Chronik Stempeda 1800 bis 1944 (Quelltext)

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Chronik des Dorfes Stempeda angelegt am 1 sten Januar 1840 vom Orts-Cantor Carl Sieboth Motto: Psalm 128, 2

Vorwort und Einleitung

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Eine Chronik des Dörfchens Stempeda?" - 0, belächle dieses Unternehmen nicht, Du gelehrter oder vornehmer Mann, dem nur das wichtig genug erscheint, für die Nachwelt ausgezeichnet zu werden, was in Palästen und in den Gefilden des blutigen Kampfes geschiehet. Die Welt ist groß; - aber unser bescheidenes Dörfchen ist ein Theil der Welt, ja, es ist eine Welt für sich, und was Du anderswo für völlig unbedeutend erklären würdest, das ist in dieser kleinen Welt schon sehr wichtig und folgenreich. Wenn Du also aus diesem Gesichtspunkte - im wahren Begriffe relativer Wichtigkeit - vorliegendes Werkehen betrachtest, und wenn Du Dich in das vom Geräusche der sogenannten großen Welt abgeschiedene Landleben hineinverdenken vermagst,' dann wird Billigkeit dein Urteil läutern - "Interessant wenigstens" rufst Du aus, " interessant mag auch Landleuten Manches sein, was es für den Städter nicht ist; interessant nur für einen Ort, und für keinen mehr auf dem ganzen Erdenrunde!" Richtig. Daß war der Ausdruck, der statt wichtig hätte gewählt werden sollen: örtlich interes-sant. Wohl diese Eigenschaft der Ort's - Chronik zu verleihen, sei unser Streben!

Hügel und Berge wechseln mit der Zeit ihre Gestalt. So könnte man nach einer gewissen Reihe von Jahren fragen. Sind denn diese Vorsprünge der nächsten Berge von jeher so kahl gewesen? - Flüsse und Bäche nehmen oder erhalten in der Zeiten Folge wohl einen anderen Weg; Quellen entstehen und versiegen. Man könnte einst fragen: hatte dieser Bach schon in alten Zeiten dieselbe Richtung? oder ergoß er sich einst über diese anmuthige Wiesen-Aue ? Flure und Haine, Gärten und Anger ändern ihre Grenzen, Gerechtsamer und Verpflichtungen. Sollte man in späteren Jahren nicht die Frage aufwerfen: Wie war dies und jenes einst? Alles dieses brachte den Verfasser zu dem Entschlusse eine kurzgedrängte Beschreibung der Feldmark und ihrer Umgebung als Einleitung der Chronik voran zu schicken.

Am regelmäßigsten breitet sich die Flur, vom Ort ausgerechnet, nach Ost und Südost aus, wird hier von keinem Bache durchschnitten oder begrenzt und bildet überhaupt eine recht ebene Fläche. - Die von Stolberg nach Nordhausen führende Kunststraße, welche an beiden Seiten mit Pappeln besetzt ist, ziehet sich vom Herrschaftlichen Wegehause oberhalb Rottleberode am Kreisels- und Schwichen-berge in gerader Linie herauf, durch den oberen Theil unseres Dorfes, und wendet sich von hier, mit Zwetschenbäumen besetzt, westlich nach dem Iberge, welcher die Feldmark nach der Abendgegend begrenzt. Dieser Theil der Flur, also oberhalb des Ortes und westlich von diesem, hat die Chaussee links größten-theils Wiesenfläche - Schuckensee genannt - an welcher sich der Krebsbach herunter schlängelt. Jenseits des Wassers bis an die Königsköpfe - ziemlich steile, seit 1837 mit jungen Fichten bepflanzte Hügel - zieht sich noch eine schmale Feldebene hin, die an verschiedenen Stellen von Wiesen und Gemeinde-Hutrasen unterbrochen ist. Auch eine kleine Obstpflanzung, von einem Gräfl. Roßlaischen Revierförster Namens Ludwig Kauz - um das Jahr 1820 angelegt - befindet sich oberhalb des Teiches des hiesigen Mühlbesitzers Friedrich Ehrhardt. Dieser Teich ist in Jahre 1800 angelegt worden.

