Bearbeiten von „Heimatbilder aus dem Kreise Sangerhausen und seinen Randgebieten“
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Als wir wieder eine Viertelstunde gegraben hatten und wieder | Als wir wieder eine Viertelstunde gegraben hatten und wieder | ||
eine Schaufel Erde herauswarsen, rief der Altertumsforscher, der bei | eine Schaufel Erde herauswarsen, rief der Altertumsforscher, der bei | ||
den Männern war: „Halt! Nicht weitergrabe'n! | den Männern war: „Halt! Nicht weitergrabe'n!" — Und aus der | ||
Erde hob er einen kleinen Knochen hervor. Mit seinem Messer kratzte | Erde hob er einen kleinen Knochen hervor. Mit seinem Messer kratzte | ||
er daran und sagte: „Das ist schon etwas aus der Vorgeschichte, es | er daran und sagte: „Das ist schon etwas aus der Vorgeschichte, es | ||
ist ein Menschenknochen, 3-4000 Jahre kann er alt sein. | ist ein Menschenknochen, 3-4000 Jahre kann er alt sein." | ||
Nun grub er selber weiter, ganz vorsichtig. Bei jedem Spatenstich | Nun grub er selber weiter, ganz vorsichtig. Bei jedem Spatenstich | ||
sah er ganz genau hin. Es dauerte nicht lange, da stieß er auf etwas | sah er ganz genau hin. Es dauerte nicht lange, da stieß er auf etwas | ||
Hartes. Vorsichtig holte er es heraus. Ganz schmutzig war es vom Ton. | Hartes. Vorsichtig holte er es heraus. Ganz schmutzig war es vom Ton. | ||
Er wischte es ab. Da ging ein Freudenstrahl über sein Gesicht. Wir sahen, daß es ein Stein war. — Wie kann man sich nur über einen Stein so freuen, dachte ich. Ja, jetzt sagte der Forscher sogar: „Das ist ja etwas Herrliches, was wir da gefunden haben! Ein prächtiges Steinbeil! | Er wischte es ab. Da ging ein Freudenstrahl über sein Gesicht. Wir sahen, daß es ein Stein war. — Wie kann man sich nur über einen Stein so freuen, dachte ich. Ja, jetzt sagte der Forscher sogar: „Das ist ja etwas Herrliches, was wir da gefunden haben! Ein prächtiges Steinbeil!" — Und nun schauten wir es uns ganz genau an. Aus dunklem, glattem, festem Gestein war es schön geformt, hinten breit wie eine Axt und nach vorn von beiden Seiten zu einer Schneide zugeschliffen. In der Mitte, mehr nach dem Ende zu, hatte das Steinbeil ein Loch, das so rund war, als wenn man es mit einem Bohrer gemacht hätte. | ||
Der Forscher erzählte uns nun: „Vor 3-4000 Jahren haben in der Diebeshöhle Menschen gewohnt. Mit den Fellen der Tiere kleideten sie sich. Ihr Fleisch bildete ihre Nahrung. Steinhämmer und Steinbeile waren ihre Waffen und Jagdgeräte, mit denen sie sich gegen Bären und andere wilde Tiere verteidigten. Deshalb war ihnen auch ein Steinbeil ein kostbarer Schatz. Die Feit, in der der Mensch gelebt hat, der dieses Beil trug oder es sich gar selber anfertigte, nennt man die Steinzeit. Was für Mühe mag es dem Menschen gemacht haben, dieses Steinbeil anzufertigen! Wie mag er sich gefreut haben, als er den Stein dazu gefunden hatte! Denn nicht aus jedem Stein konnte man eine so prächtige Waffe fertigen. Und wie hat dann der Mensch gesessen mit seinem Stein und hat ihn auf einem Sandstein gerieben und geschliffen, tagelang, wochenlang, bis er seine heutige Form erhalten hatte! Dann mußte er noch dieses runde Loch bohren. Ja, das war auch nicht leicht. Dazu brauchte er einen langen, runden Röhrenknochen von einem Hirsch und feinen Sand. Den streute er auf sein Beil und fing dort an, wo das Loch entstehen sollte, mit dem Knochen zu drehen — links herum, rechts herum, links herum, rechts herum, links-rechts, links-rechts, immer schneller — immer schneller, daß ihm der Helle Schweiß auf der Stirn stand. Der Knochen war durch das Drehen schon ganz heiß geworden. Schnell nahm er etwas Wasser und