Bearbeiten von „Nordhausen (Kunstführer, 1929)

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== Geschichtlicher Überblick ==
== Geschichtlicher Überblick ==
[[Datei:Ältestes Stadtsiegel Nordhausen.jpg|thumb|200px|Ältestes Stadtsiegel, um 1225.]]


Siedlung am Frauenberge um 780—790. Um 910 Erbauung einer Burg durch Heinrich I.; daselbst 920 Geburt Heinrichs, des Sohnes Heinrichs I. und Mathildes. Der jener Burg beigelegte Name Nordhausen urkundlich zuerst 13. Mai 927. Mathilde gründet das Domstift (später benannt „zum hl. Kreuz“) 961. Über die Geschichte des Stiftes vgl. das Kapitel „Der Dom“. Nordhausen wird durch Barbarossa dem Domstift überlassen 16. März 1158. Eroberung Nordhausens durch Heinrich den Löwen Mai 1180. Bis gegen 1200 vollzieht sich die Ausbildung der Neustadt und des Altendorfes. Das Nonnenkloster auf dem Frauenberge wird gegründet. Belagerungen Nordhausens durch Hermann von Thüringen und Otto IV. Des letzteren Hochzeit in Nordhausen 22. Juli 1212. Friedrich II. wandelt das Nonnenkloster in ein Domherrenstift um 27. Juli 1220. Nordhausen wird reichsfrei! Allmähliche Entwicklung des bürgerlichen Lebens in Nordhausen. Erstes Stadtsiegel um 1225. Um 1230 Niederlassung der Franziskaner in Nordhausen. Stadtbrand 1234. Die St. Blasiikirche gegründet. Erste Urkunde des Stadtrates 2. Februar 1266. Umbau des Domes seit Ende des 12. Jahrhunderts bis 1267 (Vollendung des Chores). Die Burg zerstört um 1277. Weihe der Spendekirche 1278. Erstes Rathaus um 1280. Kapelle zu St. Cyriakus eingerichtet bei dem bereits bestehenden Hospital 1281. Einzug der Dominikaner in Nordhausen 1286, wo ihnen 1287 Niederlassung gewährt wird. Die Georgskapelle am (späteren) Kornmarkt 1289. Der Bau der Petrikirche beginnt um 1290. Die Cisterzienserinnen, die seit 1238 ein Kloster in Bischoferode gehabt hatten, ziehen in das Altendorf 1294.' 1295 Gründung des Klosters Himmelgarten. Die Stadt erhält starke Befestigungen um den Anfang des 14. Jahrhunderts. Der Deutschritterorden in Nordhausen 1307. Die Jakobikirche erbaut um 1310. Nachdem bisher nur die Schule des Domstiftes existiert hatte, wird die Errichtung einer Stadtschule durch Papst Johann XXII. bewilligt 1319. Der Aufstand der Bürger gegen die Geistlichkeit 1324—1326 endet zugunsten der letzteren. Kämpfe zwischen den Ständen der Stadt seit 1338. Judenverbrennung angeblich 5. Mai 1349. Großer Umbau des Rathauses 1360. Die Nikolaikirche erbaut in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts. Erneuerung und Erweiterung der Stadtbefestigungen 1365 bis 1406. Das Riesenhaus zuerst erwähnt 1375. Aufstand der Kleinbürger gegen die Geschlechter endet mit dem Siege der ersteren 14. Februar 1375. Das Martinhospital durch die Brüder Segemund gestiftet 1389. Der Roland zuerst erwähnt 1441. Nordhausen Mitglied der Hansa 1430—1432. Das Elisabethhospital gestiftet 1436. Im gleichen Jahre kaiserliche Genehmigung zur Anlage von Außenbefestigungen; ihr Bau zieht sich bis 1487 hin. Die jetzige Blasiikirche erbaut in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts. Seit etwa 1500 beginnt in Nordhausen das Branntweinbrennern Bei der Kreiseinteilung des Reiches auf dem Reichstage zu Köln 1512 wird Nordhausen dem niedersächsischen Kreise zugeteilt. Die Reformation in Nordhausen: erste protestantische Predigt in der Petrikirche 1522. Michael Meyenburg wird Syndikus von Nordhausen 1523 (Bürgermeister seit 1547, f 1555). Rasche Durchführung der Reformation. Heftiges Einschreiten gegen Katholiken und Juden. Stadtbrand 1540. Die Freiheit des Domstiftes, das katholisch bleibt, gewährleistet. Rathausneubau 1608—1610. Stadtbrand 1612. Pest 1626. Die Schweden in Nordhausen 2. März und 19. Juli 1632. Schwedisches Attentat auf den Roland 1647. Pest 1681—1682. Brand der Unterstadt 4. Mai 1686. Erneuerung der Altendorfer Kirche 1697. Verheerender Brand in der Oberstadt (westlicher Teil) 23.—24. August 1710. Abermaliger großer Brand in der Oberstadt (nördlicher und östlicher Teil) 21. August 1712. Erneuerung des Rolandes 1717. Neubau der Jakobikirche 1744—1749. Preußen erhält die Reichsstadt Nordhausen 23. Mai 1802, Bestätigung der Einverleibung in Preußen 6. Juni 1802. Besitzergreifung der Stadt; Verlust der Reichsfreiheit 2. August 1802.
Siedlung am Frauenberge um 780—790. Um 910 Erbauung einer Burg durch Heinrich I.; daselbst 920 Geburt Heinrichs, des Sohnes Heinrichs I. und Mathildes. Der jener Burg beigelegte Name Nordhausen urkundlich zuerst 13. Mai 927. Mathilde gründet das Domstift (später benannt „zum hl. Kreuz“) 961. Über die Geschichte des Stiftes vgl. das Kapitel „Der Dom“. Nordhausen wird durch Barbarossa dem Domstift überlassen 16. März 1158. Eroberung Nordhausens durch Heinrich den Löwen Mai 1180. Bis gegen 1200 vollzieht sich die Ausbildung der Neustadt und des Altendorfes. Das Nonnenkloster auf dem Frauenberge wird gegründet. Belagerungen Nordhausens durch Hermann von Thüringen und Otto IV. Des letzteren Hochzeit in Nordhausen 22. Juli 1212. Friedrich II. wandelt das Nonnenkloster in ein Domherrenstift um 27. Juli 1220. Nordhausen wird reichsfrei! Allmähliche Entwicklung des bürgerlichen Lebens in Nordhausen. Erstes Stadtsiegel um 1225. Um 1230 Niederlassung der Franziskaner in Nordhausen. Stadtbrand 1234. Die St. Blasiikirche gegründet. Erste Urkunde des Stadtrates 2. Februar 1266. Umbau des Domes seit Ende des 12. Jahrhunderts bis 1267 (Vollendung des Chores). Die Burg zerstört um 1277. Weihe der Spendekirche 1278. Erstes Rathaus um 1280. Kapelle zu St. Cyriakus eingerichtet bei dem bereits bestehenden Hospital 1281. Einzug der Dominikaner in Nordhausen 1286, wo ihnen 1287 Niederlassung gewährt wird. Die Georgskapelle am (späteren) Kornmarkt 1289. Der Bau der Petrikirche beginnt um 1290. Die Cisterzienserinnen, die seit 1238 ein Kloster in Bischoferode gehabt hatten, ziehen in das Altendorf 1294.' 1295 Gründung des Klosters Himmelgarten. Die Stadt erhält starke Befestigungen um den Anfang des 14. Jahrhunderts. Der Deutschritterorden in Nordhausen 1307. Die Jakobikirche erbaut um 1310. Nachdem bisher nur die Schule des Domstiftes existiert hatte, wird die Errichtung einer Stadtschule durch Papst Johann XXII. bewilligt 1319. Der Aufstand der Bürger gegen die Geistlichkeit 1324—1326 endet zugunsten der letzteren. Kämpfe zwischen den Ständen der Stadt seit 1338. Judenverbrennung angeblich 5. Mai 1349. Großer Umbau des Rathauses 1360. Die Nikolaikirche erbaut in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts. Erneuerung und Erweiterung der Stadtbefestigungen 1365 bis 1406. Das Riesenhaus zuerst erwähnt 1375. Aufstand der Kleinbürger gegen die Geschlechter endet mit dem Siege der ersteren 14. Februar 1375. Das Martinhospital durch die Brüder Segemund gestiftet 1389. Der Roland zuerst erwähnt 1441. Nordhausen Mitglied der Hansa 1430—1432. Das Elisabethhospital gestiftet 1436. Im gleichen Jahre kaiserliche Genehmigung zur Anlage von Außenbefestigungen; ihr Bau zieht sich bis 1487 hin. Die jetzige Blasiikirche erbaut in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts. Seit etwa 1500 beginnt in Nordhausen das Branntweinbrennern Bei der Kreiseinteilung des Reiches auf dem Reichstage zu Köln 1512 wird Nordhausen dem niedersächsischen Kreise zugeteilt. Die Reformation in Nordhausen: erste protestantische Predigt in der Petrikirche 1522. Michael Meyenburg wird Syndikus von Nordhausen 1523 (Bürgermeister seit 1547, f 1555). Rasche Durchführung der Reformation. Heftiges Einschreiten gegen Katholiken und Juden. Stadtbrand 1540. Die Freiheit des Domstiftes, das katholisch bleibt, gewährleistet. Rathausneubau 1608—1610. Stadtbrand 1612. Pest 1626. Die Schweden in Nordhausen 2. März und 19. Juli 1632. Schwedisches Attentat auf den Roland 1647. Pest 1681—1682. Brand der Unterstadt 4. Mai 1686. Erneuerung der Altendorfer Kirche 1697. Verheerender Brand in der Oberstadt (westlicher Teil) 23.—24. August 1710. Abermaliger großer Brand in der Oberstadt (nördlicher und östlicher Teil) 21. August 1712. Erneuerung des Rolandes 1717. Neubau der Jakobikirche 1744—1749. Preußen erhält die Reichsstadt Nordhausen 23. Mai 1802, Bestätigung der Einverleibung in Preußen 6. Juni 1802. Besitzergreifung der Stadt; Verlust der Reichsfreiheit 2. August 1802.
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=== Die Frauenbergkirche ===
=== Die Frauenbergkirche ===
[[Datei:Grundriß der Frauenbergkirche Nordhausen.jpg|thumb|200px|Grundriß der Frauenbergkirche]]


