Bearbeiten von „Das Nordhäuser Innungswesen“
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|VORIGER=Nordhausens innere und äußere Politik im 15. Jahrhundert | |VORIGER=Nordhausens innere und äußere Politik im 15. Jahrhundert | ||
|NÄCHSTER=Soziale und kulturelle Strömungen zu Nordhausen | |NÄCHSTER=Soziale und kulturelle Strömungen zu Nordhausen um Ausgang des Mittelalters | ||
|AUTOR=[[Hans Silberborth]] | |AUTOR=[[Hans Silberborth]] | ||
|TITEL= Das Nordhäuser Innungswesen | |TITEL= Das Nordhäuser Innungswesen | ||
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Wir haben gesehen, daß nach der Revolution vom Jahre 1375 eigentlich | |||
sämtliche Einrichtungen beibehalten wurden; nur neue Männer waren gekommen; | sämtliche Einrichtungen beibehalten wurden; nur neue Männer waren gekommen; | ||
der Rat setzte sich nicht mehr aus den alten Geschlechtern zusammen, | der Rat setzte sich nicht mehr aus den alten Geschlechtern zusammen, | ||
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Boden, in dem alten fränkischen Reichshofe am Frauenberge. Ein Kapitulare | Boden, in dem alten fränkischen Reichshofe am Frauenberge. Ein Kapitulare | ||
Karls des Großen verfügte, daß jeder Reichshof mit Schmieden, Schustern, | Karls des Großen verfügte, daß jeder Reichshof mit Schmieden, Schustern, | ||
Bäckern, Zimmerleuten u. a. besetzt werden sollte. Handwerker übten auch auf | Bäckern, Zimmerleuten u.a. besetzt werden sollte. Handwerker übten auch auf | ||
der sächsischen curtis dominicalis, auf dem Wirtschaftshofe, ihre Tätigkeit aus. | der sächsischen curtis dominicalis, auf dem Wirtschaftshofe, ihre Tätigkeit aus. | ||
Hier muß es auch in der langen Zeit von 900-1200 schon zu Zusammenschlüssen | Hier muß es auch in der langen Zeit von 900-1200 schon zu Zusammenschlüssen | ||
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Schillinge statt 3 1/2. Auch für die Buden auf den Märkten zahlten die Handwerker | Schillinge statt 3 1/2. Auch für die Buden auf den Märkten zahlten die Handwerker | ||
den Schultheißen ein kleines Standgeld, und nach den beiden Jahrmärkten | den Schultheißen ein kleines Standgeld, und nach den beiden Jahrmärkten | ||
hatten ihm einzelne Zünfte pflichtgemäß Geschenke darzubringen, z. B. die | hatten ihm einzelne Zünfte pflichtgemäß Geschenke darzubringen, z.B. die | ||
Bäcker Semmeln. | Bäcker Semmeln. | ||
Doch in der Zeit, wo mit der auf steigenden Geldwirtschaft das Bürgertum | Doch in der Zeit, wo mit der auf steigenden Geldwirtschaft das Bürgertum | ||
seine Einrichtungen, d. h. also hier die Organisation der Gewerbe, ausbildete, | seine Einrichtungen, d.h. also hier die Organisation der Gewerbe, ausbildete, | ||
waren die Befugnisse des Schulzen schon fast sämtlich an den Rat übergegangen. | waren die Befugnisse des Schulzen schon fast sämtlich an den Rat übergegangen. | ||
Seit 1290, also seit dem Aufkommen der Zünfte in Nordhausen überhaupt, war | Seit 1290, also seit dem Aufkommen der Zünfte in Nordhausen überhaupt, war | ||
deshalb der Rat ihre eigentliche Aufsichtsbehörde. Und das mit Recht; denn der | deshalb der Rat ihre eigentliche Aufsichtsbehörde. Und das mit Recht; denn der | ||
Rat hatte sie ja erst mit derartigen Eigenschaften ausgestattet, daß sie zu | Rat hatte sie ja erst mit derartigen Eigenschaften ausgestattet, daß sie zu | ||
