Bearbeiten von „Heimatbilder aus dem Kreise Sangerhausen und seinen Randgebieten

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{{LineCenterSize|110|15|Schulrat Rasehorn, Rektor Kutzner, Lehrer Popp,<br>Lehrer Hennig,}}
{{LineCenterSize|110|15|Schulrat Rasehorn, Rektor Kühner, Lehrer Vopp,<br>Lehrer Hennig,}}




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Als wir wieder eine Viertelstunde gegraben hatten und wieder
Als wir wieder eine Viertelstunde gegraben hatten und wieder
eine Schaufel Erde herauswarsen, rief der Altertumsforscher, der bei
eine Schaufel Erde herauswarsen, rief der Altertumsforscher, der bei
den Männern war: „Halt! Nicht weitergrabe'n!— Und aus der
den Männern war: „Halt! Nicht weitergrabe'n!" — Und aus der
Erde hob er einen kleinen Knochen hervor. Mit seinem Messer kratzte
Erde hob er einen kleinen Knochen hervor. Mit seinem Messer kratzte
er daran und sagte: „Das ist schon etwas aus der Vorgeschichte, es
er daran und sagte: „Das ist schon etwas aus der Vorgeschichte, es
ist ein Menschenknochen, 3-4000 Jahre kann er alt sein.
ist ein Menschenknochen, 3-4000 Jahre kann er alt sein."


Nun grub er selber weiter, ganz vorsichtig. Bei jedem Spatenstich
Nun grub er selber weiter, ganz vorsichtig. Bei jedem Spatenstich
sah er ganz genau hin. Es dauerte nicht lange, da stieß er auf etwas
sah er ganz genau hin. Es dauerte nicht lange, da stieß er auf etwas
Hartes. Vorsichtig holte er es heraus. Ganz schmutzig war es vom Ton.
Hartes. Vorsichtig holte er es heraus. Ganz schmutzig war es vom Ton.
Er wischte es ab. Da ging ein Freudenstrahl über sein Gesicht. Wir sahen, daß es ein Stein war. — Wie kann man sich nur über einen Stein so freuen, dachte ich. Ja, jetzt sagte der Forscher sogar: „Das ist ja etwas Herrliches, was wir da gefunden haben! Ein prächtiges Steinbeil!— Und nun schauten wir es uns ganz genau an. Aus dunklem, glattem, festem Gestein war es schön geformt, hinten breit wie eine Axt und nach vorn von beiden Seiten zu einer Schneide zugeschliffen. In der Mitte, mehr nach dem Ende zu, hatte das Steinbeil ein Loch, das so rund war, als wenn man es mit einem Bohrer gemacht hätte.
Er wischte es ab. Da ging ein Freudenstrahl über sein Gesicht. Wir sahen, daß es ein Stein war. — Wie kann man sich nur über einen Stein so freuen, dachte ich. Ja, jetzt sagte der Forscher sogar: „Das ist ja etwas Herrliches, was wir da gefunden haben! Ein prächtiges Steinbeil!" — Und nun schauten wir es uns ganz genau an. Aus dunklem, glattem, festem Gestein war es schön geformt, hinten breit wie eine Axt und nach vorn von beiden Seiten zu einer Schneide zugeschliffen. In der Mitte, mehr nach dem Ende zu, hatte das Steinbeil ein Loch, das so rund war, als wenn man es mit einem Bohrer gemacht hätte.


Der Forscher erzählte uns nun: „Vor 3-4000 Jahren haben in der Diebeshöhle Menschen gewohnt. Mit den Fellen der Tiere kleideten sie sich. Ihr Fleisch bildete ihre Nahrung. Steinhämmer und Steinbeile waren ihre Waffen und Jagdgeräte, mit denen sie sich gegen Bären und andere wilde Tiere verteidigten. Deshalb war ihnen auch ein Steinbeil ein kostbarer Schatz. Die Feit, in der der Mensch gelebt hat, der dieses Beil trug oder es sich gar selber anfertigte, nennt man die Steinzeit. Was für Mühe mag es dem Menschen gemacht haben, dieses Steinbeil anzufertigen! Wie mag er sich gefreut haben, als er den Stein dazu gefunden hatte! Denn nicht aus jedem Stein konnte man eine so prächtige Waffe fertigen. Und wie hat dann der Mensch gesessen mit seinem Stein und hat ihn auf einem Sandstein gerieben und geschliffen, tagelang, wochenlang, bis er seine heutige Form erhalten hatte! Dann mußte er noch dieses runde Loch bohren. Ja, das war auch nicht leicht. Dazu brauchte er einen langen, runden Röhrenknochen von einem Hirsch und feinen Sand. Den streute er auf sein Beil und fing dort an, wo das Loch entstehen sollte, mit dem Knochen zu drehen — links herum, rechts herum, links herum, rechts herum, links-rechts, links-rechts, immer schneller — immer schneller, daß ihm der Helle Schweiß auf der Stirn stand. Der Knochen war durch das Drehen schon ganz heiß geworden. Schnell nahm er etwas Wasser und neuen Sand und bohrte wieder — links herum, rechts herum, links-rechts, links-rechts, schneller und immer schneller. Jetzt sah man schon etwas von dem Loche. Eigentlich war es eine ringförmige Vertiefung,' denn wo der Knochen hohl war, da blieb ja auch der Stein stehen. Nur dort, wo der Knochen rieb, war die Vertiefung im Stein entstanden.
Der Forscher erzählte uns nun: „Vor 3-4000 Jahren haben in der Diebeshöhle Menschen gewohnt. Mit den Fellen der Tiere kleideten sie sich. Ihr Fleisch bildete ihre Nahrung. Steinhämmer und Steinbeile waren ihre Waffen und Jagdgeräte, mit denen sie sich gegen Bären und andere wilde Tiere verteidigten. Deshalb war ihnen auch ein Steinbeil ein kostbarer Schatz. Die Feit, in der der Mensch gelebt hat, der dieses Beil trug oder es sich gar selber anfertigte, nennt man die Steinzeit. Was für Mühe mag es dem Menschen gemacht haben, dieses Steinbeil anzufertigen! Wie mag er sich gefreut haben, als er den Stein dazu gefunden hatte! Denn nicht aus jedem Stein konnte man eine so prächtige Waffe fertigen. Und wie hat dann der Mensch gesessen mit seinem Stein und hat ihn auf einem Sandstein gerieben und geschliffen, tagelang, wochenlang, bis er seine heutige Form erhalten hatte! Dann mußte er noch dieses runde Loch bohren. Ja, das war auch nicht leicht. Dazu brauchte er einen langen, runden Röhrenknochen von einem Hirsch und feinen Sand. Den streute er auf sein Beil und fing dort an, wo das Loch entstehen sollte, mit dem Knochen zu drehen — links herum, rechts herum, links herum, rechts herum, links-rechts, links-rechts, immer schneller — immer schneller, daß ihm der Helle Schweiß auf der Stirn stand. Der Knochen war durch das Drehen schon ganz heiß geworden. Schnell nahm er etwas Wasser und neuen Sand und bohrte wieder — links herum, rechts herum, links-rechts, links-rechts, schneller und immer schneller. Jetzt sah man schon etwas von dem Loche. Eigentlich war es eine ringförmige Vertiefung,' denn wo der Knochen hohl war, da blieb ja auch der Stein stehen. Nur dort, wo der Knochen rieb, war die Vertiefung im Stein entstanden.
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Jetzt zog der Mann seinen Bogen hin und her, als wenn ein Baßspieler seinen Brummbaß streicht. Hei, wie tanzte da der Röhrenknochen, links herum und rechts herum und bohrte fleißig in dem Steinbeil ! Nun dauerte es gar nicht allzu lange, da hatte der Knochen das Steinbeil durchbohrt, und eine hübsche, runde Steinwalze, so stark wie das Innere des Knochens, lag daneben.
Jetzt zog der Mann seinen Bogen hin und her, als wenn ein Baßspieler seinen Brummbaß streicht. Hei, wie tanzte da der Röhrenknochen, links herum und rechts herum und bohrte fleißig in dem Steinbeil ! Nun dauerte es gar nicht allzu lange, da hatte der Knochen das Steinbeil durchbohrt, und eine hübsche, runde Steinwalze, so stark wie das Innere des Knochens, lag daneben.
O, wie sich nun der Steinzeitmensch über sein liebes Steinbeil gefreut haben mag! Schnell machte er noch einen Holzstiel hinein, schwang es vor Freude durch die Luft und hüpfte und tanzte. Und dies alles hat schon das Steinbeil hier in meiner Hand mit erlebt,endete der Altertumsforscher seine Erzählung.
O, wie sich nun der Steinzeitmensch über sein liebes Steinbeil gefreut haben mag! Schnell machte er noch einen Holzstiel hinein, schwang es vor Freude durch die Luft und hüpfte und tanzte. Und dies alles hat schon das Steinbeil hier in meiner Hand mit erlebt," endete der Altertumsforscher seine Erzählung.


<span style="font-size:90%">{{AlR|R. Hennig.}}</span>
<span style="font-size:90%">{{AlR|R. Hennig.}}</span>
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groß gedruckt: Zur Jahrtausendfeier in Nordhausen! — Ist denn die
groß gedruckt: Zur Jahrtausendfeier in Nordhausen! — Ist denn die
Stadt Nordhausen schon so alt? — Ist sie älter als Uftrungen? —
Stadt Nordhausen schon so alt? — Ist sie älter als Uftrungen? —
Wie alt ist eigentlich unser Ort? — Ich mußte also erzählen, wie
Wie alt ist eigentlich unser Ort? —" Ich mußte also erzählen, wie
im Fahre 927 Heinrich I. seiner Gemahlin Mathilde den Königshof
im Fahre 927 Heinrich I. seiner Gemahlin Mathilde den Königshof
Nordhausen schenkte, wie sich dann im Schutze des Königshofes und
Nordhausen schenkte, wie sich dann im Schutze des Königshofes und
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Königshöfe ein. Ein solcher Königshof war auch dort, wo heute Nordhausen liegt, entstanden. Man weiß aber nicht genau, in welchem Fahre das gewesen sein mag. —
Königshöfe ein. Ein solcher Königshof war auch dort, wo heute Nordhausen liegt, entstanden. Man weiß aber nicht genau, in welchem Fahre das gewesen sein mag. —


„Weiß man denn, wann Uftrungen entstanden ist?wurde ich neugierig weiter gefragt. — Und ich mußte weiter erzählen: „Nein, das weiß man auch nicht. Man hat auch keine Urkunde über die Entstehung, auch keine Chronik, in der man das Wichtigste aus der Geschichte des Ortes niedergeschrieben hat. So geht es aber fast allen Dörfern. Im Dreißigjährigen Kriege sind viele solcher Urkunden und Chroniken verbrannt und vernichtet worden. Aus dem Namen der Orte weiß man aber ungefähr, wann sie entstanden sein können. Die Geschichtsforscher haben die Zeit der Entstehung unserer Orte in 4 Abschnitte eingeteilt. Der l. Abschnitt reicht bis zum Jahre ZOO n. Chr. zurück. Es sind nur ganz wenige Siedlungen, die aus dieser Zeit stammen. Die Menschen wohnten damals noch lieber allein. Man nimmt an, daß alle Orte, die auf „a“ (= Wasser), „lar“ (= Ort), „mar“ (= Sumpf) und „loh“ (= Wald) enden, in diesem 1. Abschnitt der Ortsgründungen entstanden sind. Sie liegen meist auf gutem Boden und an Flüssen.