''Geschichte''. Erste Erwähnung 1200. Der Name der Kirche „St. Mariae novi operis11 „Neuwerk11, deutet nicht unbedingt an, daß dieser Bau an die Stelle eines älteren getreten sei. Erste Äbtissin Jutta, Cister-zienserin aus Wöltingerode bei Goslar. Schutzbrief Friedrichs II. 1237. Bestätigung der Klostergüter durch Papst Innocenz IV. 1246. Aufhebung des Klosters 1558.
''Geschichte''. Erste Erwähnung 1200. Der Name der Kirche „St. Mariae novi operis11 „Neuwerk11, deutet nicht unbedingt an, daß dieser Bau an die Stelle eines älteren getreten sei. Erste Äbtissin Jutta, Cister-zienserin aus Wöltingerode bei Goslar. Schutzbrief Friedrichs II. 1237. Bestätigung der Klostergüter durch Papst Innocenz IV. 1246. Aufhebung des Klosters 1558.
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=== Der Dom ===
=== Der Dom ===


[[Datei:Nordhäuser Dom 1929 Schiewek.jpg|thumb|200px|Dom. Ansicht von Osten.]]
[[Datei:Nordhäuser Dom 1929 Schiewek.jpg|thumb|Dom. Ansicht von Osten.]]


''Geschichte''. Wegen Vernichtung des Stiftsarchives im Dreißigjährigen Kriege und zu Anfang des 19. Jahrhunderts Nachrichten nur spärlich. Gründung als Frauenkloster zu Ehren der hl. Jungfrau, Johannis des Täufers und des hl. Eustachius 961 durch Mathilde, die Witwe des Königs Heinrich I. Otto II. erteilt in Vertretung seines Vaters 962 dem Kloster Markt-, Zoll- und Münzrecht. Otto I. verheißt seiner Mutter im Juni 965 zu Köln seinen und seiner Nachkommen Schutz der neuen Stiftung und bestätigt die Zusage später nochmals in Nordhausen. Der Bau 967 noch nicht vollendet. Otto III. schenkt der Kirche eine Partikel des hl. Kreuzes. Daher der Name „Kreuzstift“, ecclesia sanctae crucis. Hohe Verehrung dieser Reliquie, Prozessionen, Wallfahrten. Vernichtender Brand des Klosters bei der Zerstörung der Stadt durch Heinrich den Löwen 1180. Verwandlung des Frauenklosters in ein Chorherrnstift durch Friedrich II. 1220. Gerichtsbarkeit, Zoll- und Münzrecht des Stiftes gehen an das Reich über. Das Stift wird durch Zuweisung der Nikolai-, Peters-, Marienkirche außerhalb der Mauern (Frauenberger Kirche, damals novum opus, Neuwerk, genannt), sowie durch andere Schenkungen entschädigt. Neue kaiserliche Spenden (im März) 1223 bei Bestätigung der vorigen Bestimmungen durch Friedrich II. und (im September) durch seinen Sohn Heinrich ; letzterer fügt noch das Patronat über die St. Blasiikirche hinzu. Am Ende des 13. Jahrhunderts kommen dazu noch die Jakobs- und die Kirche Maria im Tale (Altendorferkirche). —- 1234 Stadtbrand, bei dem auch der Dom mit den zugehörigen Gebäuden schwer leidet. — 1319 Streit des Stiftes mit der Stadt in Schulangelegenheiten. Bürgeraufstand gegen das Stift 1324. Die Kirche wird städtischer Pferdestall. Nordhausen im Interdikt; als dieses nicht hilft, zweijährige Belagerung der Stadt durch den Erzbischof von Mainz. Vergleich 1326. Der Einführung der Reformation entgeht das Stift unter dem Schutze des Kaisers trotz der heftigen Bemühungen des Stadtrates. Endgültige Sicherung des Stiftes für den Katholizismus durch Schutzbrief Karls V. vom 14. März 1531. Dauer des unerfreulichen Verhältnisses zwischen Stadt und Stiftskapitel. Neuer Schutzhrief Rudolfs II. 1582. Im März 1632 Plünderungen des Domes durch die Schweden; durch die Kaiserlichen 1637; der größte Teil des Domar-chives vernichtet. Letzter kaiserlicher Schutzbrief durch Ferdinandlll. 1651. 1702 geht das Schutzrecht an Preußen über. Prozeß des Domkapitels gegen den Rat 1718, zum Schutze seiner durch das Restitutionsedikt gesicherten Privilegien, endet mit einem Vergleiche, doch bekämpft der Rat auch weiterhin das dem Stifte zugesprochene Recht der Gerichtsbarkeit. Äußerliche Beendigung des Streites im Sinne des Stiftes durch den Reichshofrat 1747. 1802, 2. August, hebt die preußische Regierung die Gerichtsbarkeit des Stiftes auf, nimmt das Archiv weg, beseitigt die Insignien der Reichsfreiheit. Aufhebung des Domstiftes 1. Dezember 1810. Am 22. letzter Gottesdienst im Dome. Die Stiftsgüter werden verschleudert. Demonstrative Ansiedlung der Freimaurerloge auf dem Domgebiete. Nach Beseitigung der französischen Regierung bleibt der Dom katholische Pfarrkirche unter königlich preußischem Patronate.
''Geschichte''. Wegen Vernichtung des Stiftsarchives im Dreißigjährigen Kriege und zu Anfang des 19. Jahrhunderts Nachrichten nur spärlich. Gründung als Frauenkloster zu Ehren der hl. Jungfrau, Johannis des Täufers und des hl. Eustachius 961 durch Mathilde, die Witwe des Königs Heinrich I. Otto II. erteilt in Vertretung seines Vaters 962 dem Kloster Markt-, Zoll- und Münzrecht. Otto I. verheißt seiner Mutter im Juni 965 zu Köln seinen und seiner Nachkommen Schutz der neuen Stiftung und bestätigt die Zusage später nochmals in Nordhausen. Der Bau 967 noch nicht vollendet. Otto III. schenkt der Kirche eine Partikel des hl. Kreuzes. Daher der Name „Kreuzstift“, ecclesia sanctae crucis. Hohe Verehrung dieser Reliquie, Prozessionen, Wallfahrten. Vernichtender Brand des Klosters bei der Zerstörung der Stadt durch Heinrich den Löwen 1180. Verwandlung des Frauenklosters in ein Chorherrnstift durch Friedrich II. 1220. Gerichtsbarkeit, Zoll- und Münzrecht des Stiftes gehen an das Reich über. Das Stift wird durch Zuweisung der Nikolai-, Peters-, Marienkirche außerhalb der Mauern (Frauenberger Kirche, damals novum opus, Neuwerk, genannt), sowie durch andere Schenkungen entschädigt. Neue kaiserliche Spenden (im März) 1223 bei Bestätigung der vorigen Bestimmungen durch Friedrich II. und (im September) durch seinen Sohn Heinrich ; letzterer fügt noch das Patronat über die St. Blasiikirche hinzu. Am Ende des 13. Jahrhunderts kommen dazu noch die Jakobs- und die Kirche Maria im Tale (Altendorferkirche). —- 1234 Stadtbrand, bei dem auch der Dom mit den zugehörigen Gebäuden schwer leidet. — 1319 Streit des Stiftes mit der Stadt in Schulangelegenheiten. Bürgeraufstand gegen das Stift 1324. Die Kirche wird städtischer Pferdestall. Nordhausen im Interdikt; als dieses nicht hilft, zweijährige Belagerung der Stadt durch den Erzbischof von Mainz. Vergleich 1326. Der Einführung der Reformation entgeht das Stift unter dem Schutze des Kaisers trotz der heftigen Bemühungen des Stadtrates. Endgültige Sicherung des Stiftes für den Katholizismus durch Schutzbrief Karls V. vom 14. März 1531. Dauer des unerfreulichen Verhältnisses zwischen Stadt und Stiftskapitel. Neuer Schutzhrief Rudolfs II. 1582. Im März 1632 Plünderungen des Domes durch die Schweden; durch die Kaiserlichen 1637; der größte Teil des Domar-chives vernichtet. Letzter kaiserlicher Schutzbrief durch Ferdinandlll. 1651. 1702 geht das Schutzrecht an Preußen über. Prozeß des Domkapitels gegen den Rat 1718, zum Schutze seiner durch das Restitutionsedikt gesicherten Privilegien, endet mit einem Vergleiche, doch bekämpft der Rat auch weiterhin das dem Stifte zugesprochene Recht der Gerichtsbarkeit. Äußerliche Beendigung des Streites im Sinne des Stiftes durch den Reichshofrat 1747. 1802, 2. August, hebt die preußische Regierung die Gerichtsbarkeit des Stiftes auf, nimmt das Archiv weg, beseitigt die Insignien der Reichsfreiheit. Aufhebung des Domstiftes 1. Dezember 1810. Am 22. letzter Gottesdienst im Dome. Die Stiftsgüter werden verschleudert. Demonstrative Ansiedlung der Freimaurerloge auf dem Domgebiete. Nach Beseitigung der französischen Regierung bleibt der Dom katholische Pfarrkirche unter königlich preußischem Patronate.
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Der Bau der Türme ist in drei kurz aufeinander folgenden Perioden erfolgt. Beweis: die Verschiedenheit des Steinmaterials. Näheres unten. — 1227 Papst Honorius III. erteilt Ablaß für Herstellung des Domes. 1267 Weihe des neuen frühgotischen Chores. Mitte 14. Jahrhunderts Neubau des Langhauses begonnen; da Verlängerung nicht möglich, wird der neue Bau breiter als der alte. Die Kirche erhält (gleich der alten ?) eine horizontale Holzdecke. Seit 1444 weitere Bautätigkeit am Langhause. Vergrößerung der Fenster. Umbau des Kreuzganges beginnt. Anfang des 16. Jahrhunderts Beginn der Ein Wölbung des Langhauses. Steinmetz Valtin, Maurermeister Hans Ziegler von Worbis. Das nördliche Seitenschiff und je drei östliche Joche des Mittel- und südlichen Seitenschiffes bleiben ungewölbt (so bis ins 19. Jahrhundert). 1525 Zerstörung der Margaretenkapelle am Kreuzgange. 1762 werden die Trümmer dieses Baues beseitigt, gleichzeitig der Nord- und Ostflügel des Kreuzganges abgebrochen. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts unbedeutende Sicherungsarbeiten. 1842 Einwölbung des nördlichen Seitenschiffes, Vollendung der östlichen Seitenmauer in Quaderbau. Leitung: Bauinspektor Voß. 1852 die Orgelbühne errichtet (Bildhauer Fichter und Wagner). Herstellung der südlichen Vorhalle. Weitere Herstellungsarbeiten seit den 90er Jahren.
Der Bau der Türme ist in drei kurz aufeinander folgenden Perioden erfolgt. Beweis: die Verschiedenheit des Steinmaterials. Näheres unten. — 1227 Papst Honorius III. erteilt Ablaß für Herstellung des Domes. 1267 Weihe des neuen frühgotischen Chores. Mitte 14. Jahrhunderts Neubau des Langhauses begonnen; da Verlängerung nicht möglich, wird der neue Bau breiter als der alte. Die Kirche erhält (gleich der alten ?) eine horizontale Holzdecke. Seit 1444 weitere Bautätigkeit am Langhause. Vergrößerung der Fenster. Umbau des Kreuzganges beginnt. Anfang des 16. Jahrhunderts Beginn der Ein Wölbung des Langhauses. Steinmetz Valtin, Maurermeister Hans Ziegler von Worbis. Das nördliche Seitenschiff und je drei östliche Joche des Mittel- und südlichen Seitenschiffes bleiben ungewölbt (so bis ins 19. Jahrhundert). 1525 Zerstörung der Margaretenkapelle am Kreuzgange. 1762 werden die Trümmer dieses Baues beseitigt, gleichzeitig der Nord- und Ostflügel des Kreuzganges abgebrochen. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts unbedeutende Sicherungsarbeiten. 1842 Einwölbung des nördlichen Seitenschiffes, Vollendung der östlichen Seitenmauer in Quaderbau. Leitung: Bauinspektor Voß. 1852 die Orgelbühne errichtet (Bildhauer Fichter und Wagner). Herstellung der südlichen Vorhalle. Weitere Herstellungsarbeiten seit den 90er Jahren.
[[Datei:Grunriß des Domes Nordhausen.jpg|thumb|200px|Grundriß des Domes]]


