlichen Klosterhöfe verpflichtet, aus denen sie ja mancherlei merkatorischen Vorteil zogen.


Neben der Münze gehörte zu den Aufgaben des Schultheißen die Erhebung und Überwachung des Zolls. Von allen Waren, die in die Stadt eingeführt und dort verkauft wurden, wurde ein Zoll erhoben; nur die Waren, besonders Getreide ünd Lebensmittel, welche ein Bürger draußen aufgekauft hatte, um seinen eigenen Bedarf zu decken, waren zollfrei. Der Zoll ward erst entrichtet, wenn die Ware in der Stadt abgesetzt war.<ref>Neue Mitteil. 1. 35. 59. Nullus eciam cogi debet ad theloneum, nisi prius vendiderit. Vergl. N. M. V. 3. 44. 35. u. V. 3. 52.</ref> Als Strafe für unverzollte, ohne Steuermarke ans Stadttor gelangende Waren sieht das Schulzenbuch von 1538 eine Geldbuße an den Schultheißen von 1 Pfund Geld 20 Schneebergern vor. Wenn die Ware zu geringfügig war, mußte der Versuch der Hinterziehung wenigstens mit 1 Gulden gebüßt werden. Eingeführt in die Stadt aber wurden besonders die Produkte der ländlichen Umgebung: Getreide, Mohn, Hanf, Hopfen, Holz, Weidenruten. Von weiterher kamen Fische, insbesondere Heringe, ferner Wein, Met, Bier, aber auch Farbstoffe wie z. B. Waid. Doch auch Fertigfabrikate der Umgebung sowohl, wie der weitesten Feme gelangten nach Nordhausen, insbesondere Webwaren aus Wolle und Leinwand. Waren unter dem Werte von 1 Schilling ließ man zollfrei durch. Ebenso waren für die beiden Jahrmärkte im Frühjahr und Herbst Erleichterungen gewährt. Dann wurde für alles, was in einer Bude verkauft wurde, nur 2 Pfennige Zoll entrichtet; wenn der Verkäufer auf dem Jahrmarkt aber keine Bude besaß, zahlte er den gewöhnlichen Zoll, da ja jede Übersicht über das zum Verkauf Gebrachte fehlte und ein solcher Handel dem Jahrmarkt nicht zugerechnet wurde. Im späteren Mittelalter besuchten die Jahrmärkte auch gern einheimische und fremde Fleischer und Bäcker, die dann ähnlich wie alle übrigen Budenbesitzer besteuert wurden.
Neben der Münze gehörte zu den Aufgaben des Schultheißen die Erhebung und Überwachung des Zolls. Von allen Waren, die in die Stadt eingeführt und dort verkauft wurden, wurde ein Zoll erhoben; nur die Waren, besonders Getreide ünd Lebensmittel, welche ein Bürger draußen aufgekauft hatte, um seinen eigenen Bedarf zu decken, waren zollfrei. Der Zoll ward erst entrichtet, wenn die Ware in der Stadt abgesetzt war.<ref>Neue Mitteil. 1. 35. 59. Nullus eciam cogi debet ad theloneum, nisi prius vendiderit. Vergl. N. M. V. 3. 44. 35. u. V. 3. 52.</ref> Als Strafe für unverzollte, ohne Steuermarke ans Stadttor gelangende Waren sieht das Schulzenbuch von 1538 eine Geldbuße an den Schultheißen von 1 Pfund Geld 20 Schneebergern vor. Wenn die Ware zu geringfügig war, mußte der Versuch der Hinterziehung wenigstens mit 1 Gulden gebüßt werden. Eingeführt in die Stadt aber wurden besonders die Produkte der ländlichen Umgebung: Getreide, Mohn, Hanf, Hopfen, Holz, Weidenruten. Von weiterher kamen Fische, insbesondere Heringe, ferner Wein, Met, Bier, aber auch Farbstoffe wie z.B. Waid. Doch auch Fertigfabrikate der Umgebung sowohl, wie der weitesten Feme gelangten nach Nordhausen, insbesondere Webwaren aus Wolle und Leinwand. Waren unter dem Werte von 1 Schilling ließ man zollfrei durch. Ebenso waren für die beiden Jahrmärkte im Frühjahr und Herbst Erleichterungen gewährt. Dann wurde für alles, was in einer Bude verkauft wurde, nur 2 Pfennige Zoll entrichtet; wenn der Verkäufer auf dem Jahrmarkt aber keine Bude besaß, zahlte er den gewöhnlichen Zoll, da ja jede Übersicht über das zum Verkauf Gebrachte fehlte und ein solcher Handel dem Jahrmarkt nicht zugerechnet wurde. Im späteren Mittelalter besuchten die Jahrmärkte auch gern einheimische und fremde Fleischer und Bäcker, die dann ähnlich wie alle übrigen Budenbesitzer besteuert wurden.


Ganz besonders tritt aber die Abhängigkeit der Stadt vom Schultheißen als Marktherm und Inhaber des Kaufmanns- und Gewerbegerichts hervor durch die Abgaben, welche die Innungen jährlich dem Schultheißen zu leisten hatten. Abgesehen davon, daß jeder Inhaber für seinen Stand auf den zunächst zwei, später drei Wochenmärkten ein kleines Standgeld zu entrichten hatte, mußten auch die einzelnen Interessengemeinschaften, die Zünfte, zum Zeichen der Anerkennung der schultheißlichen Gewerbehoheit alljährlich eine Abgabe entrichten. Sie unterlag naturgemäß in den vier Jahrhunderten von 1300-1700 Schwankungen, ist aber stets festgehalten worden. So entrichteten 1538 die Kaufleute 10 Schillinge (zu 9 Pfennig), die Schneider 3, die Fleischer 20, die Gerber 10, die Bäcker 6, die Wollweber 4, die Leinweber 6, die Schuhmacher 30, die Schmiede 4, die Krämer 4 Schillinge. Das Schulzenbuch aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts zählt neben diesen noch die Filtores, die Filzer, und die Picariatores, die Becherer, auf, enthält dagegen noch nicht die Schneider.<ref>Neue Mitt. III. 1. 36. und V. 3. 46. Frommann verzeichnet zu 1680 ähnliche Angaben. Archiv Z a 5 b.</ref>
Ganz besonders tritt aber die Abhängigkeit der Stadt vom Schultheißen als Marktherm und Inhaber des Kaufmanns- und Gewerbegerichts hervor durch die Abgaben, welche die Innungen jährlich dem Schultheißen zu leisten hatten. Abgesehen davon, daß jeder Inhaber für seinen Stand auf den zunächst zwei, später drei Wochenmärkten ein kleines Standgeld zu entrichten hatte, mußten auch die einzelnen Interessengemeinschaften, die Zünfte, zum Zeichen der Anerkennung der schultheißlichen Gewerbehoheit alljährlich eine Abgabe entrichten. Sie unterlag naturgemäß in den vier Jahrhunderten von 1300-1700 Schwankungen, ist aber stets festgehalten worden. So entrichteten 1538 die Kaufleute 10 Schillinge (zu 9 Pfennig), die Schneider 3, die Fleischer 20, die Gerber 10, die Bäcker 6, die Wollweber 4, die Leinweber 6, die Schuhmacher 30, die Schmiede 4, die Krämer 4 Schillinge. Das Schulzenbuch aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts zählt neben diesen noch die Filtores, die Filzer, und die Picariatores, die Becherer, auf, enthält dagegen noch nicht die Schneider.<ref>Neue Mitt. III. 1. 36. und V. 3. 46. Frommann verzeichnet zu 1680 ähnliche Angaben. Archiv Z a 5 b.</ref>
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Neben der Regelung und Vereinheitlichung der Zahlungsmittel erstreckte sich weiterhin die Sorge des Rates auf Maß und Gewicht. Diese nahmen insofern eine andere Stellung ein als die Münze, als sie nie in den königlichen Urkunden erscheinen, sondern die Aufsicht über sie von vornherein der Stadt zusteht, unbedingt eine Folge davon, daß der mittelalterliche Staat, wie Below schon ausgeführt hat, selbst den kleinsten Gemeinden die Sorge für rechtes Maß und Gewicht überläßt. Dieses Verhalten des Staates ist auch verständlich, weil die Münze als Tauschmittel für die Gesamtheit dient, Maß und Gewicht aber nur beim Handel und Verkehr von Einzelpersonen von allerdings einschneidendster Bedeutung sind. Hier haben wir es mit rein kaufmännischen Instrumenten zu tun, alles Kaufmännische aber hält sich der mittelalterliche Staat vom Leibe, weil es ihm dabei doch nicht gelingt, beaufsichtigend und regelnd einzugreifen. Maß und Gewicht unterstehen also durchaus der Verwaltung des Rates. Ihre Überwachung ist aber eine umso wichtigere Angelegenheit, als bei der Vielheit der gebräuchlichen Maße und Gewichte und der Ungenauigkeit bei der Herstellung dem Betrüge Tür und Tor geöffnet war. Deshalb wurden auch Vergehen gegen Maß und Gewicht verhältnismäßig nur leicht geahndet; denn häufig war gar nicht nachweisbar, ob bloße Fahrlässigkeit oder wirkliche Fälschung vorlag. Trotzdem war natürlich dem Wirtschaftsleben sehr viel an genauem Maß und Gewicht gelegen, und der Rat suchte mit Verfügungen den Handel vor Ausbeutung zu schützen. „Wer unrechtes Gewicht, Scheffel, Ellenmaß, Molmetze hat, gibt dem Rate 1 Mark.“<ref>Neue Mitt. III. 1. 66. 168. III. 2. 13. 55. Vergl. K. Meyer, Festschrift 1903, 63.</ref>  
Neben der Regelung und Vereinheitlichung der Zahlungsmittel erstreckte sich weiterhin die Sorge des Rates auf Maß und Gewicht. Diese nahmen insofern eine andere Stellung ein als die Münze, als sie nie in den königlichen Urkunden erscheinen, sondern die Aufsicht über sie von vornherein der Stadt zusteht, unbedingt eine Folge davon, daß der mittelalterliche Staat, wie Below schon ausgeführt hat, selbst den kleinsten Gemeinden die Sorge für rechtes Maß und Gewicht überläßt. Dieses Verhalten des Staates ist auch verständlich, weil die Münze als Tauschmittel für die Gesamtheit dient, Maß und Gewicht aber nur beim Handel und Verkehr von Einzelpersonen von allerdings einschneidendster Bedeutung sind. Hier haben wir es mit rein kaufmännischen Instrumenten zu tun, alles Kaufmännische aber hält sich der mittelalterliche Staat vom Leibe, weil es ihm dabei doch nicht gelingt, beaufsichtigend und regelnd einzugreifen. Maß und Gewicht unterstehen also durchaus der Verwaltung des Rates. Ihre Überwachung ist aber eine umso wichtigere Angelegenheit, als bei der Vielheit der gebräuchlichen Maße und Gewichte und der Ungenauigkeit bei der Herstellung dem Betrüge Tür und Tor geöffnet war. Deshalb wurden auch Vergehen gegen Maß und Gewicht verhältnismäßig nur leicht geahndet; denn häufig war gar nicht nachweisbar, ob bloße Fahrlässigkeit oder wirkliche Fälschung vorlag. Trotzdem war natürlich dem Wirtschaftsleben sehr viel an genauem Maß und Gewicht gelegen, und der Rat suchte mit Verfügungen den Handel vor Ausbeutung zu schützen. „Wer unrechtes Gewicht, Scheffel, Ellenmaß, Molmetze hat, gibt dem Rate 1 Mark.“<ref>Neue Mitt. III. 1. 66. 168. III. 2. 13. 55. Vergl. K. Meyer, Festschrift 1903, 63.</ref>  


Das wichtigste Instrument zur Bestimmung genauen Gewichts war die Ratswage, die in ältester Zeit wahrscheinlich im Rathause untergebracht war, im ausgehenden Mittelalter aber mitten auf dem Kornmarkte stand. Auf ihr mußten alle größeren Warenmengen gewogen werden; nur dem Detailhandel waren eigene Wagen gestattet. So konnten die Wollweber bis zu 3 Steinen Gewicht (1 Stein = 20 Pfund), die Krämer bis zu 7 Pfund, die Kupferschmiede bis zu 10 Pfund ohne Nachprüfung verkaufen. Jeder größere Posten mußte aber auf der Ratswage abgewogen werden. Dafür wurde ein geringes Wiegegeld, meistens ein Scherf, die kleinste Münze, von dem Ratswagenmeister erhoben. Für Tuche hatte die Stadt eine eigene Wage, die Schröterwage, auf der neues Gewand von 2 Ellen aufwärts gewogen werden mußte.
Das wichtigste Instrument zur Bestimmung genauen Gewichts war die Ratswage, die in ältester Zeit wahrscheinlich im Rathause untergebracht war, im ausgehenden Mittelalter aber mitten auf dem Kommarkte stand. Auf ihr mußten alle größeren Warenmengen gewogen werden; nur dem Detailhandel waren eigene Wagen gestattet. So konnten die Wollweber bis zu 3 Steinen Gewicht (1 Stein = 20 Pfund), die Krämer bis zu 7 Pfund, die Kupferschmiede bis zu 10 Pfund ohne Nachprüfung verkaufen. Jeder größere Posten mußte aber auf der Ratswage abgewogen werden. Dafür wurde ein geringes Wiegegeld, meistens ein Scherf, die kleinste Münze, von dem Ratswagenmeister erhoben. Für Tuche hatte die Stadt eine eigene Wage, die Schröterwage, auf der neues Gewand von 2 Ellen aufwärts gewogen werden mußte.


Die Hauptsache bei der Bestimmung des genauen Gewichts waren die Gewichtsstücke. Um völlig einwandfreies Gewicht zu haben, besaß die Stadt die Gewichtsstücke in dreifacher Ausfertigung. Die einen der Gewichte hatten die 4 Kämmerer der Stadt in Verwahrung, die anderen lagen in der Bomkammer, einem Anbau an das Rathaus. Diese dienten gewöhnlich dem Gebrauche. Die dritten wurden im „Gewölbe der Privilegien“ aufbewahrt, d. h. im Archiv auf dem Rathause; diese galten als die maßgebenden. Sie wurden nur gebraucht, um die Richtigkeit der anderen nachzuprüfen.
Die Hauptsache bei der Bestimmung des genauen Gewichts waren die Gewichtsstücke. Um völlig einwandfreies Gewicht zu haben, besaß die Stadt die Gewichtsstücke in dreifacher Ausfertigung. Die einen der Gewichte hatten die 4 Kämmerer der Stadt in Verwahrung, die anderen lagen in der Bomkammer, einem Anbau an das Rathaus. Diese dienten gewöhnlich dem Gebrauche. Die dritten wurden im „Gewölbe der Privilegien“ aufbewahrt, d.h. im Archiv auf dem Rathause; diese galten als die maßgebenden. Sie wurden nur gebraucht, um die Richtigkeit der anderen nachzuprüfen.