„Weiß man denn, wann Uftrungen entstanden ist?" wurde ich neugierig weiter gefragt. — Und ich mußte weiter erzählen: „Nein, das weiß man auch nicht. Man hat auch keine Urkunde über die Entstehung, auch keine Chronik, in der man das Wichtigste aus der Geschichte des Ortes niedergeschrieben hat. So geht es aber fast allen Dörfern. Im Dreißigjährigen Kriege sind viele solcher Urkunden und Chroniken verbrannt und vernichtet worden. Aus dem Namen der Orte weiß man aber ungefähr, wann sie entstanden sein können. Die Geschichtsforscher haben die Zeit der Entstehung unserer Orte in 4 Abschnitte eingeteilt. Der l. Abschnitt reicht bis zum Jahre ZOO n. Chr. zurück. Es sind nur ganz wenige Siedlungen, die aus dieser Zeit stammen. Die Menschen wohnten damals noch lieber allein. Man nimmt an, daß alle Orte, die auf „a" (= Wasser), „lar" (= Ort), „mar" (= Sumpf) und „loh" (= Wald) enden, in diesem 1. Abschnitt der Ortsgründungen entstanden sind. Sie liegen meist auf gutem Boden und an Flüssen.


Der 2. Abschnitt umfaßt die Zeit, in welcher die Thüringer die Herrschaft in unserer Gegend hatten. Sie reicht bis zum Jahre 531. In diesem Jahre wurde das Land der Thüringer von dem Volksstamm der Franken erobert. Zur Zeit der Herrschaft der Thüringer entstanden Orte, die auf „ingen“, „ungen“, „leben" und „stedt" endigen. Die beiden letzteren Endungen bedeuten Erbe, Hinterlassenschaft und werden in der Regel mit einem Personennamen in Verbindung gebracht, „ingen“ und „ungen“ bedeuten Zugehörigkeit zu einer Person oder zu einer Gegend. „Thürungen“ würde also bedeuten Ort an der Thyra. Es hat auch an diesem Bache gelegen, dessen Lauf aber später verändert wurde. Ansere Gegend hat eine größere Anzahl von Orten, die in diesem Siedlungsabschnitt entstanden sind.
Der 2. Abschnitt umfaßt die Zeit, in welcher die Thüringer die Herrschaft in unserer Gegend hatten. Sie reicht bis zum Jahre 531. In diesem Jahre wurde das Land der Thüringer von dem Volksstamm der Franken erobert. Zur Zeit der Herrschaft der Thüringer entstanden Orte, die auf „ingen", „ungen", „leben" und „stedt" endigen. Die beiden letzteren Endungen bedeuten Erbe, Hinterlassenschaft und werden in der Regel mit einem Personennamen in Verbindung gebracht, „ingen" und „ungen" bedeuten Zugehörigkeit zu einer Person oder zu einer Gegend. „Thürungen" würde also bedeuten Ort an der Thyra. Es hat auch an diesem Bache gelegen, dessen Lauf aber später verändert wurde. Ansere Gegend hat eine größere Anzahl von Orten, die in diesem Siedlungsabschnitt entstanden sind.


Die Orte mit der Endung auf „Hausen“, „heim“, „dorf“, „bach“, „selb“, „bürg“ und „berg“ rechnet man zum 3. Besiedlungsabschnitt von 531—800 n. Chr. und zählt sie zu den fränkischen Siedlungen. Sie liegen, fast alle sehr günstig und haben sich meist zu größeren Orten entwickelt.
Die Orte mit der Endung auf „Hausen", „heim", „dorf", „bach", „selb", „bürg" und „berg" rechnet man zum 3. Besiedlungsabschnitt von 531—800 n. Chr. und zählt sie zu den fränkischen Siedlungen. Sie liegen, fast alle sehr günstig und haben sich meist zu größeren Orten entwickelt.


Die Ortsgründungen des 4. Abschnitts fallen in die Zeit nach 800. Die Orte aus dieser Zeit endigen oft auf „rode“ und „schwende“. Sie liegen höher nach dem Harze zu und sind dort entstanden, wo man zuerst den Wald ausroden oder abbrennen mußte.
Die Ortsgründungen des 4. Abschnitts fallen in die Zeit nach 800. Die Orte aus dieser Zeit endigen oft auf „rode" und „schwende". Sie liegen höher nach dem Harze zu und sind dort entstanden, wo man zuerst den Wald ausroden oder abbrennen mußte.


Zwischen diesen 4 Abschnitten haben dann noch eingewanderte Volksstämme der Friesen, Hessen, Schwaben, Wenden und Flamen einige Orte gegründet. Flamen wanderten im 12. Jahrhundert in unsere Gegend ein und haben das Helmetal entwässert. Sie gründeten die d Dörfer Hörne (zwischen Heringen und Auleben), Ellre (bei Windehausen), Langenrieth (bei der Aumühle), Verrieth (zwischen Berga und Görsbach), Weidenhorst, Martinsrieth, Lorenzrieth, Katharinenrieth und Nikolausrieth im jetzigen Helmeried. Von diesen d Orten sind heute nur noch 4 vorhanden. Flämische Ausdrücke, z. B. flämischer Kerl für einen großen Menschen und flämische Sitten haben sich noch lange in den flämischen Orten erhalten. Eine solche Sitte war der Kirchgang, der an den Erwerb flämischen Gutes geknüpft war. Unterließ man diesen, so fiel nach dem Tode des Erwerbers im „oberen Rieth" der Z. Teil, im „unteren Rieth" die Hälfte des erworbenen Landes an die Landesherrschaft. Erst 1849 ist diese Sitte und damit auch das in Orten mit ehemalig flämischer Bevölkerung geübte flämische Recht abgeschafft worden.
Zwischen diesen 4 Abschnitten haben dann noch eingewanderte Volksstämme der Friesen, Hessen, Schwaben, Wenden und Flamen einige Orte gegründet. Flamen wanderten im 12. Jahrhundert in unsere Gegend ein und haben das Helmetal entwässert. Sie gründeten die d Dörfer Hörne (zwischen Heringen und Auleben), Ellre (bei Windehausen), Langenrieth (bei der Aumühle), Verrieth (zwischen Berga und Görsbach), Weidenhorst, Martinsrieth, Lorenzrieth, Katharinenrieth und Nikolausrieth im jetzigen Helmeried. Von diesen d Orten sind heute nur noch 4 vorhanden. Flämische Ausdrücke, z. B. flämischer Kerl für einen großen Menschen und flämische Sitten haben sich noch lange in den flämischen Orten erhalten. Eine solche Sitte war der Kirchgang, der an den Erwerb flämischen Gutes geknüpft war. Unterließ man diesen, so fiel nach dem Tode des Erwerbers im „oberen Rieth" der Z. Teil, im „unteren Rieth" die Hälfte des erworbenen Landes an die Landesherrschaft. Erst 1849 ist diese Sitte und damit auch das in Orten mit ehemalig flämischer Bevölkerung geübte flämische Recht abgeschafft worden.
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Etwa 1OO Meter vor dem Denkmal führt uns ein steiler Bergpfad hinunter nach dem Ludetal und nach dem schön gelegenen Schützenhaus. Nach kurzer Rast aus seinem Vorplätze wenden wir uns dem Berghange zu, welcher dem Schlosse gegenüberliegt; er heißt der Tiergarten. Von dem schattigen Waldwege am Berghange biegen wir öfter ab, um von den lauschigen Sitzen der Ruhebänke am Waldessäume den Blick auf die im Tale sich entlangziehende Häuserreihe zu genießen. Aus der Straße unter uns klingen die leichtbewegten Reigenmelodien spielender Kinder herauf, vermischt mit den vom Lautenklang getragenen Liedern fröhlicher Wanderer, während von der Waldweide her die Glocken der Rinderherde herübertönen. Aus der Ferne grüßt von dem höchsten Gipfel des Auerberges, den Wald hoch überragend, der gewaltige Kreuzturm der Josephshöhe.
Etwa 1OO Meter vor dem Denkmal führt uns ein steiler Bergpfad hinunter nach dem Ludetal und nach dem schön gelegenen Schützenhaus. Nach kurzer Rast aus seinem Vorplätze wenden wir uns dem Berghange zu, welcher dem Schlosse gegenüberliegt; er heißt der Tiergarten. Von dem schattigen Waldwege am Berghange biegen wir öfter ab, um von den lauschigen Sitzen der Ruhebänke am Waldessäume den Blick auf die im Tale sich entlangziehende Häuserreihe zu genießen. Aus der Straße unter uns klingen die leichtbewegten Reigenmelodien spielender Kinder herauf, vermischt mit den vom Lautenklang getragenen Liedern fröhlicher Wanderer, während von der Waldweide her die Glocken der Rinderherde herübertönen. Aus der Ferne grüßt von dem höchsten Gipfel des Auerberges, den Wald hoch überragend, der gewaltige Kreuzturm der Josephshöhe.


Der reizvolle Waldweg mündet schließlich an der Lutherbuche aus. Sie hat ihren Namen daher, weil an dieser Stelle am 21. April 1S25 Dr. Martin Luther gestanden hat, nachdem er in der St. Martinikirche gepredigt hatte. Eine Tafel an der Lutherbuche berichtet uns die Worte, die Luther damals hier gesprochen haben soll:
Der reizvolle Waldweg mündet schließlich an der Lutherbuche aus. Sie hat ihren Namen daher, weil an dieser Stelle am 21. April 1S25 vr. Martin Luther gestanden hat, nachdem er in der St. Martinikirche gepredigt hatte. Eine Tafel an der Lutherbuche berichtet uns die Worte, die Luther damals hier gesprochen haben soll:


„Als anno 1S25 Freytags nach Ostern Lutherus hier gepredigt und mit Herrn Wilhelm Neiffensteinen nachgehends auf dem Berg spazieret, verglich der Doktor die Stadt gar füglich einem Vogel. Das Schloß, vermeinte er, wäre der Kopf, die zwei Gassen wären die Flügel, der Markt der Rumpf, die Niedergasse der Schwanz."
„Als anno 1S25 Freytags nach Ostern Lutherus hier gepredigt und mit Herrn Wilhelm Neiffensteinen nachgehends auf dem Berg spazieret, verglich der Doktor die Stadt gar füglich einem Vogel. Das Schloß, vermeinte er, wäre der Kopf, die zwei Gassen wären die Flügel, der Markt der Rumpf, die Niedergasse der Schwanz."