''Baubeschreibung''. Der Dom bietet ein Gemisch stilistisch verschiedener, nicht zu ausgeglichener Erscheinung vereinigter Teile. Der Chor frühgotisch mit geradlinigem Abschlüsse gegen Osten, breiteres gotisches Langhaus, nördlich und südlich über den Chor hinaustretend; in den Ecken am Westende des Chores die beiden schlanken, spätromanischen Türme, aus deren Ostwänden je eine halbrunde Apsis herauswächst. Das Dach des Langhauses steigt, gezwungen durch die Gewölbe der Hallenkirche, zu bedeutender Höhe auf — mehr als 4 m über die Oberkante der Türme, die dadurch in ihrem Eindruck empfindlich beeinträchtigt werden. Raumwirkung des Innern mit den schlanken Pfeilern, den malerischen Gewölben und den, weiches Licht spendenden Fenstern, groß und bedeutend. Freilich erscheint der Chor zu schmal. Langhaus: Breite des Mittelschiffes 10,4 m, der Seitenschiffe je 7,1 m. Das Verhältnis ist also annähernd 2:3:2. Eine gleich günstige Abgewogenheit zwischen Länge und Breite des fast quadratischen Langhauses. Selbst unter Zuhilfenahme der einstigen, westlichen Vorhalle Länge nur 32 m, Breite im Lichten 26,4 m; Länge des Chores 18,2 m, Breite 7,44 m. Der Fußboden des Chores liegt wegen der darunter befindlichen Krypta 1,43 m über dem des Langhauses. — Krypta dreischiffig; Kreuzgewölbe auf 6 kurzen derben Säulen und 12 Wandpfeilern, bzw. Halbsäulen zwischen breiten Gurten eingespannt, also 12 Gewölbejoche. Halbkreisförmiger Abschluß der Altarnische. Drei Lichtöffnungen gegen Osten. Attische Basen der Säulen mit spitz über den unteren Wulst heraufgezogenen Ecken der tragenden Steinplatte. Schlichte Würfelkapitelle mit schwacher halbkreisförmiger Belebung. Je eine Treppe von 8 Stufen in die Turmhallen. Letztere je ein Quadrat von 2,4 m, daran nach Osten, durch breite Gurtbögen geschieden, eine mit einem Halbkreisbogen geschlossene Altarnische. Das Mauerwerk der Türme deutet auf drei Bauzeiten: untere Partie glatter Quaderbau in Muschelkalk mit Querteilung durch zwei Flachbänder und Ecklisenen; Mittelteil rauh in Bundsandstein; oberer Teil Muschelkalk. Schallöffnungen in drei Stockwerken; die untersten mit Kleeblattbogenform.— Chor mit einfachen Kreuzgewölben in drei Jochen: ein etwas älteres großes östliches; von ihm durch einen Gurtbogen getrennt, zwei schmälere, der Gotik bereits näher stehende hintereinander gegen Westen. Chor östlich mit drei schmalen, schlanken, dicht nebeneinander aufsteigenden Fenstern (das mittlere höher als die seitlichen) mit gedrückten Spitzbögen und reichen Leibungen; südlich drei frei verteilte Spitzbogenfenster. Die Säulen an den Giebelfenstern mit Ringen und großzügig gezeichneten Blatt- und Knospenkapitellen. Die beiden äußeren Ecken des Chores sind gesichert durch lisenenartige flache Pfeiler, die schon unterhalb der Unterkanten der Fenster endigen. Unter dem Dachgesimse ein Rundbogenfries mit Diamantband, auch an der Linie des Ostgiebels auf- und absteigend hingeführt. An der Nordseite des Chores angebaut die frühgotische Sakristei; Innenraum mit zwei quadratischen Kreuzgewölben; drei kleine Spitzbogenfenster, ähnlich denen des Chores, in der östlichen Giebelwand. Die Zeichnung der ganzen östlichen, frühgotischen Partie des Domes deutet auf einen Plan voll Ernst, erhabener Schlichtheit und höherem künstlerischem Wert, als dem des späteren hochgotischen Erweiterungsbaues des Langhauses. Das Breitenmaß des frühgotischen Chores ist gleich dem des alten romanischen. Auf die Maße des gleichzeitig beabsichtigten neuen Langhauses läßt dies keinen sicheren Schluß zu. Fürs erste galt dem Stifte vorzugsweise die Rücksicht auf die seit Aufhebung des Nonnenklosters gesteigerten Bedürfnisse des Chordienstes. Hiervon abgesehen ist es typisch, daß mittelalterliche Um- oder Neubauten von Kirchen mit dem Chore beginnen. Es scheint, daß auch der Plan des nicht durchgeführten frühgotischen Baues, und daß ebenso der alte romanische Dom kein Querhaus gehabt hatten. Stark unterstützt wird diese Vermutung für den geplanten frühgotischen Dom durch das Modell, das sich in den Händen einer der gegen 1270 entstandenen Fürstenfiguren im Innern des Chores befindet. Wir sehen das getreue Abbild des heutigen Chores. Links (südlich) an ihn schließt sich der Turm; hinter diesem setzt sogleich das Seitenschiff des basilikal beabsichtigten Langhauses an. — Hier sei noch ein Wort über die Türme hinzugefügt. Sowohl der soeben erwähnte südliche, als auch der nördliche, den das Kirchenmodell in den Händen der einen der Fürstinnen deutlich zeigt, erscheint als im Bau noch unvollendet. Die Stümpfe beider ragen nur wenig über das Dachgesims des Chores empor. Da sich diese Erscheinung bei beiden Modellen wiederholt, so ist sie kein Zufall. Wir haben darin vielmehr den Beweis, daß die Türme zur Zeit, als jene Statuen entstanden, noch nicht fertig waren. Die endgültige Ausführung erfolgte nach den älteren Plänen. — Den Abschluß des Chores gegen das Langhaus bildet der Triumphbogen, der mit seiner gedrückten Form Verwandtschaft mit den Ostfenstern zeigt, doch ohne ornamentiert zu sein. — Der dem Namen nach nicht bekannte Meister des Chores hat sein Zeichen an den Konsolen des Chorgewölbes hinterlassen, je zwei eingeritzte Halbmonde. Es ist das gleiche Meisterzeichen, das sich auch in Walkenried und im frühgotischen Teile des Magdeburger Domes findet und auf ''Maulbronn'' deutet.
''Baubeschreibung''. Der Dom bietet ein Gemisch stilistisch verschiedener, nicht zu ausgeglichener Erscheinung vereinigter Teile. Der Chor frühgotisch mit geradlinigem Abschlüsse gegen Osten, breiteres gotisches Langhaus, nördlich und südlich über den Chor hinaustretend; in den Ecken am Westende des Chores die beiden schlanken, spätromanischen Türme, aus deren Ostwänden je eine halbrunde Apsis herauswächst. Das Dach des Langhauses steigt, gezwungen durch die Gewölbe der Hallenkirche, zu bedeutender Höhe auf — mehr als 4 m über die Oberkante der Türme, die dadurch in ihrem Eindruck empfindlich beeinträchtigt werden. Raumwirkung des Innern mit den schlanken Pfeilern, den malerischen Gewölben und den, weiches Licht spendenden Fenstern, groß und bedeutend. Freilich erscheint der Chor zu schmal. Langhaus: Breite des Mittelschiffes 10,4 m, der Seitenschiffe je 7,1 m. Das Verhältnis ist also annähernd 2:3:2. Eine gleich günstige Abgewogenheit zwischen Länge und Breite des fast quadratischen Langhauses. Selbst unter Zuhilfenahme der einstigen, westlichen Vorhalle Länge nur 32 m, Breite im Lichten 26,4 m; Länge des Chores 18,2 m, Breite 7,44 m. Der Fußboden des Chores liegt wegen der darunter befindlichen Krypta 1,43 m über dem des Langhauses. — Krypta dreischiffig; Kreuzgewölbe auf 6 kurzen derben Säulen und 12 Wandpfeilern, bzw. Halbsäulen zwischen breiten Gurten eingespannt, also 12 Gewölbejoche. Halbkreisförmiger Abschluß der Altarnische. Drei Lichtöffnungen gegen Osten. Attische Basen der Säulen mit spitz über den unteren Wulst heraufgezogenen Ecken der tragenden Steinplatte. Schlichte Würfelkapitelle mit schwacher halbkreisförmiger Belebung. Je eine Treppe von 8 Stufen in die Turmhallen. Letztere je ein Quadrat von 2,4 m, daran nach Osten, durch breite Gurtbögen geschieden, eine mit einem Halbkreisbogen geschlossene Altarnische. Das Mauerwerk der Türme deutet auf drei Bauzeiten: untere Partie glatter Quaderbau in Muschelkalk mit Querteilung durch zwei Flachbänder und Ecklisenen; Mittelteil rauh in Bundsandstein; oberer Teil Muschelkalk. Schallöffnungen in drei Stockwerken; die untersten mit Kleeblattbogenform.— Chor mit einfachen Kreuzgewölben in drei Jochen: ein etwas älteres großes östliches; von ihm durch einen Gurtbogen getrennt, zwei schmälere, der Gotik bereits näher stehende hintereinander gegen Westen. Chor östlich mit drei schmalen, schlanken, dicht nebeneinander aufsteigenden Fenstern (das mittlere höher als die seitlichen) mit gedrückten Spitzbögen und reichen Leibungen; südlich drei frei verteilte Spitzbogenfenster. Die Säulen an den Giebelfenstern mit Ringen und großzügig gezeichneten Blatt- und Knospenkapitellen. Die beiden äußeren Ecken des Chores sind gesichert durch lisenenartige flache Pfeiler, die schon unterhalb der Unterkanten der Fenster endigen. Unter dem Dachgesimse ein Rundbogenfries mit Diamantband, auch an der Linie des Ostgiebels auf- und absteigend hingeführt. An der Nordseite des Chores angebaut die frühgotische Sakristei; Innenraum mit zwei quadratischen Kreuzgewölben; drei kleine Spitzbogenfenster, ähnlich denen des Chores, in der östlichen Giebelwand. Die Zeichnung der ganzen östlichen, frühgotischen Partie des Domes deutet auf einen Plan voll Ernst, erhabener Schlichtheit und höherem künstlerischem Wert, als dem des späteren hochgotischen Erweiterungsbaues des Langhauses. Das Breitenmaß des frühgotischen Chores ist gleich dem des alten romanischen. Auf die Maße des gleichzeitig beabsichtigten neuen Langhauses läßt dies keinen sicheren Schluß zu. Fürs erste galt dem Stifte vorzugsweise die Rücksicht auf die seit Aufhebung des Nonnenklosters gesteigerten Bedürfnisse des Chordienstes. Hiervon abgesehen ist es typisch, daß mittelalterliche Um- oder Neubauten von Kirchen mit dem Chore beginnen. Es scheint, daß auch der Plan des nicht durchgeführten frühgotischen Baues, und daß ebenso der alte romanische Dom kein Querhaus gehabt hatten. Stark unterstützt wird diese Vermutung für den geplanten frühgotischen Dom durch das Modell, das sich in den Händen einer der gegen 1270 entstandenen Fürstenfiguren im Innern des Chores befindet. Wir sehen das getreue Abbild des heutigen Chores. Links (südlich) an ihn schließt sich der Turm; hinter diesem setzt sogleich das Seitenschiff des basilikal beabsichtigten Langhauses an. — Hier sei noch ein Wort über die Türme hinzugefügt. Sowohl der soeben erwähnte südliche, als auch der nördliche, den das Kirchenmodell in den Händen der einen der Fürstinnen deutlich zeigt, erscheint als im Bau noch unvollendet. Die Stümpfe beider ragen nur wenig über das Dachgesims des Chores empor. Da sich diese Erscheinung bei beiden Modellen wiederholt, so ist sie kein Zufall. Wir haben darin vielmehr den Beweis, daß die Türme zur Zeit, als jene Statuen entstanden, noch nicht fertig waren. Die endgültige Ausführung erfolgte nach den älteren Plänen. — Den Abschluß des Chores gegen das Langhaus bildet der Triumphbogen, der mit seiner gedrückten Form Verwandtschaft mit den Ostfenstern zeigt, doch ohne ornamentiert zu sein. — Der dem Namen nach nicht bekannte Meister des Chores hat sein Zeichen an den Konsolen des Chorgewölbes hinterlassen, je zwei eingeritzte Halbmonde. Es ist das gleiche Meisterzeichen, das sich auch in Walkenried und im frühgotischen Teile des Magdeburger Domes findet und auf ''Maulbronn'' deutet.
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=== Die Kirche St. Blasii ===
=== Die Kirche St. Blasii ===
[[Datei:St. Blasiikirche von Westen Nordhausen.jpg|thumb|200px|St. Blasiikirche von Westen.]]