wirklichen Zünften, d. h. zu Vereinen mit amtlichen Befugnissen geworden waren. | wirklichen Zünften, d.h. zu Vereinen mit amtlichen Befugnissen geworden waren. | ||
Wenn nun aber auch aus geselligen Vereinen erst in dem Augenblicke Zünfte | Wenn nun aber auch aus geselligen Vereinen erst in dem Augenblicke Zünfte | ||
entstanden waren, wo diese Organisationen öffentlich rechtliche Aufgaben zuerteilt | entstanden waren, wo diese Organisationen öffentlich rechtliche Aufgaben zuerteilt | ||
Zeile 335: | Zeile 335: | ||
wenn die Gutachten nicht über offen ausliegende Waren abzugeben waren, | wenn die Gutachten nicht über offen ausliegende Waren abzugeben waren, | ||
delegierte der Rat auch eines oder mehrere seiner Mitglieder, die zusammen mit | delegierte der Rat auch eines oder mehrere seiner Mitglieder, die zusammen mit | ||
den Handwerkern die Überprüfung vorzunehmen hatten. So mußten z. B. die | den Handwerkern die Überprüfung vorzunehmen hatten. So mußten z.B. die | ||
Böttcher in Anwesenheit von zwei Ratmännem vierteljährlich die Fässer in den | Böttcher in Anwesenheit von zwei Ratmännem vierteljährlich die Fässer in den | ||
Brauhäusern „besichtigen und rechtfertigen“. | Brauhäusern „besichtigen und rechtfertigen“. | ||
Zeile 440: | Zeile 440: | ||
Handel ganz bestimmte Waren festsetzte. Oder weiter: wenn eine Innung ihre | Handel ganz bestimmte Waren festsetzte. Oder weiter: wenn eine Innung ihre | ||
Statuten abänderte, so erhielten die neuen Artikel erst nach Bestätigung des Rates | Statuten abänderte, so erhielten die neuen Artikel erst nach Bestätigung des Rates | ||
ihre Geltung, wie z. B. 1584 der Rat den Knochenhauern zwei Nachträge zu ihren | ihre Geltung, wie z.B. 1584 der Rat den Knochenhauern zwei Nachträge zu ihren | ||
Gesetzen genehmigte. Auf diese Weise konnte sich auch das internste Leben der | Gesetzen genehmigte. Auf diese Weise konnte sich auch das internste Leben der | ||
Innungen den Eingriffen des Rates nicht entziehen. Das ging so weit, daß der Rat | Innungen den Eingriffen des Rates nicht entziehen. Das ging so weit, daß der Rat | ||
Zeile 590: | Zeile 590: | ||
Krämergasse verkauft werden. Lange Zeit stützte der Rat auch dieses Recht der | Krämergasse verkauft werden. Lange Zeit stützte der Rat auch dieses Recht der | ||
Krämer, das sie 1325 bekommen hatten. Doch die Stadt hatte sich vergrößert; in | Krämer, das sie 1325 bekommen hatten. Doch die Stadt hatte sich vergrößert; in | ||
den Vorstädten, im | den Vorstädten, im Grimmei, im Altendorf, auf dem Sande, in der Neustadt, am | ||
Frauenberge wohnten fast mehr Einwohner als in der Altstadt. Und alle mußten | Frauenberge wohnten fast mehr Einwohner als in der Altstadt. Und alle mußten | ||
wegen einer Stange Süßholz in die Krämergasse laufen. Besonders fühlbar | wegen einer Stange Süßholz in die Krämergasse laufen. Besonders fühlbar | ||
Zeile 636: | Zeile 636: | ||
Aufsichtsrecht über die Innungen zu keiner Zeit nehmen. Das geht besonders | Aufsichtsrecht über die Innungen zu keiner Zeit nehmen. Das geht besonders | ||
aus gewissen Anerkennungsgebühren hervor, welche die meisten Innungen | aus gewissen Anerkennungsgebühren hervor, welche die meisten Innungen | ||
dem Rate zu entrichten hatten. So kam z. B. von den Lohgerbern dem Rate die | dem Rate zu entrichten hatten. So kam z.B. von den Lohgerbern dem Rate die | ||