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<span style="font-size:90%">{{AlR|R. Rasehorn.}}</span>
<span style="font-size:90%">{{AlR|R. Rasehorn.}}</span>
=== Das Ried ===
Nachdem die Helme das Dorf Brücken verlassen hat, teilt sie sich in zwei Arme: Die Große und die Kleine Helme. Unweit Nitteburg ergießen sie sich von links in die Unstrut. Das Land zwischen diesen beiden Helmearmen ist 12 km lang und 5—10 km breit. Es heißt das Ried. Der Name sagt uns, wie es hier vor vielen hundert Jahren ausgesehen hat. Unter Ried versteht man ein Tieflandmoor. Das Ried war also damals nichts anderes als ein Sumpfland. Wenn im Frühjahr die Schneeschmelze eintritt, versorgen die kleinen Harzbäche, welche der Helme zueilen, diese reichlich mit Wasser. Da die Helme sehr flache Ufer hat, tritt sie leicht über und überschwemmt das ganze Gebiet. Das können wir fast jedes Jahr beobachten. Früher aber waren die Überschwemmungen noch leichter möglich, weil die Bäche viel mehr Wasser mit sich führten; denn die Wälder dehnten sich weit aus und bildeten das Quellengebiet vieler Bäche. Und so kam es denn, daß die Helme das Land in einen Sumpf verwandelte. Weiden, Riedgras und andere Sumpfpflanzen gediehen dort vorzüglich. Aber zu andern Zwecken war das Land nicht zu gebrauchen. — Da entstand mitten im Ried das Nonnenkloster Rohrbach. Die Nonnen dieses Klosters stammten meist aus vornehmen Adelsfamilien der Umgegend. Ihr Reichtum veranlaßte sie, das Ried trocken legen zu lassen. Eines Tages schickten sie ihre Dienstleute mit Hacke und Spaten in das Ried. Es begann nun ein emsiges Schaffen. Durch das Ried wurden Längs- und Quergräben gezogen. Die Helmeuser wurden mit hohen Dämmen versehen, um eine Überschwemmung zu verhüten. Dämme und Gräben bepflanzte man mit Weiden und Buschwerk, um sie gegen die Gewalt des Wassers widerstandsfähiger zu machen. Nun sammelte sich in den Gräben das Riedwasser und floß nach Helme und Unstrut ab. So verwandelt sich nach und nach das Ried in einen fruchtbaren Landstrich. Bald erschien der Landmann mit Pflug und Hacke, um den Boden zu bearbeiten und zu bebauen. Wohl erinnern uns heute noch Frösche, Störche und Weidenbäume an jene Zeiten; aber das Riedgras ist verschwunden, und der Bauer fährt duftendes Heu in seine Scheunen. Weizen und Zuckerrüben bringen dem Landwirt reichen Gewinn. So sind die Ortschaften, welche an den Rändern des Riedes entstanden sind, reiche Bauerndörfer. Ihre Namen deuten häufig an, daß sie einst Rieddörfer waren: Martinsrieth, Riethnordhausen, Katharinenrith, Nikolausrieth u. a.
<span style="font-size:90%">{{AlR|Viehl.}}</span>
=== Der Bauerngraben ===
Es war an einem Sonntagnachmittage. An dem ausgetrockneten Zollbach in Roßla standen drei Jungen und überlegten, was sie an dem heißen Nachmittage unternehmen könnten. „Karell," sagte der eine, „gehstenn met nach'en Buerngrawen? Me wulln duch emol sehn, ub Wosser >rinne äs." „Mie sinn drbä," meinten die beiden andern, „wenn mand de Sunne nich so bränn bäte, do kimme ower schwitze hiete." „Zick' doch dinne Jacke us, Willällem", sagte Paul. Damit war ihre Unterredung zu Ende, und der Marsch begann. Nach kurzer Wanderung nahm sie der Wald aus. Ihr Weg führte immer bergan durch einen jungen Eichenwald, bis sie an eine Lichtung kamen. In ihrer Mitte steht eine gewaltige, uralte Eiche, die Grenzeiche genannt. Um sie sind Bänke' gezimmert, die zur Rast einladen. So sehr die Jungen auch schwitzten, sie ließen es sich doch nicht nehmen, die Eiche zu erklettern und sich in ihreu Zweigen ein bequemes Plätzchen zum Ausruhen zu suchen.
Gar oft hat die Grenzeiche fröhliche Gäste gesehen. Jedes Jahr am Himmelfahrtstage kommen die Gesangvereine aus Roßla zu ihr, und die Musikanten spielen in ihren Zweigen alt und jung zum Tanze aus.
Nachdem die Jungen sich ausgeruht hatten, führte sie ein ausgefahrener Hohlweg, der fußhoch mit trockenem Laub bedeckt war, bergab. Es machte ihnen viel Vergnügen, durch das raschelnde Laub zu gehen. Als sie sich eine kurze Strecke durch niedriges Buschwerk hindurchgearbeitet hatten, standen sie plötzlich vor einer etwa fünfzig Meter tiefen Erdsenkung. Von hier aus bot sich ihnen eine prächtige Aussicht. Etwa 20 Minuten weit entfernt liegt das schmucke Dörfchen Agnesdorf, und dahinter sieht man die schön bewaldeten Harzberge. Zu ihren Füßen breitet sich ein tiefer Grund aus, der an der Südseite von hohen, zerklüfteten Kalkfelsen eingeschlossen ist. Dieser Grund führt den Namen Bauerngraben. Die vielen Höhlen, Löcher und Risse in den Felsenwänden, in denen Raubvögel nisten und Füchse und Marder ihre Schlupfwinkel haben, lassen erkennen, wie weich das Gestein ist. Unten im Grunde liegen niedergegangene Gesteinsmassen, darunter Blöcke von gewaltiger Größe. Auf dem Geröll wachsen schlanke Birken empor, und durch den Bauerngraben hindurch fließt der Glasebach.
Als die Knaben ihren Blick in die Tiefe richteten, kam es wie aus einem Munde: „Dr Buerngrawen äs vull Wosser." — „Dos hätt ich mich nich jedacht," sagte Karl, „wo kimmet enn dos här bä der Hitze, 's hat doch schunne ocht Wuchen nich jeräjent." Und so standen sie und wunderten sich und sahen auf die schöne, grüne Wasserfläche hinab. Hätten sie an der andern Seite gestanden, so hätten sie gesehen, wie. prächtig sich die steilen, weißen Felsen in dem Wasser spiegelten.
Nicht immer hat man das Glück, hier unten einen See zu erblicken. Das Wasser kommt und geht unbeeinflußt von der Witterung. Oft hat der Bauerngraben trocken gestanden, und der Pfarrer von Breitungen, dem seine Bewirtschaftung zustand, hat darin Gerste, Hafer, Erbsen, Bohnen und Flachs gebaut. Aber in einem Jahre ist er um seine Ernte gekommen. Als er an den Bauerngraben hinausgegangen war, um seine Bohnen zu ernten, fand er, wie die Chronik berichtet, „eine Bohnensuppe" vor; denn über Nacht hatte sich das Becken mit Wasser gefüllt. Schließlich hat man aber die Bebauung ausgegeben, weil durch das häufige und plötzliche Einsetzen des Wassers die Ernte verloren ging.
„Ich kann's eich saa," sagte Wilhelm zu seinen Kameraden, „wie's dodermet äs, minn Vodder hät's mich emol verroden. Was nämlich der Bach doungen äs, der kimmt us'en Glasegrunne Hinger Angelsdorf, geht ungene ninn in'n Bürg, wu me stehn, da fließt e ungerärdsch Witter. Was hier dr Bürg äs, dr äs nämlich hohl, von'n Wosser usje- hehlt wie de Barbarussahehle. Nu sterzt manichmal in de Lecher und Hehlen was inn, dr Bach kann nich witter, un sei Wosser fillt den Buerngrawen us. Wenn sich's Wosser nochdern wedder im Bärge durchje- wärcht hat, äs' dr Buerngrawen wedder leer. So kimmet's metunger, daß dr Buerngrawen vull äs', wenn's garmch jeräjent hat."
Nachdem die Jungen am Bauerngraben nochmals alles betrachtet hatten, kletterten sie lustig die Felswand hinab. Das schönste Marien- glas, das sie unterwegs fanden, steckten sie in ihre Taschen, um es mit nach Hause zu nehmen.
<span style="font-size:90%">{{AlR|W. Ochs.}}</span>
=== Bilder aus dem Gonnatal ===
Zwischen Grillenberg und Wippra liegen die Pferdeköpfe. Nicht weit davon entspringt die Gonna. Sie ist zuerst ein winziges Wässerlein, so daß man kaum die Stelle finden kann, wo sie aus dem laub- bedeckten Waldboden hervorquillt.
Ein Fußweg zweigt von der Wippraer Straße nach den Pferdeköpfen ab. Vor, da aus blickst du über die blumige Wiese nach dem Walde, in dem die Gonna geboren ist.
Der Fichtenwald hinter dir hat ein lichtgrünes Kleid über sein dunkles Gewand gezogen und duftet würzig nach Maiwuchs. Die Vögel singen. Auf der Kohlenstraße wandern fröhliche Kinder mit ihrem Lehrer. Ein Reh tritt aus dem Waldesdunkel und äugt ängstlich umher. Jetzt wendet es sich und verschwindet wieder hinter dem grünen Blätterdach.
Herrliche Waldwege führen auf die Berge. Ein Wegschild bezeichnet den Weg nach dem prächtigen Schlosse Rammelburg. Auf einer steinernen Ruhebank unter schattigen Tannen läßt es sich gut ruhen. Munter hört man die Gonna rauschen, und Sonntagskinder hören, wie sie singt:
<poem>
„Ich komm aus grünem Kämmerlein,
spring hurtig über Stock und Stein.
Der Himmel ist der Vater mein,
blick ihm ins blaue Aug' hinein.
Die Erde ist mein Mütterlein,
das schließt mich in die Arme ein." —
</poem>
Die Grillenberger Kinder tummeln sich an warmen Frühlingstagen auf den breiten Wiesenflächen der Gonna, bis die Sönne sinkt. Wenn aber der Mond über die Berge spaziert, müssen alle Kinder in den Betten sein. Dann stehen die schwarzen Wälder als dunkle Schutzengel auf der Wacht und behüten das liebliche Tal. Wenn der Mond sein Gesicht in der Gonna blank gewaschen hat, daß es wie Silber glänzt, besucht er auf einsamer Bergeshöhe die Grillenburg. Eine Weile ruht er dann auf dem alten Gemäuer und horcht, was der halb verfallene Bergfried erzählt. Dann wandert er langsam über das Dorf. Er sieht, daß alles schläft. Auch das Mühlrad von der Klippmühle ist still wie rings die Nacht. Die Oberförsterei an der Straße zwischen Grillenberg und Obersdorf liegt friedlich in weißes Mondenlicht getaucht.
Alles ist totenstill. Nur die Gonna murmelt und flüstert in einem fort, Tag und Nacht, jahrein, jahraus. Fleißig treibt sie am Tage Mühlrad auf Mühlrad. Viele dieser Mühlen heißen Hüttenmühlen. Warum sie so genannt werden, das verraten uns die vielen Schlacken- halden im Tal.
Wenn man von Sangerhausen aus gonnaaufwärts wandert, gelangt man zuerst zur Kupferhütte. Dann wandert man auf einem Fußweg weiter und kommt an der Walkmühle vorbei. Bald ragt in der Ferne der Kirchturm des Ortes auf, der mit unserm Bach den gleichen Namen teilt. Zur Zeit der Baumblüte sieht Gonna aus, wie in einen Blumenkorb gebettet.
Ihre Harzgrüße trägt die Gonna durch Sangerhausen bis zur Helme, die sie der Unstrut übergibt. Saale und Elbe aber bringen sie als einen Klang aus unsern schönen Harzbergen in das deutsche Meer hinein.
<span style="font-size:90%">{{AlR|Leipold.}}</span>
=== Der Wolfstein bei Schwiederschwende ===
Anweit des Jagdschlosses Schwiederschwende steht an der Straße nach Roßla, im Schatten schön gewachsener Kastanien ein Denkmal. Der eilige Wanderer zieht oftmals achtlos vorüber und sieht nicht die einladenden Ruhebänke. Bubenhände haben der steinernen Tiergestalt vor Jahren ein gut Teil des Kopfes abgeschlagen; aber doch ist das Erinnerungsmal eine Stelle im Noßlaschen Forst, die uns von den Zeiten Kunde gibt, in denen die Harzwälder noch wilder aussahen als heute.