Mit ihren beiden ungleich hohen Türmen, von denen der höhere gegen Norden aus dem Lot geraten ist, eine der charakteristischen Erscheinungen im Stadtbilde Nordhausens.
Mit ihren beiden ungleich hohen Türmen, von denen der höhere gegen Norden aus dem Lot geraten ist, eine der charakteristischen Erscheinungen im Stadtbilde Nordhausens.
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''Kirchenstühle''. Reich geschnitzt; prächtiges, ornamentales Laubwerk. Chorstühle mit figürlichem Schmuck und Wappen. 1735.
''Kirchenstühle''. Reich geschnitzt; prächtiges, ornamentales Laubwerk. Chorstühle mit figürlichem Schmuck und Wappen. 1735.
[[Datei:Grundriß der St. Blasiikirche Nordhausen.jpg|thumb|200px|Grundriß der St. Blasiikirche]]


''Kanzel''. 1592. Stiftung des späteren Bürgermeisters Cyriax Ernst. Reiches Werk der Spätrenaissance. An der Kanzelbrüstung sechs Reliefs, getrennt durch Pilaster, an denen die Freifiguren der vier Evangelisten, des Moses, Jesaias und Jeremias. Reliefs: unter Flachbögen
''Kanzel''. 1592. Stiftung des späteren Bürgermeisters Cyriax Ernst. Reiches Werk der Spätrenaissance. An der Kanzelbrüstung sechs Reliefs, getrennt durch Pilaster, an denen die Freifiguren der vier Evangelisten, des Moses, Jesaias und Jeremias. Reliefs: unter Flachbögen
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=== Das Rathaus und der Roland ===
=== Das Rathaus und der Roland ===
[[Datei:Diele im Rathaus.jpg|thumb|200px|Diele im Rathaus.]]


''Rathaus''. Erste urkundliche Erwähnung auf einer am jetzigen Rathause angebrachten Inschriftplatte von 1360. Doch ist für die Errichtung eines Rathauses sicher ein wesentlich früherer Zeitpunkt anzunehmen, eine Vermutung, die durch die Gleichheit des Bauwerkstoffes einzelner Stellen mit jenen des ältesten romanischen Teiles der Nikolaikirche unterstützt wird. Zugleich wird dadurch bewiesen, daß das Rathaus von Anfang an auf der gleichen Stelle sich befunden hat wie noch jetzt. Wie üblich, gehörten in den alten Städten Rathaus und Stadtpfarrkirche eng zusammen; ersterem gebührt sein Platz auf dem Markte, der letzteren mindestens einer in der nächsten Nähe des Marktes, so daß beide zusammen den Mittelpunkt der weltlichen und geistlichen Verwaltung der bürgerlichen Ansiedlung bilden. So auch in Nordhausen. Nordöstlich vom Chore der Nikolaikirche stand ehemals die alte Wage oder „Brotlaube“, südwestlich vom Rathause befindet sich jetzt der Holzmarkt. Wahrscheinlich war in ältesten Zeiten der freie Bezirk oder Markt, auf dem das Rathaus stand, beträchtlich größer als heute; er ist erst im Laufe der Zeiten durch Anlage von Häuserblocks geteilt worden, eine in alten Städten häufig zu beobachtende Erscheinung. Inmitten dieses geräumigen Bezirkes, an dessen östlicher Grenze das Hospital St. Georg (Ecke der Töpferstraße und des ehemals als selbständiger Platz noch nicht existierenden Kornmarktes) sich befand, standen also Rathaus und Kirche. Daß ersteres gleichzeitig als Kaufhaus gedient habe, läßt sich als typischer Brauch annehmen, wird auch fast zur Gewißheit dadurch, daß das 1360 nachgewiesene Rathaus den gleichen Zweck mit erfüllt hat. Dieses Rathaus von 1360 ist ein Um- oder Erweiterungsbau des ältesten gewesen. Von seinem Aussehen gibt die erwähnte Inschrift Nachricht: es sei schön, mit Fenstern versehen, von angemessener Höhe, beherberge auch eine Kapelle. Erbaut sei es durch Hermann von Werther (vgl. oben „Martinikirche“), Siegfried Kremer (vgl. oben „Petrikirche“) und Ludwig Burner. Man kann aus der Betonung der baulichen Vorzüge dieses Rathauses von 1360 heraushören, daß man es mit Stolz als etwas Vollkommeneres ansah, denn was das alte Rathaus gewesen war. Der Umbau war offenbar erfolgt, weil dieser alte Bau unscheinbar, niedrig (vielleicht nur eine ebenerdige Halle), auch im Innern schlecht belichtet war und den gesteigerten Ansprüchen der Verwaltung und des Handelsverkehrs nicht mehr genügte. Auch die Anlage einer Kapelle für die Ratsmitglieder mutet in diesem Zusammenhänge wie eine Neuerung an. Das Rathaus erlebte also 1360 bereits mindestens den zweiten seiner Bauzustände. Fast genau zweihundert Jahre später, 1562, war es wieder so weit, daß Änderungen und namentlich durchgreifende Ausbesserungen des Gebäudes dringend notwendig wurden. Die Ratsmiglieder fühlten sich in dem baufälligen Hause nicht mehr ihres Lebens sicher und verlegten darum ihre Tagungen zunächst in den oben genannten Walkenrieder Hof, von da 1569 in die „Brotlaube“ (abgebrannt 1612). Einzelnes wurde auch in dieser Zeit getan, wovon die spätgotischen Formen mehrerer Türen noch jetzt Zeugnis ablegen. Endlich kam es 1608 zu einem größeren Umbau, dessen Vollendung sich bis 1610 hinzog. Zu den hohen Kosten erhielt man Privatbeiträge. So spendete ein wohlhabender Bürger nicht weniger als 1500 Meißener Gulden. Das Rathaus behielt auch in diesem dritten seiner Bauzustände den typischen Charakter der Vereinigung von Kauf und Verwaltungsgebäude bei, auch gingen Teile des alten Baues in den neuen über, während das Ganze als Renaissancebau doch fast einer Neuschöpfung gleichkam. Alt sind u. a. der untere Teil des Treppenturmes mit dem Portale sowie die Ecke, an welcher der Roland steht, ferner die Wand mit den gotischen Türen. Eine Längsmauer zieht sich durch die Mitte des ganzen Gebäudes; auf ihr ruhen die Säulenstellungen der beiden Obergeschosse. Die derart im Untergeschosse abgeteilte südliche Halle diente ehemals dem Kaufverkehr; sie öffnete sich mit fünf großen Bögen gegen den Markt und gab dem Bilde des Rathauses ein malerisches, charakteristisches Gepräge. Bei den Veränderungen im Jahre 1883, die einen vierten Bauzustand schufen, wurden diese Bögen geschlossen, die einstige große Kaufhalle durch Zwischenwände in Zimmer aufgeteilt, während man die alten Kreuzgewölbe bestehen ließ. An der westlichen Seite eine zu der alten Halle führende doppelte Freitreppe. Trotz der Veränderungen ist der Eindruck des Rathauses noch immer bedeutend. Er beruht wesentlich auf der Ruhe der in den Obergeschossen gleichmäßig angeordneten gekuppelten Fenster und dem Reize des polygonal aus der Mitte der Südfront heraustretenden Treppenturmes mit seiner in zwei verjüngten Absätzen aufsteigenden, fein gezeichneten Laterne. Im westlichen Teile des ersten Obergeschosses befindet sich ein Raum, der früher die „Regimentsstube“ hieß. Die Stuckdecke neu (1927). Ein über zwei Meter langes, fast einen Meter breites Ölgemälde besitzt mit seiner Darstellung des Aussehens Nordhausens im Jahre 1674 beträchtlichen historischen Wert. Stifter: der Nordhäuser Bürger und Maler Anton Franz Gebhard Stolberg. Im gleichen Saale hängen die Bildnisse der Kaiser Karl IV., MaximilianL, Ferdinand III., Leopold I., Andenken an die Zeit der Reichsunmittelbarkeit; die Maler der Bilder sind nicht festzustellen. Im zweiten Obergeschoß ein schöner Rokokokamin (1733) mit Einfassungen aus Marmor und dem vergoldeten Wappen Nordhausens.