neuen Sand und bohrte wieder — links herum, rechts herum, links-rechts, links-rechts, schneller und immer schneller. Jetzt sah man schon etwas von dem Loche. Eigentlich war es eine ringförmige Vertiefung,' denn wo der Knochen hohl war, da blieb ja auch der Stein stehen. Nur dort, wo der Knochen rieb, war die Vertiefung im Stein entstanden. | Der Forscher erzählte uns nun: „Vor 3-4000 Jahren haben in der Diebeshöhle Menschen gewohnt. Mit den Fellen der Tiere kleideten sie sich. Ihr Fleisch bildete ihre Nahrung. Steinhämmer und Steinbeile waren ihre Waffen und Jagdgeräte, mit denen sie sich gegen Bären und andere wilde Tiere verteidigten. Deshalb war ihnen auch ein Steinbeil ein kostbarer Schatz. Die Feit, in der der Mensch gelebt hat, der dieses Beil trug oder es sich gar selber anfertigte, nennt man die Steinzeit. Was für Mühe mag es dem Menschen gemacht haben, dieses Steinbeil anzufertigen! Wie mag er sich gefreut haben, als er den Stein dazu gefunden hatte! Denn nicht aus jedem Stein konnte man eine so prächtige Waffe fertigen. Und wie hat dann der Mensch gesessen mit seinem Stein und hat ihn auf einem Sandstein gerieben und geschliffen, tagelang, wochenlang, bis er seine heutige Form erhalten hatte! Dann mußte er noch dieses runde Loch bohren. Ja, das war auch nicht leicht. Dazu brauchte er einen langen, runden Röhrenknochen von einem Hirsch und feinen Sand. Den streute er auf sein Beil und fing dort an, wo das Loch entstehen sollte, mit dem Knochen zu drehen — links herum, rechts herum, links herum, rechts herum, links-rechts, links-rechts, immer schneller — immer schneller, daß ihm der Helle Schweiß auf der Stirn stand. Der Knochen war durch das Drehen schon ganz heiß geworden. Schnell nahm er etwas Wasser und neuen Sand und bohrte wieder — links herum, rechts herum, links-rechts, links-rechts, schneller und immer schneller. Jetzt sah man schon etwas von dem Loche. Eigentlich war es eine ringförmige Vertiefung,' denn wo der Knochen hohl war, da blieb ja auch der Stein stehen. Nur dort, wo der Knochen rieb, war die Vertiefung im Stein entstanden. | ||
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Jetzt zog der Mann seinen Bogen hin und her, als wenn ein Baßspieler seinen Brummbaß streicht. Hei, wie tanzte da der Röhrenknochen, links herum und rechts herum und bohrte fleißig in dem Steinbeil ! Nun dauerte es gar nicht allzu lange, da hatte der Knochen das Steinbeil durchbohrt, und eine hübsche, runde Steinwalze, so stark wie das Innere des Knochens, lag daneben. | Jetzt zog der Mann seinen Bogen hin und her, als wenn ein Baßspieler seinen Brummbaß streicht. Hei, wie tanzte da der Röhrenknochen, links herum und rechts herum und bohrte fleißig in dem Steinbeil ! Nun dauerte es gar nicht allzu lange, da hatte der Knochen das Steinbeil durchbohrt, und eine hübsche, runde Steinwalze, so stark wie das Innere des Knochens, lag daneben. | ||
O, wie sich nun der Steinzeitmensch über sein liebes Steinbeil gefreut haben mag! Schnell machte er noch einen Holzstiel hinein, schwang es vor Freude durch die Luft und hüpfte und tanzte. Und dies alles hat schon das Steinbeil hier in meiner Hand mit erlebt, | O, wie sich nun der Steinzeitmensch über sein liebes Steinbeil gefreut haben mag! Schnell machte er noch einen Holzstiel hinein, schwang es vor Freude durch die Luft und hüpfte und tanzte. Und dies alles hat schon das Steinbeil hier in meiner Hand mit erlebt," endete der Altertumsforscher seine Erzählung. | ||
<span style="font-size:90%">{{AlR|R. Hennig.}}</span> | <span style="font-size:90%">{{AlR|R. Hennig.}}</span> | ||