An der Rückseite des Sockels lesen wir im altersgrauen Steine von der Bedeutung dieses Males:
<poem>
„Anter der Residenz des Grafen
Jost Christian zu Stolberg-Roßla
wurde im Monat Januar 1724
der letzte Wolf allhier erlegt."
</poem>
<span style="font-size:90%">{{AlR|B. Manger.}}</span>
== Mensch und Heimat ==
=== Der Kupferschieferbau bei Bottendorf ===
Kommt mit mir auf die Bottendorfer Berge, und laßt uns zurückdenken
an eine Zeit, die schon lange vergangen ist, die sogar unsere
Großeltern nicht mehr erlebt haben. Es ist die Zeit 1707—1720,
für das jetzt ackerbautreibende Bottendorf eine Zeit des regsten industriellen
Lebens. Es wurden damals bei Bottendorf Kupferschiefererze
aus der Erde geholt und aus ihnen das vielbegehrte Kupfer und Silber
gewonnen.
Wir wandern den Weg nach den Ziegelrodaer Höhen zu und
versehen uns in die Zeit vor mehr als zweihundert Jahren.
Oft müssen wir zur Seite gehen; denn uns begegnen Karren,
die Erze dem Dorfe zufahren. Mit uns kommen Holzwagen, die
Stämme nach den Schächten bringen. Unser Ziel ist ein solcher Schacht.
Wir begleiten darum einen Holzwagen und kommen zum Anna-
Sophienschacht, dem tiefsten von allen andern, die in der ganzen Flur
verstreut liegen. Er hat eine Tiefe, der Bergmann sagt: „Teufe",
von 60 Lachtern (120 m), während die andern durchschnittlich nur
30 Lachter Teufe haben. Wir sehen ein Loch, auf dem ein Haspel
steht. An dem Haspel stehen Männer, Haspelzieher genannt, die ab
und zu einen Kasten emporwinden. Der Kasten enthält die Erze, die
der Häuer unten im Schacht losgeschlagen hat. Wollen wir den Häuer
bei der Arbeit sehen, so müssen wir an einer Leiter hinuntersteigen, wie es der Bergmann auch tut, wenn er anfährt. Dort unten herrscht ein Dämmerlicht; denn die Fackeln und Talglämpchen erhellen die Dunkelheit nur schwach. Außerdem steht der Häuer im Wasser, welches sich in dem Loche sammelt. Wohl ziehen andere Haspelzieher, die man Pumper nennt, Tag und Nacht Wasser herauf, aber trotzdem genügt das nicht, wenn der Zufluß stark ist. Nehmen die Wasser überhand, so muß der Bergmann den Schacht verlassen, ehe die Erze alle herausgeholt werden konnten.
Vom Schacht aus gehen nach verschiedenen Seiten Stollen, das sind unterirdische Gänge. Diese werden mit den Stämmen, die wir zum Schachte bringen sahen, ausgebaut. Nun steigen wir an den Leitern wieder empor und erfreuen uns an den Strahlen der Sonne und der gesunden Luft. Jetzt haben wir auch Zeit, das grauschwarze Gestein näher zu betrachten. Wir finden bei genauer Betrachtung ganz dünne Striche, die einen Silberglanz haben, es ist das Silber. Mit diesen Strichen oft vermengt, sieht man schmale Streifen einer rot und grün schillernden Masse; das ist das Kupfer. Beide Erze sind in dem grauschwarzen Gestein, dem Tonschiefer eingebettet.
Soeben fährt eine Reihe Karren nach der Schmelzhütte ab, und wir schließen uns an, um ebenfalls die Arbeit in der Schmelzhütte zu betrachten. Wir gehen denselben Weg zurück, den wir kamen, dann weiter durch das Dorf, über die Unstrut, über den Graben und sind in der Hütte. Die Erze kommen nun zuerst in die Pochmühle und werden dort in kleine Stücke zerstampft. Das Pochwerk wird von einem Wasserrad getrieben, das in den soeben überschrittenen Graben eingebaut ist. Kommen die Stücke aus der Pochmühle, so werden sie von den Klaubern ausgelesen, das taube Gestein wird zur Seite geworfen, das erzhaltige aber in einen der fünf Schmelzöfen gebracht. Diese Schmelzöfen werden mit Kohlen und Holz geheizt. Die Kohlen kommen ziemlich weit her; Fuhrleute bringen sie von Wettin und Meinsdorf; das Holz aber stammt aus den Wäldern bei Lossa. In den Schmelzöfen wird das Kupfer zuerst flüssig und läuft, dickflüssig wie Saft, rötlich glühend aus dem Gestein. Darauf wird das Erz noch entsilbert. Die Arbeit lohnt sich auch; denn aus fünf Zentnern Erzen gewinnt man 63 Pfund Kupfer und 110 Lot Silber. (1 Lot = 1/30 Pfund).
Aber das Wasser nahm in den Stollen überhand. Schon im Jahre 1728 fing die Not an. Nichts wurde unversucht gelassen; denn die Erze waren edel und versprachen Gewinn. Man baute einen Stollen, der die Wasser unterirdisch zur ünstrut ableiten sollte. Die Mündung des Stollens ist heute noch am Ostausgange von Bottendorf sichtbar. Sein Lauf läßt sich ebenfalls noch an den Halden der ehemaligen Lichtschächte erkennen. Im Jahre 1739 versuchte man, eine Wasserkunst zu erbauen. Man errichtete in der Unstrut, ebenfalls am Ostausgange von Bottendorf, ein großes Wasserrad von 14 Ellen Höhe und 6 Ellen Breite, welches ein Gestänge von 684 Lachter Länge trieb. Dieses Gestänge führte zum Neuen-Gnade-Gottes-Schacht. Leider war aber die Kraft durch das lange Gestänge zu gering. Später, im Jahre 1777, versuchte man, mit einer Roßkunst die Wasser zu bewältigen. Diese Roßkunst wurde von 6 Pferden in Antrieb gesetzt, die nach je drei Stunden gewechselt werden mußten. Die Pferde wurden zweimal am Tage eingespannt; so waren außer den Reservepferden 24 Stück zu dieser Wasserkunst nötig. Der Betrieb war also gar kostspielig, und so kam es, daß im Jahre 1781 das Werk eingestellt wurde, allerdings mit der Absicht, es gelegentlich wieder aufzunehmen.
<span style="font-size:90%">{{AlR|Graneß.}}</span>
=== Wie unsere Ziegelsteine entstehen ===
Wenn es nach frostfreien Tagen in den Räumen der Ziegelei von Berga lebendig wird, dann lohnt es sich, dieser Stätte des Gewerbefleißes einen Besuch abzustatten. Hat dir der Besitzer, Herr Gutsbesitzer Kleemann aus Berga, die Besichtigung der Ziegelei erlaubt, so betrittst du zunächst den geräumigen Vorplatz. An Schuppen und Baracken, an Ringofen und Maschinenhaus vorüber, schreitet man zum nördlichen Ausgang. Hier erblickst du die Tongrube, etwa 2 Minuten von der Ziegelei entfernt, wo sich die Tonmassen zu Wänden austürmen. Ein kräftiger Mann schiebt eben eine mit Ton gefüllte Lore bis zum Aufzug, wo sie mit einem Drahtseil von einer Maschine empor> gezogen wird und ihren Inhalt im Maschinenraum ausschüttet. Anter dem Raum arbeitet die Lokomobile, die alles in Bewegung setzt. Da nimmt der Beschicket den Ton auf, eine Egge faßt ihn und schiebt ihn in den Kollergang, wo er zerkleinert und gewalzt wird. Durch die Löcher der starken Eisenplatten, die sich am Koller befinden, fällt er in die Misch- oder Knetmaschine, in der fetter und magerer Ton gemischt werden. Hier läuft nach Bedarf Wasser aus der Tongrube zu, um den Ton geschmeidig zu machen. Von hier aus wird er hinunter in die Presse getrieben, aus der er, zum rechteckigen Block gepreßt herauskommt. Am Ende der Presse befindet sich das Mundstück, das den Ton zu Steinen formt. Drähte schneiden den Ton so, daß jedesmal 2-3 Steine entstehen. Wie schnell hat sich der Tonklumpen in Steine verwandelt! Fühle einen Stein an! Er ist noch ganz weich; die Arbeiter laden die Steine vorsichtig auf Karren und setzen sie einzeln in den Trockenschuppen auf Lattengerüste, wo sie 8-14 Tage trocknen.
Sind die Steine trocken, so werden sie gebrannt. Sie werden in den dunklen Brennkanal gebracht, der von dem großen Ringofen eingeschlossen wird. Der Ringofen, der ringförmig um den Kanal herumliegt, wird von obenher mit Kohlen geheizt, die in die Brenn- röhren eingeschüttet werden. In dem Ofen befinden sich 16 Kammern. Diese werden zum Teil mit Steinen gefüllt. Damit keine Hitze entweichen kann, werden die Türen mit alten Steinen und Ton zugemauert. Inzwischen werden andere Kammern geleert und die übrigen wieder vollgesetzt, damit man weiterbrennen kann. Das Brennen dauert 2—4 Tage; dann werden die zugemauerten Türen wieder aufgerissen, damit sich die Steine abkühlen. Und nun fährt man die Steine aus und stellt sie zu je 200 Stück zum Verkauf auf. Prüfe nun, wie der Stein klingt! Für den Brenner gilt es, wachsam zu sein, daß die Steine gut gebrannt werden. Beim Brennen hat sich der eisenhaltige Ton rötlich gefärbt. Ost enthält der Ton auch „Tuffstein" und Sand, die während des Brennens in „Fluß" geraten und ihn fest verkitten.
<span style="font-size:90%">{{AlR|P. Hörold.}}</span>
=== Ein in Kelbra gearbeiteter Perlmutterknopf erzählt seine Lebensgeschichte ===
„Meine Heimat ist die Südsee. Ein Fischerknabe holte mich aus dem Wasser heraus. Frauen und Mädchen warfen meine Freunde und mich in einen großen Kasten, der zugenagelt und auf ein Schiff gebracht wurde. Bald, ging die Fahrt los. Viele Wochen dauerte die Reise. Wir konnten uns nicht rüppeln und rühren und wurden durch das Rattern des Schiffes noch dichter zusammengedrängt. In England wurden wir ausgeladen und in einen großen Lagerraum gebracht, in dem schon viele Kisten mit Perlmutterschalen standen, die gleich uns eine weite Reise zurückgelegt hatten, aber aus andern Teilen des großen Meeres kamen. All die Kisten brächte man wieder in ein Schiff, das nach Hamburg fuhr. Von dort aus verschickte man uns mit der Bahn nach dem Städtchen Kelbra.
Lange Zeit standen wir in einem dunklen Lagerräume. Eines Tages öffnete man unsere Kiste und warf uns auf die Erde. Ein Mann prüfte uns genau und legte mich mit andern starken Schalen beiseite, während die dünneren und schwächeren auf einen besonderen Haufen kamen. Aus mich schien der Mann ein besonderes Auge geworfen zu haben. Er hielt mich in die Höhe, daß sich das Sonnenlicht in mir spiegelte und rief laut zu einem Knaben, der neben ihm stand: „Sieh, die köstliche Perle!" Was er damit meinte, sollte ich gleich erfahren. Anten aus dem Meeresgrunde war ein Sandkörnchen in meine Muschel gedrungen. Weil es mich störte, überzog ich es mit einer festen Masse, so daß es mit der Schale verwuchs und mich nicht weiter belästigen konnte. Dieses kleine Körnchen nannte der Mann Perle, die er mit einem spitzen Stahle herausbohrte und sorgfältig aufbewahrte.
