Bearbeiten von „Die Bewohner Thüringens und insbesondere des Helmegaus bis zum zweiten nachchristlichen Jahrhundert

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Anfang des 2. Jahrhunderts n. Chr. bezeugt Tacitus die Hermunduren dann einwandfrei an der oberen Donau als Freunde der Römer.<ref>Kirchhofs, der den Bericht des Tacitus nicht übergchen kann, stellt ihn zusammen mit dem etwa 70 Jahre älteren des Velleius Paterculus. Nach Tacitus hätten, so meint Kirchhofs, die Hermunduren am mittleren Main gesessen und von dort aus nach der Donau hin mit den Nömern Handel getrieben. So dehnt K. den Tacitus-Bericht. Kirchhofs, a. a. O. 9 ff. Und da Velleius sie als an der Elbe neben den Semnonen sitzend bezeichnet, müssen sie nach Kirchhofs ihre Wohnsitze vom Main über den Thüringer Wald, das Thüringer Becken, die Saale Hinfort bis an die Elbe gehabt haben: Thüringen doch Hermundurenland! Aus den Quellen aber ist zu entnehmen, daß die Hermunduren ein wanderndes Volk gewesen sind, das kurz vor Chr. an der mittleren Elbe saß, hundert Jahre später an der oberen Donau. Von Westen nach Osten an der Donau entlang von etwa Ulm bis Wien nennt Tacitus einwandfrei: Hermunduren, Narister, Markomannen, Quaden. Ptolemäus kennt im 2. Jahrhundert an der Donau noch die Teuriochämen und Turonen, die möglichenfalls hermundurische Stämme sind. Wähler, a. a. O. 17.</ref> Hier an der Donau müssen sie, wahrscheinlich sich nach und nach in einzelne Stämme auflösend, während des ganzen 2. Jahrhunderts gesessen haben. Um 200 n. Chr. war das Hermundurenreich zerfallen. Wenn man also, da weder literarische noch archäologische Zeugnisse dafür sprechen, nicht annehmen will, daß die germanischen Scharen, die wir in der zweiten Hälfte des letzten vorchristlichen Jahrhunderts bei Sondershausen treffen, weiter in die Beckenlandschaft eingedrungen sind und daselbst, während der Stamm weiter nach Süden wanderte, mindestens erhebliche Volkssplitter zurückgelassen haben, so kann man Thüringen nicht als Wohnsitz der Hermunduren betrachten. Dann ist man aber auch in Verlegenheit, welchem germanischen Volke man überhaupt Thüringen für die ersten beiden Jahrhunderte nach unserer Zeitrechnung zusprechen soll.
Anfang des 2. Jahrhunderts n. Chr. bezeugt Tacitus die Hermunduren dann einwandfrei an der oberen Donau als Freunde der Römer.<ref>Kirchhofs, der den Bericht des Tacitus nicht übergchen kann, stellt ihn zusammen mit dem etwa 70 Jahre älteren des Velleius Paterculus. Nach Tacitus hätten, so meint Kirchhofs, die Hermunduren am mittleren Main gesessen und von dort aus nach der Donau hin mit den Nömern Handel getrieben. So dehnt K. den Tacitus-Bericht. Kirchhofs, a. a. O. 9 ff. Und da Velleius sie als an der Elbe neben den Semnonen sitzend bezeichnet, müssen sie nach Kirchhofs ihre Wohnsitze vom Main über den Thüringer Wald, das Thüringer Becken, die Saale Hinfort bis an die Elbe gehabt haben: Thüringen doch Hermundurenland! Aus den Quellen aber ist zu entnehmen, daß die Hermunduren ein wanderndes Volk gewesen sind, das kurz vor Chr. an der mittleren Elbe saß, hundert Jahre später an der oberen Donau. Von Westen nach Osten an der Donau entlang von etwa Ulm bis Wien nennt Tacitus einwandfrei: Hermunduren, Narister, Markomannen, Quaden. Ptolemäus kennt im 2. Jahrhundert an der Donau noch die Teuriochämen und Turonen, die möglichenfalls hermundurische Stämme sind. Wähler, a. a. O. 17.</ref> Hier an der Donau müssen sie, wahrscheinlich sich nach und nach in einzelne Stämme auflösend, während des ganzen 2. Jahrhunderts gesessen haben. Um 200 n. Chr. war das Hermundurenreich zerfallen. Wenn man also, da weder literarische noch archäologische Zeugnisse dafür sprechen, nicht annehmen will, daß die germanischen Scharen, die wir in der zweiten Hälfte des letzten vorchristlichen Jahrhunderts bei Sondershausen treffen, weiter in die Beckenlandschaft eingedrungen sind und daselbst, während der Stamm weiter nach Süden wanderte, mindestens erhebliche Volkssplitter zurückgelassen haben, so kann man Thüringen nicht als Wohnsitz der Hermunduren betrachten. Dann ist man aber auch in Verlegenheit, welchem germanischen Volke man überhaupt Thüringen für die ersten beiden Jahrhunderte nach unserer Zeitrechnung zusprechen soll.
