Nordhäuser Polizeistrafen im 18. Jahrhundert

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Schon während der letzten Jahrhunderte des Mittelalters war es dem Rate der Freien Reichsstadt Nordhausen gelungen, sowohl wesentliche Teile der hohen Strafgerichtsbarkeit als auch so gut wie die gesamte niedere und Zivil-Gerichtsbarkeit in seine Hand zu bekommen, obgleich ein Reichsvogteiamt und ein Reichsschultheißenamt bis ins 18. Jahrhundert hinein bestanden hat. Waren nun schon auf diesen Gebieten der Gerichtsbarkeit den Kompetenzen des Rates weite Grenzen gezogen, so war er hinsichtlich der Polizeigewalt seit Ausgang des 13. Jahrhunderts so gut wie unabhängig. Schon im Mittelalter erließ er deshalb eine Unmenge von Verordnungen, die eine reibungslose Gestaltung von Handel und Wandel gewährleisten sollten. Ganz besonders aber griff er seit dem 16. Jahrhundert mit Verfügungen und Bestimmungen ein, um Ordnung in die immer verwickelter werdenden Verhältnisse zu bringen. Eine Reihe dieser Erlasse sind Reichsverordnungen, d. h. Verordnungen, die der Rat der Stadt Nordhausen einfach vom Reiche übernehmen mußte und auch konnte, weil sie Einrichtungen berührten, die in Nordhausen ebenso anzutreffen waren wie im ganzen Reiche. So war z. B. die Reichshandwerksordnung auch für Nordhausen maßgebend. Bei anderen Verordnungen wiederum griff der Rat einfach auf Verordnungen, die schon Schwesterstädte erlassen hatten, zurück, weil die Verhältnisse in Nordhausen ähnlich lagen wie in jenen Städten. So stimmen Nordhausens Kanzleiordnung und die Erbrechtordnung in allen wesentlichen Punkten mit denen anderer Städte überein. Auch die Ordnung vom Jahre 1549, welche direkt den Namen Polizeiordnung hat, war vielleicht eine ähnliche wie die der Städte Erfurt und Leipzig. Die allein erhaltene Abschrift dieser Polizeiordnung hat die Aufschrift: „Der Stett Erfortt, Leipzig, Northausen Policeyordnung“, enthält aber nur die von Nordhausen.

Die meisten Verfügungen des Nordhäuser Rates aber betrafen naturgemäß spezifisch Nordhäuser Verhältnisse, und diese sind für uns die interessantesten. So bezieht sich z. B. eine zweite Ordnung vom Jahre 1668, die auch speziell mit dem Namen Polizeiordnung ausgezeichnet ist, auf Bräuche, Einrichtungen, Unsitten, die gerade für die Bevölkerung Nordhausens charakteristisch waren. Ebenso tragen Vorschriften für die Brau- und Branntweinge werbe, Verordnungen für den Frucht- und Getreidehandel ausgesprochen Nordhäusische Züge. Verstöße gegen seine Vorschriften ahndete der Rat mit Polizeistrafen, und von der Art und dem Umfange dieser Strafen, nicht etwa von dem Inhalt der Vorschriften, soll hier die Rede sein. Auch hinsichtlich des Zeitraumes, während dessen die Strafen verhängt worden sind, mag eine Beschränkung auf das 18. Jahrhundert eintreten, eine Zeit, die schon in vieler, besonders kultureller Beziehung der unseligen verwandt ist, die aber gerade hinsichtlich ihres Rechtsverfahrens und ihrer Rechtsgebräuche noch stark altertümliche Züge aufweist.

Die Strafarten

Die geringsten Strafen waren die der Verwarnung und der Androhung einer Geldstrafe. Sie kamen noch im 18. Jahrhundert recht häufig vor, da es der Staat unter dem Einfluß der Kirche für seine Pflicht erachtete, auch in das häusliche Leben des Einzelnen hie und da einzugreifen, nicht um darauf zu achten, daß auch das Privatleben auf die Grundsätze des öffentlichen Lebens abgestimmt sein und ihm untergeordnet werden müßte, sondern um zu erreichen, daß in den Familien ein rechter christlicher Geist, wie man ihn verstand, herrschte.

Die häufigste Polizeistrafe war, wie auch heute, die Geldstrafe; sie erstreckte sich von Summen über 8 Groschen bis zu der recht erheblichen Strafe von 30 Talern. Statt der Geldbuße konnte auch Haft von 3 Tagen bis zu 4 Wochen eintreten.

Die Haftlokale befanden sich in den Tortürmen der Stadt, besonders über dem Töpfertore und dem Altentore. Nicht selten kam es auch damals schon vor, daß Landstreicher und durch eigene Schuld völlig mittellose Leute mit Behagen das Haftlokal erstiegen und sich freuten, ein Dach über dem Kopf zu haben und einen Magistrat, der ihnen tägliche Notdurft und Nahrung reichte, ohne daß sie vom bittersten Kelche irdischen Daseins, der Arbeit, zu schlürfen brauchten. Doch der Rat kannte diese redlichen Gesellen, sah bei ihnen deshalb von der Inhaftierung ab und verschrieb ihnen einige Wochen Karrenschieben, eine Arznei, von der er sich mehr versprach als von mehrwöchigem süßen Nichtstun. Neben der Geld- und Haftstrafe wurde nur noch selten verhängt, war aber immer noch möglich die Prügelstrafe.

Diese polizeiliche Züchtigung ist nicht zu verwechseln mit dem öffentlichen Ausstreichen durch den Scharfrichter, das nur vom Strafgericht als ehrenrührigste Sühne für schwere Verbrechen meist im Zusammenhang mit ewiger Landesverweisung verhängt wurde. Die Rute des Polizeibüttels wurde nur über jugendliche Sünder geschwungen, bei denen man hoffte, durch ein wackeres Durchbläuen besser zum Ziele zu gelangen als durch Geld oder Haft. Neben dieser Prügelstrafe, die man Jugendlichen gegenüber nicht als Ehrenstrafe aufzufassen hat, kommt allerdings als Polizeistrafe auch die Androhung von ehrabsprechenden Strafen vor, so die Androhung des Prangerstehens und des Schandsteintragens.

Solche polizeilichen Verwarnungen zogen sich meist Personen weiblichen Geschlechtes zu. Schließlich konnte die Polizei auch noch mit dem Verluste des Bürgerrechtes drohen, das ja im 18. Jahrhundert für jeden Bewohner Nordhausens von größter Wichtigkeit war.

Die Strafgründe

In erster Linie wurden Polizeistrafen ausgesprochen, um den reibungslosen Verkehr zwischen den Bürgern zu schützen und alles zu verhindern, was ihn stören konnte. Da waren es die Schlägereien auf offener Straße, die am häufigsten Ahndung heischten. Wenn die jungen Burschen vom Tanzvergnügen kamen oder von einem schweren abendlichen Umtrunk, mußten sie nicht selten ihre schlagfertige Laune mit einer Schröpfung ihres Geldbeutels büßen. Doch nicht nur allzu fröhliche Jünglinge, sondern auch ehrenfeste Handwerksmeister gerieten wohl, wenn ihnen vom Bier das Blut in die Köpfe gestiegen war, tätlich aneinander und mußten für nächtliche Raufereien einen harten Taler lockern.

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