Was nun weiter mit mir geschah, kann ich kaum alles erzählen, so schnell ging es, und so vielerlei war es, was ich in einigen Tagen erleben mußte. Man warf mich in ein Faß, in dem Wasser war. Wie freute ich mich, wieder ein erquickendes Bad zu nehmen, wenn auch das Wasser ganz anders schmeckte als im heimatlichen Meere! „Die Muschel muß wieder weich werden", sprach der Mann zu seinem Knaben, „damit sie beim Bohren nicht zerreißt." Also durchbohren wollte man mich! Wenn ich daran denke, muß ich heute noch zittern und beben. Ein anderer Mann holte mich aus dem Wasser heraus, faßte mich mit einer Zange und hielt mich gegen einen Stahlbohrer. Der Bohrer sah wie eine kleine Röhre aus, hatte vorn lauter scharfe Zacken und drehte sich surrend im Kreise. Die scharfen Zähne bohrten runde Scheiben aus mir heraus, die durch die Stahlröhre gedrückt wurden und in einen Holzkasten fielen, in dem schon andere Scheiben lagen. Als der Kasten voll war, nahm der Mann alle heraus und drückte jede Scheibe in ein passendes Stück Holz, mit dem wir wieder surrend im Kreise gedreht wurden.
Zuerst war ich so eingespannt, daß meine rauhe Seite nach außen war. Der Mann hielt einen messerscharfen Stahl dagegen und drückte so lange, bis alle grauen Stellen abgeschrubbt waren. Dann kehrte er meine glänzende Innenseite nach außen und bohrte eine kleine Vertiefung hinein, die er Friesette nannte. Nachdem alle Scheiben so bearbeitet worden waren, brächte man uns aus eine Maschine, an der ein junges Mädchen saß. Dort sauste eine Nadel im Kreise herum. Das Mädchen hielt uns dagegen und bohrte zwei oder vier Löcher in uns hinein. Wie sahen wir nun aus! Zerschunden, durchbohrt, beschmiert und beschmutzt! Oh, wie unglücklich fühlten wir uns, und wie froh waren wir, als man uns in ein Faß schüttete, das mit Wasser und mit einer Säure, gefüllt war, in dem wir mehrere Stunden im Kreise gedreht wurden! Als wir herauskamen, sahen wir schön sauber aus. Glanz bekamen wir aber erst in einem anderen Fasse, in dem wir mit Sägespänen und mit feinem Kalke wiederum einige Stunden gedreht wurden. Wie fein wir nun aussahen, konnten wir eigentlich erst sehen, als uns ein Mädchen auf Silberpappe genäht hatte und als wir, in allen Farben schillernd, im Sonnenlichte glänzten. Knöpfe wurden wir nun genannt.
Leider verpackte man uns wieder in einen Karton, in dem wir längere Zeit liegen mußten, bis uns die Post in eine größere Stadt brächte. In einem Laden packte uns ein junges Mädchen aus und legte nns auf ein langes Brett. Nach einigen Tagen schon kaufte uns ein Mann, der uns mit in seine Wohnung nahm und uns auf einen Anzug nähte, den bald ein Herr abholte. Wir freuen uns jedesmal, wenn wir mit ihm spazierengehen dürfen.
<span style="font-size:90%">{{AlR|R. Rasehorn}}</span>
=== Die Nordhäuser Talsperre ===
: siehe: ''[[Die Nordhäuser Talsperre]]''.
== Am Sagenborn ==
=== Die drei Asseburger Becher ===
<center>1.</center>
Es war vor fast tausend Jahren in einer schönen, mondhellen Winternacht.
Da schlief auf der Asseburg die Gräfin Helene mit ihren
Kindern. Ihr Gemahl war mit dem Kaiser aus einem Kriegszuge.
Ein glückliches Lächeln lag aus ihrem Gesicht; sie träumte, er sei zurückgekehrt
und reiche ihr die Hand. Plötzlich erwachte sie und hörte zu
ihrer Überraschung ein winziges Dergmännlein vor ihrem Bette
sprechen: „Du gute' Herrin, Du hilfst allen, die in Not sind, hilf auch
meinem kranken Weibe!"
Schnell stand die gute Gräfin auf, zog einen warmen Mantel
an und folgte dem Zwerge. Alle Türen öffneten sich ihnen von selbst,
und unweit der Burg gingen sie in eine Höhle, wo die Bergmännlein
wohnten. Hier fanden sie auch die kleine, kranke Frau. Nachdem ihr
die Gräfin geholfen hatte, schenkten ihr die Zwerge drei Becher aus
Kristall und drei goldene Kugeln und weissagten dazu: „Solange
auch nur eines dieser Stücke im Besitz von eurer Familie ist, wird es
Asseburger geben. In dem Augenblick aber, wo die letzte goldene Kugel
verloren ist und der letzte Becher zerspringt, wird auch der letzte Asseburger
seine Augen schließen."
<center>2.</center>
Nach dem Dreißigjährigen Kriege befanden sich die drei Becher auf dem Schlosse zu Wallhausen. Die drei Kugeln waren längst verloren gegangen, und die alte Stammburg des Hauses Asseburg lag in Trümmern.
In Wallhausen wohnte damals eine verwitwete Frau von der Asseburg, welche die drei Becher sorgfältig hütete. Einst kamen ihre zwei erwachsenen Söhne, die auf einem Gut in Brücken wohnten, zu ihrem Geburtstage und brachten noch einen Freund mit. In fröhlichster Feststimmung wollten sie aus das Wohl der Mutter trinken aus den uralten Bechern ihres Hauses. Nach langem Bitten, doch mit schwerem Herzen, gab die Mutter sie heraus und sagte dazu: „Denkt, das Glück des Hauses Asseburg hängt an ihnen!"
Lachend nahmen sie die Becher, füllten sie mit funkelndem Rheinwein und stießen an. Da zerbrach das Glas des ältesten Sohnes, und klirrend fielen die Scherben zu Boden. Da war es aus mit der Fröhlichkeit, und vergebens bat die Mutter sie zu bleiben. Sie ließen sich nicht halten und jagten heimwärts durch die dunkle Nacht. Unterwegs gingen die Pferde durch und rasten in die hochangeschwollene Helme. Am andern Morgen brächte man der armen Mutter ihre toten Söhne.
Ein altes Steinkreuz zeigt noch heute kurz vor der langen Brücke die Anglücksstelle.
Von den Asseburger Bechern sind noch zwei vorhanden. Sie werden sehr sorgfältig aufbewahrt, einer auf der Hinnenburg in Westfalen und der andere aus Burg Falkenstein im Ostharz.
<span style="font-size:90%">{{AlR|F. Wirth.}}</span>
=== Die goldene Orgel unter der Bergaer Kirche ===
In dem Berge, auf dem sich die stattliche Petri-Paulikirche erhebt, befindet sich eine weite Höhlung, die tief in den Berg hineingeht. Man vermutete allerhand kostbare Schätze darin. Und in der Tat sollen auch solche gefunden worden sein. Das lockte und reizte natürlich. So machten sich auch eines Nachts zwei Männer mit Spaten und Hacken auf, um nach Schätzen zu graben. Als sie die Höhlung entlang gingen, schlug der eine aus Zeitvertreib gegen die unterirdischen Felsenwände. Da, was war das? Es klang so hohl, und wie ferner Orgelklang ertönte es. Sie lauschten. Wunderbare Orgelmusik drang an ihr Ohr. Von neuem schlugen sie gegen die Felsenwand. Wieder klang es hohl. So sehr dick konnte die Wand aho nicht sein. Sie stellten ihre Laternen hin und fingen an, mit ihren Spitzhacken die Wand zu durchbrechen. Felsenstück auf Felsenstück sprang ab; immer hohler und hohler klang's. Sie mochten wohl schon 1 Stunde gearbeitet haben, und es mußte bald gegen Mitternacht sein. Jetzt noch ein paar kräftige Hiebe — die Felsenwand war durchbrochen! Ein blendend Heller Schein drang ihnen aus einem langen Gang entgegen. Wie festgebannt blieben sie stehen und wagten nicht, weiterzugehen. Aber schließlich besiegte die Neugier doch ihr Angstgefühl, und langsam, ganz vorsichtig und leise, schritten sie mit ihren Laternen vorwärts, die bei dem grellen Licht wie Nachtkerzen erschienen. Durch den Gang kamen sie in einen großen, unterirdischen Dom. Hunderte von Lichtern erstrahlten an den Wänden ringsumher. Im Hintergründe stand eine große goldene Orgel. Das war ein Gleißen, Glänzen und Funkeln, daß ihre Augen schier geblendet wurden! Eine feierliche Stille herrschte. Da hörten sie die Mitternachtstunde schlagen. Die Orgel erbrauste in vollen Akkorden, und aus mehreren Gängen, die vom Dome abzweigten, erscholl ein vielhundertstimmiger Gesang. Dazu ließ sich in der Ferne ein donnerähnliches Getöse hören. Von furchtbarem Schrecken erfaßt, ergriffen sie die Flucht. Immer näher kam das Getöse! Kaum hatten sie den Gang verlassen, da stürzte er krachend zusammen.
=== Wie ein Jenaer Student von den Nixen in Roßla getötet wurde ===
Ein Student aus Jena war einst in Roßla auf dem Amtsgute zu Besuch. Hier wunderte er sich sehr, als er sah, daß die Hausfrau jeden Abend in einem besonderen Zimmer einen Tisch deckte. Als ihm auf seine Frage gesagt wurde, das Essen sei für die Nixen bestimmt, verlachte er den Aberglauben, und erbot sich, die ungebetenen Gäste zu vertreiben. Er ging in das Zimmer, versteckte die Löffel und legte sich mit einem geladenen Gewehr auf das Sofa. Als er um Mitternacht Schritte hörte, tat er, als ob er schliefe. Die Tür öffnete sich, und zwölf Nixen traten herein. Da sie die Löffel nicht fanden, zankten sie und riefen: „Wo hat denn die böse Frau die Lifflaff hintan??" Mit einem Mal erhob sich der Student und schoß auf eine der Nixen. Er sah deutlich, wie das Blut aus einer Wunde auf der Brust Herausfloß. Die Nixe aber zeigte drohend auf die Wunde und ging mit ihren Genossinnen weg, ohne gegessen zu haben. Am nächsten Morgen sah man die Blutspur bis nach dem Flusse. Die Gastgeber warnten den Studenten, ja nicht dem Wasser zu nahe zu kommen. Da wurde ihm angst. Am Nachmittage ging er weit vom Wasser fort in die Berge auf die Jagd. Dabei stolperte er über eine Wurzel und fiel in einen Wassertümpel, wo er ohnmächtig wurde und ertrank. So rächten die Nixen die Freveltat und ließen sich seitdem auf dem Amtsgute nicht wieder sehen.