Nördlich vom Dorfe ist die Gegend am hügligsten und wird durch einen bergan nach Rodishain führenden Fahrweg durchschnitten. Links von diesem Wege befinden sich einige Erdfälle, deren größter die Paßgrube heißt, weiter hinauf ist ein sehr tiefer Sumpf mit klarem Wasser - Rädersee genannt, der mit der Heimkehle unterhalb Rottleberode in Verbindung stehen soll. Dem letzterwähnten Wege rechts erhebt sich die Gegend noch mehr; es sinkt dann aber auf der anderen, nämlich auf der Ost-Seite der Berg, welcher von einem auf ihm stehende steinernen Kreuze der Kreuzberg heißt, ungleich steiler hinab, und an seinem Fuße fließt die aus dem Ronnethal und von Rodishain kommende Seete, die sich hinter dem hiesigen Herrschaftlichen Vorwerk mit dem Krebsbach vereinigt. Beide Gewässer bilden hier den Görsbach. Seite 6 Nordöstlich führt ein Fahrweg am Knackeiberge vorüber zwischen dem Kreiselsberge und dem Herrschaftlichen Fischteiche, dann zwischen Gemeinde- und Herrschaftl. Länderei nach dem Gemeindeholze hinauf und durch dasselbe in das Stolberger Thal auf die Chaussee unterhalb des Zollhauses hinab. Diesseits des Gemeindeholzes, nämlich an der Westseite derselben, sind gleichwie im Eichenberge und an manchen andern Ortes der Flur - mehrere Vertiefungen des Bodens bemerkbar: deutliche Spuren vom Betriebe des Bergbaues und Hüttenwesens noch in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts lassen sich hier nicht erkennen.

Südlich und südwestlich wird die Feldmark von Gräfl. Roßlaer Forstung faßt in der Form eines Halbkreises und von größtentheils sehr steilen, ja schroffen Kalkgebirge begrenzt, dessen vorderster Theil dicht hinter der Gräfl. Roßlaer Försterwohnung aufsteigende Vorsprung und der vor diesen nach West sich hinziehender Bergrücken das hiesige Kirchenholz ist, das im Jahr 1826 zum Theil mit Fichten bepflanzt worden, da bis dahin dessen Bergwände mit Birken und Haseln bestanden waren. Auf der östlichen Spitze dieses Hügels bietet sich eine schöne Aussicht und der vollständigste überblick über die ganze Flur dar, und hier zeigt sich die freundlich -romantische Lage Stempedas, welche einer Sage zufolge seinen Namen daher erhalten haben soll, weil in einem der frühren Kriege, vielleicht im dreißigjährigen, einer aus ihrem Schanzgräben im Iberge und Landgräben vertriebene Heeresabteilung in ihrer Flucht durch den Zuruf: " Stempe ( stemme ) -dich da!" hier zum Widerstände aufgefordert worden sei.

Der Görsbach windet sich um den letztbezeichneten Bergvorsprung herum, fließt hinter der Mühle durch, breitet sich aber hier zuweilen so stark aus, daß die angrenzende Wiesenfläche, der Teich genannt wie auch der mit Obst- und Weidebäume bepflanzte große Raum bis an die nördliche und südliche Bergwand unter Wasser gesetzt wurden. Unterhalb des Teiches ist stromabwärts links rotbares Feld, rechts Wiese bis dahin, wo der Bach dicht am Berge hinfließt, wo dann linker Hand wieder eine schmale Wiesenfläche sich befindet. Die Ufer von der Mühle an bis an die Rottleberöder Grenze sind mit Erlen, Weiden und mancherlei Gestripp bewachsen.

Der Ort hatte im Jahre 1800 nur 48 Wohnhäuser mit Einschluß der beiden Herrschaftl. zum Vorwerk gehörigen und der Gemeinde-Häuser; die Zahl der Anspanner oder Pferdner betrug 14, Hintersassen warens 9. Gegenwärtig im Jahre 1840 befinden sich hier 52 Wohnhäuser, indem in jenen 40 Jahren neuzugebauet wurde:

l) was dem Handarbeiter Friedrich Ehrhardt wohnhaft an der Chaussee im Hause Nr.33

2) was dem Handarbeiter Friedrich Hendrich, wohnhaft der Mühle gegenüber in Nr. 48

3) was dem Leineweber-Meister Johann Jäger oberhalb des Ortes, wohnhaft in Nr. 49 und

4) von der Gemeinde ein anno 1839 ein zur Wohnung für die Hutleute oder für die Ortsarmen bestimmte Haus oberhalb des vorigen. Doch was in den Jahren 1800 bis 1840 im Orte und in der Flur Merkwürdiges geschehen oder sonst das Aufzeichnen werth erscheint, das soll im ersten Abschnitte der Chronik von Jahr zu Jahr berichtet werden.