Hälfte des Lehrjungengeldes zu und ebenso das von den Gesellen angefertigte | Hälfte des Lehrjungengeldes zu und ebenso das von den Gesellen angefertigte | ||
Meisterstück. Es bestand in einem Feuereimer, den der Rat dann auf der Diele | Meisterstück. Es bestand in einem Feuereimer, den der Rat dann auf der Diele | ||
Zeile 647: | Zeile 647: | ||
Innung allein die Strafe ein. So geschah es wegen regelwidrigen Benehmens auf | Innung allein die Strafe ein. So geschah es wegen regelwidrigen Benehmens auf | ||
Kneipabenden, bei Besprechungen oder Festen, wegen Ungehorsams gegen die Gebote der Innungsmeister oder wegen Verstoßes gegen Verpflichtungen aller | Kneipabenden, bei Besprechungen oder Festen, wegen Ungehorsams gegen die Gebote der Innungsmeister oder wegen Verstoßes gegen Verpflichtungen aller | ||
Art, wie sie z. B. die jüngsten Handwerksmeister bei Zusammenkünften oder | Art, wie sie z.B. die jüngsten Handwerksmeister bei Zusammenkünften oder | ||
Begräbnissen zu erfüllen hatten. Häufig bestanden dann die Strafen nicht in Geld, | Begräbnissen zu erfüllen hatten. Häufig bestanden dann die Strafen nicht in Geld, | ||
sondern in Wachs für Kerzen oder in Bier für die gemeinsamen Umtrünke. War | sondern in Wachs für Kerzen oder in Bier für die gemeinsamen Umtrünke. War | ||
Zeile 661: | Zeile 661: | ||
mußte. Waren schließlich sowohl Innung wie Publikum durch das Verhalten | mußte. Waren schließlich sowohl Innung wie Publikum durch das Verhalten | ||
eines Handwerkers geschädigt, so teilten sich Rat und Innung in die Strafgebühren. | eines Handwerkers geschädigt, so teilten sich Rat und Innung in die Strafgebühren. | ||
Wer z. B. von den Bäckern durch Zugaben die Kundschaft anzulocken suchte | Wer z.B. von den Bäckern durch Zugaben die Kundschaft anzulocken suchte | ||
oder besseres Roggenbrot als festgesetzt buk, fiel in die hohe Strafe von 8 M. | oder besseres Roggenbrot als festgesetzt buk, fiel in die hohe Strafe von 8 M. | ||
Hiervon erhielt der Rat 4 M und die Zunft 4 M. Denn durch ein derartig | Hiervon erhielt der Rat 4 M und die Zunft 4 M. Denn durch ein derartig | ||
Zeile 772: | Zeile 772: | ||
Zwirn, Seidentuch. Die Überwachung auch dieses wilden Handels stand den | Zwirn, Seidentuch. Die Überwachung auch dieses wilden Handels stand den | ||
Krämerzunftmeistem zu; doch wenn sie einschreiten wollten, mußten sie sich an | Krämerzunftmeistem zu; doch wenn sie einschreiten wollten, mußten sie sich an | ||
den Rat wenden. So geschah es z. B. 1684. Die Juden wurden überhaupt von | den Rat wenden. So geschah es z.B. 1684. Die Juden wurden überhaupt von | ||
Handwerkern und Kaufleuten recht unfreundlich bedacht. So hatten die Knochenhauer | Handwerkern und Kaufleuten recht unfreundlich bedacht. So hatten die Knochenhauer | ||
in ihren Statuten einen Artikel, der verbot, den Juden Fleisch zu verkaufen | in ihren Statuten einen Artikel, der verbot, den Juden Fleisch zu verkaufen | ||
Zeile 816: | Zeile 816: | ||
ist das der Schuhmacher aus dem 14. Jahrhundert. Das Siegel ist von geringem | ist das der Schuhmacher aus dem 14. Jahrhundert. Das Siegel ist von geringem | ||
Umfang. Um seinen Rand laufen zwei Perlenreihen, zwischen denen als Inschrift, | Umfang. Um seinen Rand laufen zwei Perlenreihen, zwischen denen als Inschrift, | ||
