Bearbeiten von „Als ich Ständiger in Nordhausen war

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|TITEL=Als ich Ständiger in Nordhausen war
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|HERKUNFT=[[Nordhausen. Wie es unsere Dichter sahen…]]
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Denn es ist ja bekanntlich in diesen acht Jahren allerhand dazwischen gekommen. Ich bin grau und alt geworden in diesen acht Jahren, ich lebe hier, irgendwo in Berlin, hoch oben im vierten Stock einer Mietswohnung wie ein Einsiedler auf hohen Bergen und trage in meiner Brust den Schmerz, den mit mir jeder andere gute Deutsche auch trägt.
Denn es ist ja bekanntlich in diesen acht Jahren allerhand dazwischen gekommen. Ich bin grau und alt geworden in diesen acht Jahren, ich lebe hier, irgendwo in Berlin, hoch oben im vierten Stock einer Mietswohnung wie ein Einsiedler auf hohen Bergen und trage in meiner Brust den Schmerz, den mit mir jeder andere gute Deutsche auch trägt.


Gab es das alles einmal wirklich? Es gab draußen, in der hübschen kleinen Stadt Nordhausen, Stolbergerstraße 16, in idyllischer Behaglichkeit eine Wohnung von 6 hübschen Hellen Zimmern, die tausend Mk. kostete. Es gab dazu einen Vorgarten, in dem die Veilchen im Frühling blühten, es gab einen Garten nach hinten hinaus und es war ein Kirschbaum in diesem Garten, der ziegelrote Kirschen trug, groß wie Taubeneier. Es gab, gleich als wir eingezogen waren, einen Morgen, als weit über den Garten hinweg Ser Khffhäuser im Frührot glühte, und mir mein erster Sohn beschert wurde. Wir fanden Menschen, die uns wohlgesinnt waren, wir fanden Freunde, die noch heute unsere Freunde sind. Wir hatten dreitausend Mark im Jahr Gehalt, gut, es kam noch einiges aus meinen Büchern hinzu, es war wenig genug, was hinzukam, und wir haben uns manchen Wunsch versagen müssen. Doch wir haben niemals Not gelitten. Wenn am Sonnabend Abend die wohlhabenden Bürger der Stadt in der Harmonie für drei Mark zur Nacht aßen, so konnte man sich einen solchen Luxus natürlich nicht leisten. Aber am Sonnabend Abend verkaufte mir dann der freundliche Oekonom der Harmonie eine Schüssel voll Essen: Mal war es putenbraten, mal war eö Pfeffer potthast, mal war es Gänseklein, meistens war es aber ein ganz vortrefflich zubereitetes Zungenragout mit Pasteten und jedesmal kostete eine solche Schüssel, die für uns beide samt Dienstboten reichte, fünfunö- siebzig Pfennige. And wenn wir dann zu Abend gegessen hatten, gingen wir jedesmal, und zwar nicht bloß am Sonnabend, in das Kaffee Dietze, wo wir mit all unseren vielen jungen Bekannten zusammensaßen, denen es auch nicht viel besser ging als uns, und die deshalb mindestens ebenso vergnügt waren wie wir.
Gab es das alles einmal wirklich? Es gab draußen, in der hübschen kleinen Stadt Nordhausen, Stolbergerstr. 16, in idyllischer Behaglichkeit eine Wohnung von 6 hübschen Hellen Zimmern, die tausend Mk. kostete. Es gab dazu einen Vorgarten, in dem die Veilchen im Frühling blühten, es gab einen Garten nach hinten hinaus und es war ein Kirschbaum in diesem Garten, der ziegelrote Kirschen trug, groß wie Taubeneier. Es gab, gleich als wir eingezogen waren, einen Morgen, als weit über den Garten hinweg Ser Khffhäuser im Frührot glühte, und mir mein erster Sohn beschert wurde. Wir fanden Menschen, die uns wohlgesinnt waren, wir fanden Freunde, die noch heute unsere Freunde sind. Wir hatten dreitausend Mark im Jahr Gehalt, gut, es kam noch einiges aus meinen Büchern hinzu, es war wenig genug, was hinzukam, und wir haben uns manchen Wunsch versagen müssen. Doch wir haben niemals Not gelitten. Wenn am Sonnabend Abend die wohlhabenden Bürger der Stadt in der Harmonie für drei Mark zur Nacht aßen, so konnte man sich einen solchen Luxus natürlich nicht leisten. Aber am Sonnabend Abend verkaufte mir dann der freundliche Oekonom der Harmonie eine Schüssel voll Essen: Mal war es putenbraten, mal war eö Pfeffer potthast, mal war es Gänseklein, meistens war es aber ein ganz vortrefflich zubereitetes Zungenragout mit Pasteten und jedesmal kostete eine solche Schüssel, die für uns beide samt Dienstboten reichte, fünfunö- siebzig Pfennige. And wenn wir dann zu Abend gegessen hatten, gingen wir jedesmal, und zwar nicht bloß am Sonnabend, in das Kaffee Dietze, wo wir mit all unseren vielen jungen Bekannten zusammensaßen, denen es auch nicht viel besser ging als uns, und die deshalb mindestens ebenso vergnügt waren wie wir.


Llnser Freundeskreis und wir, wir waren lustige harmlose Menschen. Denn wir waren jung. Mich hat oft ln späteren Jahren mit Trauer bewegt, daß wir damals in übermütiger Laune ein wunderliches Spiel trieben, dessen Erfinder ich selber war und von dessen hellseherischer Bewußtheit ich damals nichts ahnte. Ich sagte: Es wird eine furchtbare Zeit über das Land kommen. Wir werden durch Krieg, Hungersnot und Umsturz, alles drei zusammen oder eins oder zwei von den dreien, nicht mehr mit Sicherheit in dieser Stadt leben können, wir werden sehr unglücklich sein, wenn wir nicht heute Vorkehrungen treffen. Ich schlage also vor, daß wir die petersöorfer Kolonie gründen. — Petersdorf war nämlich ein Dorf, das eine Stunde von der Stadt entfernt in einer Talsenke gelegen war, ein schmuckloses und bescheidenes Nest, das mir gerade wegen seiner Armut eben recht war. Ich hatte es einmal ln dienstlicher Angelegenheit entdeckt, als mit großem Genöarmerieaufgebot und Kriminalbeamten aus Berlin kilometerbreit nach einer Leiche gesucht werden sollte und ich war sehr überrascht gewesen, als in unwirtlicher Gegend, versteckt zwischen Hügeln und Waldstreifen, abseits jeder Bahnverbindung, abseits jeder Chaussee, noch auf 50 Schritt Entfernung niemand ahnen konnte, daß hier ein puppenkleines Dorf gelegen war. Llnö da ich in diesem Dorf ein paar uralte Häuser sah und da damit der Gedanke nahe lag, daß schon im dreißigjährigen Kriege dies Dorf allein wegen seiner Lage jeder Llnbill entzogen worden war, lag der Gedanke nahe, dies arme kleine petersdorf zu einer Kolonie auszusuchen. Was halb im Ernst, halb im Scherz gesagt war, wurde nun ein Scherzspiel. Auf kommunistischer Grundlage, was wußten wir von Kommunismus, wurde eine Verwaltung eingerichtet, und alle Nord- Häuser Bekannten wurden, ohne daß sie es wußten, in diesen Kommunismus ausgenommen. Zunächst, das war unerbittliche Meinung, wanöerte der Stammtisch der Hundertjährigen mitsamt meiner Gnadensonne und unserem verehrungswürdlgen Herm Präsidenten sofort in das Spritzenhaus, um als Erwerbslose auf öffentliche Kosten verpflegt zu werden. Llnsere Nachbarin wurde die Dorfschöne. Justus wurde Schulmeister. Der kleine Hahn bekam die Gastwittschaft, denn darauf verstand er sich. Hubertchen durfte mit Ser Klingel im Dorf hemmgehn und die TageSneuigkelten auS- rufen. Matches sollte Damenschneider werden. Der Herr Professor Zwanziger wurde zum Ehrenbürger von petersdorf und der Herr Direktor K wurde einstimmig zum Dorftroödel ernannt. Das war ein Spaß durch lange vergnügte Sommerwochen und auch M., Sen wir zum Bürgermeister von petersdorf erwählt hatten, beteiligte sich Saran. In diesen Wochen stand der Hallehsche Komet am Himmel und wurde wegen seiner Unansehnlichkeit verspottet. Än diesen Wochen sagte eines Nachts zu mir M., als wir nach Hause gingen, toternst und in Versunkenheit: „Wenn Sie Ähren plan mit petersdorf verwirklichen wollen, so bekommen Sie von mir das Geld dazu. Nichts ist ernster als der ernste Grundgedanke dieses Plans. Wir mühten aber sofort anfangen. Wir sprechen über den Grundgedanken zu keinem Menschen. Wir bauen zunächst drei, vier, fünf Blockhäuser. Wir ziehn sofort dorthin, wir tun ruhig unseren Dienst weiter, ich fahre Sie im Auto jeden Tag zur Stadt.