''Rathaus''. Erste urkundliche Erwähnung auf einer am jetzigen Rathause angebrachten Inschriftplatte von 1360. Doch ist für die Errichtung eines Rathauses sicher ein wesentlich früherer Zeitpunkt anzunehmen, eine Vermutung, die durch die Gleichheit des Bauwerkstoffes einzelner Stellen mit jenen des ältesten romanischen Teiles der Nikolaikirche unterstützt wird. Zugleich wird dadurch bewiesen, daß das Rathaus von Anfang an auf der gleichen Stelle sich befunden hat wie noch jetzt. Wie üblich, gehörten in den alten Städten Rathaus und Stadtpfarrkirche eng zusammen; ersterem gebührt sein Platz auf dem Markte, der letzteren mindestens einer in der nächsten Nähe des Marktes, so daß beide zusammen den Mittelpunkt der weltlichen und geistlichen Verwaltung der bürgerlichen Ansiedlung bilden. So auch in Nordhausen. Nordöstlich vom Chore der Nikolaikirche stand ehemals die alte Wage oder „Brotlaube“, südwestlich vom Rathause befindet sich jetzt der Holzmarkt. Wahrscheinlich war in ältesten Zeiten der freie Bezirk oder Markt, auf dem das Rathaus stand, beträchtlich größer als heute; er ist erst im Laufe der Zeiten durch Anlage von Häuserblocks geteilt worden, eine in alten Städten häufig zu beobachtende Erscheinung. Inmitten dieses geräumigen Bezirkes, an dessen östlicher Grenze das Hospital St. Georg (Ecke der Töpferstraße und des ehemals als selbständiger Platz noch nicht existierenden Kornmarktes) sich befand, standen also Rathaus und Kirche. Daß ersteres gleichzeitig als Kaufhaus gedient habe, läßt sich als typischer Brauch annehmen, wird auch fast zur Gewißheit dadurch, daß das 1360 nachgewiesene Rathaus den gleichen Zweck mit erfüllt hat. Dieses Rathaus von 1360 ist ein Um- oder Erweiterungsbau des ältesten gewesen. Von seinem Aussehen gibt die erwähnte Inschrift Nachricht: es sei schön, mit Fenstern versehen, von angemessener Höhe, beherberge auch eine Kapelle. Erbaut sei es durch Hermann von Werther (vgl. oben „Martinikirche“), Siegfried Kremer (vgl. oben „Petrikirche“) und Ludwig Burner. Man kann aus der Betonung der baulichen Vorzüge dieses Rathauses von 1360 heraushören, daß man es mit Stolz als etwas Vollkommeneres ansah, denn was das alte Rathaus gewesen war. Der Umbau war offenbar erfolgt, weil dieser alte Bau unscheinbar, niedrig (vielleicht nur eine ebenerdige Halle), auch im Innern schlecht belichtet war und den gesteigerten Ansprüchen der Verwaltung und des Handelsverkehrs nicht mehr genügte. Auch die Anlage einer Kapelle für die Ratsmitglieder mutet in diesem Zusammenhänge wie eine Neuerung an. Das Rathaus erlebte also 1360 bereits mindestens den zweiten seiner Bauzustände. Fast genau zweihundert Jahre später, 1562, war es wieder so weit, daß Änderungen und namentlich durchgreifende Ausbesserungen des Gebäudes dringend notwendig wurden. Die Ratsmiglieder fühlten sich in dem baufälligen Hause nicht mehr ihres Lebens sicher und verlegten darum ihre Tagungen zunächst in den oben genannten Walkenrieder Hof, von da 1569 in die „Brotlaube“ (abgebrannt 1612). Einzelnes wurde auch in dieser Zeit getan, wovon die spätgotischen Formen mehrerer Türen noch jetzt Zeugnis ablegen. Endlich kam es 1608 zu einem größeren Umbau, dessen Vollendung sich bis 1610 hinzog. Zu den hohen Kosten erhielt man Privatbeiträge. So spendete ein wohlhabender Bürger nicht weniger als 1500 Meißener Gulden. Das Rathaus behielt auch in diesem dritten seiner Bauzustände den typischen Charakter der Vereinigung von Kauf und Verwaltungsgebäude bei, auch gingen Teile des alten Baues in den neuen über, während das Ganze als Renaissancebau doch fast einer Neuschöpfung gleichkam. Alt sind u. a. der untere Teil des Treppenturmes mit dem Portale sowie die Ecke, an welcher der Roland steht, ferner die Wand mit den gotischen Türen. Eine Längsmauer zieht sich durch die Mitte des ganzen Gebäudes; auf ihr ruhen die Säulenstellungen der beiden Obergeschosse. Die derart im Untergeschosse abgeteilte südliche Halle diente ehemals dem Kaufverkehr; sie öffnete sich mit fünf großen Bögen gegen den Markt und gab dem Bilde des Rathauses ein malerisches, charakteristisches Gepräge. Bei den Veränderungen im Jahre 1883, die einen vierten Bauzustand schufen, wurden diese Bögen geschlossen, die einstige große Kaufhalle durch Zwischenwände in Zimmer aufgeteilt, während man die alten Kreuzgewölbe bestehen ließ. An der westlichen Seite eine zu der alten Halle führende doppelte Freitreppe. Trotz der Veränderungen ist der Eindruck des Rathauses noch immer bedeutend. Er beruht wesentlich auf der Ruhe der in den Obergeschossen gleichmäßig angeordneten gekuppelten Fenster und dem Reize des polygonal aus der Mitte der Südfront heraustretenden Treppenturmes mit seiner in zwei verjüngten Absätzen aufsteigenden, fein gezeichneten Laterne. Im westlichen Teile des ersten Obergeschosses befindet sich ein Raum, der früher die „Regimentsstube“ hieß. Die Stuckdecke neu (1927). Ein über zwei Meter langes, fast einen Meter breites Ölgemälde besitzt mit seiner Darstellung des Aussehens Nordhausens im Jahre 1674 beträchtlichen historischen Wert. Stifter: der Nordhäuser Bürger und Maler Anton Franz Gebhard Stolberg. Im gleichen Saale hängen die Bildnisse der Kaiser Karl IV., MaximilianL, Ferdinand III., Leopold I., Andenken an die Zeit der Reichsunmittelbarkeit; die Maler der Bilder sind nicht festzustellen. Im zweiten Obergeschoß ein schöner Rokokokamin (1733) mit Einfassungen aus Marmor und dem vergoldeten Wappen Nordhausens.
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=== Fachwerkhäuser ===
=== Fachwerkhäuser ===