z. T. mit zusammengezogenen Buchstaben und abgekürzten Worten, steht: | z.T. mit zusammengezogenen Buchstaben und abgekürzten Worten, steht: | ||
„Siegel der Schuhmacher, der Lower (Lohgerber) zu Nordhausen“. Die Mitte | „Siegel der Schuhmacher, der Lower (Lohgerber) zu Nordhausen“. Die Mitte | ||
nimmt ein dreieckiger, quergeteilter Schild ein, welcher oben einen Adler, unten | nimmt ein dreieckiger, quergeteilter Schild ein, welcher oben einen Adler, unten | ||
nebeneinander zwei Handwerkszeuge, Schabeisen und Schneidemesser, zeigt. | nebeneinander zwei Handwerkszeuge, Schabeisen und Schneidemesser, zeigt. | ||
Andere Zünfte, z. B. die Krämerzunft, hatten in der Mitte des Siegels ihren | Andere Zünfte, z.B. die Krämerzunft, hatten in der Mitte des Siegels ihren | ||
Schutzheiligen, bei den Krämern war es der heilige Laurentius. Um das Bild | Schutzheiligen, bei den Krämern war es der heilige Laurentius. Um das Bild | ||
herum stand dann die Aufschrift; etwa: „Der Kramer Insiegel zu Nordhausen.“ | herum stand dann die Aufschrift; etwa: „Der Kramer Insiegel zu Nordhausen.“ | ||
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abhielten. Die vornehmste Innung, die der Gewandschnitter, hatte das Rathaus | abhielten. Die vornehmste Innung, die der Gewandschnitter, hatte das Rathaus | ||
als Innungsgebäude. Im 14. Jahrhundert, als noch die alten Geschlechter und vornehmen Kaufleute allein die Stadt regierten, waren Rathaus und Kaufhaus der | als Innungsgebäude. Im 14. Jahrhundert, als noch die alten Geschlechter und vornehmen Kaufleute allein die Stadt regierten, waren Rathaus und Kaufhaus der | ||
Gewandschnitter noch dasselbe; bald hieß diese Stätte rathus, z. B. 1300 und | Gewandschnitter noch dasselbe; bald hieß diese Stätte rathus, z.B. 1300 und | ||
1308, bald pretorium oder mercatorium, z. B. 1300, 1310, 1321. Hier hielten sie | 1308, bald pretorium oder mercatorium, z.B. 1300, 1310, 1321. Hier hielten sie | ||
ihre Besprechungen und Feiern ab. Hier auf dem Rathaus fand also auch die | ihre Besprechungen und Feiern ab. Hier auf dem Rathaus fand also auch die | ||
Jahreshauptversammlung der Gewandschnitter, die erste überhaupt nachweisbare | Jahreshauptversammlung der Gewandschnitter, die erste überhaupt nachweisbare | ||
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Pfennig festgesetzt. | Pfennig festgesetzt. | ||
Am bekanntesten geworden ist das Schuhmachergildehaus am | Am bekanntesten geworden ist das Schuhmachergildehaus am Kommarkte, | ||
das links neben dem heutigen Gasthause „Zum Römischen Kaiser“ lag. Es hat | das links neben dem heutigen Gasthause „Zum Römischen Kaiser“ lag. Es hat | ||
die mannigfachsten Schicksale durch gemacht. Schon 1322 wird es als curia | die mannigfachsten Schicksale durch gemacht. Schon 1322 wird es als curia | ||
Zeile 899: | Zeile 899: | ||
späterer Zeit die Innungen den Besitz der einzelnen Stände. Bei den meisten | späterer Zeit die Innungen den Besitz der einzelnen Stände. Bei den meisten | ||
entschied das Los, so z. B. seit 1533 bei den Bäckern, die ihre Brotbänke auf dem | entschied das Los, so z. B. seit 1533 bei den Bäckern, die ihre Brotbänke auf dem | ||
Kommarkte hatten. Doch treffen wir auch auf Bestimmungen, welche die | |||
jüngsten Meister bei der Vergebung der Verkaufsstände benachteiligten. | jüngsten Meister bei der Vergebung der Verkaufsstände benachteiligten. | ||