Schon in dieser Tätigkeit des Rates erscheint eine der Hauptobliegenheiten der städtischen Organe: dem Produzenten das Seine zukommen zu lassen und den Konsumenten vor Ausbeutung zu schützen. Dieses Bestreben zeigen auch weiterhin alle Bestimmungen des Handels, die der Rat als Inhaber des Marktes vornahm. Teilweise sind sie sehr einschneidend und mußten von den Handelsleuten häufig als recht lästig empfunden werden, wurden aber mit Rücksicht darauf, daß durch sie für jeden ein geringes, aber sicheres Auskommen gewährleistet wurde, in Kauf genommen; ja, wenn der Staat nicht eingriff, legten die Kaufleute und Handwerker selbst ihrem Handel und Gewerbe Fesseln an, um keinen zu reich, keinen ganz arm werden zu lassen. Diese Mittelstandspolitik, welche die Bewegungsfreiheit, die Rührigkeit und den Wagemut des Einzelnen stark beschränkte, entsprang aus einem starken demokratischen Gefühl des Mittelalters für die Gleichheit aller Angehörigen eines Standes. Sie alle nannten sich Bürger, und diese sollten alle unter annähernd gleichen Lebensbedingungen leben. Zur Überwachung des Handels hatte der Rat 2 Ratmannen bestimmt.
Schon in dieser Tätigkeit des Rates erscheint eine der Hauptobliegenheiten der städtischen Organe: dem Produzenten das Seine zukommen zu lassen und den Konsumenten vor Ausbeutung zu schützen. Dieses Bestreben zeigen auch weiterhin alle Bestimmungen des Handels, die der Rat als Inhaber des Marktes vornahm. Teilweise sind sie sehr einschneidend und mußten von den Handelsleuten häufig als recht lästig empfunden werden, wurden aber mit Rücksicht darauf, daß durch sie für jeden ein geringes, aber sicheres Auskommen gewährleistet wurde, in Kauf genommen; ja, wenn der Staat nicht eingriff, legten die Kaufleute und Handwerker selbst ihrem Handel und Gewerbe Fesseln an, um keinen zu reich, keinen ganz arm werden zu lassen. Diese Mittelstandspolitik, welche die Bewegungsfreiheit, die Rührigkeit und den Wagemut des Einzelnen stark beschränkte, entsprang aus einem starken demokratischen Gefühl des Mittelalters für die Gleichheit aller Angehörigen eines Standes. Sie alle nannten sich Bürger, und diese sollten alle unter annähernd gleichen Lebensbedingungen leben. Zur Überwachung des Handels hatte der Rat 2 Ratmannen bestimmt.
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Ferner dienten dem ökonomischen Gleichgewicht aller Bürger wichtige Bestimmungen über das Geben und Nehmen von Kredit. Unser modernerer Handel beruht ja gerade auf dem Kreditwesen, und dieses regt den Unternehmungsgeist des Einzelnen an, führt allerdings auch zur Armut auf der einen, zur Anhäufung ungesunden Reichtums auf der anderen Seite. Im Mittelalter war der Einkauf mit geliehenem Gelde im allgemeinen verboten. Schon 1308 wurde es verboten, Korn, Hopfen oder Wolle mit geborgtem Gelde zu erstehen, nur Bier durfte auf diese Weise gekauft werden. So konnte es zu einem Großkaufmannsstand kaum kommen.<ref>Neue Mitteil. III. 2. 14. 64. III. 2. 40. 216 f. III. 3. 50. 1. ff. III. 1. 65. 158. qui aliquid emunt cum pecunia aliorum. – Swelich burger oder burgerinne oder ein swester di hi (er) besezen ist in der stat, mit andere lute guete kofen kom, wollen, oder andern kof, swi des beret (beredet) wirt, der gibt dru phunt.</ref>
Ferner dienten dem ökonomischen Gleichgewicht aller Bürger wichtige Bestimmungen über das Geben und Nehmen von Kredit. Unser modernerer Handel beruht ja gerade auf dem Kreditwesen, und dieses regt den Unternehmungsgeist des Einzelnen an, führt allerdings auch zur Armut auf der einen, zur Anhäufung ungesunden Reichtums auf der anderen Seite. Im Mittelalter war der Einkauf mit geliehenem Gelde im allgemeinen verboten. Schon 1308 wurde es verboten, Korn, Hopfen oder Wolle mit geborgtem Gelde zu erstehen, nur Bier durfte auf diese Weise gekauft werden. So konnte es zu einem Großkaufmannsstand kaum kommen.<ref>Neue Mitteil. III. 2. 14. 64. III. 2. 40. 216 f. III. 3. 50. 1. ff. III. 1. 65. 158. qui aliquid emunt cum pecunia aliorum. – Swelich burger oder burgerinne oder ein swester di hi (er) besezen ist in der stat, mit andere lute guete kofen kom, wollen, oder andern kof, swi des beret (beredet) wirt, der gibt dru phunt.</ref>


Gehen alle diese Bestimmungen darauf aus, jedem sein täglich Brot zu sichern und keinen zu reich und mächtig werden zu lassen, so lassen sie doch erkennen, daß die sozialen Unterschiede zwischen den beiden sich politisch gegenüberstehenden Gruppen der Bürgerschaft, den Patriziern und Plebejern, durchaus nicht völlig verwischt waren. Sah man innerhalb der Gemeinschaft der Standesangehörigen auch auf möglichste Gleichheit, so sollte doch ein merkbarer Abstand zwischen vornehm und gering vorhanden sein. Aus diesem Grunde privilegierten die städtischen Statuten eine Innung, die der Gewandschnitter, der eigentlichen ''mercatores'', stark. Bei ihnen war der Absatz nicht abhängig von ihrer Hände Arbeit, sondern sie verkauften nur von ihnen nicht hergestellte Waren, konnten deshalb leicht zu größeren Umsätzen gelangen als andere Handwerker und dadurch einen gewissen, allerdings durch die Nachfrage der nicht allzu kaufkräftigen Heimat begrenzten Reichtum aufhäufen. Die Gefreundten hatten in dem ersten Jahrhundert des Ratsregiments die politische Macht so gut wie allein in Händen und gebrauchten sie auch zu ihren persönlichen Vorteilen. Wo sie amtierten, im Rathause, hatten sie auch ihre Verkaufsstände, aus denen sie ihre Tuche verkauften. Besonders das mittlere und obere Stockwerk war ihnen vorbehalten, die unteren Gewölbe durften auch andere Händler mieten und dort ihre Waren feilhalten, niemals aber durfte es ein „Tücher“ sein, ein Kaufmann, der dieselben Waren verkaufte, wie die Gewandschnitter in den oberen Kammern. Auch gewisse Handwerker, die ähnliche oder gleiche Waren anfertigen und deshalb auch auf den Markt bringen konnten, wie sie sie verkauften, z. B. die Woll- und Leineweber, suchten sie als Konkurrenten durch Bestimmungen möglichst auszuschalten. Jeder Nordhäuser Bürger durfte bei diesen für sich und sein Gesinde Stoffe nur auf ein Jahr weben lassen. Der Handel wiederum mit nicht selbst gewirkten, sondern aufgekauften Tuchen war überhaupt jedem, der nicht Gewandschnitter war, verboten und verboten besonders auch der Verschnitt solches auf unrechtmäßige Weise erworbenen Tuches. Am eigenartigsten berührt aber die Bestimmung, daß kein Bürger auf seinen Leib Geld leihen durfte, daß sich also niemand in Schuldknechtschaft begeben durfte außer bei einem „''unsen bürgen ufdem hüs''“, d. h. also bei den Ratsherren, den Patriziern, die vornehmlich aus Gewandschnittem bestanden. Jedem, außer ihnen, war es verboten, Bürger in persönliche Abhängigkeit von sich zu bringen. Bürger zwischen 40 und 50 Jahren erhielten 10 Mark geliehen bei einem jährlichen Zins von 1 Mark, zwischen 50 und 60 Jahren 8 Mark, und bei noch älteren entschied der Rat, wie hoch die ihnen geliehene Summe sein durfte, für die sie jährlich 1 Mark Zins zu zahlen hatten. Da den Leuten meist nicht mit Geld, sondern mit Nahrungsmitteln gedient war, wurde zugleich der Marktscheffel Getreide auf 8 Mark festgesetzt, den die in Abhängigkeit Geratenen durch einen jährlichen Zins von einer Mark abzahlen mußten.<ref>Neue Mitteil. III. 2. 14. 65. III. 4. 39. 48. III. 4. 38. 29.</ref>
Gehen alle diese Bestimmungen darauf aus, jedem sein täglich Brot zu sichern und keinen zu reich und mächtig werden zu lassen, so lassen sie doch erkennen, daß die sozialen Unterschiede zwischen den beiden sich politisch gegenüberstehenden Gruppen der Bürgerschaft, den Patriziern und Plebejern, durchaus nicht völlig verwischt waren. Sah man innerhalb der Gemeinschaft der Standesangehörigen auch auf möglichste Gleichheit, so sollte doch ein merkbarer Abstand zwischen vornehm und gering vorhanden sein. Aus diesem Grunde privilegierten die städtischen Statuten eine Innung, die der Gewandschnitter, der eigentlichen ''mercatores'', stark. Bei ihnen war der Absatz nicht abhängig von ihrer Hände Arbeit, sondern sie verkauften nur von ihnen nicht hergestellte Waren, konnten deshalb leicht zu größeren Umsätzen gelangen als andere Handwerker und dadurch einen gewissen, allerdings durch die Nachfrage der nicht allzu kaufkräftigen Heimat begrenzten Reichtum aufhäufen. Die Gefreundten hatten in dem ersten Jahrhundert des Ratsregiments die politische Macht so gut wie allein in Händen und gebrauchten sie auch zu ihren persönlichen Vorteilen. Wo sie amtierten, im Rathause, hatten sie auch ihre Verkaufsstände, aus denen sie ihre Tuche verkauften. Besonders das mittlere und obere Stockwerk war ihnen vorbehalten, die unteren Gewölbe durften auch andere Händler mieten und dort ihre Waren feilhalten, niemals aber durfte es ein „Tücher“ sein, ein Kaufmann, der dieselben Waren verkaufte, wie die Gewandschnitter in den oberen Kammern. Auch gewisse Handwerker, die ähnliche oder gleiche Waren anfertigen und deshalb auch auf den Markt bringen konnten, wie sie sie verkauften, z.B. die Woll- und Leineweber, suchten sie als Konkurrenten durch Bestimmungen möglichst auszuschalten. Jeder Nordhäuser Bürger durfte bei diesen für sich und sein Gesinde Stoffe nur auf ein Jahr weben lassen. Der Handel wiederum mit nicht selbst gewirkten, sondern aufgekauften Tuchen war überhaupt jedem, der nicht Gewandschnitter war, verboten und verboten besonders auch der Verschnitt solches auf unrechtmäßige Weise erworbenen Tuches. Am eigenartigsten berührt aber die Bestimmung, daß kein Bürger auf seinen Leib Geld leihen durfte, daß sich also niemand in Schuldknechtschaft begeben durfte außer bei einem „''unsen bürgen ufdem hüs''“, d.h. also bei den Ratsherren, den Patriziern, die vornehmlich aus Gewandschnittem bestanden. Jedem, außer ihnen, war es verboten, Bürger in persönliche Abhängigkeit von sich zu bringen. Bürger zwischen 40 und 50 Jahren erhielten 10 Mark geliehen bei einem jährlichen Zins von 1 Mark, zwischen 50 und 60 Jahren 8 Mark, und bei noch älteren entschied der Rat, wie hoch die ihnen geliehene Summe sein durfte, für die sie jährlich 1 Mark Zins zu zahlen hatten. Da den Leuten meist nicht mit Geld, sondern mit Nahrungsmitteln gedient war, wurde zugleich der Marktscheffel Getreide auf 8 Mark festgesetzt, den die in Abhängigkeit Geratenen durch einen jährlichen Zins von einer Mark abzahlen mußten.<ref>Neue Mitteil. III. 2. 14. 65. III. 4. 39. 48. III. 4. 38. 29.</ref>


So sorgte der Rat bei aller Mittelstandspolitik doch dafür, daß er nicht zu kurz kam. Vor allem ließ er es sich aber angelegen sein, den Handel seiner Bürger vor fremder Konkurrenz zu schützen.
So sorgte der Rat bei aller Mittelstandspolitik doch dafür, daß er nicht zu kurz kam. Vor allem ließ er es sich aber angelegen sein, den Handel seiner Bürger vor fremder Konkurrenz zu schützen.
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Neben dem Bürgeraufgebot warb die Stadt aber auch noch Söldner an und hielt sich seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts einen auswärtigen Edelmann als Stadthauptmann.
Neben dem Bürgeraufgebot warb die Stadt aber auch noch Söldner an und hielt sich seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts einen auswärtigen Edelmann als Stadthauptmann.