[[Datei:Finkenburg nordhausen schiewek.jpg|thumb|200px|Finkenburg (Alter Zustand).]]
[[Datei:Finkenburg nordhausen schiewek.jpg|thumb|Finkenburg (Alter Zustand).]]


Auch Nordhausens Stadtbild ist ehemals wesentlich durch den Reichtum an ''Fachwerkbauten'' bestimmt gewesen. Zeugnis hierfür legen die verschiedenen gewaltigen Stadtbrände ab. Von Wohnhäusern ist aus älteren Zeiten nur mehr eine verhältnismäßig geringe Anzahl übrig. Bis zu welcher Höhe künstlerischer Vollendung sich der Fachwerkbau in Nordhausen einst erhoben hat, läßt sich nicht mehr sagen. Immerhin genügen die verbliebenen Reste, um zu beweisen, daß Nordhausen an allen Entwicklungszeiten des Fachwerkbaues Anteil gehabt hat. Daß es dabei einen eigenen Stil herausgebildet hat, ist übrigens kaum wahrscheinlich nach den erhalten gebliebenen Beispielen, die von dem mittel- und niederdeutschen, in der Spätzeit auch dem süddeutschen Typ nicht abweichen.
Auch Nordhausens Stadtbild ist ehemals wesentlich durch den Reichtum an ''Fachwerkbauten'' bestimmt gewesen. Zeugnis hierfür legen die verschiedenen gewaltigen Stadtbrände ab. Von Wohnhäusern ist aus älteren Zeiten nur mehr eine verhältnismäßig geringe Anzahl übrig. Bis zu welcher Höhe künstlerischer Vollendung sich der Fachwerkbau in Nordhausen einst erhoben hat, läßt sich nicht mehr sagen. Immerhin genügen die verbliebenen Reste, um zu beweisen, daß Nordhausen an allen Entwicklungszeiten des Fachwerkbaues Anteil gehabt hat. Daß es dabei einen eigenen Stil herausgebildet hat, ist übrigens kaum wahrscheinlich nach den erhalten gebliebenen Beispielen, die von dem mittel- und niederdeutschen, in der Spätzeit auch dem süddeutschen Typ nicht abweichen.


[[Datei:Frauenberger Kloster Nordhausen Straßenflügel 1929 Schiewek.jpg|thumb|200px|Frauenberger Kloster. Straßenflügel.]]
[[Datei:Frauenberger Kloster Nordhausen Straßenflügel 1929 Schiewek.jpg|thumb|Frauenberger Kloster. Straßenflügel.]]