Zeile 912: | Zeile 912: | ||
Doch verallgemeinert Heineck zu stark, wenn er schreibt: „Die sämtlichen Zünfte | Doch verallgemeinert Heineck zu stark, wenn er schreibt: „Die sämtlichen Zünfte | ||
in Nordhausen waren ungeschlossen, niemals auf eine bestimmte Anzahl Mitglieder | in Nordhausen waren ungeschlossen, niemals auf eine bestimmte Anzahl Mitglieder | ||
beschränkt.“<ref>Heineck, Aus dem Innungsleben | beschränkt.“<ref>Heineck, Aus dem Innungsleben ... Nordhausens im 17. und 18. Jahrh., 2.</ref> Tatsächlich müssen mehrere Innungen doch als geschlossen | ||
angesehen werden. So hatten zwar die Krämer keine festgesetzte Anzahl | angesehen werden. So hatten zwar die Krämer keine festgesetzte Anzahl | ||
Mitglieder; da aber nur 12 Häuser in der Krämerstraße zur Verfügung standen, | Mitglieder; da aber nur 12 Häuser in der Krämerstraße zur Verfügung standen, | ||
Zeile 1.033: | Zeile 1.033: | ||
Das waren die Innungen ihrer Standesehre, wie sie sie verstanden, schuldig. Doch | Das waren die Innungen ihrer Standesehre, wie sie sie verstanden, schuldig. Doch | ||
auch die Heiraten mit Angehörigen unehrlicher Gewerbe waren verboten. Als | auch die Heiraten mit Angehörigen unehrlicher Gewerbe waren verboten. Als | ||
z. B. 1618 Jakob Malitsch, der Ratsherr aus der Schmiedegilde war, die Tochter | z.B. 1618 Jakob Malitsch, der Ratsherr aus der Schmiedegilde war, die Tochter | ||
eines Herreder Bauern heiratete, wurde er seines Ehrenamtes entsetzt. Man hatte | eines Herreder Bauern heiratete, wurde er seines Ehrenamtes entsetzt. Man hatte | ||
nämlich erfahren, daß der Vater des Mädchens, ehe er Bauer wurde, ein Schäfer | nämlich erfahren, daß der Vater des Mädchens, ehe er Bauer wurde, ein Schäfer | ||
Zeile 1.071: | Zeile 1.071: | ||
Im allgemeinen war es Brauch, den neuen Lehrling erst einige Wochen zu | Im allgemeinen war es Brauch, den neuen Lehrling erst einige Wochen zu | ||
„versuchen“; d. h. ein Meister nahm ihn in die Lehre und beobachtete ihn zunächst | „versuchen“; d.h. ein Meister nahm ihn in die Lehre und beobachtete ihn zunächst | ||
eine Zeit lang auf seine Tauglichkeit. Damit der Meister diesen Brauch nicht | eine Zeit lang auf seine Tauglichkeit. Damit der Meister diesen Brauch nicht | ||
ausnutzte, mußte er nach einer bestimmten Zeit - zwischen 2 und 10 Wochen | ausnutzte, mußte er nach einer bestimmten Zeit - zwischen 2 und 10 Wochen | ||
Zeile 1.119: | Zeile 1.119: | ||
beschlossen sogar die Schneider, die ihrer Lehrlinge nicht so recht Herr werden | beschlossen sogar die Schneider, die ihrer Lehrlinge nicht so recht Herr werden | ||
zu können schienen, daß ein Lehrjunge als „Pritschenmeister“ ausgewählt werden | zu können schienen, daß ein Lehrjunge als „Pritschenmeister“ ausgewählt werden | ||
sollte, der widerspenstigen Knaben die „Pritsche“, d. h. eine Tracht Prügel | sollte, der widerspenstigen Knaben die „Pritsche“, d.h. eine Tracht Prügel | ||
verabreichen mußte: „Demnach auch biß anhero ungezogene Jungen sich befunden, | verabreichen mußte: „Demnach auch biß anhero ungezogene Jungen sich befunden, | ||
welche sich an keine Geldstrafe kehren wollen undt dennoch sich nicht wenig | welche sich an keine Geldstrafe kehren wollen undt dennoch sich nicht wenig | ||