Aus dem gesamten Rate als der gesetzgebenden Körperschaft wurde alljährlich am Tage des Ratswechsels, am Tage der Heiligen Drei Könige, jeder der ausführenden Beamten mit einem bestimmten Amte betraut. Die Ausübung geschah ehrenamtlich, doch erhielten die Ratmannen für gewisse außergewöhnliche Leistungen kleine Geschenke von der Stadt, zumeist nur in Wein und Semmelbrot, doch kamen auch Geldgeschenke vor. So erhielten z. B. die Kämmerer und Schoßherm für das Aufstellen des Etats, die sechs Spendenmeister für die Arbeit zum Spendetage, dem Freitage vor Palmarum, Gratifikationen. Deshalb mußten sie auch vor ihrer Amtsniederlegung die Rechtmäßigkeit der empfangenen Geschenke nachweisen. Natürlich gewährte die Stadt für Unterhalt und Auslagen während der Dienstreisen Aufwandsentschädigungen; doch scheint der Stadtsäckel von den Herrn zuweilen etwas stark in Anspruch genommen zu sein. Um 1350 verlangt daher ein Statut, daß jedesmal ein Ratmann mitreite, die baren Auslagen bezahle und darüber dann Rechnung ablege. Außerordentlich praktisch! Die glückliche Rückkehr von solchen Missionen gab in älterer Zeit zu einem ausgiebigen Festmahl auf Kosten der Stadt Anlaß; das wurde später untersagt. Im übrigen gestattete sich der Rat am Tage der Heiligen Drei Könige ein Festessen auf Kosten der Allgemeinheit. 1456 wurde es abgeschafft. Für den Ausfall erhielt fortan jeder Ratsherr ein Stübchen Wein, ein Semmelbrot und ein Schilling Groschen; die Bürgermeister erhielten das doppelte.<ref>Neue Mitteilungen III. 4. 43. 75. ff. u. III. 4. 60. ff.</ref>
Aus dem gesamten Rate als der gesetzgebenden Körperschaft wurde alljährlich am Tage des Ratswechsels, am Tage der Heiligen Drei Könige, jeder der ausführenden Beamten mit einem bestimmten Amte betraut. Die Ausübung geschah ehrenamtlich, doch erhielten die Ratmannen für gewisse außergewöhnliche Leistungen kleine Geschenke von der Stadt, zumeist nur in Wein und Semmelbrot, doch kamen auch Geldgeschenke vor. So erhielten z.B. die Kämmerer und Schoßherm für das Aufstellen des Etats, die sechs Spendenmeister für die Arbeit zum Spendetage, dem Freitage vor Palmarum, Gratifikationen. Deshalb mußten sie auch vor ihrer Amtsniederlegung die Rechtmäßigkeit der empfangenen Geschenke nachweisen. Natürlich gewährte die Stadt für Unterhalt und Auslagen während der Dienstreisen Aufwandsentschädigungen; doch scheint der Stadtsäckel von den Herrn zuweilen etwas stark in Anspruch genommen zu sein. Um 1350 verlangt daher ein Statut, daß jedesmal ein Ratmann mitreite, die baren Auslagen bezahle und darüber dann Rechnung ablege. Außerordentlich praktisch! Die glückliche Rückkehr von solchen Missionen gab in älterer Zeit zu einem ausgiebigen Festmahl auf Kosten der Stadt Anlaß; das wurde später untersagt. Im übrigen gestattete sich der Rat am Tage der Heiligen Drei Könige ein Festessen auf Kosten der Allgemeinheit. 1456 wurde es abgeschafft. Für den Ausfall erhielt fortan jeder Ratsherr ein Stübchen Wein, ein Semmelbrot und ein Schilling Groschen; die Bürgermeister erhielten das doppelte.<ref>Neue Mitteilungen III. 4. 43. 75. ff. u. III. 4. 60. ff.</ref>


Frühzeitig war die Stadt aber auch gezwungen, ihre Geschäfte neben diesen ehrenamtlich tätigen Männern durch angestellte und festbesoldete Beamte besorgen zu lassen. Abgesehen von den Stadtknechten, die als Polizisten, Markthelfer, Austräger, Torknechte Dienst taten, ist als vornehmster Beamter seit der Mitte des 14. Jahrhunderts der Stadtoberschreiber oder Syndikus zu erwähnen. Dieser Mann, der die Stadt vor allem rechtlich beriet, wurde zunächst aus den Patriziergeschlechtern genommen. Doch beweist eine Bestimmung aus der Mitte des 14. Jahrhunderts schon die sich ankündigende Demokratisierung: „''Ouch sal der rat und di rete vortme (fortan) nicheynen schriber nemen, der eyn gefrunt man si in der stat, sondern sie sollen eynen nemen, der eyn gemeyne man si.''“ Später holte man sich auch rechts- und weltkundige Leute von auswärts als Syndici. Dieser Stadtoberschreiber erhielt im 14. Jahrhundert 8 Mk. Gehalt und 12 Ellen Tuch, dazu 100 Pfennige als Geschenk. Für eine ganze Reihe besonderer Leistungen bezog er außerdem entsprechende Entlohnung. Seit Beginn des 15. Jahrhunderts stand ihm noch ein Unterschreiber oder Sekretär zur Seite.
Frühzeitig war die Stadt aber auch gezwungen, ihre Geschäfte neben diesen ehrenamtlich tätigen Männern durch angestellte und festbesoldete Beamte besorgen zu lassen. Abgesehen von den Stadtknechten, die als Polizisten, Markthelfer, Austräger, Torknechte Dienst taten, ist als vornehmster Beamter seit der Mitte des 14. Jahrhunderts der Stadtoberschreiber oder Syndikus zu erwähnen. Dieser Mann, der die Stadt vor allem rechtlich beriet, wurde zunächst aus den Patriziergeschlechtern genommen. Doch beweist eine Bestimmung aus der Mitte des 14. Jahrhunderts schon die sich ankündigende Demokratisierung: „''Ouch sal der rat und di rete vortme (fortan) nicheynen schriber nemen, der eyn gefrunt man si in der stat, sondern sie sollen eynen nemen, der eyn gemeyne man si.''“ Später holte man sich auch rechts- und weltkundige Leute von auswärts als Syndici. Dieser Stadtoberschreiber erhielt im 14. Jahrhundert 8 Mk. Gehalt und 12 Ellen Tuch, dazu 100 Pfennige als Geschenk. Für eine ganze Reihe besonderer Leistungen bezog er außerdem entsprechende Entlohnung. Seit Beginn des 15. Jahrhunderts stand ihm noch ein Unterschreiber oder Sekretär zur Seite.
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Ebenso wenig gesichert sind die Forschungsergebnisse von dem Lande zwischen dem Töpfertor und der Windlücke. Auf dieser Flur hat nach Meyers Feststellung am Ausgange des Bomtales das Dörfchen Gumprechterode oder Benderode gelegen. Schon der doppelte Name ist merkwürdig, und Benderode als Abkürzung für Gumprechterode anzusehen, leuchtet wenig ein. Urkundlich belegt ist nur, daß hier ein Dörfchen Gumprechterode 200 Morgen (6 1/2, später 7 Hufen) Land besessen und allmählich durch Urbarmachung weiterer Ländereien Gebiet bis an die Windlücke und den Roßmannsbach gewonnen hat. Man wird mit Meyer annehmen dürfen, daß das Dorf 1294 eingegangen ist und seine Bewohner nach Nordhausen geflüchtet sind. Die Gerichtsbarkeit über diese Feldmark besaßen die Honsteiner, die Äcker waren aber im Besitz der Bauern und späteren Nordhäuser Bürger. Durchaus einleuchtend hat Meyer klargelegt, daß die rechtlichen Verhältnisse in der Zeit, wo die Honsteiner bis zum Jahre 1342 auch das Schultheißenamt in Nordhausen besaßen, unklar geworden sind. Derselbe Schultheiß hatte damals sowohl die Aufsicht über die eigentliche Stadtflur wie über Honsteinsches Herrschaftsgebiet. Als dann den Honsteinem das Schulzenamt genommen wurde, beanspruchten die Nordhäuser, deren Mitbürger die Feldflur ja im Besitz, aber nicht innerhalb der städtischen Grenzen hatten, diese Feldmark auch als städtisches Gebiet, in dem der Rat Polizei- und Gerichtsbarkeit besaß. Im 14. Jahrhundert scheinen die Honsteiner deshalb keinen Einspruch erhoben zu haben; im 15. Jahrhundert kam es aber zwischen ihren Rechtsnachfolgern, den Stolbergern und Schwarzburgem, einerseits und der Stadt andererseits zu unglücklichen Streitigkeiten, die erst 1464 beigelegt wurden.
Ebenso wenig gesichert sind die Forschungsergebnisse von dem Lande zwischen dem Töpfertor und der Windlücke. Auf dieser Flur hat nach Meyers Feststellung am Ausgange des Bomtales das Dörfchen Gumprechterode oder Benderode gelegen. Schon der doppelte Name ist merkwürdig, und Benderode als Abkürzung für Gumprechterode anzusehen, leuchtet wenig ein. Urkundlich belegt ist nur, daß hier ein Dörfchen Gumprechterode 200 Morgen (6 1/2, später 7 Hufen) Land besessen und allmählich durch Urbarmachung weiterer Ländereien Gebiet bis an die Windlücke und den Roßmannsbach gewonnen hat. Man wird mit Meyer annehmen dürfen, daß das Dorf 1294 eingegangen ist und seine Bewohner nach Nordhausen geflüchtet sind. Die Gerichtsbarkeit über diese Feldmark besaßen die Honsteiner, die Äcker waren aber im Besitz der Bauern und späteren Nordhäuser Bürger. Durchaus einleuchtend hat Meyer klargelegt, daß die rechtlichen Verhältnisse in der Zeit, wo die Honsteiner bis zum Jahre 1342 auch das Schultheißenamt in Nordhausen besaßen, unklar geworden sind. Derselbe Schultheiß hatte damals sowohl die Aufsicht über die eigentliche Stadtflur wie über Honsteinsches Herrschaftsgebiet. Als dann den Honsteinem das Schulzenamt genommen wurde, beanspruchten die Nordhäuser, deren Mitbürger die Feldflur ja im Besitz, aber nicht innerhalb der städtischen Grenzen hatten, diese Feldmark auch als städtisches Gebiet, in dem der Rat Polizei- und Gerichtsbarkeit besaß. Im 14. Jahrhundert scheinen die Honsteiner deshalb keinen Einspruch erhoben zu haben; im 15. Jahrhundert kam es aber zwischen ihren Rechtsnachfolgern, den Stolbergern und Schwarzburgem, einerseits und der Stadt andererseits zu unglücklichen Streitigkeiten, die erst 1464 beigelegt wurden.


Viel klarer liegen die Verhältnisse im Süden und Westen Nordhausens. Hier war die Stadt am meisten eingeengt. Bis an den Mühlgraben hin, also bis unter die Burg reichte honsteinsches Gebiet. Das war um so drückender für die Bürger, als sich gerade hier unter dem Steilabfall mehrere neue kleine Stadtteile gebildet hatten. Der Sand, die Flickengasse und der Grimmel müssen sich gegen Ausgang des 13. Jahrhunderts besiedelt haben, und man kann auch hier annehmen, daß die Vertreibung der Bevölkerung des größeren Dorfes Niedersalza und des kleineren Niederrode im Jahre 1294 den Hauptanstoß zu der Niederlassung unter den Stadtmauern gegeben hat. Von ihren neuen Wohnsitzen aus bewirtschaftete die Bevölkerung weiterhin ihre ehemaligen Fluren, doch war der gesamte Grund und Boden honsteinsches Eigentum.
Viel klarer liegen die Verhältnisse im Süden und Westen Nordhausens. Hier war die Stadt am meisten eingeengt. Bis an den Mühlgraben hin, also bis unter die Burg reichte honsteinsches Gebiet. Das war um so drückender für die Bürger, als sich gerade hier unter dem Steilabfall mehrere neue kleine Stadtteile gebildet hatten. Der Sand, die Flickengasse und der Grimmei müssen sich gegen Ausgang des 13. Jahrhunderts besiedelt haben, und man kann auch hier annehmen, daß die Vertreibung der Bevölkerung des größeren Dorfes Niedersalza und des kleineren Niederrode im Jahre 1294 den Hauptanstoß zu der Niederlassung unter den Stadtmauern gegeben hat. Von ihren neuen Wohnsitzen aus bewirtschaftete die Bevölkerung weiterhin ihre ehemaligen Fluren, doch war der gesamte Grund und Boden honsteinsches Eigentum.


Um nun wenigstens die Wohnstätten jener Siedler dem Stadtgebiet zu gewinnen, schloß am 23. Juni 1315 die Stadt mit dem Grafen ''Heinrich IV.'' und ''Dietrich III.'' von Honstein einen Vertrag, nach dem Nordhausen für 100 Mk Silber einen rings um die Stadt gelegenen und durch Grenzsteine bezeichneten Streifen Landes von den Honsteinem erwarb. Die wesentlichsten Teile, die damals erworben worden sind, müssen die zwischen der Stadtmauer im Westen und dem Flußbett der Zorge gewesen sein; doch erstreckte sich der Erwerb, wie aus dem „rings um die Stadt“ hervorgeht, auch noch auf andere Ländereien. Hierüber ist aber gar nichts auszumachen. Die Gerichtsbarkeit jenseits der Zorge über die alten Besitzungen der nunmehr zu Nordhäuser Bürgern gewordenen ehemaligen Bewohner von Niedersalza und Niederrode behielt Honstein. Vor der Zorgebrücke am Siechhofe hielten die Grafen ihr Gericht. Die Zuständigkeit Honsteins wurde erst um 1500 angezweifelt. Scharfsinnig hat Meyer nachgewiesen, wie es zu diesen Nordhäuser Ansprüchen gekommen ist. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts hatten die Honsteiner nämlich die ihnen gehörigen Vogteirechte über Nordhausen an die Stadt verpfändet. Dadurch wurden die Rechtsverhältnisse verdunkelt, was zu langjährigen Streitigkeiten zwischen der Stadt und der Grafschaft führte. Erst 1543 erwarb die Stadt die Gerichtsbarkeit und dehnte ihr Stadtgebiet dadurch auch im Westen und Süden etwa bis zu den heutigen Grenzen aus.<ref>Vgl. K. Meyer, Festschrift, 1920. Die Nordhäuser Stadtflur. Vgl. unten Kapitel 6.</ref>
Um nun wenigstens die Wohnstätten jener Siedler dem Stadtgebiet zu gewinnen, schloß am 23. Juni 1315 die Stadt mit dem Grafen ''Heinrich IV.'' und ''Dietrich III.'' von Honstein einen Vertrag, nach dem Nordhausen für 100 Mk Silber einen rings um die Stadt gelegenen und durch Grenzsteine bezeichneten Streifen Landes von den Honsteinem erwarb. Die wesentlichsten Teile, die damals erworben worden sind, müssen die zwischen der Stadtmauer im Westen und dem Flußbett der Zorge gewesen sein; doch erstreckte sich der Erwerb, wie aus dem „rings um die Stadt“ hervorgeht, auch noch auf andere Ländereien. Hierüber ist aber gar nichts auszumachen. Die Gerichtsbarkeit jenseits der Zorge über die alten Besitzungen der nunmehr zu Nordhäuser Bürgern gewordenen ehemaligen Bewohner von Niedersalza und Niederrode behielt Honstein. Vor der Zorgebrücke am Siechhofe hielten die Grafen ihr Gericht. Die Zuständigkeit Honsteins wurde erst um 1500 angezweifelt. Scharfsinnig hat Meyer nachgewiesen, wie es zu diesen Nordhäuser Ansprüchen gekommen ist. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts hatten die Honsteiner nämlich die ihnen gehörigen Vogteirechte über Nordhausen an die Stadt verpfändet. Dadurch wurden die Rechtsverhältnisse verdunkelt, was zu langjährigen Streitigkeiten zwischen der Stadt und der Grafschaft führte. Erst 1543 erwarb die Stadt die Gerichtsbarkeit und dehnte ihr Stadtgebiet dadurch auch im Westen und Süden etwa bis zu den heutigen Grenzen aus.<ref>Vgl. K. Meyer, Festschrift, 1920. Die Nordhäuser Stadtflur. Vgl. unten Kapitel 6.</ref>
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Eine solche Politik läßt freilich weder langfristige Ruhe noch auch nur eine Atempause zu, sie muß stets bereit sein zu Angriff und Verteidigung. Nun, die Ratsherrn, die damals städtische Politik machten, waren ein wehrhaftes Geschlecht in einer wehrhaften Stadt. Wir haben schon gesehen, wie das Kriegswesen der Stadt vom Vogt auf den Rat übergegangen war, und der Rat ließ es sich wahrlich angelegen sein, seine Stadt zu hegen und zu schützen.
Eine solche Politik läßt freilich weder langfristige Ruhe noch auch nur eine Atempause zu, sie muß stets bereit sein zu Angriff und Verteidigung. Nun, die Ratsherrn, die damals städtische Politik machten, waren ein wehrhaftes Geschlecht in einer wehrhaften Stadt. Wir haben schon gesehen, wie das Kriegswesen der Stadt vom Vogt auf den Rat übergegangen war, und der Rat ließ es sich wahrlich angelegen sein, seine Stadt zu hegen und zu schützen.