=== Der Artraborn ===
Dem jungen Grafen Georg von Beichlingen war sein zahmer Habicht verflogen. Er fand ihn endlich im Walde bei einem Quell in den Armen eines einfachen, aber wunderschönen Mädchens, das dem durch Pfeilschutz am Flügel verletzten Vogel heilenden Wurzelsast in die Wunde träufelte. Es war Artra, des Heldrunger Hirten Tochter. Georg bat sie, seinen Habicht gesund zu pflegen und ihn dann hier am Quell zurückzugeben, warf ihr ein Silberstück zu und ritt davon, bevor sie es ihm zurückreichen konnte. Als sie ihm dann den genesenen Vogel brächte, sah der Iunggras Tränen in ihren Augen schimmern und erfuhr, Artras alter Vater war grausam aus Dienst und Wohnung verstoßen worden. Da ließ Georg den beiden hier am Quell ein Häuschen zimmern und sorgte auch für ihren Unterhalt, ja, er hätte die Schöne gern als Braut ins Beichlinger Schloß gebracht, wäre ihm solches durch seine adelsstolzen Eltern erlaubt worden. Der Artraborn spendet noch jetzt aus Kalkfels heraus den Wanderern Erquickung.
<span style="font-size:90%">{{AlR|Ewald Engelhardt.}}</span>
=== Balthasar Hakes Grab ===
Im Dreißigjährigen Kriege stand die Gegend zwischen Riestedt und Annarode wegen der Wegelagerer und Klopffechter im üblen Rufe; man nannte die Straße Klopfgasse. In ihrer Nähe sieht man unter einer hohen Eiche eine ziemlich verschüttete Höhle, Balthasar Hakes Grube genannt. Dainit hat es folgende Bewandtnis: Ein verwahrloster Knabe zu Riestedt, der immer schon seine Mutter und seinen Lehrer geärgert hatte, verschwand eines schönen Tages aus seinem Orte. Nun waren schon früher auf der Klopfgasse oftmals Wanderer ausgeraubt worden. Jetzt aber wurden die Überfälle häufiger, und die Diebstähle in der Umgegend nahmen zu. Man fürchtete, eine ganze Räuberbande müsse hier hausen, konnte sie jedoch nicht entdecken. Da bemerkte eines Morgens ein Riestedter in der Klopfgasse einen Männerhut. Als er ihn aufheben wollte, sprangen zwei Männer herbei, banden ihn und führten ihn in ihre Höhle. Dort hielt der Hauptmann der Bande schon das Schwert entblößt. Als ihm der Gefangene ins Gesicht blickte, erkannte er seinen ehemaligen Schulkameraden Balthasar Hake, von dem man nichts mehr gesehen und gehört hatte, seitdem er als Knabe verschwunden war. Er erinnerte ihn an die Jugendspiele und bat um sein Leben. Das rührte den Räuber; er ließ ihn einen Eid schwören, nichts zu verraten, und jagte ihn dann nach Hause. Von der Zeit an war das Wesen jenes Mannes vollständig geändert, und jeder sah es ihm an, daß er ein Geheimnis bei sich trug; aber auf Fragen blieb er stumm. Da ward er einmal ernstlich krank und verlangte nach dem Trost des Geistlichen. Als dieser kam, redete er ihm ins Gewissen, konnte aber nichts erfahren. Da ermahnte ihn der Geistliche, es wenigstens Gott anzuvertrauen, wenn er es Menschen nicht verraten wollte. Das tat der sterbende Mann, und so erfuhr es der Pastor. Er machte der Obrigkeit Anzeige, und die Räuber wurden in ihrer Höhle mit ihrem Führer Balthasar Hake mit brennendem Schwefel erstickt.
=== Der Schatz in der Wüsten Kirche ===
Am Settebach bei Obersdorf stand einst eine Kirche. Als ein Schäfer dort^seine Schafe hütete, erblickte er einen Mann im braunen Mönchsgewand. Der Schäfer war anfangs erschrocken, doch faßte er sich wieder, als der Mönch ihm von einem Schatz erzählte, der in der Kirche vergraben liege. Er erbot sich, dem Schäfer die Stelle zu zeigen, wenn er sich um Mitternacht hier wieder einfinden würde. Dem Schäfer war's recht unheimlich zumute; er fragte, ob er nicht noch ein paar Männer mitbringen dürfe. Der Mönch erlaubte es, bedeutete ihm aber, daß während der Zeit kein Wort gesprochen werden dürfe. In der nächsten Nacht, um die festgesetzte Zeit, erschien der Schäfer mit einigen beherzten Männern aus Obersdorf. Sie trafen den Mönch, der sie in die hellerleuchtete Kirche führte und ihnen in der Nähe des Altars die Stelle zeigte, wo sie graben sollten. Er selbst trat an den Altar und las laut Gebete vor, während die Männer mit Hacke und Spaten ans Werk gingen. Doch da begann rings um die Kirche ein unheimliches Heulen und Toben. Die Männer setzten schweigend ihre Arbeit fort, obschon sich ihnen das Haar vor Grausen sträubte. Es schien, als ob die bösen Geister hereindringen wollten. Endlich erblickten sie in der Tiefe eine Pfanne, die ganz mit glänzendem Gold gefüllt war. Beim Anblick des Goldes stieß einer einen Schrei aus. In demselben Augenblick waren Mönch und Schah verschwunden, und es war ganz finster. Das Geheul wurde immer lauter und drang in die Kirche, die Männer erhielten Püffe und Stöße und waren schließlich froh, als sie glücklich wieder draußen waren. Wüste Kirche wird die Stelle heute noch genannt.
<span style="font-size:90%">{{AlR|Fügemann.}}</span>
=== Das Sangerhäuser Kobermännchen ===
Im Treppenflur des neuen Schlosses zu Sangerhausen steht in einer Wandnische ein zwergenkleines Steinmännlein. Es hat wilden Bart und Haarschopf und trägt einen Kober an der Seite. Das Kobermännchen wird es genannt und soll einst als ein höllisches Wesen hier gehaust haben, wenn auch in nächtlicher Heimlichkeit. Mit dem Erbauer dieses Schlosses, dem kurfürstlich-sächsischen Steuereinnehmer Kaspar Tryller, ist nämlich dies und das gewesen, was nicht ans Licht der Sonne durste. Woher hat er denn das unheimlich viele Geld gehabt, solch ein stolzes Schloß zu bauen? Man hat's erfahren. Aus der Hölle ist das Geld gekommen, und das Kobermännlein hat es ihm in Nächten heimlich zugetragen.
Einmal ging ein Bäuerlein von der Stadt Sangerhausen her seinen Weg in die Goldene Aue. Es war Herbst, und der Sturm rauschte in den hohen Pappeln und fuhr heulend über die kahlen Felder, als sei die Hölle los. Mitternacht war's, als plötzlich ein kleines Männlein mit einem so großen Kober angekeucht kam, daß der Bauer spottlustig und verwundert fragte: „Wo will der große Kober mit dem kleinen Männlein hin?" —
Aber — o Schrecken! — was für böse Antwort ward ihm da! Das Männlein reckte sich hoch auf, bekam Augen wie höllische Feuerräder, holte mit seiner Hand weit aus und schlug dem Bäuerlein hinter die Ohren, daß ihm Hören und Sehen verging. Dann war es wie ein böser Spuk verschwunden.
Tagelang noch hat der Spötter die Spuren der Finger an seiner Backe getragen.
Noch heutzutage gehen die Leute mit scheuem Seitenblick an dem steinernen Männlein vorüber.
<span style="font-size:90%">{{AlR|A. Manke.}}</span>
=== Vom Schlangenkönig im Pfaffenberge ===
Auf dem Pfaffenberge bei Lengefeld lebte vor vielen, vielen Jahren ein Schlangenkönig. Tief in der Erde hatte er seine Wohnung, einen prächtigen Palast. Wenn man Glück hatte, konnte man ihn vor dem Eingänge zur Höhle sich sonnen sehen. Dann funkelte und blitzte seine goldene, mit Edelsteinen besetzte Krone, daß einem die Augen wehtaten. Bemerkte er die Menschen, so war er blitzschnell in seine Wohnung verschwunden. Wohl trug manch einer nach dieser prächtigen Krone Verlangen, doch dem Schlangenkönig war nicht beizukommen, obgleich viel vergebliche Versuche gemacht wurden.
Schließlich gelang es einem Bauern durch List, die Krone zu erlangen. Er tränkte nämlich ein Tuch mit Zuckerwasser, legte es vor das Schlangenloch und wartete, mit einer Heugabel in der Hand, hinter dem nächsten Baum auf das Tier. Es dauerte lange, bis der Schlangenkönig zum Vorschein kam. Mißtrauisch betrachtete er das Tuch, doch kam er langsam näher und näher heran, beroch es und sing an, das Zuckerwasser herauszusaugen.
Ganz leise kam der Bauer von hinten hinzu, spießte den Schlangen- könig an die Erde fest und entriß ihm die Krone. Mit seinem Reichtum eilte er nach Hause.
Der Schlangenkönig ist seit der Zeit verschwunden, und niemand hat ihn bis auf den heutigen Tag wiedergesehen.
Der Bauer zog von Lengefeld fort, verkaufte die Krone über den Rhein und erhielt dafür viel Geld. Doch seines Reichtums konnte er sich nicht lange freuen; denn er starb bald darauf unter furchtbaren Qualen.
<span style="font-size:90%">{{AlR|H. Konrad.}}</span>
=== Von den Schweinsköpfen am Schloßkopf in Bornstedt ===
Hart am Ostausgang des Dorfes Bornstedt erhebt sich ein steiler Berg, der Schloßberg. Darauf findet man noch heute die Reste einer alten Burg, einen Schloßturm mit 4 Schweinsköpfen, einen. Burggraben und Teile der Burgmauer. Von den Schweinsköpfen erzählt man sich folgende Sage:
Vor vielen hundert Jahren hatte der Ritter von Bornstedt einen Krieg. Seine Feinde zogen mit großer Heeresmacht heran, so daß er ihnen in offener Feldschlacht nicht widerstehen konnte. Deshalb zog er sich mit seinen Mannen in seine feste Burg zurück. Nun versuchten seine Gegner, diese Zufluchtsstätte zu erstürmen; aber die Burgmauer war hoch und fest und die Besatzung tapfer und wachsam, und so wies sie alle Anschläge der Stürmer ab. Bald lagen viele Angreifer mit zerschmetterten Gliedern im Burggraben. Als das ihr Führer sah, sprach er: „Mit Gewalt bekomme ich das Nest nicht in meine Hand. Ich muß es aber haben; deshalb hungern wir es einfach aus."
Am Fuße des Schloßberges bezogen die Feinde ein festes Lager, jeden Augenblick bereit, über die Besatzung herzufallen. Sie verhielten sich ganz ruhig, bewachten aber alle Wege, die auf die Burg führten, und ließen kein Mehl, kein Fleisch, keine Milch, keine Butter, überhaupt kein Nahrungsmittel hindurch. Da dauerte es gar nicht lange, daß in der Burg das Essen knapp wurde. Das Stück Brot, das die Besatzung erhielt, wurde von Tag zu Tag kleiner, und das Stückchen Speck, das sie dazu bekam, war bald so winzig, daß es kaum zu sehen war. Zuerst lachten die Knechte darüber. Sie waren noch lustig und guter Dinge, verhöhnten und verspotteten die feigen Belagerer und forderten sie auf, heranzukommen an die Mauer der Burg und sich blutige Köpfe zu holen. Als aber der Hunger wochenlang währte, kamen sie von Kräften. Sie wurden immer elender, und ihre Wämser schlotterten nur noch so um die dürr gewordenen Leiber. Da wurden sie auch mürrisch und unzufrieden, und einer raunte dem andern heimlich ins Ohr: „Was sollen wir alle Tage wachen und auf die Feinde lauern, die doch nicht kommen? Sollen wir alle lebendig verhungern? Ist es da nicht besser, die Burg zu übergeben? Vielleicht lassen uns die Feinde doch das Leben!" Mit drohenden, feindseligen Blicken sahen sie ihrem Ritter nach, wenn er die Runde durch die belagerte Feste machte und sich überzeugte, ob alle auf dem Posten waren. Jetzt sah auch der Burgherr ein, daß er das Erbe seiner Väter nicht mehr lange halten konnte, und er erwog bereits, es zu übergeben.