ungebürlich erzeiget, als ist denselben halsstarrigen Jungen eine Pritsche zur | ungebürlich erzeiget, als ist denselben halsstarrigen Jungen eine Pritsche zur | ||
Straffe verordnet, zue welchem Ende denn ein Pritschmeister unter ihnen erwehlet | Straffe verordnet, zue welchem Ende denn ein Pritschmeister unter ihnen erwehlet | ||
werden soll. Wer sich dessen weigert, gibt Straffe ein Wochenlohn. | werden soll. Wer sich dessen weigert, gibt Straffe ein Wochenlohn." | ||
Die Dauer der Lehrzeit war bei den einzelnen Handwerkern ganz verschieden. | Die Dauer der Lehrzeit war bei den einzelnen Handwerkern ganz verschieden. | ||
Zeile 1.139: | Zeile 1.139: | ||
in das Gewerbe und die spätere Konkurrenz. Deshalb war es üblich, | in das Gewerbe und die spätere Konkurrenz. Deshalb war es üblich, | ||
nur einen Lehrjungen für jeden Meister zuzulassen; doch wurde diese Bestimmung | nur einen Lehrjungen für jeden Meister zuzulassen; doch wurde diese Bestimmung | ||
zuweilen, z. B. bei den Krämern, dadurch gedehnt, daß eigene Kinder, die | zuweilen, z.B. bei den Krämern, dadurch gedehnt, daß eigene Kinder, die | ||
in der Werkstatt oder im Laden tätig waren, nicht mitzählten. Häufig treffen wir | in der Werkstatt oder im Laden tätig waren, nicht mitzählten. Häufig treffen wir | ||
auch auf die Anordnung, daß ein Meister, der einen Knaben fertig ausgebildet | auch auf die Anordnung, daß ein Meister, der einen Knaben fertig ausgebildet | ||
Zeile 1.156: | Zeile 1.156: | ||
entrichten, etwa 1 Taler, und ihnen eine Kollation an Bier darreichen. Oft wurde | entrichten, etwa 1 Taler, und ihnen eine Kollation an Bier darreichen. Oft wurde | ||
auch die Stiftung eines silbernen Schildes, eines zinnernen Tellers, einer Kanne | auch die Stiftung eines silbernen Schildes, eines zinnernen Tellers, einer Kanne | ||
oder eines Trinkhumpens gefordert. Die Böttcher z. B. verlangten von einem | oder eines Trinkhumpens gefordert. Die Böttcher z.B. verlangten von einem | ||
neuen Gesellen 2 Taler oder ein Essen; war einer schon Geselle und kam nur, | neuen Gesellen 2 Taler oder ein Essen; war einer schon Geselle und kam nur, | ||
von auswärts zuwandemd, nach Nordhausen in Arbeit, so zahlte er einen Taler. | von auswärts zuwandemd, nach Nordhausen in Arbeit, so zahlte er einen Taler. | ||
Der neue Bursche mußte mit zwei auf die Gesellenlade gelegten Fingern geloben, | Der neue Bursche mußte mit zwei auf die Gesellenlade gelegten Fingern geloben, | ||
den Gesetzen der Burschenschaft nachzuleben und ein wackerer Geselle zu sein, | den Gesetzen der Burschenschaft nachzuleben und ein wackerer Geselle zu sein, | ||
wie es z. B. bei den Bäckern heißt: „Daß er will über die Artikel halten und als | wie es z.B. bei den Bäckern heißt: „Daß er will über die Artikel halten und als | ||
ein Mitbruder will helfen legen, zechen, zahlen und tun, was andere fromme | ein Mitbruder will helfen legen, zechen, zahlen und tun, was andere fromme | ||
Bäcker tun und getan haben, es sei gleich hier oder anderswo.“ | Bäcker tun und getan haben, es sei gleich hier oder anderswo.“ | ||
Zeile 1.190: | Zeile 1.190: | ||
Handwerksmeister erscheinen und sich anmelden mußte, sonst mußte er noch ein | Handwerksmeister erscheinen und sich anmelden mußte, sonst mußte er noch ein | ||
Jahr warten. Hie und da konnte das Mutjahr abgekauft werden, aber für außerordentlich | Jahr warten. Hie und da konnte das Mutjahr abgekauft werden, aber für außerordentlich | ||