Erster Abschnitt ( v. 1800 bis 1884 )

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Das neue Seculum begann für unsere Gemeinde nicht günstig; verhieß es für die Zukunft wenig Tröstliches ; denn wenn das Dominicum mit einer Commune in Prozesse verwickelt ist, dann darf diese letztere es nicht wagen, den kommenden Monden ruhig entgegen zu sehen. Leider war dieser Prozeß über die Gerechtsame, eine Gemeinde-Schä ferei zu besitzen, welche bereits im J. 1791 errichtet worden, und die Klage über die Hundskirchlehde ( Hunoldskirchlehde ) aus dem alten in das neue Jahrhundert herübergetragen worden. In diesen traurigen Umständen bewiesen sich für die Gemeinde besonders thätig der Amts-Schulze Johann Friedrich Ehrhardt im Haus-Nr.40 und der Ackermann Gemeinde-Syndicus Johann Heinrich Ehrhardt in der Nr. 41 wohnhaft. Beide,von eigennützigen Ansichten fern, fanden für ihre Bemühungen Ersatz in der Freude,daß bald darauf der doppelte Zweck erreicht wurde. - Außer dem genannten Schulzen, der damals erster Schöppe war, bekleidete dieses Amt der Schnei dermeister Heinrich Steede, wohnhaft in Nr. 39. Mit williger Folgsamkeit, weil überzeugt von der großen Notwen digkeit des Vorhandenseins einer Feuerspritze, ließ die Gemeinde durch den Kunstgießer Johann Gottfried Lange in Langensalza eine solche fertigen, welche der Communal-Kasse 195 Thaler zu stehen kam. Ihre ersten Dienste leistete diese Spritze in Schwenda. In diesem Jahr füllte sich ein großer Theil des Friedhofs durch die Bösartigkeit der hier grasierenden ( rothen ) Ruhr mit Leichen an.

verfloß ohne ein für den Ort merkwürdiges Ereignis.

In diesem Jahr wurde der Candidat der Theologie Herr Heinrich Schöpfer, aus Nordhausen gebürtig, dem Herrn Pastor Just Ludwig Graue substituirt. Der Gebhards - ( gemeinhin Geburts- ) Grund unterhalb Rodishain wurde auf obrigkeitliche Verordnung von den Gemeinde-Mitgliedern mit Zwetschenbäumen bepflanzt, wobei der Schulze Johann Friedrich Ehrhardt und der Gemeindevorsteher die Aufsicht führten.

Über das Jahr 1803, 1804 und 1805

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ist nichts zu berichten, was von einiger Ortsinteresse wär, als daß im Jahr 1805 das Kirchendach, welches bis dahin mit Schiefer gedeckt gewesen war, mit Ziegeln gedeckt worden ist.

in welchem nach der Schlacht bei Jena die feindlichen Franzosen auch in der Grafschaft Stolberg Grausen erregende Dinge verübten, war besonders für diesen Ort drangsalsvoll. Faßt aller Lebensmittel und vieler Kleidung und des Geldes beraubt, waren die Einwohner genötigt, in die nahen Gebirge sich zu flüchten, auch der Orts-Cantor verließ zagend seine Wohnung, um mit Zittern sich in einer Höhle zu verbergen. Die in Stempeda hausenden einem Räuber-Gesinde ähnlichen Franzosen benutzten die Schulstube zum Koch- und Bratenherde, nahmen 22 Pferde mit hinweg und raubten der Kirchenkasse, welche damals der Pfarrer in Verwahrung hatte, ihre ganze Baarschaft, welche in 90 Thalern bestanden haben soll. Der Schaden, den der Ort durch die Vaterlandsfeinde damals erlitt, ist auf 4000 Thaler geschätzt worden. In eben diesem Jahre ist auf Gemeindekosten eine neue Kirchen- Orgel mit 13 klingenden Stimmen durch die Gebrüder Deppe von Nordhausen erbaut und in Gegenwart der Gräflichen Justiz-Beamten durch den Stolberger Kapellmeister Krille abgenommen worden.Das Werk kostete 440 Thaler, wobei die alte Orgel von den beiden Brüdern Deppe für 30 Thaler mit angenommen wurde, die Orgelbauer aber während der ganzen Zeit der Auftragung frei bewirthet und beköstigt werden mußten. - Dem Tage der Einweihung zum Andenken schenkten sämtliche Frauen des Ortes der Kanzel eine neue Bekleidung, und die unverheirateten jungen Männer ließen einen neuen Klingelbeutel machen.

hat sich in Stempeda nichts merkwürdiges ereignet.