Vom ältesten Befestigungsring der Stadt ist früher gesprochen worden; wann die späteren Mauern, Tore und Türme, deren Überreste wir zum Teil noch heute in Nordhausen sehen, aufgeführt worden sind, ist schwer zu sagen. Äußerste Verwirrung in unserer Kenntnis ist aus dem Grunde entstanden, weil man nicht bedacht hat, daß die zahllosen Befestigungswerke der Stadt, die dreifache Mauer der eigentlichen Altstadt mit ihren Zinnen, die mannigfachen Wälle und Gräben und Türme der Vorstadt und der Feldflur nicht in wenigen Jahren geschaffen sind, sondern daß drei Jahrhunderte an ihnen gebaut haben. Nur diese falsche Vorstellung konnte zu der unhaltbaren Ansicht ''Karl Meyers'' führen, daß zwischen den Jahren 1226 und 1234 „die heutige Stadtmauer“ erbaut worden sei.<ref>Vergl. Karl Meyer, Festschrift 1887. 2. Die Reichsstadt Nordhausen als Festung.</ref> Vielleicht ist heute in ganz Deutschland überhaupt keine Stadtmauer mehr vorhanden, deren Alter bis an den Anfang des 13. Jahrhunderts zurückreicht. Die Reste des Nürnberger Mauerringes z. B. stammen aus dem 14. und 15. Jahrhundert; das Alter der meisten uns heute noch erhaltenen Türme, Pforten und Bastionen Nordhausens reicht nur bis ins 15. Jahrhundert zurück.
Vom ältesten Befestigungsring der Stadt ist früher gesprochen worden; wann die späteren Mauern, Tore und Türme, deren Überreste wir zum Teil noch heute in Nordhausen sehen, aufgeführt worden sind, ist schwer zu sagen. Äußerste Verwirrung in unserer Kenntnis ist aus dem Grunde entstanden, weil man nicht bedacht hat, daß die zahllosen Befestigungswerke der Stadt, die dreifache Mauer der eigentlichen Altstadt mit ihren Zinnen, die mannigfachen Wälle und Gräben und Türme der Vorstadt und der Feldflur nicht in wenigen Jahren geschaffen sind, sondern daß drei Jahrhunderte an ihnen gebaut haben. Nur diese falsche Vorstellung konnte zu der unhaltbaren Ansicht ''Karl Meyers'' führen, daß zwischen den Jahren 1226 und 1234 „die heutige Stadtmauer“ erbaut worden sei.<ref>Vergl. Karl Meyer, Festschrift 1887. 2. Die Reichsstadt Nordhausen als Festung.</ref> Vielleicht ist heute in ganz Deutschland überhaupt keine Stadtmauer mehr vorhanden, deren Alter bis an den Anfang des 13. Jahrhunderts zurückreicht. Die Reste des Nürnberger Mauerringes z.B. stammen aus dem 14. und 15. Jahrhundert; das Alter der meisten uns heute noch erhaltenen Türme, Pforten und Bastionen Nordhausens reicht nur bis ins 15. Jahrhundert zurück.


Der zweite Forscher, der sich über die Nordhäuser Befestigungen geäußert hat, ist ''Julius Schmidt''. Er wird mit seiner Ansicht, daß die heutige Stadtmauer erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstanden sei, der Wahrheit näherkommen, obgleich wir manche seiner Darlegungen auch nicht gelten lassen können.<ref>Julius Schmidt, Bau- und Kunstdenkmäler der Prov. Sachsen, Heft 11, Die Stadt Nordhausen, 18 ff.</ref>
Der zweite Forscher, der sich über die Nordhäuser Befestigungen geäußert hat, ist ''Julius Schmidt''. Er wird mit seiner Ansicht, daß die heutige Stadtmauer erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstanden sei, der Wahrheit näherkommen, obgleich wir manche seiner Darlegungen auch nicht gelten lassen können.<ref>Julius Schmidt, Bau- und Kunstdenkmäler der Prov. Sachsen, Heft 11, Die Stadt Nordhausen, 18 ff.</ref>
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am spätesten die Befestigungen am Neuen-Wegstore entstanden sein. 1310 war der Neue Weg schon mit Häusern bestanden, 1315 wurde wahrscheinlich die Eingemeindung herbeigeführt, 1322 wird zum ersten Male das Neue-Wegtor genannt.
am spätesten die Befestigungen am Neuen-Wegstore entstanden sein. 1310 war der Neue Weg schon mit Häusern bestanden, 1315 wurde wahrscheinlich die Eingemeindung herbeigeführt, 1322 wird zum ersten Male das Neue-Wegtor genannt.


Diese erste Periode muß auch schon die Umschließung des Töpferviertels mit einer Steinmauer vorgenommen haben. Schmidt behauptet freilich, dieser Stadtteil sei erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts befestigt worden; bis 1441 habe das Töpfertor auf dem Kornmarkte gestanden. Es läßt sich aber mit vielen Zeugnissen beweisen, daß um 1300 der Ostring vom Rautentor über das Töpfertor zum Barfüßertor entstanden sein muß. Zwar wird es richtig sein, daß 1289 das Georgshospital auf dem Platze des heutigen Gasthauses von Sippel vor der Stadt angelegt worden ist –''curia leprosum ante civitatem''–. Aber schon standen hier überall Häuser, und 1308 ist das Töpferviertel eins der vier Viertel der Stadt, das sicher auch in den Bering einbezogen wurde. 1310 wird ferner das Blidenhaus, das Haus für die schweren Belagerungs- und Abwehrgeschütze der Stadt, auf dem Rähmenhofe am Nordabhange des Petersberges erwähnt. Die Bürger werden ihre Geschütze kaum in einem Hause außerhalb ihrer Mauern untergebracht haben: Weberstraße, Hundgasse und Töpferstraße werden also 1310 schon geschützt gewesen sein. 1370 ist auch der Kornmarkt vorhanden, und alle Befestigungen und Tore werden längst von ihm verschwunden gewesen sein, ja 1322 wird schon von der ''curia calcificum'', dem Schuhmachergildehaus am Kornmarkt, berichtet, das die Gilde wahrscheinlich nicht direkt an das Tor gebaut haben wird. Ebenso beweisen der städtische Marstall auf dem Hagen, der 1322 erwähnt wird, und die Nachtigallenpforte der Stadtmauer in der Nähe des heutigen Bismarckdenkmals, daß eine wirkliche Steinmauer vom Töpfertore zum Barfüßertore in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts schon vorhanden war. Also vor 1322 war die Töpferstraße befestigt, und das Töpfertor lag damals schon zwischen der heutigen Wirtschaft von Kohlmann und der Buchhandlung von Homickel. Auch der tiefe Graben am Südostabhange des Petersberges am heutigen Rähmen ist zu dieser Zeit angelegt. In ihm durften die Juden ihre Toten bestatten.
Diese erste Periode muß auch schon die Umschließung des Töpferviertels mit einer Steinmauer vorgenommen haben. Schmidt behauptet freilich, dieser Stadtteil sei erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts befestigt worden; bis 1441 habe das Töpfertor auf dem Kommarkte gestanden. Es läßt sich aber mit vielen Zeugnissen beweisen, daß um 1300 der Ostring vom Rautentor über das Töpfertor zum Barfüßertor entstanden sein muß. Zwar wird es richtig sein, daß 1289 das Georgshospital auf dem Platze des heutigen Gasthauses von Sippel vor der Stadt angelegt worden ist –''curia leprosum ante civitatem''–. Aber schon standen hier überall Häuser, und 1308 ist das Töpferviertel eins der vier Viertel der Stadt, das sicher auch in den Bering einbezogen wurde. 1310 wird ferner das Blidenhaus, das Haus für die schweren Belagerungs- und Abwehrgeschütze der Stadt, auf dem Rähmenhofe am Nordabhange des Petersberges erwähnt. Die Bürger werden ihre Geschütze kaum in einem Hause außerhalb ihrer Mauern untergebracht haben: Weberstraße, Hundgasse und Töpferstraße werden also 1310 schon geschützt gewesen sein. 1370 ist auch der Kommarkt vorhanden, und alle Befestigungen und Tore werden längst von ihm verschwunden gewesen sein, ja 1322 wird schon von der ''curia calcificum'', dem Schuhmachergildehaus am Kommarkt, berichtet, das die Gilde wahrscheinlich nicht direkt an das Tor gebaut haben wird. Ebenso beweisen der städtische Marstall auf dem Hagen, der 1322 erwähnt wird, und die Nachtigallenpforte der Stadtmauer in der Nähe des heutigen Bismarckdenkmals, daß eine wirkliche Steinmauer vom Töpfertore zum Barfüßertore in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts schon vorhanden war. Also vor 1322 war die Töpferstraße befestigt, und das Töpfertor lag damals schon zwischen der heutigen Wirtschaft von Kohlmann und der Buchhandlung von Homickel. Auch der tiefe Graben am Südostabhange des Petersberges am heutigen Rähmen ist zu dieser Zeit angelegt. In ihm durften die Juden ihre Toten bestatten.


Wenn Schmidt dieses ganze östliche Befestigungswerk erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstehen läßt, verfällt er in denselben Fehler wie Meyer, indem er glaubt, alles sei in wenigen Jahrzehnten entstanden. Es soll niemals behauptet werden, daß schon um 1300 die gesamte dreifache Befestigung samt ihren Toren, Zinnen und Türmen angelegt worden sei, aber die Hauptmauer mit einigen stark befestigten Toren und einem Graben davor muß zu jener Zeit hergestellt worden sein.
Wenn Schmidt dieses ganze östliche Befestigungswerk erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstehen läßt, verfällt er in denselben Fehler wie Meyer, indem er glaubt, alles sei in wenigen Jahrzehnten entstanden. Es soll niemals behauptet werden, daß schon um 1300 die gesamte dreifache Befestigung samt ihren Toren, Zinnen und Türmen angelegt worden sei, aber die Hauptmauer mit einigen stark befestigten Toren und einem Graben davor muß zu jener Zeit hergestellt worden sein.
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Bald darauf wurde auch der Frauenberg geschützt. Diese älteste Ansiedlung auf Nordhäuser Boden hat nie im eigentlichen Bering gelegen. Das empfanden die Bewohner aufs schmerzlichste und gingen schon früh daran, sich durch Gräben und Verhaue eine eigene Befestigung zu schaffen. Nach der Eingemeindung übernahm es dann im Jahre 1299 die Stadt, den Frauenberg zu schützen. Deshalb schloß die Stadt mit dem Propste des Frauenbergklosters einen Vertrag, nach dem ihr ein Stück Land für Befestigungsanlagen überlassen wurde. Die weiteren Befestigungen entstanden nach 1365, wo eine Mauer geschaffen wurde, die beim inneren Bielentore begann, die Sangerhäuser Straße bis zum Frauenbergsplan und dann die Schafgasse entlang ging und sich schließlich nach Süden hinabzog bis zu der Mauer, welche die Neustadt im Süden schützte. Darüber hinaus wurde noch das Martini-Vorwerk befestigt und hier das äußere Sundhäuser Tor angelegt.
Bald darauf wurde auch der Frauenberg geschützt. Diese älteste Ansiedlung auf Nordhäuser Boden hat nie im eigentlichen Bering gelegen. Das empfanden die Bewohner aufs schmerzlichste und gingen schon früh daran, sich durch Gräben und Verhaue eine eigene Befestigung zu schaffen. Nach der Eingemeindung übernahm es dann im Jahre 1299 die Stadt, den Frauenberg zu schützen. Deshalb schloß die Stadt mit dem Propste des Frauenbergklosters einen Vertrag, nach dem ihr ein Stück Land für Befestigungsanlagen überlassen wurde. Die weiteren Befestigungen entstanden nach 1365, wo eine Mauer geschaffen wurde, die beim inneren Bielentore begann, die Sangerhäuser Straße bis zum Frauenbergsplan und dann die Schafgasse entlang ging und sich schließlich nach Süden hinabzog bis zu der Mauer, welche die Neustadt im Süden schützte. Darüber hinaus wurde noch das Martini-Vorwerk befestigt und hier das äußere Sundhäuser Tor angelegt.


Bald danach, bis etwa zum Jahre 1400, wurde die Südbefestigung der Neustadt über die Sandstraße hinfort bis ans Grimmeltor erweitert, d. h. also die Siedlung auf dem Sande, damals „zwischen den Brücken“ genannt, der Grimmel und die Flickengasse wurden umfriedet. Abgeschlossen wurde diese zweite Periode mit der Befestigung der Feldflur, die geschaffen wurde vor 1406, wo Heringen von den Nordhäusern belagert wurde. Von diesen Außenbefestigungen mögen genannt sein: Der „neue Graben“, der die Flurgrenze gegen Bielen und Sundhausen hin bezeichnete, der „Landgraben“, der von der Zorge beim Siechhof nach Süden gegen die Helme hin lief und an den noch die Landgrabenstraße erinnert, der „lange Graben“, der sich von der Zorge am Altentor nach Salza hin und bis auf den Holungsbügel erstreckte, und endlich der „Nordschlag“, der vom Nonnenteiche aus über den Kuhberg, Heidelberg, Tütcheröderberg bis an die Stolbergerstraße verlief. Warttürme standen auf dem Holungsbügel, über Wildes Hölzchen, vor der Windlücke und an der alten Heerstraße nach Wallhausen im Osten der Stadt.
Bald danach, bis etwa zum Jahre 1400, wurde die Südbefestigung der Neustadt über die Sandstraße hinfort bis ans Grimmeitor erweitert, d.h. also die Siedlung auf dem Sande, damals „zwischen den Brücken“ genannt, der Grimmei und die Flickengasse wurden umfriedet. Abgeschlossen wurde diese zweite Periode mit der Befestigung der Feldflur, die geschaffen wurde vor 1406, wo Heringen von den Nordhäusern belagert wurde. Von diesen Außenbefestigungen mögen genannt sein: Der „neue Graben“, der die Flurgrenze gegen Bielen und Sundhausen hin bezeichnete, der „Landgraben“, der von der Zorge beim Siechhof nach Süden gegen die Helme hin lief und an den noch die Landgrabenstraße erinnert, der „lange Graben“, der sich von der Zorge am Altentor nach Salza hin und bis auf den Holungsbügel erstreckte, und endlich der „Nordschlag“, der vom Nonnenteiche aus über den Kuhberg, Heidelberg, Tütcheröderberg bis an die Stolbergerstraße verlief. Warttürme standen auf dem Holungsbügel, über Wildes Hölzchen, vor der Windlücke und an der alten Heerstraße nach Wallhausen im Osten der Stadt.