Die früheste nachweisbare Fachwerktechnik in Deutschland zeigt bereits eine so große Vollendung, daß sie nicht die erste, ursprüngliche sein kann. Beispiele der Vorstufen sind nicht erhalten. Jener Zustand, den das älteste Fachwerkgebäude Nordhausens aufweist, tritt uns noch jetzt vereinzelt auch in anderen alten Städten Deutschlands vor Augen. Er hat die Eigentümlichkeit, daß die senkrecht stehenden Balken („Stiele“) vom Sockel durch mehrere Geschosse aufwärts steigen. Die Geschoßeinteilung ist dann je nach Bedarf in der Weise hergestellt, daß die Deckenbalken von innen in die Stiele eingezapft und die Zapfen äußerlich durch Holzpflöcke am Zurückweichen verhindert wurden. Ein Beispiel solcher Art ist der innere Flügel des Frauenberger Klosters. Da dieses in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts gegründet wurde, so erhalten wir dadurch einen zeitlichen Anhalt dafür, wann jene altertümliche Technik im Gebrauche war. Sorgfältigere Ausführung desselben Types zeigt die Rückseite des um etwa anderthalb Jahrhunderte jüngeren Hauses Altendorferstraße 3. (Interessant daselbst auch die Diele mit ihrem musivischen Fußbodenbelag.) Geschoßeinteilung zeigt bereits die „Finkenburg“ (um 1400), die in Verfall geraten war und neuestens in Herstellung wiedererstanden ist. Auf die sehr altertümlichen Konstruktionen im Innern sei besonders aufmerksam gemacht. Den Übergang zu den Fach werkbauten vollendeter Konstruktion bildet der Straßenflügel des Frauenberger Klosters (um 1450). Hoher Unterbau aus Quadern, zweistöckiger Fachwerkoberbau und steiles Dach mit Aufzuglucken. Die alten kleinen Zimmer sind noch unverändert mit ihren spitzbogigen Türen und dem Bohlenbelag ihrer Wände. Am interessantesten die sogenannte „Kommunstube“ (vgl. oben „Die Frauenberger Kirche“).
Die früheste nachweisbare Fachwerktechnik in Deutschland zeigt bereits eine so große Vollendung, daß sie nicht die erste, ursprüngliche sein kann. Beispiele der Vorstufen sind nicht erhalten. Jener Zustand, den das älteste Fachwerkgebäude Nordhausens aufweist, tritt uns noch jetzt vereinzelt auch in anderen alten Städten Deutschlands vor Augen. Er hat die Eigentümlichkeit, daß die senkrecht stehenden Balken („Stiele“) vom Sockel durch mehrere Geschosse aufwärts steigen. Die Geschoßeinteilung ist dann je nach Bedarf in der Weise hergestellt, daß die Deckenbalken von innen in die Stiele eingezapft und die Zapfen äußerlich durch Holzpflöcke am Zurückweichen verhindert wurden. Ein Beispiel solcher Art ist der innere Flügel des Frauenberger Klosters. Da dieses in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts gegründet wurde, so erhalten wir dadurch einen zeitlichen Anhalt dafür, wann jene altertümliche Technik im Gebrauche war. Sorgfältigere Ausführung desselben Types zeigt die Rückseite des um etwa anderthalb Jahrhunderte jüngeren Hauses Altendorferstraße 3. (Interessant daselbst auch die Diele mit ihrem musivischen Fußbodenbelag.) Geschoßeinteilung zeigt bereits die „Finkenburg“ (um 1400), die in Verfall geraten war und neuestens in Herstellung wiedererstanden ist. Auf die sehr altertümlichen Konstruktionen im Innern sei besonders aufmerksam gemacht. Den Übergang zu den Fach werkbauten vollendeter Konstruktion bildet der Straßenflügel des Frauenberger Klosters (um 1450). Hoher Unterbau aus Quadern, zweistöckiger Fachwerkoberbau und steiles Dach mit Aufzuglucken. Die alten kleinen Zimmer sind noch unverändert mit ihren spitzbogigen Türen und dem Bohlenbelag ihrer Wände. Am interessantesten die sogenannte „Kommunstube“ (vgl. oben „Die Frauenberger Kirche“).


[[Datei:Eingang zum Spendekirchhof Nordhausen 1929 Schiewek.jpg|thumb|200px|Eingang zum Spendekirchhof.]]
[[Datei:Eingang zum Spendekirchhof Nordhausen 1929 Schiewek.jpg|thumb|Eingang zum Spendekirchhof.]]


Bei den Bauten der späteren Gotik und der Renaissance tritt die Inneneinteilung äußerlich durch die Vorkragung der Geschosse in Erscheinung. Sie hat den Vorteil, daß für die Straßenbreite größerer Spielraum geschaffen wird, während gleichzeitig die Obergeschosse an Bodenfläche gewinnen. Die alten Nordhäuser Wohngebäude stehen nicht mit dem Giebel, sondern mit der Dachtrauflinie gegen die Straße gewandt. Gleichwohl geht der Reiz der Begiebelung dank den in lange Fronten eingeschobenen spitzen Aufzuglucken nicht ganz verloren. Zur Belebung tragen die an den Saumschwellen, den Brüstungsflächen, den Dreiecksriegeln angebrachten Schnitzverzierungen (Schiffskehlen, Fächerrosetten u. dgl.) wesentlich bei. Treffliches Beispiel Domstraße 12. In den von einem älteren Bau übriggebliebenen massiven Unterbau führt ein großes, spitzbogiges Einfahrttor, neben ihm eine kleine spitzbogige Pforte. Das Fachwerkobergeschoß besitzt Dreifensterbreite. Unter den Fenstern Brüstung mit sieben Fächerrosetten. Andere Fachwerkhäuser aus der Mitte des 16. Jahrhunderts: Pferdemarkt 17; Barfüßerstraße 6; besonders wertvoll, auf süddeutsche Einflüsse deutend, Blasiistraße 21; ähnlich, aber kleiner Altendorf 22. Manche interessante Einzelheiten mögen noch hinter den Beschiefe-rungen verborgen sein, mit denen zahlreiche ältere Häuser überzogen sind. Bei den Fachwerkbauten der späteren Zeit wird die Vorkragung schwächer, verliert an Ausdruck, ebenso kärglich steht es mit dem Schmuck. Er findet in der Anwendung süddeutsch geschweifter Riegelhölzer statt der ehemaligen geraden sächsischen sowie in der immerhin kunstvollen Ausmauerung der Gefache nur einen mäßigen Ersatz. Bemerkenswerteste Beispiele der Spätzeit: das Torhäuschen zum Spendekirchhof (1667, s. oben); das Pfarrhaus von St. Jakobi (1687); das von St. Blasii; die Häuser Lofehmarkt 20 und 21; Waisenhausstraße 4 (1715—1717, Waisenhaus mit Kapelle); der Ratskeller (nach 1710, Pforte mit geschnitzten Blumen- und Fruchtornamenten); das Riesenhaus (s. oben); Lutherplatz 11 (mit wirkungsvollem Dacherker).
Bei den Bauten der späteren Gotik und der Renaissance tritt die Inneneinteilung äußerlich durch die Vorkragung der Geschosse in Erscheinung. Sie hat den Vorteil, daß für die Straßenbreite größerer Spielraum geschaffen wird, während gleichzeitig die Obergeschosse an Bodenfläche gewinnen. Die alten Nordhäuser Wohngebäude stehen nicht mit dem Giebel, sondern mit der Dachtrauflinie gegen die Straße gewandt. Gleichwohl geht der Reiz der Begiebelung dank den in lange Fronten eingeschobenen spitzen Aufzuglucken nicht ganz verloren. Zur Belebung tragen die an den Saumschwellen, den Brüstungsflächen, den Dreiecksriegeln angebrachten Schnitzverzierungen (Schiffskehlen, Fächerrosetten u. dgl.) wesentlich bei. Treffliches Beispiel Domstraße 12. In den von einem älteren Bau übriggebliebenen massiven Unterbau führt ein großes, spitzbogiges Einfahrttor, neben ihm eine kleine spitzbogige Pforte. Das Fachwerkobergeschoß besitzt Dreifensterbreite. Unter den Fenstern Brüstung mit sieben Fächerrosetten. Andere Fachwerkhäuser aus der Mitte des 16. Jahrhunderts: Pferdemarkt 17; Barfüßerstraße 6; besonders wertvoll, auf süddeutsche Einflüsse deutend, Blasiistraße 21; ähnlich, aber kleiner Altendorf 22. Manche interessante Einzelheiten mögen noch hinter den Beschiefe-rungen verborgen sein, mit denen zahlreiche ältere Häuser überzogen sind. Bei den Fachwerkbauten der späteren Zeit wird die Vorkragung schwächer, verliert an Ausdruck, ebenso kärglich steht es mit dem Schmuck. Er findet in der Anwendung süddeutsch geschweifter Riegelhölzer statt der ehemaligen geraden sächsischen sowie in der immerhin kunstvollen Ausmauerung der Gefache nur einen mäßigen Ersatz. Bemerkenswerteste Beispiele der Spätzeit: das Torhäuschen zum Spendekirchhof (1667, s. oben); das Pfarrhaus von St. Jakobi (1687); das von St. Blasii; die Häuser Lofehmarkt 20 und 21; Waisenhausstraße 4 (1715—1717, Waisenhaus mit Kapelle); der Ratskeller (nach 1710, Pforte mit geschnitzten Blumen- und Fruchtornamenten); das Riesenhaus (s. oben); Lutherplatz 11 (mit wirkungsvollem Dacherker).
[[Datei:Frauenberger Kirche Nordhausen.jpg|thumb|200px|Frauenberger Kirche]]
[[Datei:Frauenberger Kirche Schnitzaltar.jpg|thumb|200px|Schnitzaltar in der Frauenberger Kirche]]