So verloren fast alle Burgbewohner den Mut. Nur einer war noch da, der sich nicht bange machen ließ, der fröhlich und zuversichtlich in die Zukunft sah. Das war der Burgnarr. Er schalt die Knechte: „O, ihr Iammerkerle! Kriegsknechte wollt Ihr sein? Feige Memmen und Angsthasen seid ihr! Ihr habt mich immer meines Buckels und meiner Schwachheit wegen verlacht. Jetzt ist es soweit, daß ich Krüppel allein noch Mut habe, daß ich euch und die Burg retten muß." Da wurden die Gescholtenen zornig. Sie drohten ihm mit der Faust; aber sie waren schon so schwach, und es war ihnen alles so gleichgültig, daß sie nicht mehr wie sonst hinter ihm herliefen, um ihn zu verprügeln. Nun ging der Burgnarr zum Ritter und sprach zu ihm: „Hochmächtiger Herr und Gebieter, verliert nicht den Mut! Nächste Woche ziehen eure Feinde unverrichteter Sache wieder ab. Ich habe nämlich einen listigen Plan erdacht, der die Burg und uns alle vor dem Untergang bewahren wird." Schwermütig lächelnd antwortete ihm sein Herr: „Burgnarr, ich weiß, du meinst es gut mit mir; aber verschone mich in diesen schweren Tagen mit deinen faulen Witzen, sonst setzt es noch eine Tracht Prügel." Da traten dem treuen Narren die Tränen in die Augen, und er sah seinen Gebieter so traurig und wehmütig an, daß der schließlich sagte: „Na, dann erzähle mal deinen Plan!" Freudig fing nun der kleine, bucklige Mann an: „Herr Ritter, wir haben nur noch ein einziges Schwein. Wenn das noch geschlachtet ist, wissen wir nicht mehr, was wir dann noch essen sollen. Nun rate ich euch: Laßt das Schwein nicht schlachten; laßt es aber alle morgen früh um 6 Uhr so tüchtig quälen, daß sein Quieken bei den Feinden im Lager zu hören ist. Dann werden sie denken, wir schlachten alle Tage ein Schwein, und sie werden sich sagen: „Wir können die Burgbewohner nicht aushungern; darum laßt uns die Belagerung abbrechen. Wir hungern ja mehr als die da oben auf dem Berge." Dann werden sie abziehen, und ihr behaltet, was ihr- von euren Vorfahren ererbt habt." Bei dieser Rede des Narren erhellte sich das Gesicht des Ritters immer mehr, und schließlich sprach er schon ganz fröhlich: „Burgnarr, du hast mir mit deinem Rate einen Dienst erwiesen, den ich dir nie vergessen werde. Ich werde ihn befolgen. Gelingt dein Plan, dann schenke ich dir die Freiheit und ein Bauerngut."
Nun geschah es, wie der Burgnarr zuvor gesagt hatte. Jeden Morgen um 6 Uhr zogen die Knechte das Schwein aus dem Stalle und quälten es, daß das Gequieke in den Zelten der Belagerer zu hören war. Da spitzten die Feinde die Ohren, horchten ganz erstaunt auf und sagten: „Die Leute in der Burg schlachten ja jeden Tag ein Schwein. Die haben ja mehr zu essen als wir. Da können wir sie nicht aushungern. Darum laßt uns die Belagerung abbrechen und abziehen." So geschah es auch, und so wurde die Burg gerettet.
Der Burgnarr erhielt den versprochenen Lohn. Damit aber Kinder und Kindeskinder an die wunderbare Erhaltung der Burg erinnert würden, ließ der Ritter an dem Schloßturm 4 Schweinsköpfe anbringen, nach jeder Seite einen. Darum heißt die Burg seit der Zeit die Schweinsburg und der Schloßturm der Schweineturm.
<span style="font-size:90%">{{AlR|F. Fischer.}}</span>
=== Der wilde Jäger bei Dietersdorf ===
Einst saß ein Förster auf dem Breitenberge bei Dietersdorf auf dem Anstand. Da hörte er ein furchtbares Brausen und lautes Hundegebell. Tief beugten sich die Wipfel vom Sturm. Ein gespenstischer Zug raste durch die Luft nach dem Auerberge zu. Voran ritt auf einem schnaubenden Rosse der wilde Jäger mit einem breitkrempigen Hut und einem langen, wallenden Mantel. Laut ertönte sein Ruf durch die Luft: „Hohohl Schuhuh!" Kläffende Hunde und Geisterspuk folgten ihm nach. Dem Jäger wurde ganz gruselig, und er begab sich auf den Heimweg. Unterwegs begegneten ihm Holzhauer, die den wilden Jäger auch gesehen hatten. Sie erzählten ihm, daß er alle 7 Jahre hier entlang ziehe. Man dürfe dann nicht fluchen, rufen oder spotten. Sonst würfe einem der wilde Jäger einen Pferdeschinken mit den Worten zu: „Du hast mit helfen jagen, nun sollst du auch mit helfen nagen." Wehe dem, der den Schinken nicht aufessen wollte!
=== Der Bär im Pfingstfelsen ===
Der Pfingstfelsen im Ludetal bei Stolberg, ja, der verbirgt mittels Felsblocks eine Höhle, und das ging so zu. Einmal verirrte sich ein wunderschönes Stolberger Mädchen beim Beerensuchen, fand in der Höhle ein weiches Lager von Laub und Moos und schlief daraus ein. Beim Erwachen fühlte es ein warmes Fell an der Wange und sah einen mächtigen Bären neben sich liegen, der, statt es anzusallen, ihm liebreich Honig und Beeren reichte und es durch Gebärden bat, bei ihm zu bleiben. Seine treuherzigen Augen obendrein bewogen das Mädchen, wirklich dazubleiben. Als aber Jäger eindrangen und schon ein Speer erhoben wurde, stellte es sich schützend vor den Bären. Da verwandelte sich dieser plötzlich in einen Königssohn und gewann auch die Sprache zurück.
„Du hast mich nun erlöst!" rief er, schloß sie gerührt in seine Arme und nahm sie mit in sein Reich und aus seinen Thron. Vorher aber rollte und schob er mit Bärenkraft einen Felsblock vor die Höhle.
<span style="font-size:90%">{{AlR|E. Engelhardt.}}</span>
=== Jutta von Questenberg ===
Vor bald tausend Jahren wohnte auf der Questenburg der Ritter Knaut. Der hatte ein liebliches Töchterlein, mit Namen Jutta. Die Mutter war gestorben. Der Vater hatte sie sehr lieb gehabt und wollte sich nicht trösten lassen.
Um die Pfingstentage war es, als die Kleine eines Morgens früh nach Blumen in den Garten lief. Da sah sie durch den Zaun die bunte Wiese in voller Frühlingspracht, und fröhlich sprang sie durch das hohe Gras dahin.
Bald aber suchten sie das Kind. Man lief treppauf, treppab und fand nirgends eine Spur. Sie war nicht in der Burg und nicht im Garten. Vergebens rief man laut am Waldrand:
„Herr Ritter, das Kind ist fort!"
In seiner Herzensangst bot er gleich alle Leute aus seinen sieben Dörfern auf, das Kind zu suchen. —
Klein Jutta aber war bereits in treuer Hut. Ein Köhler hatte sie tief im Walde schlafend gefunden und behutsam in seine Hütte getragen. Erst weinte sie ein bißchen, dann aber schlief sie bis zum Hellen Morgen und ließ sich Milch und Brot als Frühstück munden.
Als sie wieder draußen sah und ein Blumenkränzlein um ein Kreuzchen wand mit Quasten an den Seiten und einem Büschel an der Spitze, fanden sie die Questenberger.
Nun ging es heim, und jubelnd brächte man Klein Jutta auf die Burg zu ihrem Vater. Freudig hielt sie ihm ihre Blümchen hin und rief: „Sieh, Väterchen, da habe ich Dir ein Kränzlein mit schönen Quasten dran mitgebracht!"
Mit diesem Tag zog wieder Freude ein ins alte Schloß. Ein großes Fest wurde gefeiert. Die Rothaer bekamen eine schöne Wiese, die noch heute die „Fräuleinswiese" heißt. Das Questenfest aber, das jedes Jahr am 3. Pfingsttag in Questenberg gefeiert wird, ruft in uns die Erinnerung an Klein Jutta wach.
=== Der Bauer von Edersleben ===
Einst fuhr ein rechtschaffener Bauer aus Edersleben gegen Abend mit einer Ladung Getreide fort, um am nächsten Morgen rechtzeitig auf dem Markte in Nordhausen zu sein. Es war gerade Mitternacht, als er dem Kyffhäuser gegenüber war. Da sah er, wie sich vom Berge her eine Laterne der Straße näherte und dort stehen blieb. Als derBauer herankam, sah er einen Zwerg, der ihn fragte, ob er sein Getreide nicht dem Kaiser Rotbart im Kyffhäuser verkaufen wollte. Er sollte denselben Preis bekommen, den man jetzt in Nordhausen zahlte. Der Bauer war damit zufrieden. Doch hatte er Bedenken, den steilen Berg heraufzukommen. „Dafür laß mich nur sorgen", antwortete der Zwerg und ergriff die Zügel des Sattelpferdes. Ohne Anstrengung kam man oben an. Das Getreide wurde in den Berg in Pne große Kammer getragen. Als alles abgeladen war, führte ihn der Zwerg in die Schatzkammer, wo ein Kasten mit lauter neuen Talern stand. „Nimm dir das Geld für dein Getreide selbst heraus!" sagte der Zwerg. Der Bauer nahm etliche Taler heraus und wollte ihm einen halben Gulden zurückgeben, um nicht mehr zu nehmen, als das Getreide wert war. Der Zwerg aber sagte, er sollte ihn nur als Trinkgeld behalten. Dann führte er ihn in einen großen Saal, wo er ihn mit Speise und Trank reichlich bewirtete. Als der Bauer nach dem Essen wieder abfahren wollte, rief ihm der Zwerg zu:
„Weil du nicht zu viel genommen, sollst du noch viel mehr bekommen!"
und warf ihm eine eiserne Kette auf den Wagen. Unterwegs wurde sie so schwer, daß die Pferde kaum den Wagen zu ziehen vermochten. Der Bauer wollte das Eisen herunterwerfen, aber es ging nicht. Als er am Morgen wieder in Edersleben ankam, war die Kette in pures Gold verwandelt. So war seine Redlichkeit belohnt worden.