Die dritte Periode der Befestigung begann 1437 und endete 1487. Am 12. Dezember 1436 gestattete Kaiser ''Sigmund'', sowohl die Stadt wie die Feldflur zu befestigen. In dieser Zeit entstand nunmehr, abgesehen von Verstärkungen der Feldanlagen, besonders der Ausbau der Hauptstadtmauer. Erst damals wurden die Torbefestigungen ausgebaut. An den Haupttoren der Stadt entstanden jedesmal zwei Tore hintereinander, ein inneres und ein äußeres. Auf diese Weise wurden das Rautentor und das Barfüßertor angelegt. Das äußere Tor wurde durch einen oder zwei Türme flankiert, so daß jeder von der Seite her beschossen werden konnte, der in feindlicher Absicht in das Tor eindringen wollte. Glückte es dem Feinde wirklich, dieses äußere Tor zu gewinnen, so war er in dem Raume zwischen den beiden Toren eingekeilt. Hier stand nun in der Mitte über dem inneren Tor ein weiterer Turm, von dem aus dem Angreifer ein heißer Gruß bereitet werden konnte. Die Anlage des Barfüßerturms begann im Jahre 1427, 1873 wurde der Turm abgebrochen. Das Rautentor wurde 1449 bis 1453 vom Steinmetzmeister ''Werner'' als Krummtor gebaut und damals zugleich die äußere, niedrige Mauer am Primariusgraben zwischen Rautentor und Kuttelpforte hergestellt. Derselbe Meister baute seit 1445 auch die Mauern zwischen Töpfertor und Barfüßertor dreifach aus, indem er, wie es üblich war, zunächst draußen eine Mauer aufzog, dann den Graben folgen ließ, dann am Grabenrande eine zweite Mauer und schließlich dahinter die Hauptmauer anlegte.
Die dritte Periode der Befestigung begann 1437 und endete 1487. Am 12. Dezember 1436 gestattete Kaiser ''Sigmund'', sowohl die Stadt wie die Feldflur zu befestigen. In dieser Zeit entstand nunmehr, abgesehen von Verstärkungen der Feldanlagen, besonders der Ausbau der Hauptstadtmauer. Erst damals wurden die Torbefestigungen ausgebaut. An den Haupttoren der Stadt entstanden jedesmal zwei Tore hintereinander, ein inneres und ein äußeres. Auf diese Weise wurden das Rautentor und das Barfüßertor angelegt. Das äußere Tor wurde durch einen oder zwei Türme flankiert, so daß jeder von der Seite her beschossen werden konnte, der in feindlicher Absicht in das Tor eindringen wollte. Glückte es dem Feinde wirklich, dieses äußere Tor zu gewinnen, so war er in dem Raume zwischen den beiden Toren eingekeilt. Hier stand nun in der Mitte über dem inneren Tor ein weiterer Turm, von dem aus dem Angreifer ein heißer Gruß bereitet werden konnte. Die Anlage des Barfüßerturms begann im Jahre 1427, 1873 wurde der Turm abgebrochen. Das Rautentor wurde 1449 bis 1453 vom Steinmetzmeister ''Werner'' als Krummtor gebaut und damals zugleich die äußere, niedrige Mauer am Primariusgraben zwischen Rautentor und Kuttelpforte hergestellt. Derselbe Meister baute seit 1445 auch die Mauern zwischen Töpfertor und Barfüßertor dreifach aus, indem er, wie es üblich war, zunächst draußen eine Mauer aufzog, dann den Graben folgen ließ, dann am Grabenrande eine zweite Mauer und schließlich dahinter die Hauptmauer anlegte.
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Das Haus, in welchem die vornehmen Gewandschnitter ihre Verkaufsstände hatten und ihre Zusammenkünfte abhielten, war zugleich der älteste Sitz des Rates. Karl Meyers Ansicht, daß dieses antiquum mercatorium, dieses alte Kaufhaus, am Ostende der Bäckerstraße gelegen habe, ist nicht von der Hand zu weisen.
Das Haus, in welchem die vornehmen Gewandschnitter ihre Verkaufsstände hatten und ihre Zusammenkünfte abhielten, war zugleich der älteste Sitz des Rates. Karl Meyers Ansicht, daß dieses antiquum mercatorium, dieses alte Kaufhaus, am Ostende der Bäckerstraße gelegen habe, ist nicht von der Hand zu weisen.


Doch schon in der Zeit, wo dieses älteste Rathaus Nordhausens im Jahre 1287 von den Walkenrieder Urkunden bezeugt ist, entstand ein neues Rathaus, in das die Gefreundten nun ihre Kaufstellen und Beratungen verlegten. Es ist das Verdienst J. Schmidts, mit dem Glauben Förstemanns aufgeräumt zu haben, dieses zweite Rathaus habe mitten auf dem heutigen Kornmarkt gestanden. Schmidt hat einwandfrei nachgewiesen, daß das Gebäude auf der Stelle, auf der noch heute das Rathaus steht, zwischen den Jahren 1277 und 1286 errichtet worden ist. Seit 1300 ist sein Name vielfach bezeugt. Es besaß 12 obere, 16 mittlere und 16 untere Kammern, in denen die Gewandschnitter ihre Tücher aufgestapelt liegen hatten. Im Jahre 1360 wurde ein Neubau errichtet und eine dem Heiligen Leichnam des Herrn geweihte Kapelle hineingebaut, in der die Ratsherren vor jeder Sitzung die Messe hörten. Der Vikar der Kapelle bezog seinen Unterhalt von 60 Morgen Land in der Nordhäuser Stadtflur. 1421 stiftete der Rat noch eine zweite Kapelle. Beide Vikare standen unter der Aufsicht der Marktkirche. Dieses im Jahre 1360 aufgeführte Rathaus hat bis 1608 gestanden, wo unter teilweiser Benutzung der alten Grundmauern und Steinquadern das heute noch vorhandene erbaut wurde.<ref>Vergl. zu den Nordh. Bauten: Julius Schmidt, a. a. O.</ref>
Doch schon in der Zeit, wo dieses älteste Rathaus Nordhausens im Jahre 1287 von den Walkenrieder Urkunden bezeugt ist, entstand ein neues Rathaus, in das die Gefreundten nun ihre Kaufstellen und Beratungen verlegten. Es ist das Verdienst J. Schmidts, mit dem Glauben Förstemanns aufgeräumt zu haben, dieses zweite Rathaus habe mitten auf dem heutigen Kommarkt gestanden. Schmidt hat einwandfrei nachgewiesen, daß das Gebäude auf der Stelle, auf der noch heute das Rathaus steht, zwischen den Jahren 1277 und 1286 errichtet worden ist. Seit 1300 ist sein Name vielfach bezeugt. Es besaß 12 obere, 16 mittlere und 16 untere Kammern, in denen die Gewandschnitter ihre Tücher aufgestapelt liegen hatten. Im Jahre 1360 wurde ein Neubau errichtet und eine dem Heiligen Leichnam des Herrn geweihte Kapelle hineingebaut, in der die Ratsherren vor jeder Sitzung die Messe hörten. Der Vikar der Kapelle bezog seinen Unterhalt von 60 Morgen Land in der Nordhäuser Stadtflur. 1421 stiftete der Rat noch eine zweite Kapelle. Beide Vikare standen unter der Aufsicht der Marktkirche. Dieses im Jahre 1360 aufgeführte Rathaus hat bis 1608 gestanden, wo unter teilweiser Benutzung der alten Grundmauern und Steinquadern das heute noch vorhandene erbaut wurde.<ref>Vergl. zu den Nordh. Bauten: Julius Schmidt, a. a. O.</ref>


Hinter dem Rathause lag die vornehmste Kirche der Bürger, die Markt- oder Nikolaikirche. Schon vor 1220 stand hier eine stattliche Kapelle. Rathaus und Marktkirche bezeichneten den Mittelpunkt der Stadt, bei ihnen und um sie herum wurde der Markt, auf dem der Königsfriede lag, abgehalten. Doch können wir uns kein Bild von dieser ältesten Marktkirche machen; ihre Mauern müssen aus Muschelkalk bestanden haben; ihr Baustil war romanisch. Die heutige städtische Hauptkirche wurde an derselben Stelle und unter Verwendung der alten Mauerreste zwischen 1360 und 1395 erbaut und erst 1490 noch durch eine Kapelle, die heutige Sakristei, erweitert. Die Kirche besaß 13 Altäre und 14 Vikarien.
Hinter dem Rathause lag die vornehmste Kirche der Bürger, die Markt- oder Nikolaikirche. Schon vor 1220 stand hier eine stattliche Kapelle. Rathaus und Marktkirche bezeichneten den Mittelpunkt der Stadt, bei ihnen und um sie herum wurde der Markt, auf dem der Königsfriede lag, abgehalten. Doch können wir uns kein Bild von dieser ältesten Marktkirche machen; ihre Mauern müssen aus Muschelkalk bestanden haben; ihr Baustil war romanisch. Die heutige städtische Hauptkirche wurde an derselben Stelle und unter Verwendung der alten Mauerreste zwischen 1360 und 1395 erbaut und erst 1490 noch durch eine Kapelle, die heutige Sakristei, erweitert. Die Kirche besaß 13 Altäre und 14 Vikarien.
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Doch behaglich fühlten sich die frommen Schwestern in ihrer Einöde nicht, und als gar 1294 Adolfs Kriegsscharen in bedrohliche Nähe kamen, setzten es die Honsteiner bei ihrem Verwandten, dem Dompropst Elger zu Nordhausen, durch, daß ihre Schutzbefohlenen, die Nonnen vom Niclasberg bei Bischoferode, unter die Mauern Nordhausens flüchten durften. So kamen sie ins Altendorf und in die unmittelbare Nähe des schon bestehenden Kirchleins. Die Honsteiner blieben ihre Schutzvögte, da ja ihr Kloster ursprünglich auf ihrem Grund und Boden gelegen War. Im übrigen hatte Propst Elger die Übersiedelung nicht umsonst gestattet. Das Nonnenkloster gelangte in scharfe Abhängigkeit vom Domstift, die dadurch zum Ausdruck kam, daß der Propst des Altendorfer Klosters vom Stift ernannt wurde und das Domkapitel jede Erwerbung des Klosters gutheißen mußte.
Doch behaglich fühlten sich die frommen Schwestern in ihrer Einöde nicht, und als gar 1294 Adolfs Kriegsscharen in bedrohliche Nähe kamen, setzten es die Honsteiner bei ihrem Verwandten, dem Dompropst Elger zu Nordhausen, durch, daß ihre Schutzbefohlenen, die Nonnen vom Niclasberg bei Bischoferode, unter die Mauern Nordhausens flüchten durften. So kamen sie ins Altendorf und in die unmittelbare Nähe des schon bestehenden Kirchleins. Die Honsteiner blieben ihre Schutzvögte, da ja ihr Kloster ursprünglich auf ihrem Grund und Boden gelegen War. Im übrigen hatte Propst Elger die Übersiedelung nicht umsonst gestattet. Das Nonnenkloster gelangte in scharfe Abhängigkeit vom Domstift, die dadurch zum Ausdruck kam, daß der Propst des Altendorfer Klosters vom Stift ernannt wurde und das Domkapitel jede Erwerbung des Klosters gutheißen mußte.


Hier in der neuen Umgebung wurden nun die Nonnen bald reicher. Nicht lange nach der Verlegung gingen schon die Scherf- und die Rotleimmühle in ihren Besitz über. Der Rat focht zwar kurz vor 1300 diese Erwerbung an, doch wurde sie den Nonnen zugesprochen. Erst in Mai 1523, in der Reformationszeit, verkaufte das Kloster die Mühlen an die Stadt. Dazu gesellten sich nun aber eine Anzahl von Vermächtnissen alter Leute, die in die Beschaulichkeit traten, vom Kloster genährt und behaust zu werden, dafür aber ihren Besitz dem Kloster vermachten. Auf diese Weise erwarb das Kloster 1393 z. B. auch 10 Morgen Weinland bei Hohenrode.
Hier in der neuen Umgebung wurden nun die Nonnen bald reicher. Nicht lange nach der Verlegung gingen schon die Scherf- und die Rotleimmühle in ihren Besitz über. Der Rat focht zwar kurz vor 1300 diese Erwerbung an, doch wurde sie den Nonnen zugesprochen. Erst in Mai 1523, in der Reformationszeit, verkaufte das Kloster die Mühlen an die Stadt. Dazu gesellten sich nun aber eine Anzahl von Vermächtnissen alter Leute, die in die Beschaulichkeit traten, vom Kloster genährt und behaust zu werden, dafür aber ihren Besitz dem Kloster vermachten. Auf diese Weise erwarb das Kloster 1393 z.B. auch 10 Morgen Weinland bei Hohenrode.


Viel reicher war allerdings das Frauenbergs-Kloster Neuwerk. An ihm kann man besonders studieren, wie sich die Güter eines Klosters ins Riesige ausbreiten konnten, und deshalb sollen hier einmal ganz trocken und dürr nur die Erwerbungen, die es im 13. und 14. Jahrhundert machte, aufgezählt werden.
Viel reicher war allerdings das Frauenbergs-Kloster Neuwerk. An ihm kann man besonders studieren, wie sich die Güter eines Klosters ins Riesige ausbreiten konnten, und deshalb sollen hier einmal ganz trocken und dürr nur die Erwerbungen, die es im 13. und 14. Jahrhundert machte, aufgezählt werden.
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Nordhausen selbst hatte im 13. Jahrhundert noch kein Arg, wenn seine Bürger der Kirche Schenkungen vermachten. 1242 ging ein Hof in Nordhausen an das Frauenbergkloster über, und 1246 erwarb es beim Hause des Bürgers Konrad Silberbalt zwei Tuchrähmenplätze. Dann aber leistete die Bürgerschaft nach und nach Widerstand. Man befürchtete, die Hoffnung der Bürger, durch fromme Schenkungen sich einen Schatz im Jenseits zu erwerben, könnte die Schätze im Diesseits doch gar zu sehr vermindern.
Nordhausen selbst hatte im 13. Jahrhundert noch kein Arg, wenn seine Bürger der Kirche Schenkungen vermachten. 1242 ging ein Hof in Nordhausen an das Frauenbergkloster über, und 1246 erwarb es beim Hause des Bürgers Konrad Silberbalt zwei Tuchrähmenplätze. Dann aber leistete die Bürgerschaft nach und nach Widerstand. Man befürchtete, die Hoffnung der Bürger, durch fromme Schenkungen sich einen Schatz im Jenseits zu erwerben, könnte die Schätze im Diesseits doch gar zu sehr vermindern.