In der Folge verschwindet der eigentliche Charakter des Fachwerkbaues mehr und mehr, derart, daß er in vielen Fällen zum Putzbau, oder nachgeahmten Werksteinbau wird, oder Beschieferung erhält, aus der das aufgelegte, oft recht zierliche Rahmenwerk der Türen und Fenster heraustritt. Besonders zahlreiche hübsche Beispiele der Spätzeit in der Neustadt, in der Krämerstraße 11, Engelsburg 10, Bäckerstraße 22, Hagenstraße 4 (klassizistisch). Künstlerisch beachtenswerte Türen u. a. Sandstraße 26, 28, Pfaffengasse 1, Neuer Weg 22.
In der Folge verschwindet der eigentliche Charakter des Fachwerkbaues mehr und mehr, derart, daß er in vielen Fällen zum Putzbau, oder nachgeahmten Werksteinbau wird, oder Beschieferung erhält, aus der das aufgelegte, oft recht zierliche Rahmenwerk der Türen und Fenster heraustritt. Besonders zahlreiche hübsche Beispiele der Spätzeit in der Neustadt, in der Krämerstraße 11, Engelsburg 10, Bäckerstraße 22, Hagenstraße 4 (klassizistisch). Künstlerisch beachtenswerte Türen u. a. Sandstraße 26, 28, Pfaffengasse 1, Neuer Weg 22.
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=== Brunnen und Denkmäler ===
=== Brunnen und Denkmäler ===
[[Datei:Neptunsbrunnen Brunnen.jpg|thumb|200px|Neptunsbrunnen.]]


Die bis tief in das 19. Jahrhundert existierenden zahlreichen Brunnen sind leider sämtlich zerstört bis auf einen in der Barfüßerstraße beim Spendekirchhof. Die Brunnenfiguren jetzt im Museum in der Villa Becker. Der jetzt auf dem Kornmarkte stehende Brunnen ist Nachfolger eines solchen, der 1699 als Ersatz für einen noch älteren aufgestellt wurde; die Neptunsfigur 1828 von Ernst Rietschel. Neu Lutherbrunnen von Schüler; Baltzerbrunnen mit wassertrinkendem Wanderer von Jahn (1910).
Die bis tief in das 19. Jahrhundert existierenden zahlreichen Brunnen sind leider sämtlich zerstört bis auf einen in der Barfüßerstraße beim Spendekirchhof. Die Brunnenfiguren jetzt im Museum in der Villa Becker. Der jetzt auf dem Kornmarkte stehende Brunnen ist Nachfolger eines solchen, der 1699 als Ersatz für einen noch älteren aufgestellt wurde; die Neptunsfigur 1828 von Ernst Rietschel. Neu Lutherbrunnen von Schüler; Baltzerbrunnen mit wassertrinkendem Wanderer von Jahn (1910).
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Erste Erwähnung der Ortschaft 1085. Klostergründung 1127 und Besetzung mit Cisterziensermönchen aus Altenkampen unter dem Abte Heinrich 1129 durch die Gräfin Adelheid von Clettenberg. Weihe unter großer Feierlichkeit in Gegenwart des Erzbischofes von Mainz, sowie vieler Bischöfe, Äbte und anderer kirchlicher Würdenträger. —-Der Hochaltar war dem hl. Kreuze geweiht (also wahrscheinlich eine Kreuzpartikel dort niedergelegt), andere Altäre: St. Michael, Alexander, Benediktus, Mauritius, Godehard. Die Aufdeckung zweier Nebenapsiden (vgl. unten) beweist, daß schon der romanische Bau fünf-schiffigwar. Bestätigung des Klosters durch Papst Innozenz II. 1137. Rasches Aufblühen, weit ausgedehnte Besitzungen. Bau der neuen Kirche schon vor 1253 im Werden. Über den Bau sind genaue Nachrichten erhalten. Weihe der Kirche 1290, des nördlichen Kreuzgangarmes 1294 (?). Seit dem 15. Jahrhundert ist im Ostteile des Chores die Grabkapelle der Familie von Werthern eingerichtet. — Langsamer Rückgang seit dem Ende des 14. Jahrhunderts. Verwüstung des Klosters 1525 durch die Bauern unter Thomas Münzer, der zuvor selbst Walkenrieder Geistlicher gewesen war. Der Vierungsturm der Kirche zerstört. Der Verfall des Bauwerkes beginnt seitdem. Säkularisation 1648, Walkenried wird Reichslehen des hannoverschen Herzogs Christian Ludwig. Die Klosterschule aufgelöst 1668. Religiöser Fanatismus und Roheit haben dafür gesorgt, daß die Klosterkirche, die schönste in Deutschland, bis auf geringe Reste vernichtet wurde. (Vgl. oben S. 32 und S. 42.) Die Zerstörung zog sich durch das ganze 18. Jahrhundert hin, während dessen zu häufigen Malen der Ruine große Massen von Steinmaterial entnommen wurden, um zur Errichtung anderer Bauwerke zu dienen. Erst seit 1817 fand dieses Unwesen ein Ende. Staatliche Fürsorge für die Ruine seit 1870. Einsturz des nordöstlichen Chorfensters 1902. — Seit 1731 ist der Ort Walkenried blankenburgisch.
Erste Erwähnung der Ortschaft 1085. Klostergründung 1127 und Besetzung mit Cisterziensermönchen aus Altenkampen unter dem Abte Heinrich 1129 durch die Gräfin Adelheid von Clettenberg. Weihe unter großer Feierlichkeit in Gegenwart des Erzbischofes von Mainz, sowie vieler Bischöfe, Äbte und anderer kirchlicher Würdenträger. —-Der Hochaltar war dem hl. Kreuze geweiht (also wahrscheinlich eine Kreuzpartikel dort niedergelegt), andere Altäre: St. Michael, Alexander, Benediktus, Mauritius, Godehard. Die Aufdeckung zweier Nebenapsiden (vgl. unten) beweist, daß schon der romanische Bau fünf-schiffigwar. Bestätigung des Klosters durch Papst Innozenz II. 1137. Rasches Aufblühen, weit ausgedehnte Besitzungen. Bau der neuen Kirche schon vor 1253 im Werden. Über den Bau sind genaue Nachrichten erhalten. Weihe der Kirche 1290, des nördlichen Kreuzgangarmes 1294 (?). Seit dem 15. Jahrhundert ist im Ostteile des Chores die Grabkapelle der Familie von Werthern eingerichtet. — Langsamer Rückgang seit dem Ende des 14. Jahrhunderts. Verwüstung des Klosters 1525 durch die Bauern unter Thomas Münzer, der zuvor selbst Walkenrieder Geistlicher gewesen war. Der Vierungsturm der Kirche zerstört. Der Verfall des Bauwerkes beginnt seitdem. Säkularisation 1648, Walkenried wird Reichslehen des hannoverschen Herzogs Christian Ludwig. Die Klosterschule aufgelöst 1668. Religiöser Fanatismus und Roheit haben dafür gesorgt, daß die Klosterkirche, die schönste in Deutschland, bis auf geringe Reste vernichtet wurde. (Vgl. oben S. 32 und S. 42.) Die Zerstörung zog sich durch das ganze 18. Jahrhundert hin, während dessen zu häufigen Malen der Ruine große Massen von Steinmaterial entnommen wurden, um zur Errichtung anderer Bauwerke zu dienen. Erst seit 1817 fand dieses Unwesen ein Ende. Staatliche Fürsorge für die Ruine seit 1870. Einsturz des nordöstlichen Chorfensters 1902. — Seit 1731 ist der Ort Walkenried blankenburgisch.
[[Datei:Grundriß des Klosters Walkenried.jpg|thumb|200px|Grundriß des Klosters Walkenried]]


Von Anfang her war das Kloster befestigt. Die spätere Ringmauer ist, wenn auch verfallen, doch zum großen Teile noch vorhanden, ebenso das obere Tor mit seinen starken romanischen Rundbögen. Zu diesem Tore gehören eine Kapelle des hl. Nikolaus. Das Untere (südliche) Tor ist im 19. Jahrhundert verschwunden.
Von Anfang her war das Kloster befestigt. Die spätere Ringmauer ist, wenn auch verfallen, doch zum großen Teile noch vorhanden, ebenso das obere Tor mit seinen starken romanischen Rundbögen. Zu diesem Tore gehören eine Kapelle des hl. Nikolaus. Das Untere (südliche) Tor ist im 19. Jahrhundert verschwunden.
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