Das Homagium der Freien Reichsstadt Nordhausen

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Trauer beim Tode eines Kaisers

 Das Homagium (d. i. Huldigungs- oder Lehnseid) mußte jeder Lehnsmann seinem Lehnsherrn, jeder Untertan seinem Landesfürsten leisten.

 Als Kaiser Friedrich II. im Jahre 1220 das von der frommen Königin-Witwe Mathilde 962 gegründete hiesige Nonnenstift in ein weltliches Domherrnstift verwandelte, befreite er die Stadt Nordhausen von der geistlichen Herrschaft und machte sie zu einer freien Reichsstadt. Hierdurch wurde Nordhausen ein kleiner selbständiger, von keinem Landesfürsten abhängiger Staat, der unmittelbar dem Kaiser untergeben war; deshalb hatten die Nordhäuser Bürger dem regierenden Kaiser den Homagial- oder Lehnseid zu leisten und bei jedem Thronwechsel zu erneuern. Der Tod eines Kaisers hatte mithin für die freie Reichsstadt eine viel größere Bedeutung als für eine andere Stadt.

Wenn ein Kaiser gestorben war …

 War der Kaiser gestorben, so wurde dies alsbald der Bürgerschaft vom Rate der Stadt bekannt gegeben. Als z. B. im Jahre 1765 Kaiser Franz I. starb, erließ am 4. September Bürgermeister und Rat folgende Bekanntmachung:

 „Nachdem wir leider mit dem größten Schrecken und äußerster Bestürzung aus den öffentlichen Nachrichten wahrnehmen müssen, daß es dem allmächtigen Gott nach seinem unerforschlichen Willen und heiligen Rat gefallen, den weiland Allerdurchlauchtigsten Kaiser Franz I. am 18. August zu Innsbruck ganz unvermutet aus diesem vergänglichen Leben abzufordern, und in sein ewiges Reich und Herrlichkeit zu versetzen, so ist bei diesem so unerwarteten als plötzlichen Tode leichtlich zu ermessen, daß solcher, so gewaltiger Riß Uns dem Rate sowohl als allen und jeden hiesigen treuen und redlich gesinnten Bürgern und Einwohnern um so mehr schmerzlich zu Gemüte gehen müssen, als an diesen, so Allerteuersten Oberhaupte wir allesamt, ja das ganze werteste deutsche Vaterland einen gnädigen, frommen, gerechten, leutseligen und mit andern unvergleichlichen großen Eigenschaften begabten Kaiser und Herrn gehabt und nunmehr leider! verloren haben. Unsere Herzen sind durch diesen so schmerzlichen Verlust eines so liebreich gewesenen Monarchen dergestalt gerührt und durchdrungen, daß Wir unsere gerechteste Wehmut hierüber nicht genugsam an den Tag zu legen Uns in dem Stande befinden; zu einiger Entdeckung dieses Unseres tieftesten Leidwesens über solchen empfindlichen Verlust unseres unvergeßlichen und niemals genugsam zu preisenden gewesenen Oberhauptes aber sowohl, als zur Dartuung Unserer alleruntertänigsten Devotion, haben Wir uns pflichtschuldigst erachtet, auch der äußerlichen Trauer halber dieserwegen die nötige Veranstaltung machen zu lassen. Daher Wir denn hiermit vorerst verordnet Haben wollen, daß sogleich, nach Verkündung dieses, von den Kanzeln mit der Trauer der Anfang gemacht und annoch heute das Trauergeläute (und zwar von 11 bis 12 Uhr, mittags in drei Pulsen) angehen, damit auch alle 6 Wochen alltäglich continuiret werden soll; desgleichen befehlen Wir hiermit ernstlich, daß sechs-wöchentige Zeit hindurch alle Instrumental-Musik, die sonst auf den Hochzeiten, Kindtaufen und anderen Gastmahlen und freudigen Zusammenkünften gebrauchet zu werden pflegt, gänzlich aufhören; auch die Orgeln in den Kirchen so lange nicht gerührt werden sollen. Bei welcher Trauer dann ein jeder treugesinnter und gesitteter Bürger und Einwohner mit einem stillen und eingezogenen Leben und Wandel seine besondere Devotion darzulegen hoffentlich nicht vergessen wird.

 Wir aber flehen die Barmherzigkeit unseres gnädigsten und mildreichsten Gottes demütigst und inbrünstigst an, daß selbige die dem nachgelassenen Allerhöchsten Nachfolger, dem Allerdurchlauchtigsten Kaiser und Herrn, wie auch der Allerdurchlauchtigsten verwitweten Röm. Kaiserl. und Apostol. Majestät, ingleichen dem ganzen Allerhöchsten Kaisers. Hause geschlagene, höchstempfindliche Wunde durch kräftigen Trost wieder heilen, die der so frühzeitig verblichenen Höchstseligen Majestät entzogene und noch viel mehrer Jahre Allerhöchst Dero Ihrigen hinzulegen, und alles traurige Gemälde, womit Dero Allerdurchlauchtigstes Kaisers. Haus anjetzo umgeben, durch höchsterfreuliche Abwechselungen vertreiben wolle. Wir aber haben hierbei die tröstliche und ungezweifelte Hoffnung, daß in dem Allerdurchlauchtigsten Nachfolger, unseres nunmehro Allergnädigsten Kaisers und Herrn Joseph I., die ruhmwürdigsten Eigenschaften des Höchstseligst verewigten Kaisers Francisci wieder aufleben, und also hierdurch unser empfindlicher Schmerz und tiefgebeugte Gemüter hinwieder gelindert und aufgerichtet werden.“

Beileidsschreiben an das Kaiserliche Haus

 Sodann wurde dem Kaiserl. Hause ein Beileidsschreiben überreicht. Als z. B. im Jahre 1705 Kaiser Leopold gestorben war, sandte man

 „Nordhausens Alleruntertänigste Devotion und Denkmal bey der heiligen Leiche ihres unvergleichlichen Kaisers Leopolds I., Allezeit Mehrer des Reiches, welches, als jetzt genannte Kaiserl. Majest. glorwürdigsten Andenkens, in Dero Residenzstadt Wien, den 5. Mai, in Gott seligst entschlafen war. Und dann Dero zu Ehren, auch Alleruntertänigster Pflicht zu Folge, E. Edl. Hochweiser Rat der Kaiserl. Freien Reichsstadt Nordhausen am ersten Sonntag Trinit., war der 14. Juni laufenden Jahres 1705, nach vierwöchigen und ferner kontinuirenden Trauergeläute in allen Kirchspielen eine solenne Leichenfeier-, Ehren- und Bedächtnis- Predigt in den Mittagsstunden anordnete, der betrübten Stadt und in specie der christlichen Gemeinde zu St. Blasii aus dem 30. Cap. 1. Chronica, Vers 26—28 wehmütig vor Augen stellen und Ihr

  1. der ruhmwürdigsten Regierung dankbare Erinnerung,
  2. des glorieusen Todes schuldigste Betrauerung,
  3. der glücklichen Succession Trost und Gratulation

an Hand geben, mithin auch auf obrigkeitlichen Befehl und Abforderung dasselbe zu Papier bringen und zum Druck überlassen sollen und wollen

Johann Georg Titius,

der christlichen Gemeinde zu St. Blasii wohlberufener Pastor.

Deo, Caesari ac Imperio fidelis Nordhusa.“