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groß gedruckt: Zur Jahrtausendfeier in Nordhausen! — Ist denn die | groß gedruckt: Zur Jahrtausendfeier in Nordhausen! — Ist denn die | ||
Stadt Nordhausen schon so alt? — Ist sie älter als Uftrungen? — | Stadt Nordhausen schon so alt? — Ist sie älter als Uftrungen? — | ||
Wie alt ist eigentlich unser Ort? — Ich mußte also erzählen, wie | Wie alt ist eigentlich unser Ort? —" Ich mußte also erzählen, wie | ||
im Fahre 927 Heinrich I. seiner Gemahlin Mathilde den Königshof | im Fahre 927 Heinrich I. seiner Gemahlin Mathilde den Königshof | ||
Nordhausen schenkte, wie sich dann im Schutze des Königshofes und | Nordhausen schenkte, wie sich dann im Schutze des Königshofes und | ||
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Königshöfe ein. Ein solcher Königshof war auch dort, wo heute Nordhausen liegt, entstanden. Man weiß aber nicht genau, in welchem Fahre das gewesen sein mag. — | Königshöfe ein. Ein solcher Königshof war auch dort, wo heute Nordhausen liegt, entstanden. Man weiß aber nicht genau, in welchem Fahre das gewesen sein mag. — | ||
„Weiß man denn, wann Uftrungen entstanden ist? | „Weiß man denn, wann Uftrungen entstanden ist?" wurde ich neugierig weiter gefragt. — Und ich mußte weiter erzählen: „Nein, das weiß man auch nicht. Man hat auch keine Urkunde über die Entstehung, auch keine Chronik, in der man das Wichtigste aus der Geschichte des Ortes niedergeschrieben hat. So geht es aber fast allen Dörfern. Im Dreißigjährigen Kriege sind viele solcher Urkunden und Chroniken verbrannt und vernichtet worden. Aus dem Namen der Orte weiß man aber ungefähr, wann sie entstanden sein können. Die Geschichtsforscher haben die Zeit der Entstehung unserer Orte in 4 Abschnitte eingeteilt. Der l. Abschnitt reicht bis zum Jahre ZOO n. Chr. zurück. Es sind nur ganz wenige Siedlungen, die aus dieser Zeit stammen. Die Menschen wohnten damals noch lieber allein. Man nimmt an, daß alle Orte, die auf „a" (= Wasser), „lar" (= Ort), „mar" (= Sumpf) und „loh" (= Wald) enden, in diesem 1. Abschnitt der Ortsgründungen entstanden sind. Sie liegen meist auf gutem Boden und an Flüssen. | ||
Der 2. Abschnitt umfaßt die Zeit, in welcher die Thüringer die Herrschaft in unserer Gegend hatten. Sie reicht bis zum Jahre 531. In diesem Jahre wurde das Land der Thüringer von dem Volksstamm der Franken erobert. Zur Zeit der Herrschaft der Thüringer entstanden Orte, die auf | Der 2. Abschnitt umfaßt die Zeit, in welcher die Thüringer die Herrschaft in unserer Gegend hatten. Sie reicht bis zum Jahre 531. In diesem Jahre wurde das Land der Thüringer von dem Volksstamm der Franken erobert. Zur Zeit der Herrschaft der Thüringer entstanden Orte, die auf „ingen", „ungen", „leben" und „stedt" endigen. Die beiden letzteren Endungen bedeuten Erbe, Hinterlassenschaft und werden in der Regel mit einem Personennamen in Verbindung gebracht, „ingen" und „ungen" bedeuten Zugehörigkeit zu einer Person oder zu einer Gegend. „Thürungen" würde also bedeuten Ort an der Thyra. Es hat auch an diesem Bache gelegen, dessen Lauf aber später verändert wurde. Ansere Gegend hat eine größere Anzahl von Orten, die in diesem Siedlungsabschnitt entstanden sind. | ||
Die Orte mit der Endung auf | Die Orte mit der Endung auf „Hausen", „heim", „dorf", „bach", „selb", „bürg" und „berg" rechnet man zum 3. Besiedlungsabschnitt von 531—800 n. Chr. und zählt sie zu den fränkischen Siedlungen. Sie liegen, fast alle sehr günstig und haben sich meist zu größeren Orten entwickelt. | ||
Die Ortsgründungen des 4. Abschnitts fallen in die Zeit nach 800. Die Orte aus dieser Zeit endigen oft auf | Die Ortsgründungen des 4. Abschnitts fallen in die Zeit nach 800. Die Orte aus dieser Zeit endigen oft auf „rode" und „schwende". Sie liegen höher nach dem Harze zu und sind dort entstanden, wo man zuerst den Wald ausroden oder abbrennen mußte. | ||
Zwischen diesen 4 Abschnitten haben dann noch eingewanderte Volksstämme der Friesen, Hessen, Schwaben, Wenden und Flamen einige Orte gegründet. Flamen wanderten im 12. Jahrhundert in unsere Gegend ein und haben das Helmetal entwässert. Sie gründeten die d Dörfer Hörne (zwischen Heringen und Auleben), Ellre (bei Windehausen), Langenrieth (bei der Aumühle), Verrieth (zwischen Berga und Görsbach), Weidenhorst, Martinsrieth, Lorenzrieth, Katharinenrieth und Nikolausrieth im jetzigen Helmeried. Von diesen d Orten sind heute nur noch 4 vorhanden. Flämische Ausdrücke, z. B. flämischer Kerl für einen großen Menschen und flämische Sitten haben sich noch lange in den flämischen Orten erhalten. Eine solche Sitte war der Kirchgang, der an den Erwerb flämischen Gutes geknüpft war. Unterließ man diesen, so fiel nach dem Tode des Erwerbers im „oberen Rieth" der Z. Teil, im „unteren Rieth" die Hälfte des erworbenen Landes an die Landesherrschaft. Erst 1849 ist diese Sitte und damit auch das in Orten mit ehemalig flämischer Bevölkerung geübte flämische Recht abgeschafft worden. | Zwischen diesen 4 Abschnitten haben dann noch eingewanderte Volksstämme der Friesen, Hessen, Schwaben, Wenden und Flamen einige Orte gegründet. Flamen wanderten im 12. Jahrhundert in unsere Gegend ein und haben das Helmetal entwässert. Sie gründeten die d Dörfer Hörne (zwischen Heringen und Auleben), Ellre (bei Windehausen), Langenrieth (bei der Aumühle), Verrieth (zwischen Berga und Görsbach), Weidenhorst, Martinsrieth, Lorenzrieth, Katharinenrieth und Nikolausrieth im jetzigen Helmeried. Von diesen d Orten sind heute nur noch 4 vorhanden. Flämische Ausdrücke, z. B. flämischer Kerl für einen großen Menschen und flämische Sitten haben sich noch lange in den flämischen Orten erhalten. Eine solche Sitte war der Kirchgang, der an den Erwerb flämischen Gutes geknüpft war. Unterließ man diesen, so fiel nach dem Tode des Erwerbers im „oberen Rieth" der Z. Teil, im „unteren Rieth" die Hälfte des erworbenen Landes an die Landesherrschaft. Erst 1849 ist diese Sitte und damit auch das in Orten mit ehemalig flämischer Bevölkerung geübte flämische Recht abgeschafft worden. | ||
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Etwa 1OO Meter vor dem Denkmal führt uns ein steiler Bergpfad hinunter nach dem Ludetal und nach dem schön gelegenen Schützenhaus. Nach kurzer Rast aus seinem Vorplätze wenden wir uns dem Berghange zu, welcher dem Schlosse gegenüberliegt; er heißt der Tiergarten. Von dem schattigen Waldwege am Berghange biegen wir öfter ab, um von den lauschigen Sitzen der Ruhebänke am Waldessäume den Blick auf die im Tale sich entlangziehende Häuserreihe zu genießen. Aus der Straße unter uns klingen die leichtbewegten Reigenmelodien spielender Kinder herauf, vermischt mit den vom Lautenklang getragenen Liedern fröhlicher Wanderer, während von der Waldweide her die Glocken der Rinderherde herübertönen. Aus der Ferne grüßt von dem höchsten Gipfel des Auerberges, den Wald hoch überragend, der gewaltige Kreuzturm der Josephshöhe. | Etwa 1OO Meter vor dem Denkmal führt uns ein steiler Bergpfad hinunter nach dem Ludetal und nach dem schön gelegenen Schützenhaus. Nach kurzer Rast aus seinem Vorplätze wenden wir uns dem Berghange zu, welcher dem Schlosse gegenüberliegt; er heißt der Tiergarten. Von dem schattigen Waldwege am Berghange biegen wir öfter ab, um von den lauschigen Sitzen der Ruhebänke am Waldessäume den Blick auf die im Tale sich entlangziehende Häuserreihe zu genießen. Aus der Straße unter uns klingen die leichtbewegten Reigenmelodien spielender Kinder herauf, vermischt mit den vom Lautenklang getragenen Liedern fröhlicher Wanderer, während von der Waldweide her die Glocken der Rinderherde herübertönen. Aus der Ferne grüßt von dem höchsten Gipfel des Auerberges, den Wald hoch überragend, der gewaltige Kreuzturm der Josephshöhe. | ||