=== Die Lange Hüne auf der Numburg ===
Auf den Bergen bei der Numburg hauste in grauer Vorzeit eine Riesin, die Lange Hüne genannt. Eines Tages hatte sie Langeweile. Zum Zeitvertreib drehte sie sich auf ihrem Absatze ein paarmal rund herum. So entstand das große, kreisrunde Loch bei der Numburg. Beim Umdrehen bekam sie Sand in den Schuh. Sie schüttete ihn aus. Die Sandkörner flogen im Helmegau umher. Das größte Sandkorn aber, ein gewaltiger Granitblock, flog bis auf die Höhe von Görsbach, wo er noch heute zu sehen ist. Als die Lange Hüne starb, wurde sie in dem Hünengrabe bei der Numburg begraben.
=== Das lange Kegelspiel auf dem Kyffhäuser ===
Peter Klaus, der Ziegenhirt aus Sittendorf, ist auch einmal im Kyffhäuser gewesen. Wie das kam? Nun so: Von jeher hatte er seine liebe Not, seine genäschige Gesellschaft in den Ruinen zusammenzuhalten; seit einigen Tagen aber fehlte ihm stets eine große Ziege, die erst wieder auftauchte, wenn er Heimtrieb. Dann kam sie immer dem Hausen nachgesetzt. Was tat nur das Tier tagsüber? Peter beobachtete darum seine Ausreißerin recht sorgfältig, und wirklich glückte es ihm eines Tages, die Ziege zu belauschen, als sie sich durch eine enge Mauerspalte zwängte und verschwand. Der Hirt kroch hinterher und kam in eine verfallene Halle. Hier meckerte ihn die Vermißte freundlich an, machte sich dann aber gleich wieder über eine Anzahl Haferkörner her. Haferkörner? Wo kamen die denn her? Nun, die schienen von der Decke des Raumes herabzurieseln. And als Peter lauschte, hörte er über sich leises Wiehern und dumpfes Stampfen, dort mußte ein Pferdestall sein. Während Klaus noch unschlüssig überlegte, ob er der Entdeckung nachgehen sollte, stand ein Knappe bei ihm, der winkte ihm zu. Zögernd folgte er der Einladung. Mehrere Stufen gings empor, dann kamen die beiden über einen Hof, der rings von Mauern umschlossen war. Endlich senkte sich der Weg aus einen kleinen Platz hinab, und hier trafen sie auch eine Gesellschaft von Rittern in wunderlich bunten und geschlitzten Gewändern. Lange, eisgraue Bärte umrahmten ihre blassen Gesichter. And was taten die Männer? — Die kegelten. Kegelten? — — Ja, kegelten. Als nun gar ein Wink unsern Peter belehrte, er sollte Kegel aussetzen, da ging ihm doch ein Grauen an, und am liebsten wäre er davongelaufen. Nach und nach fand er sich aber in seine merkwürdige Lage; voller Eifer kam er seiner Verpflichtung nach und stärkte sich hin und wieder aus einer Kanne mit köstlichem Weine, die man ihm hingestellt hatte. So verging die Zeit, und endlich schlief Peter Klaus über seine Arbeit ein.
Es war Abend, als der Ziegenhirt erwachte. Erstaunt blickte er sich um — ja, das waren die vertrauten Mauertrümmer. Hatte er denn geträumt? Hastig sprang er auf und lockte seine Ziegen — kein Tier war zu sehen; er pfiff dem Hunde, kein Hund kam gesprungen. Sollte die Herde allein den gewohnten Weg ins Dorf hinabgelaufen sein? Da fielen dem Manne mancherlei Veränderungen in seiner Am- gebung auf — wo einst kleine Büsche standen, rauschten jetzt hohe Bäume im Winde. Ganz verstört stieg Peter ins Tal hinab. Kinder spielen auf der Gasse, die kannte er nicht; Leute gingen vorüber die waren ihm fremd. Hatte er sich denn verlaufen? Aber nein, das war doch das vertraute Küchlein, und droben stand drohend gegen den Abendhimmel der Turm der alten Burg! Er schritt nach dem Hirtenhause und rief Frau und Kinder — ein fremder Junge kam gesprungen, und ein unbekannter Hund knurrte ihn an. Inzwischen war die Kunde von dem wunderlichen Gebühren des alten Mannes durchs Dörfchen gelaufen, und jung und alt drängte sich um den Fremden. Endlich faßte sich Peter Klaus ein Herz und fragte nach einem alten Bekannten. „Wo ist denn der Kurt Steffen?" Den kannten die Jungen nicht, doch ein altes Mütterchen rief: „Der wohnt seit 12 Jahren bei der Sachsenburg, da kommt ihr aber heute abend nicht mehr hin!" „Und Velten Steier?"
— „Seit fünfzehn Jahren schon schläft der unterm grünen Rasen." Da wollte dem Peter vor Schreck das Herz stillstehen. Aber siehe da, trat dort nicht ein Weib mit drei Kindern zu dem Haufen? Das sah ja gerade so aus wie seine Frau. „Wie heißt du denn?" fragte er „Marfä" — „And dein Vater?" — „Peter Klaus" — „And wo ist er denn geblieben?" — „Ach, Gott hab' ihn selig, der zog vor zwanzig Jahren mit seiner Herde auf den Kyffhäuser. Die Ziegen kamen allein ins Dorf zurück, mein Vater war verschollen.
Wir haben Tag um Tag gesucht, alles war vergebens." Da konnte der alte Vater nicht mehr an sich halten: „Ich bin ja Peter Klaus!" And nun mußte er erzählen, und schnell lief die Kunde von dem Hirten, der zwanzig Jahre im Kyffhäuser geschlafen hatte, durch die Dörfer und Städte.
<span style="font-size:90%">{{AlR|G. Winkler.}}</span>
== Spruch und Lied ==
: ''unvollständig''
== Sitten und Gebräuche ==
=== Die Feier des Questenfestes ===
: siehe: ''[[Die Feier des Questenfestes]]''.
=== Kirmesbräuche ===
Ist das ein Jauchzen, Schreien und Johlen, wenn in Kelbra am 3. Kirmestage der „Erbesbär" durch die Straßen geführt wird! Bunt aufgeputzte Burschen, eine Musikkapelle und 500 Kinder begleiten ihn. Alle Leute sehen aus dem Fenster heraus, wenn er nach den wilden Klängen des Tamburins zu tanzen beginnt. Durch alle Straßen geht's. Immer wieder neues Scherzen, neues Lachen! Schier voll vom Trinkgeld ist die Büchse, wenn die Komödianten ins Gasthaus zurückkommen. Aber siehe da, aus dem Bär wird ein Bursch, der schwitzend und mit rotem Kopfe aus dem Erbsenstroh hervorkrieckt.
Wenn die Mitternachtsstunde schlägt, begräbt man die Kirmes. Kein Trauerzug ist's, der im Saale erscheint) es sind übermütige junge Burschen, für die die Freude gar nicht lange genug dauern kann. Der „Kermspaster" hält die Abschiedsrede und schließt das schöne Fest mit dem Wunsche, daß auch im nächsten Jahre wieder solch schöne Kirmes gefeiert werden möchte!
<span style="font-size:90%">{{AlR|R. Raseborn.}}</span>
=== Das Froschfest in Thürungen ===
Froschfest in Thürungen, ein Freudentag für die Aue! Aus Städten und Dörfern kommt die Jugend herbei, um an dem seltsamen Feste teilzunehmen, das nur alle sieben Jahre wiederkehrt. Wo ein Froschfest gefeiert wird, muß es Frösche geben. Und wirklich quakt es auch heute noch an schönen Sommerabenden an allen Ecken und Enden, in den Wassergräben und Teichen, in der Helme und in der Riefe, wenn auch das große Heer der Frösche mit Trockenlegung der Sümpfe verschwunden ist. Aber der Froschkönig ist geblieben, und um ihn zu fangen, bewaffnet sich die Jugend zum fröhlichen Kampfe. Lange vorher schon werden die Streiter aus den Beutezug vorbereitet. Die kleinen Pferde, die sonst das gute Gemüse bis weit in den Harz hineinfahren, bekommen Sättel aufgelegt, und Rittmeister und Wachtmeister führen nach Feierabend die lustige Reiterschar hinaus ins Gelände.
Endlich ist der langersehnte Tag gekommen. Der Ort ist schön geschmückt. Aus dem Festplatze wimmelt es von Menschen. Festgeschmückte Reiter kommen herbei. Der Wachtmeister ordnet sie zum Zuge und erstattet dem Rittmeister Meldung. Der Kampf kann beginnen. Der Kriegsberichterstatter, ein Reiter im Frack und Zylinder, gibt in einer gut einstudierten Ansprache Aufklärung über das Gefecht. Patrouillen werden ausgeschickt und sprengen nach allen Richtungen auseinander. Alle übrigen Reiter bleiben aus dem Festplatze. Bald stellen sich bei ihnen alle möglichen Beschwerden ein. Menschen und Tiere sind erkrankt und wollen vor dem Kampfe geheilt sein. Der Doktor wird schnell herbeigeholt. Bunt ausgeputzt, kommt er auf einem wunderlichen Karren herbeigefahren, Arzneien, Tropfen und Pulver bei sich führend. Zur Belustigung der Zuschauer untersucht er mit kundiger Miene Menschen und Tiere. Wunderbarerweise leiden die meisten Reiter an Magendrücken und bekommen aus der großen Arzneiflasche Tropfen, die aber nicht in der Kelbraer Apotheke, wohl aber in dem durch Branntwein bekannten Nordhausen hergestellt worden sind. And die Tropfen scheinen an diesem Tage auch gegen Kopfschmerzen, Arm- und Beinbrüche zu helfen. Inzwischen sind die Patrouillen zurückgekehrt, ohne etwas gefunden zu haben. Nachdem sie noch schnell durch die Tropfen des lustigen Doktors von irgendeinem Leiden geheilt worden sind, befiehlt der Rittmeister das Ganze zum Kampfe.
Wild jagt die Reiterschar von bannen. Wird sie den König der Frösche in seinem guten Verstecke finden? — Vielstimmiges Hallo erschallt. Der Froschkönig ist gefangen! Gefesselt, hüpfend und quakend, von den Reitern scharf bewacht, wird er auf den Platz geleitet. Es ist ein Riesenfrosch. Seine grünschimmernde Haut ist mit Schilf bedeckt; die Froschaugen glänzen wie Glaskugeln; der Kopf ist mit einer Krone geschmückt, in der ein kleines Glöcklein hell ertönt. Lauter Jubel erschallt, und im Triumph wird er durch den geschmückten Ort geführt, voran die Musikanten, gefolgt von allen Reitern, von dem lustigen Wunderdoktor und allen Festteilnehmern. Wer wird der Froschkönig sein?
Jeder Hausvater muß versuchen, das Geheimnis zu erraten; aber niemand löst es. Ob recht oder nicht recht geraten, immer schüttelt der Froschkönig sein mächtiges Haupt, so daß hell das Glöcklein läutet. Der Hausherr muß ein Lösegeld zahlen, und weiter geht es durchs Dorf. Niemand hat das Geheimnis gelöst. Der Zug kehrt nach dem Festplatze zurück. Dort wird dem Froschkönig die Maske entrissen, der dann, nochmals lustig quakend, zur Freude aller im Gebüsch verschwindet.
Wolltest du die Thürunger fragen, woher der Brauch stammt und wie alt er ist, niemand würde deine Frage beantworten können; aber stolz sind sie alle aus ihr schönes Fest und nehmen es selbst schmunzelnd in Kauf, wenn sie in der ganzen Aue Frösche genannt werden.
<span style="font-size:90%">{{AlR|R. Raseborn.}}</span>
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