So fiel seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts kein eigentlich Nordhäuser Besitz mehr an die Kirche. Zu Auseinandersetzungen über den gegenseitigen Besitzstand kam es zwischen Stadt und Kloster nur mehrfach, wenn die Stadt Sicherheitsanlagen schaffen wollte. 1299 mußte der Rat deshalb beim Wehr der Klostermühle einen Platz erwerben, und auch noch im 14. Jahrhundert, z. B. 1355 und 1360, feilschte das Kloster mit der Stadt um Gelände zur Anlage von Befestigungen.
So fiel seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts kein eigentlich Nordhäuser Besitz mehr an die Kirche. Zu Auseinandersetzungen über den gegenseitigen Besitzstand kam es zwischen Stadt und Kloster nur mehrfach, wenn die Stadt Sicherheitsanlagen schaffen wollte. 1299 mußte der Rat deshalb beim Wehr der Klostermühle einen Platz erwerben, und auch noch im 14. Jahrhundert, z.B. 1355 und 1360, feilschte das Kloster mit der Stadt um Gelände zur Anlage von Befestigungen.


Solche Auseinandersetzungen mit der Kirche bereiteten der Stadt Nordhausen nicht geringe Schwierigkeiten, und die ernstliche Sorge, welche bei dergleichen Verhandlungen nicht selten die berufenen Vertreter der Stadt ergriff, mochte sich in Haß verwandeln, wenn man auf den Reichtum der Kirche in der Nordhäuser Feldflur und rings im Lande blickte, mochte gar zu blinden Wutausbrüchen führen, wenn man durch das hoffärtige Wesen mancher Geistlichen gekränkt war.
Solche Auseinandersetzungen mit der Kirche bereiteten der Stadt Nordhausen nicht geringe Schwierigkeiten, und die ernstliche Sorge, welche bei dergleichen Verhandlungen nicht selten die berufenen Vertreter der Stadt ergriff, mochte sich in Haß verwandeln, wenn man auf den Reichtum der Kirche in der Nordhäuser Feldflur und rings im Lande blickte, mochte gar zu blinden Wutausbrüchen führen, wenn man durch das hoffärtige Wesen mancher Geistlichen gekränkt war.


Das Verhältnis der Bürger zur Geistlichkeit sollte nun zum ersten Male auch die Spannungen aufdecken, die, innerhalb der Bürgerschaft selbst, schon in den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts vorhanden waren. Es ist nicht leicht, die verschiedenartigsten seelischen Schwingungen der Menschen jener Zeit bloßzulegen; außerordentlich mannigfaltig waren die Strebungen und Gefühlseinstellungen, die durcheinandergingen. Die herrschende Klasse in Nordhausen, die Patrizier, waren mit der Geistlichkeit darin einig, daß das Bestehende möglichst erhalten bleiben müßte. Dennoch sahen gerade die Gewalthaber der Stadt die Vorrechte und den Reichtum der Kirche als eine Kränkung und Beschneidung ihrer eigenen Rechte an. Ferner: Auf der einen Seite sicherte der Bestand der augenblicklichen Verhältnisse Patriziern wie Klerikern ihre Vormachtstellung. Und wieviel kleiner, aber doch hochgeschätzter Hausrat hing nicht auch weiterhin damit zusammen! Lebens- und Umgangsformen, gesellige Haltung und Bildung verknüpften die alten Geschlechter und die Geistlichen fast unlöslich. Auf der anderen Seite wühlte doch auch wieder bei jenen tatenfrohen Menschen die Mißachtung vor den weichen, untätigen, ihnen geistig doch häufig überlegenen Priestern alle bösen Triebe auf.
Das Verhältnis der Bürger zur Geistlichkeit sollte nun zum ersten Male auch die Spannungen aufdecken, die, innerhalb der Bürgerschaft selbst, schon in den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts vorhanden waren. Es ist nicht leicht, die verschiedenartigsten seelischen Schwingungen der Menschen jener Zeit bloßzulegen; außerordentlich mannigfaltig waren die Strebungen und Gefühlseinstellungen, die durcheinandergingen. Die herrschende Klasse in Nordhausen, die Patrizier, waren mit der Geistlichkeit darin einig, daß das Bestehende möglichst erhalten bleiben müßte. Dennoch sahen gerade die Gewalthaber der Stadt die Vorrechte und den Reichtum der Kirche als eine Kränkung und Beschneidung ihrer eigenen Rechte an. Ferner: Auf der einen Seite sicherte der Bestand der augenblicklichen Verhältnisse Patriziern wie Klerikern ihre Vormachtstellung. Und wieviel kleiner, aber doch hochgeschätzter Hausrat hing nicht auch weiterhin damit zusammen! Lebens- und Umgangsformen, gesellige Haltung und Bildung verknüpften die alten Geschlechter und die Geistlichen fast unlöslich. Auf der anderen Seite wühlte doch auch wieder bei jenen tatenfrohen Menschen die Mißachtung vor den weichen, untätigen, ihnen geistig doch häufig überlegenen Priestern alle bösen Triebe auf.
[[Datei:Das tausendjährige Nordhausen - Bild 10a.jpg|thumb|center|Bild 10 a. Das Warttürmchen an "Wildes" Hölzchen. ]]
[[Datei:Das tausendjährige Nordhausen - Bild 10b.jpg|thumb|center|Bild 10 b. Primariusgraben; Befestigungen und Zwinger im südlichen Bering der Stadt.]]
[[Datei:Das tausendjährige Nordhausen - Bild 11a.jpg|thumb|center|Bild 11 a. Neuer Weg und Teile der westlichen Stadtbefestigung. Carl Schiewek, Phot.]]
[[Datei:Das tausendjährige Nordhausen - Bild 11b.jpg|thumb|center|Bild 11 b. Die Judentürme; Befestigungsanlagen im südlichen Bering der Stadtmauer.]]


Neben diesem Zwiespalt zwischen Gefreundten und Geistlichen klaffte aber noch ein zweiter, tieferer Riß in der damaligen Gesellschaft auf. Die Bevölkerungsschichten, die bisher keinen Anteil am Mitbestimmungsrecht besessen hatten, drängten zum Licht. Woran lag es denn, daß jene Reichen das ihr Eigen nannten, was die Menge selber gern besessen hätte? Sie war ausgeschlossen von den Bildungsmitteln und Kulturgütern ihrer Zeit. Erwürben sie Gewandtheit und Sicherheit im Auftreten, eine gute und klare Schulung im Denken, das nötige Wissen um Satzung und Recht, dann - so meinten sie - würde ihnen das übrige von selbst schon zufallen. Denn wenn große Massen sich ihres Anteils am Leben bewußt werden, ist es immer so, daß sie in dem Wunsche, mit einem Male den Gipfel zu erklimmen, nicht erkennen, wie wenig der bloße Unterricht und wieviel die Abstammung und langjährige Gewöhnung erzieht. Deshalb erstrebten sie auch damals eine eigene Schule. In der aristokratischen Kreuzschule wurden sie überhaupt nicht geduldet, oder ihre Kinder wurden dort in einer Richtung erzogen, die ihnen nicht genehm war. Die rechte Bildung konnte deshalb nur eine Bürgerschule, nicht eine Pfaffenschule vermitteln. So bäumte sich die große Masse des Volkes gegen den Klerus auf.
Neben diesem Zwiespalt zwischen Gefreundten und Geistlichen klaffte aber noch ein zweiter, tieferer Riß in der damaligen Gesellschaft auf. Die Bevölkerungsschichten, die bisher keinen Anteil am Mitbestimmungsrecht besessen hatten, drängten zum Licht. Woran lag es denn, daß jene Reichen das ihr Eigen nannten, was die Menge selber gern besessen hätte? Sie war ausgeschlossen von den Bildungsmitteln und Kulturgütern ihrer Zeit. Erwürben sie Gewandtheit und Sicherheit im Auftreten, eine gute und klare Schulung im Denken, das nötige Wissen um Satzung und Recht, dann - so meinten sie - würde ihnen das übrige von selbst schon zufallen. Denn wenn große Massen sich ihres Anteils am Leben bewußt werden, ist es immer so, daß sie in dem Wunsche, mit einem Male den Gipfel zu erklimmen, nicht erkennen, wie wenig der bloße Unterricht und wieviel die Abstammung und langjährige Gewöhnung erzieht. Deshalb erstrebten sie auch damals eine eigene Schule. In der aristokratischen Kreuzschule wurden sie überhaupt nicht geduldet, oder ihre Kinder wurden dort in einer Richtung erzogen, die ihnen nicht genehm war. Die rechte Bildung konnte deshalb nur eine Bürgerschule, nicht eine Pfaffenschule vermitteln. So bäumte sich die große Masse des Volkes gegen den Klerus auf.
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Der Streit mit den Honsteinem wegen des Schulzenamtes tobte 1325 heftiger denn je; die über die Stadt verhängte Sperre war lückenlos; Hungersnot drohte. So vergaß die Menge des Volkes über dem Augenblick die Vergangenheit und die Zukunft und verlangte den Frieden um jeden Preis. Zwar taten ihre Führer alles, um den Mut zu heben und den Widerstand neu zu entfachen: Es gelang ihnen, Boten nach Erfurt zu senden, welche dort um Vermittlung nachsuchen sollten; sie riefen das Thüringische Landfriedensgericht an. Alles war umsonst. Ohne weitere Schritte abzuwarten, forderte die Menge sofortige Abstellung ihrer Not. Das Volk vergaß, daß es selbst ja den Aufruhr gewollt und angezettelt hatte; es suchte nach einem Schuldigen, und gegen einen satten Magen nahm es gern die schwersten Demütigungen auf sich.
Der Streit mit den Honsteinem wegen des Schulzenamtes tobte 1325 heftiger denn je; die über die Stadt verhängte Sperre war lückenlos; Hungersnot drohte. So vergaß die Menge des Volkes über dem Augenblick die Vergangenheit und die Zukunft und verlangte den Frieden um jeden Preis. Zwar taten ihre Führer alles, um den Mut zu heben und den Widerstand neu zu entfachen: Es gelang ihnen, Boten nach Erfurt zu senden, welche dort um Vermittlung nachsuchen sollten; sie riefen das Thüringische Landfriedensgericht an. Alles war umsonst. Ohne weitere Schritte abzuwarten, forderte die Menge sofortige Abstellung ihrer Not. Das Volk vergaß, daß es selbst ja den Aufruhr gewollt und angezettelt hatte; es suchte nach einem Schuldigen, und gegen einen satten Magen nahm es gern die schwersten Demütigungen auf sich.


So mußte denn Heinz von Wechsungen dran glauben; sein Traum, an der Spitze des Volkes in Nordhausen Diktator spielen zu können, war ausgeträumt. Er mußte zwei Jahre ins Gefängnis wandern, 150 M lötiges Silber – d. h. 150 Pfund reinen Silbers – und 4 M Nordhäuser Silber – d. h. 4 Pfund dem Nennwerte nach – bezahlen. Vier weiteren Gefreundten ging es ähnlich; gerade ihre Verhandlungen mit Erfurt wurden ihnen zum Vorwurf gemacht.
So mußte denn Heinz von Wechsungen dran glauben; sein Traum, an der Spitze des Volkes in Nordhausen Diktator spielen zu können, war ausgeträumt. Er mußte zwei Jahre ins Gefängnis wandern, 150 M lötiges Silber – d.h. 150 Pfund reinen Silbers – und 4 M Nordhäuser Silber – d.h. 4 Pfund dem Nennwerte nach – bezahlen. Vier weiteren Gefreundten ging es ähnlich; gerade ihre Verhandlungen mit Erfurt wurden ihnen zum Vorwurf gemacht.