Der reizvolle Waldweg mündet schließlich an der Lutherbuche aus. Sie hat ihren Namen daher, weil an dieser Stelle am 21. April 1S25 | Der reizvolle Waldweg mündet schließlich an der Lutherbuche aus. Sie hat ihren Namen daher, weil an dieser Stelle am 21. April 1S25 vr. Martin Luther gestanden hat, nachdem er in der St. Martinikirche gepredigt hatte. Eine Tafel an der Lutherbuche berichtet uns die Worte, die Luther damals hier gesprochen haben soll: | ||
„Als anno 1S25 Freytags nach Ostern Lutherus hier gepredigt und mit Herrn Wilhelm Neiffensteinen nachgehends auf dem Berg spazieret, verglich der Doktor die Stadt gar füglich einem Vogel. Das Schloß, vermeinte er, wäre der Kopf, die zwei Gassen wären die Flügel, der Markt der Rumpf, die Niedergasse der Schwanz." | „Als anno 1S25 Freytags nach Ostern Lutherus hier gepredigt und mit Herrn Wilhelm Neiffensteinen nachgehends auf dem Berg spazieret, verglich der Doktor die Stadt gar füglich einem Vogel. Das Schloß, vermeinte er, wäre der Kopf, die zwei Gassen wären die Flügel, der Markt der Rumpf, die Niedergasse der Schwanz." | ||
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=== Der Kupferschieferbau bei Bottendorf === | === Der Kupferschieferbau bei Bottendorf === | ||
Kommt mit mir | Kommt mit mir aus die Botteudorfer Berge, und laßt uns zurückdenken | ||
an eine Zeit, die schon lange vergangen ist, die sogar unsere | an eine Zeit, die schon lange vergangen ist, die sogar unsere | ||
Großeltern nicht mehr erlebt haben. Es ist die Zeit 1707—1720, | Großeltern nicht mehr erlebt haben. Es ist die Zeit 1707—1720, | ||
für das jetzt ackerbautreibende | für das jetzt ackerbautreibende Bottendors eine Zeit des regsten industriellen | ||
Lebens. Es wurden damals bei | Lebens. Es wurden damals bei Bottendors Kupferschiefererze | ||
aus der Erde geholt und aus ihnen das vielbegehrte Kupfer und Silber | aus der Erde geholt und aus ihnen das vielbegehrte Kupfer und Silber | ||
gewonnen. | gewonnen. | ||
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Soeben fährt eine Reihe Karren nach der Schmelzhütte ab, und wir schließen uns an, um ebenfalls die Arbeit in der Schmelzhütte zu betrachten. Wir gehen denselben Weg zurück, den wir kamen, dann weiter durch das Dorf, über die Unstrut, über den Graben und sind in der Hütte. Die Erze kommen nun zuerst in die Pochmühle und werden dort in kleine Stücke zerstampft. Das Pochwerk wird von einem Wasserrad getrieben, das in den soeben überschrittenen Graben eingebaut ist. Kommen die Stücke aus der Pochmühle, so werden sie von den Klaubern ausgelesen, das taube Gestein wird zur Seite geworfen, das erzhaltige aber in einen der fünf Schmelzöfen gebracht. Diese Schmelzöfen werden mit Kohlen und Holz geheizt. Die Kohlen kommen ziemlich weit her; Fuhrleute bringen sie von Wettin und Meinsdorf; das Holz aber stammt aus den Wäldern bei Lossa. In den Schmelzöfen wird das Kupfer zuerst flüssig und läuft, dickflüssig wie Saft, rötlich glühend aus dem Gestein. Darauf wird das Erz noch entsilbert. Die Arbeit lohnt sich auch; denn aus fünf Zentnern Erzen gewinnt man 63 Pfund Kupfer und 110 Lot Silber. (1 Lot = 1/30 Pfund). | Soeben fährt eine Reihe Karren nach der Schmelzhütte ab, und wir schließen uns an, um ebenfalls die