Alexander-Puschkin-Straße 17

Aus NordhausenWiki

1897 ließ der damalige Hilfsschullehrer Benno Wildt in der Osterstraße 17 ein Heim für geistig schwachbegabte Kinder errichten. Dieses Heim ging aus einer Hilfsschule hervor, die Wildt 1892 In der damaligen Schützenstraße, Silberborthstraße, gegründet hat.

Da Wildt 1896 sein öffentliches Amt als Hilfsschullehrer niederlegte und die Einrichtung, Anstalt sagte man damals, privatwirtschaftlich führte, blieb es nicht aus, da politische Ereignisse mit ihren wirtschaftlichen Folgen sich auch negativ auf ein solches Haus auswirken konnten. Der Erste Weltkrieg bedeutete allmählich Geldentwertung, Lebensmittelknappheit, Verarmung und ließ in Herrn Wildt den Entschluß reifen, das Haus zu verkaufen. Die Wildt'sche Erziehungsanstalt hörte ein Jahr nach Beendigung des Ersten Weltkrieges im Jahre 1919 auf zu bestehen. Mit dem 1. Oktober 1919 begann eine neue Ara für das Haus. Der damals 33jährige Nervenarzt Dr. Kurt Isemann gründete durch den Kauf des Hauses das später weithin bekannte Jugendsanatorium, ein Heilerziehungsheim für seelisch abnorme Kinder. Neue Wege in der Heilpädagogik wurden beschritten. Medizin und Heilpädagogik sollten auf glückliche Weise miteinander verbunden werden. Die zwanziger Jahre brachten für die Einrichtung mehrfach fast den wirtschaftlichen Ruin. Aber immer wieder gab es großzügige Gönner und Sponsoren, die das Haus vor dem sicheren Untergang bewahrten. Das Jahr 1933 brachte einen tiefen Einschnitt für das Jugendsanatorium. Mit Beginn des Nationalsozialismus wurde dem Haus seine Arbeitsgrundlage entzogen, indem man 50 Jugendliche einfach aus dem medizinisch- pädagogischen Heilungsprozeß herausnahm und sie mit unbekanntem Zielort verschwanden. Ein leeres Haus hätte das Ende bedeutet. So wurde im Juli 1934 eine neurologisch-psychiatrische klinische Abteilung eröffnet. und erstmals kamen Erwachsene als Patienten ins Haus. Neben dem Jugendsanatorium existierte nun also auch eine Klinik im Haus Osterstraße 17, und das sollte bis zum Sommer 1945 so bleiben. Dr. Kurt Isemann mußte von 1941 bis 1945 in den Kriegsdienst. Frau Dr. Ilse Graf war in dieser Zeit nahezu allein für die ärztliche Versorgung des Hauses zuständig. Gerade aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft in Erfurt nach Nordhausen zurückgekehrt, erlebte Dr. Isemann am 2. Juli 1945 die Requirierung seines Hauses durch die sowjetische Besatzungsmacht. Da hatte das Haus die beiden schweren englischen Bombenangriffe am 3.4. und 4.4.1945 einigermaßen glimpflich überstanden und nun war das Lebenswerk von Dr. Isemann wieder in ernster Gefahr. Ausweichquartiere waren u. a. der Lindenhof, das spätere Institut für Lehrerbildung, der Pfingstweg (heutige Friedrich-Naumann-Straße), das Krankenhaus in Neustadt, das Pestalozzi-Fröbel-Haus in Osterode bei Neustadt und letztlich Wülfingerode mit dem ehemaligen Bismarck'schen Herrensitz.

Im Frühjahr 1946 wurde das Gebäude Puschkinstraße 17 wieder freigegeben. Das Jugendsanatorium sollte dort aber nicht wieder einziehen. Es blieb in Wülfingerode. Die Puschkinstraße 17 füllte sich allmählich und beherbergte neben Dr. Isemanns klinischen Abteilungen im Erdgeschoß noch eine Hals-Nasen-Ohren-Abteilung des Dr. Reißmann. In den fünfziger Jahren zeichnete es sich ab, daß das Heim und die Klinik nicht von Dr. Isemanns Kindern weitergeführt werden würde. Seine Töchter gingen in die alten Bundesländer und wirkten dort als Nervenärzte bzw. Psychotherapeuten. Die politische Konsolidierung beider deutscher Staaten und der Verlust des Wiedervereinigungsgedankens in der ehemaligen DDR, der sich besonders ab den sechziger Jahren zeigte, bedeutete für das Haus und für Dr. Isemann, daß existentiell etwas geschehen mußte. Ein Teil des Hauses blieb Privatunternehmen, ein Teil wurde verstaatlicht. Bis 1964 leitete Dr. Isemann die Klinik. Die vollständige Verstaatlichung der Einrichtung erfolgte 1964. Dr. Christian Wieck leitete das Haus dann als Kreisnervenklinik weiter. 1967 wurde die Einrichtung dem ehemaligen Bezirk Erfurt unterstellt. Bis zur Wende waren das Haus und die Einrichtung als Bezirksfachkrankenhaus für Kinderneuropsychiatrie auch über die Bezirksgrenze hinaus bekannt. Dr. Christian Wieck wurde 1984 abgelöst durch Dr. Thorsten Vehreschild. Mit der Wende zeichnete sich ein plötzliches Aus für die gesamte Einrichtung ab. Der damalige Arztliche Direktor Dr. Vehreschild wandte sich in einem Brief an den späteren Ministerpräsidenten von Thüringen, Josef Duchac. So hieß es u.a. in dem Brief: .... Das Profil der Klinik hat sich den letzten 71 Jahren trotz Weltwirtschaftskrise 1929 und 2. Weltkrieg systematisch entwickelt, so daß wir eine der vier kinderpsychiatrischen Leit- und Ausbildungseinrichtungen in der DDR werden konnten und im Land Thüringen die einzige dieser Art sind. Im Frühjahr 1991 erfolgte die Übernahme der Einrichtung durch das Land Thüringen. Seit dem 01.09.1995 gehört das Landesfachkrankenhaus für Kinderneuropsychiatrie zum Südharz-Krankenhaus. Die sich im Hause Puschkinstraße 17 befindliche Verwaltungsleitung des ehemaligen LFK konnte nun aufgelöst werden und es wurde Freiraum geschaffen für die differenzierte Behandlung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen.