Martini-Hospital
Das St. Martini-Hospital war im Mittelalter und der frühen Neuzeit das größte und reichste der insgesamt vier Hospitäler in der Reichsstadt Nordhausen. Es wurde 1389 am Mühlgraben unterhalb der Frauenberger Kirche gegründet und bestand über 400 Jahre lang bis zu seiner Auflösung und dem Abriss der Gebäude im 19. Jahrhundert. Im Martini-Hospital fanden zeitweise über 50 Menschen Aufnahme und Versorgung. Es verfügte über umfangreichen Grundbesitz sowohl in der Nordhäuser Flur als auch in den umliegenden Dörfern.
Hier befand sich auch die Martinikirche.
Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Gründung und Entwicklung bis zum 16. Jahrhundert[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Gegründet wurde das Hospital im Jahr 1389 von den wohlhabenden Brüdern Johannes und Simon Segemund. In einer Urkunde vom 12. November 1389 kauften sie für 40 Mark ein Stück Land des Frauenberger Klosterhofes, um darauf eine Kapelle und ein Hospital für arme, kranke Menschen zu errichten. Zunächst wurde die Kapelle erbaut, im Frühjahr 1390 folgte dann der Bau des ersten Hospitalgebäudes, das später als Kinder- oder Spinnhaus bezeichnet wurde.
Im Jahr 1403 nahm der Rat der Stadt Nordhausen das Hospital unter seinen Schutz. Die Stifter Segemund behielten aber lebenslänglich das Vormundschaftsrecht. In einem Vertrag von 1403 zwischen Hospital und Rat wurden erstmals die Aufgaben des Hospitals genauer festgelegt. Es sollte so viele arme, kranke Menschen aufnehmen, wie die Stiftung ertragen konnte. Insassen sollten diejenigen werden, die vor den Kirchen und anderswo lagen. Gesundete sollten das Hospital wieder verlassen, um Platz für neue Kranke zu schaffen. Niemand sollte gegen Geld aufgenommen werden. An Festtagen sollten die Insassen zusätzlich Bier, Brot und Fisch oder Fleisch erhalten. Wenn die Einkünfte stiegen, wollte man weitere Häuser kaufen und einen eigenen Hof für das Vieh einrichten. Dieser Vertrag von 1403 prägte die Arbeit des Hospitals in den folgenden Jahrhunderten.
Bis zum Jahr 1413 kam auf der anderen Seite der Sundhäuser Straße ein zweites Hospitalgebäude hinzu. Über einen Gang waren beide Häuser verbunden. Das neue Gebäude diente zunächst als Herrenhaus für die Aufsichtspersonen, später als Pfründnerhaus. 1486, knapp 100 Jahre nach der Gründung, wurde das Kinderhaus neugebaut und vergrößert. Auf der östlichen Seite der Sundhäuser Straße gab es zudem das Vorwerk, einen großen Landwirtschaftshof mit Schäferei.
Durch Schenkungen erwarb das Hospital im Laufe der Zeit umfangreichen Grundbesitz sowohl in der Nordhäuser Flur als auch in den umliegenden Dörfern. Die Rechnung von 1627/28 listet Ländereien in Kelbra, Immenrode, Kleinfurra, Sollstedt, Tettenborn, Ilfeld, Wolkramshausen und Sondershausen auf. Der Besitz wurde teilweise vom Hospital selbst bewirtschaftet, um den Eigenbedarf an Lebensmitteln und Holz zu decken, teilweise aber auch gewinnbringend verpachtet.
Zu den Gütern des Martini-Hospitals gehörte auch die 1431 von den Honsteiner Grafen geschenkte Kuttelmühle, die über Jahrhunderte verpachtet wurde und Einnahmen für das Hospital erbrachte. Durch den Erwerb weiterer Häuser auf dem Klosterhof und in der Wassergasse verfügte das Hospital im 18. Jahrhundert über insgesamt 16 Häuser.