Arbeit in der Schmelzhütte zu betrachten. Wir gehen denselben Weg zurück, den wir kamen, dann weiter durch das Dorf, über die Unstrut, über den Graben und sind in der Hütte. Die Erze kommen nun zuerst in die Pochmühle und werden dort in kleine Stücke zerstampft. Das Pochwerk wird von einem Wasserrad getrieben, das in den soeben überschrittenen Graben eingebaut ist. Kommen die Stücke aus der Pochmühle, so werden sie von den Klaubern ausgelesen, das taube Gestein wird zur Seite geworfen, das erzhaltige aber in einen der fünf Schmelzöfen gebracht. Diese Schmelzöfen werden mit Kohlen und Holz geheizt. Die Kohlen kommen ziemlich weit her; Fuhrleute bringen sie von Wettin und Meinsdorf; das Holz aber stammt aus den Wäldern bei Lossa. In den Schmelzöfen wird das Kupfer zuerst flüssig und läuft, dickflüssig wie Saft, rötlich glühend aus dem Gestein. Darauf wird das Erz noch entsilbert. Die Arbeit lohnt sich auch; denn aus fünf Zentnern Erzen gewinnt man 63 Pfund Kupfer und 110 Lot Silber. (1 Lot = 1/30 Pfund). | ||
Aber das Wasser nahm in den Stollen überhand. Schon im Jahre 1728 fing die Not an. Nichts wurde unversucht gelassen; denn die Erze waren edel und versprachen Gewinn. Man baute einen Stollen, der die Wasser unterirdisch zur ünstrut ableiten sollte. Die Mündung des Stollens ist heute noch am Ostausgange von Bottendorf sichtbar. Sein Lauf läßt sich ebenfalls noch an den Halden der ehemaligen Lichtschächte erkennen. Im Jahre 1739 versuchte man, eine Wasserkunst zu erbauen. Man errichtete in der | Aber das Wasser nahm in den Stollen überhand. Schon im Jahre 1728 fing die Not an. Nichts wurde unversucht gelassen; denn die Erze waren edel und versprachen Gewinn. Man baute einen Stollen, der die Wasser unterirdisch zur ünstrut ableiten sollte. Die Mündung des Stollens ist heute noch am Ostausgange von Bottendorf sichtbar. Sein Lauf läßt sich ebenfalls noch an den Halden der ehemaligen Lichtschächte erkennen. Im Jahre 1739 versuchte man, eine Wasserkunst zu erbauen. Man errichtete in der Anstrut, ebenfalls am Ostausgange von Bottendorf, ein großes Wasserrad von 14 Ellen Höhe und 6 Ellen Breite, welches ein Gestänge von 684 Lachter Länge trieb. Dieses Gestänge führte zum Neuen-Gnade-Gottes-Schacht. Leider war aber die Kraft durch das lange Gestänge zu gering. Später, im Jahre 1777, versuchte man, mit einer Noßkunst die Wasser zu bewältigen. Diese Noßkunst wurde von 6 Pferden in Amtrieb gesetzt, die nach je drei Stunden gewechselt werden mußten. Die Pferde wurden zweimal am Tage eingespannt; so waren außer den Reservepferden 24 Stück zu dieser Wasserkunst nötig. Der Betrieb war also gar kostspielig, und so kam es, daß im Jahre 1781 das Werk eingestellt wurde, allerdings mit der Absicht, es gelegentlich wieder aufzunehmen. | ||
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=== Balthasar Hakes Grab === | === Balthasar Hakes Grab === | ||
Im Dreißigjährigen Kriege stand die Gegend zwischen Riestedt und | Im Dreißigjährigen Kriege stand die Gegend zwischen Riestedt und Amarode wegen der Wegelagerer und Klopffechter im üblen Rufe; man nannte die Straße Klopsgasse. In ihrer Nähe sieht man unter einer hohen Eiche eine ziemlich verschüttete Höhle, Balthasar Hakes Grube genannt. Dainit hat es folgende Bewandtnis: Ein verwahrloster Knabe zu Riestedt, der immer schon seine Mutter und seinen Lehrer geärgert hatte, verschwand eines schönen Tages aus seinem Orte. Nun waren schon früher auf der Klopfgasse oftmals Wanderer ausgeraubt worden. Jetzt aber wurden die Überfälle häufiger, und die Diebstähle in der Umgegend nahmen zu. Man fürchtete, eine ganze Räuberbande müsse hier Hausen, konnte sie jedoch