Llnser Freundeskreis und wir, wir waren lustige harmlose Menschen. Denn wir waren jung. Mich hat oft ln späteren Jahren mit Trauer bewegt, daß wir damals in übermütiger Laune ein wunderliches Spiel trieben, dessen Erfinder ich selber war und von dessen hellseherischer Bewußtheit ich damals nichts ahnte. Ich sagte: Es wird eine furchtbare Zeit über das Land kommen. Wir werden durch Krieg, Hungersnot und Umsturz, alles drei zusammen oder eins oder zwei von den dreien, nicht mehr mit Sicherheit in dieser Stadt leben können, wir werden sehr unglücklich sein, wenn wir nicht heute Vorkehrungen treffen. Ich schlage also vor, daß wir die petersöorfer Kolonie gründen. — Petersdorf war nämlich ein Dorf, das eine Stunde von der Stadt entfernt in einer Talsenke gelegen war, ein schmuckloses und bescheidenes Nest, das mir gerade wegen seiner Armut eben recht war. Ich hatte es einmal ln dienstlicher Angelegenheit entdeckt, als mit großem Genöarmerieaufgebot und Kriminalbeamten aus Berlin kilometerbreit nach einer Leiche gesucht werden sollte und ich war sehr überrascht gewesen, als in unwirtlicher Gegend, versteckt zwischen Hügeln und Waldstreifen, abseits jeder Bahnverbindung, abseits jeder Chaussee, noch auf 50 Schritt Entfernung niemand ahnen konnte, daß hier ein puppenkleines Dorf gelegen war. Llnö da ich in diesem Dorf ein paar uralte Häuser sah und da damit der Gedanke nahe lag, daß schon im dreißigjährigen Kriege dies Dorf allein wegen seiner Lage jeder Llnbill entzogen worden war, lag der Gedanke nahe, dies arme kleine petersdorf zu einer Kolonie auszusuchen. Was halb im Ernst, halb im Scherz gesagt war, wurde nun ein Scherzspiel. Auf kommunistischer Grundlage, was wußten wir von Kommunismus, wurde eine Verwaltung eingerichtet, und alle Nord- Häuser Bekannten wurden, ohne daß sie es wußten, in diesen Kommunismus ausgenommen. Zunächst, das war unerbittliche Meinung, wanöerte der Stammtisch der Hundertjährigen mitsamt meiner Gnadensonne und unserem verehrungswürdlgen Herm Präsidenten sofort in das Spritzenhaus, um als Erwerbslose auf öffentliche Kosten verpflegt zu werden. Llnsere Nachbarin wurde die Dorfschöne. Justus wurde Schulmeister. Der kleine Hahn bekam die Gastwittschaft, denn darauf verstand er sich. Hubertchen durfte mit Ser Klingel im Dorf hemmgehn und die TageSneuigkelten auS- rufen. Matches sollte Damenschneider werden. Der Herr Professor Zwanziger wurde zum Ehrenbürger von petersdorf und der Herr Direktor K wurde einstimmig zum Dorftroödel ernannt. Das war ein Spaß durch lange vergnügte Sommerwochen und auch M., Sen wir zum Bürgermeister von petersdorf erwählt hatten, beteiligte sich Saran. In diesen Wochen stand der Hallehsche Komet am Himmel und wurde wegen seiner Unansehnlichkeit verspottet. Än diesen Wochen sagte eines Nachts zu mir M., als wir nach Hause gingen, toternst und in Versunkenheit: „Wenn Sie Ähren plan mit petersdorf verwirklichen wollen, so bekommen Sie von mir das Geld dazu. Nichts ist ernster als der ernste Grundgedanke dieses Plans. Wir mühten aber sofort anfangen. Wir sprechen über den Grundgedanken zu keinem Menschen. Wir bauen zunächst drei, vier, fünf Blockhäuser. Wir ziehn sofort dorthin, wir tun ruhig unseren Dienst weiter, ich fahre Sie im Auto jeden Tag zur Stadt."


Es wurde später noch oft, nun war es aber wieder nur Scherz, besprochen, wie solch ein Blockhaus aussehn, wieviel Grund und Boden zu jeder Stelle gehören müßte, wie man am schnellsten die einfachsten Kenntnisse der Bauernwirtschaft sich aneignen könnte. Dann schlief die Sache ein, denn jeder von uns hatte viel zu viel Alltägliches zu bedenken.
Es wurde später noch oft, nun war es aber wieder nur Scherz, besprochen, wie solch ein Blockhaus aussehn, wieviel Grund und Boden zu jeder Stelle gehören müßte, wie man am schnellsten die einfachsten Kenntnisse der Bauernwirtschaft sich aneignen könnte. Dann schlief die Sache ein, denn jeder von uns hatte viel zu viel Alltägliches zu bedenken.
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