Wandel zum Pfründnerwesen in der frühen Neuzeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Ursprünglich war die Aufnahme ins Hospital kostenlos gewesen. Doch bereits im 16. und spätestens im 17. Jahrhundert hatte sich ein Wandel zum Pfründnerwesen vollzogen. Nun mussten die Insassen teils erhebliche Aufnahmegebühren zwischen 80 und 290 Talern bezahlen. Dafür sagte man ihnen die lebenslange Versorgung mit Kleidung, Pflege und Medizin zu.
Oftmals brachten die Bewohner ihr gesamtes Vermögen ins Hospital ein. Die Höhe der Zahlungen hatte Einfluss darauf, ob man aufgenommen wurde. Dies führte der Pfarrer Georg Conrad Dilfeldt 1680 in einem Beschwerdebrief an den Rat der Stadt kritisch an. Er sah darin einen Verfall der christlichen Mildtätigkeit. Gesunde und wohlhabende Leute würden aufgenommen, Armen der Zugang verwehrt.
Spätestens im 17. Jahrhundert hatte sich das Martini-Hospital somit von einer Einrichtung für arme, kranke Menschen zu einer Stätte der Altersversorgung für zahlungskräftige Bürger gewandelt. Altersschwäche und Gebrechen waren jetzt die Hauptgründe für die Aufnahme, nicht mehr akute Krankheiten. Viele Bewohner blieben jahrzehntelang im Hospital.
Ausstattung und Versorgung der Insassen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die Insassen des Martini-Hospitals genossen eine im Vergleich zu anderen Hospitälern Nordhausens hervorragende Versorgung. Zeitweise gab es über 50 Bewohner. Diese lebten teils gemeinschaftlich im Herrenhaus, teils in separaten kleinen Wohnhäusern. Eine erhaltene Hausordnung von 1687 und Speisepläne geben Einblick in den Tagesablauf und die Mahlzeiten.
Täglich standen zwei warme Mahlzeiten auf dem Speiseplan, mit Fleisch oder Fisch. Sonntags gab es sogar drei warme Mahlzeiten. Das Hospital verfügte zeitweise über einen eigenen Bader und einen Brauer. Zwischenzeitlich war sogar ein eigener Arzt angestellt. Die Krankenpflege machte aber nur einen kleinen Teil der Ausgaben aus.
Für die Verwaltung war der Hospitalschreiber zuständig. Er führte Aufsicht über Insassen und Personal und sorgte für die Verpflegung. Unterstützt wurde er von Ehefrau, Knechten, Mägden und einem Hofmeister. Insgesamt hatte das Hospital im Vergleich zu anderen Nordhäuser Hospitälern einen sehr viel höheren Personalbestand.
Krisen und Niedergang nach dem 18. Jahrhundert[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
In den Wirren des Dreißigjährigen Krieges und des Siebenjährigen Krieges diente das Martini-Hospital wiederholt als Lazarett und musste kranke Soldaten aufnehmen. Im Siebenjährigen Krieg wurde das Hospital 1757 geräumt, um Platz für über 650 verwundete französische Soldaten zu schaffen. Diese vorübergehenden Umnutzungen als Lazarett überstand das Hospital ohne größeren Schaden.
Nach dem Ende der Nordhäuser Reichsfreiheit 1802 setzte durch die Neuordnung der Verwaltungsstrukturen und weitere Kriege der Niedergang ein. Kirche und Hospitalgebäude verfielen zunehmend. Nach der Vereinigung der Hospitäler St. Martini und St. Cyriaci am Standort des Siechenhofs 1825 standen die Martini-Gebäude leer. Nur ein Hinterhaus blieb bis 1945 erhalten. Die Martinskirche als Teil des Hospitals wurde bereits 1808 abgerissen. 1835 folgten Kirche und Spinnhaus. Das Vorwerk wurde 1818 verkauft, das Herrenhaus 1852 abgebrochen. Heute erinnert am Standort nichts mehr an dieses über 400 Jahre existierende und in seiner Blütezeit größte und reichste Hospital Nordhausens.
Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Antonia Jäger: Die Geschichte des Nordhäuser St. Martin-Hospitals; Seltene Einblicke in das Alltagsleben der Hospitalbewohner. In: Beiträge zur Geschichte aus Stadt und Kreis Nordhausen (Band 29/2004).