nicht entdecken. Da bemerkte eines Morgens ein Riestedter in der Klopfgasse einen Männerhut. Als er ihn ausheben wollte, sprangen zwei Männer herbei, banden ihn und führten ihn in ihre Höhle. Dort hielt der Hauptmann der Bande schon das Schwert entblößt. Als ihn der Gefangene ins Gesicht blickte, erkannte er seinen ehemaligen Schulkameraden Balthasar Hake, von dem man nichts mehr gesehen und gehört hatte, seitdem er als Knabe verschwunden war. Er erinnerte ihn an die Jugend- spiele und bat um sein Leben. Das rührte den Räuber; er ließ ihn einen Eid schwören, nichts zu verraten, und jagte ihn dann nach Hause. Von der Zeit an war das Wesen jenes Mannes vollständig geändert, und jeder sah es ihm an, daß er ein Geheimnis bei sich trug; aber aus Fragen blieb er stumm. Da ward er einmal ernstlich krank und verlangte nach dem Trost des Geistlichen. Als dieser kam, redete er ihm ins Gewissen, konnte aber nichts erfahren. Da ermähnte ihn der Geistliche, es wenigstens Gott anzuvertrauen, wenn er es Menschen nicht verraten wollte. Das tat der sterbende Mann, und so erfuhr es der Pastor. Er machte der Obrigkeit Anzeige, und die Räuber wurden in ihrer Höhle mit ihrem Führer Balthasar Hake mit brennendem Schwefel erstickt. | ||
=== Der Schatz in der Wüsten Kirche === | === Der Schatz in der Wüsten Kirche === | ||
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=== Der wilde Jäger bei Dietersdorf === | === Der wilde Jäger bei Dietersdorf === | ||
Einst saß ein Förster auf dem Breitenberge bei Dietersdorf auf dem Anstand. Da hörte er ein furchtbares Brausen und lautes Hundegebell. Tief beugten sich die Wipfel vom Sturm. Ein gespenstischer Zug raste durch die | Einst saß ein Förster auf dem Breitenberge bei Dietersdorf auf dem Anstand. Da hörte er ein furchtbares Brausen und lautes Hundegebell. Tief beugten sich die Wipfel vom Sturm. Ein gespenstischer Zug raste durch die Lust nach dem Auerberge zu. Voran ritt auf einem schnaubenden Rosse der wilde Jäger mit einem breitkrempigen Hut und einem langen, wallenden Mantel. Laut ertönte sein Ruf durch die Luft: „Hohohl Schuhuh!" Kläffende Hunde und Geisterspuk folgten ihm nach. Dem Jäger wurde ganz gruselig, und er begab sich auf den Heimweg. Unterwegs begegneten ihm Holzhauer, die den wilden Jäger auch gesehen hotten. Sie erzählten ihm, daß er alle 7 Jahre hier entlang ziehe. Man dürfe dann nicht fluchen, rufen oder spotten. Sonst würfe einem der wilde Jäger einen Pferdeschinken mit den Worten zu: „Du hast mit helfen jagen, nun sollst du auch mit helfen nagen." Wehe dem, der den Schinken nicht aufessen wollte! | ||
=== Der Bär im Pfingstfelsen === | === Der Bär im Pfingstfelsen === | ||
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=== Die Lange Hüne auf der Numburg === | === Die Lange Hüne auf der Numburg === | ||
Aus den Bergen bei der Numburg hauste in grauer Vorzeit eine Riesin, die Lange Hüne genannt. Eines Tages hatte sie Langeweile. Zum Zeitvertreib drehte sie sich aus ihrem Absätze ein paarmal rund herum. So entstand das große, kreisrunde Loch bei der Numburg. Beim Umdrehen bekam sie Sand in den Schuh. Sie schüttete ihn aus. Die Sandkörner flogen im Helmegau umher. Das größte Sandkorn aber, ein gewaltiger Granitblock, flog bis auf die Höhe von Görsbach, wo er noch heute zu sehen ist. Als die Lange Hüne starb, wurde sie in dem Hünengrabe bei der Numburg begraben. | |||
=== Das lange Kegelspiel auf dem Kyffhäuser === | === Das lange Kegelspiel auf dem Kyffhäuser === | ||
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<span style="font-size:90%">{{AlR|G. Winkler.}}</span> | <span style="font-size:90%">{{AlR|G. Winkler.}}</span> | ||