Chronik Stempeda 1800 bis 1944

Die Chronik Stempeda 1800 bis 1944 ist eine handschriftliche Ortschronik des Dorfes Stempeda im Südharz. Sie wurde von mehreren Lehrern und Kantoren über nahezu eineinhalb Jahrhunderte geführt und dokumentiert das soziale, wirtschaftliche, naturkundliche und politische Leben der Gemeinde. Das Werk gilt als eine der wichtigsten lokalen Quellen zur Geschichte Stempedas und bietet detaillierte Einblicke in den Alltag eines landwirtschaftlich geprägten Dorfes.

Entstehung und Überlieferung

Die Chronik wurde ab dem Jahr 1800 vom Ortscantor Carl Sieboth geführt und später von weiteren Dorflehrern und Kantoren fortgesetzt, darunter Bernhardt Bergfeld, Christian Roth, Eduard Dienemann, Karl Heinrici, Kurt Weinhold und Friedrich Dette. Auch nicht namentlich genannte Schreiber ergänzten Teile der Aufzeichnungen.

Das Original befindet sich im Gemeindeamt Stempeda und ist in deutscher Kurrentschrift verfasst. Da die Schrift zunehmend unleserlich wurde, erfolgte 1996 im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme eine vollständige Transkription und Kommentierung der Chronik.

Inhalt

Topographie und Ortsbeschreibung

Zu Beginn enthält die Chronik eine umfangreiche Beschreibung der Gemarkung Stempedas. Darin werden Berge, Täler, Bäche, Wege und die Siedlungsstruktur erläutert. Erwähnt werden unter anderem der Kreuzberg, der Rädersee, die Seete, der Görsbach sowie Verkehrswege nach Stolberg, Nordhausen und Rodishain. Ebenso werden Flurgrenzen, Waldungen und Feldnutzungen dargestellt.

Bevölkerung und Infrastruktur

Für das Jahr 1800 dokumentiert die Chronik 48 Wohnhäuser sowie mehrere Gemeindeeinrichtungen. Im Laufe des 19. Jahrhunderts werden wiederholt Neubauten, Erweiterungen und Modernisierungen erwähnt, darunter:

• der Bau neuer Wohnhäuser,
• Renovierungen an Kirche und Schule,
• die Anschaffung einer neuen Orgel (1806),
• der Umguss der Kirchenglocke (1841),
• der Bau des Armenhauses (1839),
• die Anlage einer Wasserleitung und später die Elektrizitätsversorgung.

Witterung und Landwirtschaft

Große Teile der Chronik widmen sich der jährlichen Witterung, der Ernte und außergewöhnlichen Naturereignissen. Beispiele sind:

• das Orkan- und Hochwasserereignis im Januar 1840,
• die extreme Dürre im Jahr 1842,
• die Kartoffelkrankheit ab 1845,
• langanhaltende Teuerungsphasen,
• Hunger- und Notzeiten im frühen 19. Jahrhundert.

Diese Beschreibungen bieten wertvolle Einblicke in die agrarische Abhängigkeit und die Lebensbedingungen der Landbevölkerung.

Politische und wirtschaftliche Ereignisse

Die Chronik schildert zahlreiche Ereignisse, die das Dorf unmittelbar betreffen, darunter:

• der Einfall französischer Truppen nach der Schlacht bei Jena (1806) mit Plünderungen,
• die Einführung des Waren- und Grenzzolls ab 1819,
• die Zins- und Dienstablösung (1825–1827),
• die Landseparation (ab 1828),
• Reaktionen auf die Ereignisse der Revolution von 1848/49,
• Berichte zu beiden Weltkriegen, wobei der Zeitraum 1932–1944 zurückhaltend formuliert ist.

Kirche, Schule und Gemeindeleben

Die Chronik enthält zahlreiche Einträge zu kirchlichen und schulischen Angelegenheiten. Dazu gehören Lehrerwechsel, Schulrevisionen, Feste und kirchliche Feiern wie das Reformationsjubiläum 1817. Auch Traditionsfeste, Musikanten, Begräbnisbräuche und lokale Gemeinschaftsaktivitäten werden häufig erwähnt.

Soziale Ereignisse

Epidemien und Krankheiten wie Ruhr (1800) oder Nervenfieber (1811) finden ebenso Erwähnung wie Armut, Arbeitslosigkeit und soziale Spannungen. Die Chronik vermittelt auf diese Weise ein vielschichtiges Bild der dörflichen Lebenswelt.

Anlagen und ergänzende Materialien

Die Abschrift von 1996 enthält ein umfangreiches Anlagenverzeichnis mit:

• Erklärungen historischer Begriffe und Maße,
• wirtschaftlichen Aufstellungen,
• Verträgen und Urkunden,
• Schul- und Kirchenunterlagen,
• Kriegslisten und Gefallenenverzeichnissen,
• historischen Fotografien und Zeitungsausschnitten.

Diese Materialien vertiefen die im Haupttext erwähnten Ereignisse und bieten zusätzliche historische Informationen.

Literatur

• Chronik Stempeda 1800 bis 1944. Transkribierte Ausgabe, Stempeda 1996.