Vielleicht wäre niemals die Behauptung aufgestellt worden, Hermunduren hätten in Thüringen gesiedelt, wenn man nicht von dem um 400 überlieferten Volksnamen Toringi zurückgeschlossen hätte auf die germanischen Duren. Sehr früh schon hat man aber neben anderem auch sprachhistorische Einwände gegen die Gleichung Duren — Toringi vorgebracht, und da die Quellen, wenn man sie unbefangen liest und gegeneinander abwägt, von keinem Hermundurenvolke im thüringischen Raume wissen, so hat man sich darum bemüht, Thüringen anderen Germanenstämmen zuzuerteilen. Werneburg, Devrient und Wähler haben manches Bestechende für die Cherusker als Bewohner Thüringens anführen können, und insbesondere Wähler hat das Ergebnis der Untersuchungen klar und einleuchtend zusammengefaßt.<ref>Werneburg, Die Wohnsitze der Cherusker und die Herkunft der Thüringer. Jahrbücher der kgl. Akademie der gemeinnützigen Wissenschaften zu Erfurt, Neue Folge, Erfurt 1880, Heft X. — Devrient, Die Heimat der Cherusker; Neue Jahrbücher für das klassische Altertum, 1900. V. — Devrient, Hermunduren und Markomannen, Neue Jahrbücher, 1901, VII. — Wähler, Die Thüringer Bevölkerung, Langensalza, 1920.</ref> Doch die Schwierigkeiten der Beweisführung liegen einmal darin begründet, das; man mit den aus dem Altertum überkommenen geographischen Bezeichnungen nur schwer heutige Landschaftsgebilde identifizieren kann. Und zum anderen entstehen sie aus der Unstetigkeit der Stammesgrenzen der einzelnen germanischen Stämme, die sich im Laufe eines Jahrhunderts sehr erheblich verschieben können, so dasz Strabo die Hermunduren in anderen Wohnsitzen ausweist als der beinahe 100 Jahre später schreibende Tacitus, und Caesar kennt 50 v. Chr. die Cherusker in einer anderen Landschaft als Ptolemäus 200 Jahre später. Das ist allgemein bekannt, aber die Versuchung liegt nahe, zeitlich weit auseinanderliegende Überlieferungen zugleich zu verwerten, um einen germanischen Volksstamm als in einer ganz bestimmten Landschaft seßhaft nachzuweisen. Wie Kirchhofs kurzerhand den Melibocus als den Harz annimmt, so Wähler als den Thüringer Wald. Solange man aber nicht genau weiß, welches Gebirge mit dem Melibocus gemeint ist, bleibt des Ptolemäus Nachricht, die Cherusker hätten südlich der Elbe bis zum Melibocus gesiedelt, wertlos.<ref>Immer wieder erscheint die Gefahr der Zirkelschlüsse: Weil die Cherusker zwischen Weser und Elbe bis an den Melibocus siedeln, deshalb ist der Melibocus der Harz. Weil der Melibocus der Harz ist, deshalb siedeln nördlich des Harzes zwischen Weser und Elbe die Cherusker.</ref> Ebenso werden für die von Caesar ganz unbestimmt gehaltene Bezeichnung der „silva Bacenis" ganz bestimmte Höhenzüge in Anspruch genommen.<ref>Caesar, Comment. VI. 10.</ref>
Wie ferner die Beweisführung Kirchhoffs zu beanstanden ist, der unter Zusammenbringen und Pressung der Überlieferung von Velleius Paterculus und Tacitus Thüringen als Hermundurenland nachzuweisen sucht, so gleicherweise Wählers Darlegung von dem Feldzug des Drusus im Jahre 11 v. Chr. Cassius Dios Bericht darüber ist, soweit es die Festlegung von Landschaften gilt, unbrauchbar.<ref>Cassius Dio, 55, 1.