hohe Summen. Die Schuster verlangten z. B. 40 Taler. | hohe Summen. Die Schuster verlangten z.B. 40 Taler. | ||
Wenn nun der wandernde Gesell zur Arbeit in einer Werkstätte antreten wollte, | Wenn nun der wandernde Gesell zur Arbeit in einer Werkstätte antreten wollte, | ||
so durfte er sich nicht etwa einen ihm genehmen Meister auswählen, sondern | so durfte er sich nicht etwa einen ihm genehmen Meister auswählen, sondern | ||
mußte dort eintreten, wo gerade eine Stelle frei war. Auch war den Meistem eine | mußte dort eintreten, wo gerade eine Stelle frei war. Auch war den Meistem eine | ||
bestimmte Zahl von Gesellen vorgeschrieben. So durften z. B. die Schuhmacher | bestimmte Zahl von Gesellen vorgeschrieben. So durften z.B. die Schuhmacher | ||
nur 2 Schemel besetzen, d. h. nur einen Gesellen und einen Lehrling oder zwei | nur 2 Schemel besetzen, d.h. nur einen Gesellen und einen Lehrling oder zwei | ||
Gesellen haben. Wohnten in einem Hause zwei Schuhmachermeister, so durften | Gesellen haben. Wohnten in einem Hause zwei Schuhmachermeister, so durften | ||
sie zusammen nicht mehr annehmen. Traf es sich aber, daß ein Geselle um Arbeit | sie zusammen nicht mehr annehmen. Traf es sich aber, daß ein Geselle um Arbeit | ||
Zeile 1.237: | Zeile 1.237: | ||
dar. Bei den Schmiedegesellen heißt es darüber 1654: | dar. Bei den Schmiedegesellen heißt es darüber 1654: | ||
... Ist auch den Gesellen vergönnt, einen „Willkommen“ zu haben. Welcher | |||
Gesell zuvor nicht allhier gearbeitet hat und zum ersten Male aufleget, dem soll | Gesell zuvor nicht allhier gearbeitet hat und zum ersten Male aufleget, dem soll | ||
derselbe voll Bier eingeschenkt und demselben verehret werden dergestalt, daß | derselbe voll Bier eingeschenkt und demselben verehret werden dergestalt, daß | ||
Zeile 1.251: | Zeile 1.251: | ||
ganz ordentlich zu. Da kam es dann wohl zum Völltrinken, zu Zank oder gar zu | ganz ordentlich zu. Da kam es dann wohl zum Völltrinken, zu Zank oder gar zu | ||
Prügeleien. Hielten sich die Ausschweifungen in solchen Grenzen, daß die | Prügeleien. Hielten sich die Ausschweifungen in solchen Grenzen, daß die | ||
Öffentlichkeit keinen Anstoß daran nahm, so war es der Gesellschaft verstattet, die Unruhestifter selbst zu bestrafen. Wegen des Volltrinkens verfügte z. B. ein | Öffentlichkeit keinen Anstoß daran nahm, so war es der Gesellschaft verstattet, die Unruhestifter selbst zu bestrafen. Wegen des Volltrinkens verfügte z.B. ein | ||
Artikel der Schlosser: „Es soll auch keiner mehr Bier oder Wein zu sich nehmen, | Artikel der Schlosser: „Es soll auch keiner mehr Bier oder Wein zu sich nehmen, | ||
als er beherbergen kann. Würde es aber einer überflüssig zu sich nehmen, mehr | als er beherbergen kann. Würde es aber einer überflüssig zu sich nehmen, mehr | ||
Zeile 1.259: | Zeile 1.259: | ||
Im übrigen unterlagen aber auch die Gesellen nicht nur der Beaufsichtigung | Im übrigen unterlagen aber auch die Gesellen nicht nur der Beaufsichtigung | ||
durch die gesamte Innung, sondern auch der einzelne Geselle der seines Meisters. | durch die gesamte Innung, sondern auch der einzelne Geselle der seines Meisters. | ||
Hierüber bestimmten z. B. die Knochenhauer schon sehr früh: Welcher knecht, | Hierüber bestimmten z.B. die Knochenhauer schon sehr früh: Welcher knecht, | ||