Nachdem man so Selbstmord verübt hatte, blieb nichts weiter als Unterwerfung übrig. Im Frühjahr begannen in Erfurt die Verhandlungen mit der Mainzer Kommission, und zwar unter völliger Ausschaltung der päpstlichen. Sie kamen zum Abschluß am 24. Juni 1326 durch einen Spruch der drei Richter, der außerordentlich geringes Verständnis für die Wünsche der Bürger zeigte. Nordhausen erlangte nur, daß der über die Stadt verhängte Bann aufgehoben wurde und die gegenseitigen Übergriffe vergessen sein sollten. Im übrigen setzte der Schiedsspruch Nordhausen überall ins Unrecht. Die Schule auf dem Petersberg wurde verboten und die Domschule alleine anerkannt. Nur den weit entfernt wohnenden Schülern war ein Fehlen bei der Frühmesse gestattet. Außerhalb der Stadt durften die Bürger eine Schule anlegen; jedoch, so hieß es, sollten die Schüler dieser Bürgerschule die Domschüler „nicht betrüben“, sonst sollte ihr Schulmeister sie züchtigen. Bald darauf entstand auch eine Schule in der Neustadt bei der Jakobikirche, und diese gemeinsame Schule trug später mit dazu bei, daß dieser neue Stadtteil seine Vereinigung mit der Altstadt fand.<ref>Dieser die Grundstimmungen des 14. Jahrhunderts aufdeckende Kampf ist bisher noch nicht dargestellt worden. Deshalb wurde hier etwas ausführlicher darauf eingegangen. Im übrigen vergl. Förstemann, Chronik, 253 f.</ref>
Nachdem man so Selbstmord verübt hatte, blieb nichts weiter als Unterwerfung übrig. Im Frühjahr begannen in Erfurt die Verhandlungen mit der Mainzer Kommission, und zwar unter völliger Ausschaltung der päpstlichen. Sie kamen zum Abschluß am 24. Juni 1326 durch einen Spruch der drei Richter, der außerordentlich geringes Verständnis für die Wünsche der Bürger zeigte. Nordhausen erlangte nur, daß der über die Stadt verhängte Bann aufgehoben wurde und die gegenseitigen Übergriffe vergessen sein sollten. Im übrigen setzte der Schiedsspruch Nordhausen überall ins Unrecht. Die Schule auf dem Petersberg wurde verboten und die Domschule alleine anerkannt. Nur den weit entfernt wohnenden Schülern war ein Fehlen bei der Frühmesse gestattet. Außerhalb der Stadt durften die Bürger eine Schule anlegen; jedoch, so hieß es, sollten die Schüler dieser Bürgerschule die Domschüler „nicht betrüben“, sonst sollte ihr Schulmeister sie züchtigen. Bald darauf entstand auch eine Schule in der Neustadt bei der Jakobikirche, und diese gemeinsame Schule trug später mit dazu bei, daß dieser neue Stadtteil seine Vereinigung mit der Altstadt fand.<ref>Dieser die Grundstimmungen des 14. Jahrhunderts aufdeckende Kampf ist bisher noch nicht dargestellt worden. Deshalb wurde hier etwas ausführlicher darauf eingegangen. Im übrigen vergl. Förstemann, Chronik, 253 f.</ref>
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Zu diesen Bestimmungen, die große Opfer verursachten und die jahrelange planvolle Erweiterung städtischer Rechte unterbanden, traten weitere, die Stadt tief demütigende. Den Geistlichen, die es mit dem Volke gehalten hatten, wurde auferlegt, nach Rom zu pilgern und daselbst Gnade zu erlangen. Ihrer Pfründen gingen sie für immer verlustig. Die Nordhäuser Ratmannen mußten den vertriebenen Geistlichen bei ihrem Einzug entgegenreiten, ihnen vor den Toren mitteilen, daß aller Zwist beigelegt sei, und sie danach in festlichem Zuge einholen. Die Kommission hatte weiterhin das Gehen vor dem Kreuze, das Tragen von Kerzen, die Stiftung von Altären zur „geistlichen Besserung“ bestimmt; doch diese letzten Demütigungen wurden den stolzen Ratmannen auf Fürsprache des Erfurter Rates schließlich erlassen.
Zu diesen Bestimmungen, die große Opfer verursachten und die jahrelange planvolle Erweiterung städtischer Rechte unterbanden, traten weitere, die Stadt tief demütigende. Den Geistlichen, die es mit dem Volke gehalten hatten, wurde auferlegt, nach Rom zu pilgern und daselbst Gnade zu erlangen. Ihrer Pfründen gingen sie für immer verlustig. Die Nordhäuser Ratmannen mußten den vertriebenen Geistlichen bei ihrem Einzug entgegenreiten, ihnen vor den Toren mitteilen, daß aller Zwist beigelegt sei, und sie danach in festlichem Zuge einholen. Die Kommission hatte weiterhin das Gehen vor dem Kreuze, das Tragen von Kerzen, die Stiftung von Altären zur „geistlichen Besserung“ bestimmt; doch diese letzten Demütigungen wurden den stolzen Ratmannen auf Fürsprache des Erfurter Rates schließlich erlassen.


So wurden dann im Sommer 1326 die vertriebenen Geistlichen am Sundhäuser Tore erwartet und mit großem Gepränge begrüßt. Der Festzug, in welchem Kreuze und Fahnen mitgeführt wurden, ging durch die ganze Stadt, und stolz und höhnisch genug mögen die Stiftsherrn und die Pröpste vom Neuen- und Altendorfe, die besonders scharfe Gegner der Stadt gewesen waren, einhergeschritten sein.Diesen Vergleich, d. h. die Unterwerfung Nordhausens, bestätigte Erzbischof Mathias von Mainz am 16. Juli 1326 und hob, „der Reuigen sich erbarmend“, Suspension, Exkommunikation und Interdikt auf. Dafür durfte die Stadt ihm 600 M Silber zahlen, und da das Volk der Meinung war, es habe genug getan, auferlegte es die Bezahlung dieser Summe den vornehmen „Anstiftern?. Diese sträubten sich zunächst, übernahmen dann schließlich aber doch die Bezahlung. Eine Reihe von Sühnungen aus den Jahren 1326 und 1327 zeigen die Aussöhnung unter den Bürgern. Hermann von Urbach, Konrad Tockenfuß und Sohn, Syfert Walpurge verzichteten auf Schadenersatz und gelobten, in Frieden mit den übrigen Bürgern zu leben.
So wurden dann im Sommer 1326 die vertriebenen Geistlichen am Sundhäuser Tore erwartet und mit großem Gepränge begrüßt. Der Festzug, in welchem Kreuze und Fahnen mitgeführt wurden, ging durch die ganze Stadt, und stolz und höhnisch genug mögen die Stiftsherrn und die Pröpste vom Neuen- und Altendorfe, die besonders scharfe Gegner der Stadt gewesen waren, einhergeschritten sein.Diesen Vergleich, d.h. die Unterwerfung Nordhausens, bestätigte Erzbischof Mathias von Mainz am 16. Juli 1326 und hob, „der Reuigen sich erbarmend“, Suspension, Exkommunikation und Interdikt auf. Dafür durfte die Stadt ihm 600 M Silber zahlen, und da das Volk der Meinung war, es habe genug getan, auferlegte es die Bezahlung dieser Summe den vornehmen „Anstiftern?. Diese sträubten sich zunächst, übernahmen dann schließlich aber doch die Bezahlung. Eine Reihe von Sühnungen aus den Jahren 1326 und 1327 zeigen die Aussöhnung unter den Bürgern. Hermann von Urbach, Konrad Tockenfuß und Sohn, Syfert Walpurge verzichteten auf Schadenersatz und gelobten, in Frieden mit den übrigen Bürgern zu leben.


Tiefe Wunden und tiefe Mißstimmung hatte der Streit in der Bürgerschaft aber doch zurückgelassen. 60 Bürger blieben verbannt, gingen an den Hof der Grafen von Honstein-Sondershausen und zettelten dort Umtriebe gegen ihre Heimatstadt an. Keinem war das aber lieber als den Grafen und Herren draußen, die, durch die Entwicklung der Wirtschaft selbst in eine z. T. schwierige Lage geraten, keine Gelegenheit ungenützt ließen, ihr Schäflein auf Kosten der Städter in Sicherheit zu bringen. –
Tiefe Wunden und tiefe Mißstimmung hatte der Streit in der Bürgerschaft aber doch zurückgelassen. 60 Bürger blieben verbannt, gingen an den Hof der Grafen von Honstein-Sondershausen und zettelten dort Umtriebe gegen ihre Heimatstadt an. Keinem war das aber lieber als den Grafen und Herren draußen, die, durch die Entwicklung der Wirtschaft selbst in eine z.T. schwierige Lage geraten, keine Gelegenheit ungenützt ließen, ihr Schäflein auf Kosten der Städter in Sicherheit zu bringen. –


Wenn man die vielfachen Wirren und Fehden des 14. Jahrhunderts verstehen will, so muß man die politischen Verhältnisse, unter denen die Deutschen damals lebten, ganz allgemein ins Auge fassen. Die Macht des Königs war seit dem Interregnum gering, die der Fürsten noch nicht stark genug. Die Landfrieden, die von Zeit zu Zeit verkündet wurden, waren in bester Absicht geschlossen, bändigten die Selbstsucht einzelner aber nicht, weil keine reale Macht hinter ihnen stand. So löste sich eigentlich alles auf in Interessengruppen: Hier bildete sich ein Fürstenbund, der auf Kosten eines anderen seine politischen Grenzen hinausschieben wollte, wie der gefährliche Bund gegen den Brandenburger Waldemar den Großen vom Jahre 1316, dort bildeten sich ständische Vereinigungen, die ihre wirtschaftlichen Interessen den anderen Ständen gegenüber durchzusetzen strebten, wie die Hanse im Norden oder der rheinisch-westfälische Städtebund im Westen, und dort wieder schlossen sich in einzelnen kleinen Landschaften Ritter oder Bürger zusammen, die wenigstens innerhalb des kleinen Gebietes ihre Belange wahren wollten, wie etwa der Bund der Ritter in Schwaben oder der Städtebund in der Wetterau.
Wenn man die vielfachen Wirren und Fehden des 14. Jahrhunderts verstehen will, so muß man die politischen Verhältnisse, unter denen die Deutschen damals lebten, ganz allgemein ins Auge fassen. Die Macht des Königs war seit dem Interregnum gering, die der Fürsten noch nicht stark genug. Die Landfrieden, die von Zeit zu Zeit verkündet wurden, waren in bester Absicht geschlossen, bändigten die Selbstsucht einzelner aber nicht, weil keine reale Macht hinter ihnen stand. So löste sich eigentlich alles auf in Interessengruppen: Hier bildete sich ein Fürstenbund, der auf Kosten eines anderen seine politischen Grenzen hinausschieben wollte, wie der gefährliche Bund gegen den Brandenburger Waldemar den Großen vom Jahre 1316, dort bildeten sich ständische Vereinigungen, die ihre wirtschaftlichen Interessen den anderen Ständen gegenüber durchzusetzen strebten, wie die Hanse im Norden oder der rheinisch-westfälische Städtebund im Westen, und dort wieder schlossen sich in einzelnen kleinen Landschaften Ritter oder Bürger zusammen, die wenigstens innerhalb des kleinen Gebietes ihre Belange wahren wollten, wie etwa der Bund der Ritter in Schwaben oder der Städtebund in der Wetterau.
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Die Darlegung dieser Herrschaftsverhältnisse vor den Toren Nordhausens ist nötig, wenn man die Abhängigkeiten der Stadt von den Territorialherren und ihre Auseinandersetzungen mit ihnen verstehen will. In jener ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts standen nun die Dinge meist so, daß die einzelnen aus der Linie Honstein hervorgegangen gräflichen Häuser unter sich und mit dem einen oder anderen benachbarten Geschlecht verbunden waren. Häufig standen die Grafen von Beichlingen, die an der unteren Unstrut und am Kyffhäuser Besitzungen hatten, an ihrer Seite, doch auch die Grafen nördlich des Harzes, die Blankenburger und Regensteiner, unterstützten sie wohl bei ihren Unternehmungen. Für Nordhausen am bedeutsamsten war die Stellungnahme der beiden Linien Honstein, der nördlichen, die für 20 Jahre das Schulzenamt innehatte, und der südlichen, sondershäusischen, die 1312-1356 im Besitze der Vogtei war. Wegen der Ansprüche, welche diese Linien auf Nordhausen hatten, gestaltete sich das Verhältnis zu ihnen auch am unerquicklichsten. Den größten Haß auf die Stadt hatte Honstein-Sondershausen; doch auch mit Honstein-Klettenberg gedieh der Stadt mancher Span. Friedfertig war im allgemeinen Stolberg, doch fühlte es sich den übrigen Grafschaften verbunden und stand deshalb des öfteren an der Seite der Honsteiner. Die Beichlinger und Regensteiner aber traten jedesmal dann auf, wenn es irgendeine Beute zu erhaschen gab. Ihre Politik Nordhausen gegenüber war nicht durch größere Gesichtspunkte bestimmt, sondern nur der Ausfluß einer aus Fehdelust und Adelsgroll hervorgegangenen Gefühlseinstellung.
Die Darlegung dieser Herrschaftsverhältnisse vor den Toren Nordhausens ist nötig, wenn man die Abhängigkeiten der Stadt von den Territorialherren und ihre Auseinandersetzungen mit ihnen verstehen will. In jener ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts standen nun die Dinge meist so, daß die einzelnen aus der Linie Honstein hervorgegangen gräflichen Häuser unter sich und mit dem einen oder anderen benachbarten Geschlecht verbunden waren. Häufig standen die Grafen von Beichlingen, die an der unteren Unstrut und am Kyffhäuser Besitzungen hatten, an ihrer Seite, doch auch die Grafen nördlich des Harzes, die Blankenburger und Regensteiner, unterstützten sie wohl bei ihren Unternehmungen. Für Nordhausen am bedeutsamsten war die Stellungnahme der beiden Linien Honstein, der nördlichen, die für 20 Jahre das Schulzenamt innehatte, und der südlichen, sondershäusischen, die 1312-1356 im Besitze der Vogtei war. Wegen der Ansprüche, welche diese Linien auf Nordhausen hatten, gestaltete sich das Verhältnis zu ihnen auch am unerquicklichsten. Den größten Haß auf die Stadt hatte Honstein-Sondershausen; doch auch mit Honstein-Klettenberg gedieh der Stadt mancher Span. Friedfertig war im allgemeinen Stolberg, doch fühlte es sich den übrigen Grafschaften verbunden und stand deshalb des öfteren an der Seite der Honsteiner. Die Beichlinger und Regensteiner aber traten jedesmal dann auf, wenn es irgendeine Beute zu erhaschen gab. Ihre Politik Nordhausen gegenüber war nicht durch größere Gesichtspunkte bestimmt, sondern nur der Ausfluß einer aus Fehdelust und Adelsgroll hervorgegangenen Gefühlseinstellung.