</ref> Ferner: Wenn man schon die Örtlichkeit der Teutoburger Schlacht nicht genau festlegen kann, so muß man das Schlachtfeld doch westlich der Weser und nördlich der hessischen Berge suchen, und wenn die Schlacht nicht im Cheruskerlande stattgefunden hat, so doch gewiß unfern seiner Grenzen, da Arminius, der den Schlachtplatz zu bestimmen hatte, ihn nicht gar zu fern von den Sitzen seines Stammes gewählt haben wird. Schon diese Überlegungen verweisen die Cherusker etwa an die mittlere Weser.<ref>Cassius Dio, 56, 18, 19. Hier wird berichtet, Varus sei in das Land der Cherusker und an die Weser gelockt. Wenn man schon, wie Wähler, Weser mit Werra interpretiert, so hätten die Cherusker an der Werra und nicht in Thüringen bis an die Elbe heran gesessen. Die ganze Situation in C. D. 56, 19 macht die Annahme Thüringens als Cheruskerland unmöglich. Vergl. auch Tacitus, Annales I. 60, 61. Hier werden ziemlich genau die Wohnsitze der Chauken und Brukterer bestimmt. Östlich der Brukterer und südlich der Chauken muß man im I. Jahrhundert n. Chr. das Cheruskerland annehmen. Dazu stimmt auch Cassius Dio, 67, 5, wo erzählt wird, datz zur Zeit Domitians der Cheruskerfürst Chanvmerus Nachbar der Chatten ist und in Verbindung mit den Römern steht. Chariomerus = der Heerberühmte.</ref> Wesentlich für die Bestimmung des Cheruskischen Raumes aber ist wiederum Tacitus, der eindeutig die Chatten als die südlichen und die Chauken als die nördlichen Nachbarn der Cherusker erklärt.<ref>Vergl. Tacitus, Germania, K. 30, 35, 36.</ref>
Mögen die Cherusker 50 Jahre nach Tacitus nach Osten bis an die Elbe zurückgedrängt worden sein, — man muß sie doch immer als ein Volk des norddeutschen Tieflandes ansehen. Sie mögen nördlich des Harzes zeitweilig auch in den Landschaften gesiedelt haben, die später zwischen Elbe und Oker zu Nordthüringen gehörten, man kann aber nicht nachweisen, daß jemals der cheruskische Volksstamm zwischen Harz und Thüringer Wald ansässig gewesen wäre.
In letzter Zeit hat man vorsichtig die Vermutung ausgesprochen, Chatten möchten im 1. nachchristlichen Jahrhundert in unserer Landschaft bis an die Saale heran ihre Wohnsitze gehabt haben. Die Bodenfunde, die im Thüringer Becken westlich der Saale keine Spur von Hermunduren ergeben, weisen auf Beziehungen zum westlichen Germanien und damit zu den Chatten hin. Mit Rücksicht darauf wirft W. Schulz die Frage auf, ob nicht die Saale die Grenze zwischen Hermunduren und Chatten gebildet habe und ob nicht die Saale mit dem Salzflusse gemeint sei, an dem im Jahre 58 n. Chr. etwa bei Halle oder Kösen Chatten und Hermunduren handgemein geworden seien.<ref>W. Schulz, Vor- und Frühgeschichte Mitteldeutschlands, 167.</ref> So dankenswert der Hinweis ist und so sehr es lohnt, ihn im Auge zu behalten, — augenblicklich besteht keine Möglichkeit eines ernstlichen Nachweises für diese Dauerbesetzung Thüringens durch Chatten. Nach den literarischen Quellen möchte man Thüringen nicht als ihren Wohnsitz annehmen, und die Wanderungen der Hermunduren ergeben, wie oben gezeigt, die fränkische Saale oder Werra als zeitweilige Grenze von Hermunduren und Chatten, nicht aber die sächsisch-thüringische Saale. Nicht von der Hand zu weisen aber ist es, dass die Chatten längere Zeit östlich über die Werra hinaus in die Urwälder des Hainich, des Eichsfeldes, des Dün und gar der Hain leite bis an die Westgrenzen unserer Wipp er- und Helmelandschaften einzelne Siedler vorgeschickt haben. Mancherlei deutet darauf hin, dass erst durch ein Einströmen von Völkern im 3. und 4. Jahrhundert in das Thüringer Becken und auf das Eichsfeld die Werra zum Grenzfluß geworden ist zwischen den Chatten und den östlich sitzenden Stämmen, die sich seit Ende des 4. Jahrhunderts Thüringer nennen. Auch die Ortsnamenforschung könnte hier vielleicht, z. B. unter Anknüpfung an die Siedlungen mit dem Grundbestandteil „lar", aufhellend wirken.<ref>Tacitus, Germania, K. 30. . . . clurant siguiäom oolles, pnulutim rnrv8ount, st Otiattos suos saltus llsrovnius proseguitnr simul utquo cloixiiiit. — Der vom Sprachkünstler her bestimmte Ausdruck läßt die Ostgrenzen der Chatten lm unklaren; es geht aber aus des Tacitus Worten nicht hervor, daß ein Fluß die Grenze gebildet habe. — Ob Lohra auf dem westlichen Ausläufer der Hainleite noch als chattische Siedlung angesprochen werden kann?</ref>
So ist denn bisher nicht nachzuweisen, dass Hermunduren, Cherusker oder Chatten im Lande zwischen Harz und Thüringer Wald längere Zeit ihre Wohnsitze gehabt haben. Noch weniger können wir annehmen, dass ost- oder nordgermanische Völker in der Thüringer Beckenlandschaft wirklich seßhaft geworden seien. Schon in den letzten beiden Jahrhunderten vor der Zeitrechnung erscheinen allerdings ost-germanische Völker von der mittleren Oder, auf der Wanderung nach Westen begriffen, an der Ostflanke Thüringens. Ja, selbst an der östlichen Pforte unseres Helmegaues läßt sich erst eine wandalische, dann eine burgundische Volksgruppe nachweisen. Bei Artern , bei Bennungen, am Taubenbornsberge von Brücken finden wir ihre Hinterlassenschaft; die Burgunden scheinen bei Oldisleben haltgemacht zu haben. Da westlich Bennungen keine Spuren dieser ostgermanischen Völker zu finden sind, müssen wir annehmen, daß sie durch das Unstruttor bei der Sachsenburg das Thüringer Becken erreicht haben und dann weiter durch Hessen und die Wetterau an den Rhein gezogen und nicht durch die Aue und das Hohnsteinsche gewandert sind.<ref>Vergl. Hahne, Mitteldeutschland in Vor- und Frühgeschichte, Halle 1933, 9 und W. Schulz, Vor- und Frühgeschichte Mitteldeutschlands, 156 behaupten den Durchzug durch die Aue. Die Hauptfunde stammen aber von Ariern und von. Querfurt; die am weitesten westlich gelegenen wandalischen Siedlungen scheinen bei Bennungen und am Taubenbornsberge bei Brücken gelegen zu haben.</ref>
Auch in den ersten beiden Jahrhunderten n. Chr. tritt immer wieder hervor, daß die von Norden oder Osten heranziehenden Germanen die Elbe-Saale-Linie bevorzugt haben, um nach Süden zu kommen; auch durch den Unstrutdurchbruch bei der Sachsenburg zogen sie; kaum aber verirrte sich eine wandernde Schar in das teils sumpfige, teils mit Wald bedeckte Helmetal.
Und dennoch muß, wie für das ganze Thüringer Becken, so auch für die Lande zwischen Harz und Hainleite eine seßhafte Bevölkerung angenommen werden. Sie saß allenthalben sehr dünn, war auch, wenn wandernde Germanen durchzogen, leicht geneigt, sich mitreißen zu laßen, wie es fraglos mit Teilen der Helmetalbevölkerung im 1. vorchristlichen Jahrhundert beim ersten Durchzuge wandernder Sweben geschah, aber eine hauchschwache Schicht älterer Siedler, vermehrt durch Splitter durchziehender Völker, die des Weiterwanderns müde waren, war im letzten vorchristlichen und in den ersten beiden nachchristlichen Jahrhunderten vorhanden.
Die ganz wenigen Bodenfunde und die geringe Zahl ältester Ortsnamen im Helmetale beweisen die Dürftigkeit der Bevölkerung. Das obere Helme- und das ganze Zorge - und Wiedatal waren so gut wie unbesiedelt. Für die ganze Thüringer Beckenlandschaft ist aufschlußreich, daß mehr die sanften Abdachungen der Hainleite, des Eichsfeldes und des Hainichs nach dem Innern hin besiedelt waren als dieses selbst. Hier müßen bedeutendere Sumpfstrecken vorhanden gewesen sein, als man gemeinhin anzunehmen geneigt ist. Auch die völlige Menschenleere des Gebietes nördlich des Ettersberges bis vor den Südrand der Finne fällt auf.<ref>Vergl. Mitteldeutscher Heimatatlas, Blatt 8, bearbeitet von W. Schulz und Blatt 9, bearbeitet von I. Wütschke nach O. Schlüter.</ref>
Ganz wenige Kelten und darüber als Herrenschicht einige Germanen waren es, die in unserer Landschaft siedelten. Die Kelten hatten sich ja in ihrer Hauptmasse schon seit dem 3. vorchristlichen Jahrhundert aus dem Thüringer Becken zurückgezogen, vereinzelt müssen sie aber als Unterschicht unter den eingewanderten Germanen ihr Leben gefristet haben. Als diese nun im ersten vorchristlichen Jahrhundert zum Teil nach Südwesten abwanderten und der germanische Nachschub vom Norden nicht sogleich einsetzte, erhielt diese keltische Restbevölkerung eine Zeitlang eine ihrer geringen Zahl nicht entsprechende Geltung. Auch mag der Grund, daß wir gerade von ihrer Hinterlassenschaft besonders gut unterrichtet sind, darin zu suchen sein, daß diese Kelten tüchtige Handwerker waren und wir deshalb ihrer Geschicklichkeit und ihrem Fleiße mehr gute Stücke zu verdanken haben als ihren Herren und Auftraggebern, den Germanen. Jedenfalls waren die Kelten als Handwerker wohlgelitten; ihre Tonwaren und Bronzen wurden ihnen gern abgenommen. Eiserne Pflugschare und Sicheln, von ihnen hergestellt, waren im Gebrauch, und die kriegerischen Germanen bestellten bei den hochgeachteten keltischen Schmieden ihre eisernen Schwerter. Die meisten Funde dieser keltischen Handwerkskunst sind südlich der Hainleite gemacht worden, und je weiter südlich, desto mehr häufen sie sich; doch ein bei Heiligenstadt gemachter Fund von Eisenbarren in Schwertform bietet wenigstens einen Hinweis, daß mindestens auf dem Eichsfelde, vielleicht aber auch östlich davon bei uns im Helmetale einige Kelten noch bis in die Zeit nach Chr. gehandwerkt haben.<ref>Vergl. W. Schulz, Keltische Bevölkerung und der keltische Stil in Mitteldeutschland: Petermanns geograph. Mitteilungen, 1927, 363. — W. Schulz, Vor- und Frühgeschichte Mitteldeutschlands, 158 f.</ref>
Im Laufe des ersten Jahrhunderts nach Chr. verschwand der kulturelle Einfluß der Kelten allmählich ganz. Dagegen zeigte sich nun eine Beeinflussung von römischer Seite her, allerdings so gering,wie kaum in einer anderen germanischen Landschaft zwischen Rhein und Elbe. Terra-sigillata-Gefäße hat der Südharzrand nicht aufzuweisen, ebensowenig römische Münzen, die am Westrande des Beckens bei Mühlhausen, bei Schlotheim, bei Holzthaleben zahlreich gefunden worden sind. Provinzial-römische Bronzefibeln, bei Wallhausen, Frankenhausen und Jechaburg gefunden, gehören erst der Zeit nach 200 an. So scheint es, daß weite Landschaften Thüringens nie ein römischer Fuß betreten hat; es ist jedenfalls so gut wie sicher, daß das Helmetal keinen Römer gesehen hat. Ebenso kann ein Warenaustausch nach von Rom beeinflußten Gegenden kaum stattgefunden haben, und Germanen aus unserer Landschaft haben sich nicht als Krieger in die römischen Legionen verdingt.<ref>Vergl. O. Busch, Vorgeschichte unseres Heimatgebietes Mühlhausen-Langensalza, Eisenach 1940, 78 f. — Grimm, a. a. O., 106 f.</ref>
Die wenigen Germanen lebten, wenn sie nicht von durchziehenden Scharen behelligt wurden, in einer außerordentlichen Abgeschiedenheit dahin. Nur die wenigen sehr alten germanischen Ortsnamen weisen es aus, daß unsere Landschaft nicht völlig unbesiedelt war. Es sind sehr einfach gebildete Ortsnamen; die Eigentümlichkeit der Landschaft, etwa die Beschaffenheit des Bodens, ein Flußlauf, ein auffälliger Baum u. dergl. haben zur Namengebung der Niederlassung angeregt. Diese ältesten Orte enden auf aha (ältere Form affa, abgekürzt a), ara, mar, lar, tar. Aha deutet auf einen Bach- oder Flußlauf hin, mar ist mit unserem Worte Meer verwandt und zeigt eine wasserdurchtränkte, sumpfige Gegend an, zu der Endung tar (der) hat ein Baum den Anlaß gegeben, lar bedeutet schlechthin den Wohnplah, ara (ari) ist nicht zu erklären. Sehr viele Ortsnamen, die in Thüringen auf a enden, sind nicht von aha herzuleiten, sondern gehören jüngeren Gründungen an. Hier hat die Kanzleisprache der humanistischen Zeit des 16. Jahrhunderts verheerend gewirkt und hat viele gute deutsche Orte gerade in Thüringen mit einem lateinischen Endungs-a versehen;<ref>Wütschke, Beiträge zur Ortsnamenforschung in Mitteldeutschland, Mitteilungen des sächs.-thür. Vereins für Erdkunde zu Halle, 1935/36, 37 f.</ref> Im Helmetal sind sicher sehr alte Orte Salza, d. h. die Siedlung am Salzflusse, Kelbra und vielleicht auch Trebra.<ref>Wütschke, a. a. O, 41. Trebra wird auch als slawische Siedlung bezeichnet; Slawen kommen für unser Trebra als Siedler nicht in Betracht.</ref> im Wippertale mögen als Orte ältester germanischer Zeit Furra (Furari) und Nohra genannt werden. Lohra (Lare), d. i. die Wohnstätte, auf dem nordwestlichen Steilrande der Hainleite gelegen, ist zwar erst 1116 bezeugt, aber eine uralte germanische, vielleicht chattische Siedlung.<ref>Otto Dobenerker, Reeesta. Oiplomatioa. neonon spistoluriL Uistorias Iku- rineiae I, Jena 1896, 1113. Das Regestenwerk wird weiterhin nur zitiert als Dob. I, II .</ref> Einfach die Landschaftsform kennzeichnende Ortsnamen wie Berga und Werther gehören auch den ältesten Siedlungen an<ref>Berga erscheint 985 als Berge, Werther 1093 als Wertere. Dob. I, 528. 976. Berga ist die Siedlung auf dem Berge, vergl. die Stellung der heutigen Kirche von Berga; Werther ist der aus einer Insel bewohnte Raum.</ref>; im Zweifel dagegen kann man bei Roßla und Risla (wüst westlich Uthlbeben) sein.
Diese wenigen Orte allein zeugen von einer Besiedlung bald nach Beginn der Zeitrechnung. Sie liegen keineswegs sämtlich auf besonders fruchtbarem Boden. Denn die Bedürfnisse auch des Ackerbauers und Viehzüchters waren einst andere als heute; auch waren die schweren Böden mit den einfachen Geräten der germanischen Zeit nicht zu bestellen. Zuweilen kam es aber überhaupt weniger auf den Ertrag des Bodens an, da man ja genügend große Flächen zur Verfügung hatte, als auf die Sicherheit des Wohnsitzes. So waren Noßla im Sumpflande, Werther auf einem Helmewerder, Lohra in der Waldwildnis der rauen Hainleite entstanden. Den Volksstamm, dem die Siedler angehörten, kennen wir nicht; es waren Germanen.
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