der allhier zu Northausen diennen will, der sol alsbalt sein briefffur ein erbar | der allhier zu Northausen diennen will, der sol alsbalt sein briefffur ein erbar | ||
handwerck bringen, das ehr gelesen wird, wo ehr gelernt hat und ob er dem | handwerck bringen, das ehr gelesen wird, wo ehr gelernt hat und ob er dem | ||
Zeile 1.379: | Zeile 1.379: | ||
bei den Bäckern 1 Taler 9 Groschen, in die Zunftlade zu bezahlen. Damit war | bei den Bäckern 1 Taler 9 Groschen, in die Zunftlade zu bezahlen. Damit war | ||
sie anerkannte Meistersfrau und genoß dieselben Rechte wie die männlichen | sie anerkannte Meistersfrau und genoß dieselben Rechte wie die männlichen | ||
Innungsmitglieder. Ihr kamen z. B. bei gewissen Anlässen, bei Familienfesten, | Innungsmitglieder. Ihr kamen z.B. bei gewissen Anlässen, bei Familienfesten, | ||
bei Begräbnissen dieselben Ehrungen zu wie dem Gemahl. Starb der Mann, so | bei Begräbnissen dieselben Ehrungen zu wie dem Gemahl. Starb der Mann, so | ||
blieb bei den meisten Innungen seine Witwe vollberechtigtes Mitglied, bei | blieb bei den meisten Innungen seine Witwe vollberechtigtes Mitglied, bei | ||
Zeile 1.416: | Zeile 1.416: | ||
Die Beratungen waren geheim, Schweigepflicht war jedem auferlegt. Auch | Die Beratungen waren geheim, Schweigepflicht war jedem auferlegt. Auch | ||
den innungsberechtigten Frauen gegenüber durfte nichts ausgeplaudert werden. | den innungsberechtigten Frauen gegenüber durfte nichts ausgeplaudert werden. | ||
Die Seifensieder z. B. bestimmten darüber: „Es soll auch kein Meister seinem | Die Seifensieder z.B. bestimmten darüber: „Es soll auch kein Meister seinem | ||
Weibe, wenn die Zusammenkunft gehalten, sagen oder offenbaren, bei einem | Weibe, wenn die Zusammenkunft gehalten, sagen oder offenbaren, bei einem | ||
Taler Strafe.“ Wir mutmaßen, daß die Seifensieder schlimme Erfahrungen | Taler Strafe.“ Wir mutmaßen, daß die Seifensieder schlimme Erfahrungen | ||
Zeile 1.467: | Zeile 1.467: | ||
Anspruch nehmen. Auch den Besuch fremder Märkte regelten sie und schrieben | Anspruch nehmen. Auch den Besuch fremder Märkte regelten sie und schrieben | ||
eine bestimmte Menge Ware vor, die mitgenommen werden durfte. Nur ein paar | eine bestimmte Menge Ware vor, die mitgenommen werden durfte. Nur ein paar | ||
Jahrmärkte, z. B. der in Querfurt, waren völlig freigegeben. | Jahrmärkte, z.B. der in Querfurt, waren völlig freigegeben. | ||
Doch die Innungsmitglieder fühlten sich nicht nur als wirtschaftlicher Interessenverband, | Doch die Innungsmitglieder fühlten sich nicht nur als wirtschaftlicher Interessenverband, | ||
Zeile 1.637: | Zeile 1.637: | ||
Heineck, Innungsgewohnheiten der Böttcher, in: Der Böttchermeister, 1924 Nr. 28, 29. | Heineck, Innungsgewohnheiten der Böttcher, in: Der Böttchermeister, 1924 Nr. 28, 29. | ||
Heineck, Zur Geschichte des Schneiderhandwerkes, in: Europäische Modenzeitung. | Heineck, Zur Geschichte des Schneiderhandwerkes, in: Europäische Modenzeitung. | ||
Heineck, Die Statuten der Seifensieder- und Lichtzieher-Innung, in: Seifensiederzeitung, | Heineck, Die Statuten der Seifensieder- und Lichtzieher-Innung, in: Seifensiederzeitung, Verl. Chem. | ||
Industrie, Ziolkowsky, 1897. | Industrie, Ziolkowsky, 1897. | ||
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