[[Datei:Linie Geschlecht Honstein.png|thumb]]
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Die kleinen Plänkeleien und Reibereien der Grafen mit der Stadt haben nun aber nicht selten als Hintergrund die größeren Auseinandersetzungen zwischen dem Reich und den Fürsten. Die ersten Jahrzehnte des 14. Jahrhunderts waren ja für Thüringen ganz besonders mit Unruhe erfüllt, weil die Nachfolger Adolfs insofern seine Politik fortsetzten, als sie genau so wie dieser Ansprüche auf Meißen und Thüringen erhoben, aber die Söhne Albrechts des Entarteten, Friedrich und Diezmann, die Länder tapfer verteidigten. So kam es auch noch während der Regierung Albrechts I. und Heinrichs VII. zu blutigen Kämpfen, bis dann Ludwig der Baier einen anderen Weg einschlug: Er stellte dem Besitzer Thüringens eine seiner Töchter zur Verfügung und zog wenigstens durch diese Versorgung Nutzen aus dem umstrittenen Lande.
Die kleinen Plänkeleien und Reibereien der Grafen mit der Stadt haben nun aber nicht selten als Hintergrund die größeren Auseinandersetzungen zwischen dem Reich und den Fürsten. Die ersten Jahrzehnte des 14. Jahrhunderts waren ja für Thüringen ganz besonders mit Unruhe erfüllt, weil die Nachfolger Adolfs insofern seine Politik fortsetzten, als sie genau so wie dieser Ansprüche auf Meißen und Thüringen erhoben, aber die Söhne Albrechts des Entarteten, Friedrich und Diezmann, die Länder tapfer verteidigten. So kam es auch noch während der Regierung Albrechts I. und Heinrichs VII. zu blutigen Kämpfen, bis dann Ludwig der Baier einen anderen Weg einschlug: Er stellte dem Besitzer Thüringens eine seiner Töchter zur Verfügung und zog wenigstens durch diese Versorgung Nutzen aus dem umstrittenen Lande.
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Doch der Grundton war auf Jubel über die Errettung gestimmt. Man beschloß aus Dankbarkeit über die Rettung alljährlich am Freitag vor Palmarum ein großes Fest zu feiern, an dem jeder fröhlich sein sollte. Es ward an diesem Tage eine Prozession rings um die Stadt veranstaltet, danach in der Barfüßerkirche ein Gottesdienst gefeiert und für die Gefallenen eine Messe gelesen. Um den Tag aber für jeden zu einem Freudentage zu gestalten, ward eine reiche Spende gestiftet, aus der alt und jung, arm und reich alljährlich Gaben empfing. Die Statuten setzten genau fest, was jedem an diesem Spendefeste, nach dem die Barfüßerkirche fortan auch Spendekirche hieß, zufallen sollte. Die Geistlichen, Ratsherrn, Lehrer, Schüler, die Armen der Stadt, die Reiter und Schützen, die im Festzuge mitgingen, alle wurden mit Geldgeschenken, zum Teil aber auch mit Brot und Heringen bedacht; ebenso fiel auch für die Armen und Kranken in den Spitälern, vor allem im Martinihospital, eine schöne Liebesgabe ab. Der Rat veranstaltete in den ersten Jahrzehnten an diesem Tage auch ein großes Festessen, doch kam dieser Brauch später ab.
Doch der Grundton war auf Jubel über die Errettung gestimmt. Man beschloß aus Dankbarkeit über die Rettung alljährlich am Freitag vor Palmarum ein großes Fest zu feiern, an dem jeder fröhlich sein sollte. Es ward an diesem Tage eine Prozession rings um die Stadt veranstaltet, danach in der Barfüßerkirche ein Gottesdienst gefeiert und für die Gefallenen eine Messe gelesen. Um den Tag aber für jeden zu einem Freudentage zu gestalten, ward eine reiche Spende gestiftet, aus der alt und jung, arm und reich alljährlich Gaben empfing. Die Statuten setzten genau fest, was jedem an diesem Spendefeste, nach dem die Barfüßerkirche fortan auch Spendekirche hieß, zufallen sollte. Die Geistlichen, Ratsherrn, Lehrer, Schüler, die Armen der Stadt, die Reiter und Schützen, die im Festzuge mitgingen, alle wurden mit Geldgeschenken, zum Teil aber auch mit Brot und Heringen bedacht; ebenso fiel auch für die Armen und Kranken in den Spitälern, vor allem im Martinihospital, eine schöne Liebesgabe ab. Der Rat veranstaltete in den ersten Jahrzehnten an diesem Tage auch ein großes Festessen, doch kam dieser Brauch später ab.


 
Nach dem mißlungenen Überfall kam es noch im selben Jahre 1329 zu verschiedenen Friedensschlüssen: am 22. August vertrug sich die Stadt mit Stolberg, am 31. Dezember mit den Regensteinem; Honstein-Sondershausen blieb feindlich gesinnt und benutzte die Vertriebenen weiterhin, die Stadt zu schädigen. Noch im Jahre 1331 versuchten es einige ehemalige Bürger, mit Nachschlüsseln Mauerpforten zu öffnen und mit Hilfe von Seilen und Leitern die Mauer selbst am Petersberge zu ersteigen. Doch der Anschlag ward bemerkt und vereitelt, einem Gefangenen wurden die Augen ausgestochen, vier andere zu Tode geschleift. Doch scheint die Schuld, daß immer neue Beunruhigungen eintraten, nicht nur auf Seiten der Sondershäuser gelegen zu haben, sondern auch bei den unversöhnlichen Bürgern. Die Nordhäuser konnten nicht verwinden, daß einige der Ihrigen abtrünnig geworden und nun draußen in der Landschaft eine ewige Gefahr für sie waren. So kam es denn erst am 19. Juni 1336 zum Ausgleich, nachdem Nordhausen endlich eingewilligt hatte, daß die Vertriebenen sich in einer bestimmten Entfernung von der Stadt ansiedeln, aber die Stadt nicht schädigen durften. Auch die Namen dieser Landflüchtigen sind uns überliefert. Es waren Hermann von Hunoldisdorf, zwei Gebrüder von Wechsungen, Heinrich von Husacken, Thilo von Bockelnhagen, Lamprecht Wollenweber, Heinrich Kalwe u.a.m. In welche Zuckungen aber der Streit zwischen Patriziern und Plebejern, zwischen Geistlichen und Bürgern die Stadt noch immer versetzte und zu welchen äußersten Mitteln die herrschende Klasse gezwungen zu sein glaubte, erkennt man daran, daß 1338 schon wieder 70 Bürger mit Weib und Kind aus der Stadt und ins Elend getrieben wurden.<ref>Neue Mitteilungen des Thüringisch-Sächsischen Vereins zur Erforschung des vaterländischen Altertums III. 4. 65.</ref>
[[Datei:Das tausendjährige Nordhausen - Bild 12.jpg|thumb|center|Bild 12. Blasiikirche. Carl Schiewek, Phot.]]
 
 
[[Datei:Das tausendjährige Nordhausen - Bild 13.jpg|thumb|center|Bild 13. Papst Johann XXII. erlaubt die Anlegung einer neuen Schule. Avigon 1319, Juni 27. — (Original-Pergament; Stadtarchiv.) — Siegel in Blei. Carl Schiewek, Phot.]]
 
 
Nach dem mißlungenen Überfall kam es noch im selben Jahre 1329 zu verschiedenen Friedensschlüssen: am 22. August vertrug sich die Stadt mit Stolberg, am 31. Dezember mit den Regensteinem; Honstein-Sondershausen blieb feindlich gesinnt und benutzte die Vertriebenen weiterhin, die Stadt zu schädigen. Noch im Jahre 1331 versuchten es einige ehemalige Bürger, mit Nachschlüsseln Mauerpforten zu öffnen und mit Hilfe von Seilen und Leitern die Mauer selbst am Petersberge zu ersteigen. Doch der Anschlag ward bemerkt und vereitelt, einem Gefangenen wurden die Augen ausgestochen, vier andere zu Tode geschleift. Doch scheint die Schuld, daß immer neue Beunruhigungen eintraten, nicht nur auf Seiten der Sondershäuser gelegen zu haben, sondern auch bei den unversöhnlichen Bürgern. Die Nordhäuser konnten nicht verwinden, daß einige der Ihrigen abtrünnig geworden und nun draußen in der Landschaft eine ewige Gefahr für sie waren. So kam es denn erst am 19. Juni 1336 zum Ausgleich, nachdem Nordhausen endlich eingewilligt hatte, daß die Vertriebenen sich in einer bestimmten Entfernung von der Stadt ansiedeln, aber die Stadt nicht schädigen durften. Auch die Namen dieser Landflüchtigen sind uns überliefert. Es waren Hermann von Hunoldisdorf, zwei Gebrüder von Wechsungen, Heinrich von Husacken, Thilo von Bockelnhagen, Lamprecht Wollenweber, Heinrich Kalwe u. a.m. In welche Zuckungen aber der Streit zwischen Patriziern und Plebejern, zwischen Geistlichen und Bürgern die Stadt noch immer versetzte und zu welchen äußersten Mitteln die herrschende Klasse gezwungen zu sein glaubte, erkennt man daran, daß 1338 schon wieder 70 Bürger mit Weib und Kind aus der Stadt und ins Elend getrieben wurden.<ref>Neue Mitteilungen des Thüringisch-Sächsischen Vereins zur Erforschung des vaterländischen Altertums III. 4. 65.</ref>


Dennoch bedeuteten diese dreißiger Jahre bis etwa zum Jahre 1338 hin gegenüber dem bösen vorhergehenden Jahrzehnt eine Entspannung und Entlastung. Nur dadurch war es auch möglich, die großen Summen aufzubringen, welche Nordhausen, das ja seit 1323 an Thüringen verpfändet war, Friedrich dem Ernsten schuldete. Im Jahre 1333 vermochte sich die Stadt mit Friedrich zu verständigen, und im folgenden Jahre leistete sie eine namhafte Abzahlung der schuldigen 3000 M Silber.
Dennoch bedeuteten diese dreißiger Jahre bis etwa zum Jahre 1338 hin gegenüber dem bösen vorhergehenden Jahrzehnt eine Entspannung und Entlastung. Nur dadurch war es auch möglich, die großen Summen aufzubringen, welche Nordhausen, das ja seit 1323 an Thüringen verpfändet war, Friedrich dem Ernsten schuldete. Im Jahre 1333 vermochte sich die Stadt mit Friedrich zu verständigen, und im folgenden Jahre leistete sie eine namhafte Abzahlung der schuldigen 3000 M Silber.
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Dieser Spruch hätte die Nordhäuser recht befriedigen sollen; sie glaubten aber nach ihrem Erfolge noch größere Freiheiten erlangen und das für die Stadt so überaus wichtige Schulzenamt ganz in ihre Hände bringen zu können. Da aber auch Honstein seine Rechte nicht ohne weiteres herausgab, bewarben sich eigentlich drei, Thüringen, Honstein und Nordhausen, um das Amt. Der Streit dauerte bis 1352, wo Thüringen auf friedliche Weise den Honsteinern die Gerechtsame abkaufte und König Karl IV., der Nachfolger des Baiern, den Nordhäusern ernstlich befahl, die Auflassung des Schulzenamtes an Thüringen anzunehmen, sonst müsse er dem Landgrafen die gewaltsame Besitzergreifung gestatten. Seitdem war das Schulzengericht mit Thüringen verbunden, und als 1423 die Wettiner Thüringen mit Meißen vereinigten, übernahm dies Geschlecht auch Thüringens Rechte an Nordhausen.
Dieser Spruch hätte die Nordhäuser recht befriedigen sollen; sie glaubten aber nach ihrem Erfolge noch größere Freiheiten erlangen und das für die Stadt so überaus wichtige Schulzenamt ganz in ihre Hände bringen zu können. Da aber auch Honstein seine Rechte nicht ohne weiteres herausgab, bewarben sich eigentlich drei, Thüringen, Honstein und Nordhausen, um das Amt. Der Streit dauerte bis 1352, wo Thüringen auf friedliche Weise den Honsteinern die Gerechtsame abkaufte und König Karl IV., der Nachfolger des Baiern, den Nordhäusern ernstlich befahl, die Auflassung des Schulzenamtes an Thüringen anzunehmen, sonst müsse er dem Landgrafen die gewaltsame Besitzergreifung gestatten. Seitdem war das Schulzengericht mit Thüringen verbunden, und als 1423 die Wettiner Thüringen mit Meißen vereinigten, übernahm dies Geschlecht auch Thüringens Rechte an Nordhausen.


Das im Augenblick für Nordhausen Wesentliche war jedoch, daß die Honsteiner gezwungen waren, einzulenken. Ihre Schulden, die sie bei Nordhausen hatten, waren nicht verringert worden, sondern hatten sich noch vergrößert. 1344 betrugen sie 5744 M lötiges Silber, für die sie jährlich allein 600 M Zinsen aufbringen mußten. Da das an barem Gelde nicht möglich war, blieb ihnen nichts weiter übrig, als einer Reihe Nordhäuser Patrizier Dörfer und Schlösser zu verpfänden. Darunter waren Ober- und Niedergebra, Schloß Lohra, Sollstedt, Nohra, Groß- und Kleinwenden u. a.
Das im Augenblick für Nordhausen Wesentliche war jedoch, daß die Honsteiner gezwungen waren, einzulenken. Ihre Schulden, die sie bei Nordhausen hatten, waren nicht verringert worden, sondern hatten sich noch vergrößert. 1344 betrugen sie 5744 M lötiges Silber, für die sie jährlich allein 600 M Zinsen aufbringen mußten. Da das an barem Gelde nicht möglich war, blieb ihnen nichts weiter übrig, als einer Reihe Nordhäuser Patrizier Dörfer und Schlösser zu verpfänden. Darunter waren Ober- und Niedergebra, Schloß Lohra, Sollstedt, Nohra, Groß- und Kleinwenden u.a.


Die gegenseitige Abhängigkeit verband wiederum die Stadt und die Grafen. Als „Landfriedensbewahrer“ riefen die gräflichen Brüder Heinrich, Dietrich, Bernhardt und Ulrich die Landschaft und ihre Städte auf, Räuber und Friedensbrecher, deren es in jenen Zeiten genügend gab, aufzusuchen und zu züchtigen. Auch Nordhausen leistete 1344 diesem Rufe Folge, zog gemeinsam mit den Honsteinern vor die Heinrichsburg bei Harzgerode und wirkte an der Einnahme und Zerstörung mit. Überhaupt lagen damals im Harze, fern von bewohnteren Gegenden, eine ganze Reihe von Raubnestem, in deren Unzugänglichkeit sich die Stegreifritter und ihre Spießgesellen sicher wähnten. 1346 gab es schon wieder einen Zug gegen Raubritter. Diesmal galt es der Erichsburg bei Güntersberge im Harz; doch scheinen sich nicht die Nordhäuser, sondern nur Erfurter und Mühlhäuser an dem Unternehmen beteiligt zu haben. Auch dieses Raubnest wurde gebrochen, und mit den Insassen geschah, was Rechtens war: die adligen Strauchdiebe wurden geköpft, ihre Reisigen an den schönen, knorrigen Bäumen um die Burg herum aufgeknüpft.
Die gegenseitige Abhängigkeit verband wiederum die Stadt und die Grafen. Als „Landfriedensbewahrer“ riefen die gräflichen Brüder Heinrich, Dietrich, Bernhardt und Ulrich die Landschaft und ihre Städte auf, Räuber und Friedensbrecher, deren es in jenen Zeiten genügend gab, aufzusuchen und zu züchtigen. Auch Nordhausen leistete 1344 diesem Rufe Folge, zog gemeinsam mit den Honsteinern vor die Heinrichsburg bei Harzgerode und wirkte an der Einnahme und Zerstörung mit. Überhaupt lagen damals im Harze, fern von bewohnteren Gegenden, eine ganze Reihe von Raubnestem, in deren Unzugänglichkeit sich die Stegreifritter und ihre Spießgesellen sicher wähnten. 1346 gab es schon wieder einen Zug gegen Raubritter. Diesmal galt es der Erichsburg bei Güntersberge im Harz; doch scheinen sich nicht die Nordhäuser, sondern nur Erfurter und Mühlhäuser an dem Unternehmen beteiligt zu haben. Auch dieses Raubnest wurde gebrochen, und mit den Insassen geschah, was Rechtens war: die adligen Strauchdiebe wurden geköpft, ihre Reisigen an den schönen, knorrigen Bäumen um die Burg herum aufgeknüpft.
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[[Kategorie:Geschichte der freien Reichsstadt Nordhausen|2-04]]
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