Paul Julius Oswald Teichmüller

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Paul Julius Oswald Teichmüller
Paul Julius Oswald Teichmüller
Oswald Teichmüller
geb. 18. Juni 1913 in Nordhausen
gest. 11. September 1943 bei Poltava
Mathematiker, Dr. habil.
Bilder und Medien bei Commons
Wikidata: Datensatz
GND-Nummer 119089165
DNB: Datensatz

Paul Julius Oswald Teichmüller (geb. 18. Juni 1913 in Nordhausen; gest. 11. September 1943 bei Poltava im Dnepr-Raum) war Mathematiker.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nordhausen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Teichmüller wurde in Nordhausen geboren und wuchs zunächst bei seinen Eltern in Sankt Andreasberg auf. Dort besuchte er von 1919 an drei Jahre die Grundschule und anschließend bis 1925 die Hauptschule. Nach dem Tod seines Vaters Julius Adolf Paul Teichmüller (1881-1925) kam er 1925 nach Nordhausen. Hier lebte er bei einer Tante, Anna Teichmüller, die in der Stolberger Straße wohnte. Teichmüller besuchte fünfeinhalb Jahre das Nordhäuser Realgymnasium, welches sich gemeinsam mit dem Gymnasium in dem Gebäude an der Ecke Taschenberg/Morgenröte befand, und legte Ostern 1931 das Abitur mit dem Studienwunsch Mathematik ab.

Göttingen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unmittelbar nach seinem Abitur immatrikulierte Teichmüller sich zum Sommersemester 1931 an der Universität Göttingen und besuchte die Vorlesungen bedeutentender Mathematiker wie beispielsweise Richard Courant, nach dem das renommierte Courant Institute of Mathematical Sciences der Universität New York benannt ist, oder Otto Neugebauer, welcher die beiden noch heute für Mathematiker bedeutsamen Referatezeitschriften Zentralblatt der Mathematik (1931 in Göttingen) und Mathematical Reviews (1940 in den USA) begründete. Im Juli 1931 wurde Teichmüller Mitglied der NSDAP, trat kurz darauf der SA bei und begann, sich aktiv in der nationalsozialistischen Studentenschaft zu engagieren, u. a. als Fachschaftsleiter in der Mathematik.

Zu Beginn des Wintersemesters 1933, am 2. November 1933, spielte der Student Teichmüller beispielsweise eine exponierte Rolle beim Boykott der Vorlesungen des deutsch-jüdischen Mathematikprofessors Edmund Landau. Landau bat ihn daraufhin in einem persönlichen Gespräch um eine schriftliche Stellungnahme zu den Vorfällen. Teichmüller, der zwar seine Hochschätzung gegenüber Landau als Mathematiker ausdrückte, ihn aber nicht als akademischen Lehrer jüngerer Studenten sehen wollte, übergab Landau am darauffolgenden Tag die gewünschte Stellungnahme, welche im Anhang von Schappacher, Scholz (Hrsg.): Oswald Teichmüller - Leben und Werk mit abgedruckt ist.

Ambivalent an seinem Verhalten war insbesondere, dass Teichmüller politisch vehement gegen Mathematiker wie Richard Courant, Hermann Weyl, Edmund Landau und sogar Helmut Hasse, bei dem er später promovierte, auftrat, diese jedoch in ihrer mathematischen Autorität akzeptierte.

Neben seiner tatkräftigen Beteiligung an den politischen Aktivitäten der Nationalsozialisten beschäftigte er sich eindringlich mit der Mathematik. Schon im Juni 1935 promovierte er bei Helmut Hasse mit einer Schrift, die mit summa cum laude („mit Auszeichnung“) bewertet wurde, und war bis 1936 in Göttingen Assistent Helmut Hasses, der seinerseits von Teichmüllers mathematischem Talent überzeugt war.

Berlin[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Oktober 1936 ging Teichmüller zu dem Mathematiker Ludwig Bieberbach, ebenfalls aktiver Nationalsozialist und Verfechter der sogenannten „Deutschen Mathematik“, nach Berlin. Bereits im März 1938 veröffentlichte Teichmüller seine „Untersuchungen über konforme und quasikonforme Abbildungen“ und habilitierte sich damit an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität, der heutigen Humboldt-Universität zu Berlin.

Zweiter Weltkrieg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Sommer 1939, noch vor Beginn des Zweiten Weltkrieges im September 1939, wurde Teichmüller zum Dienst bei der Deutschen Wehrmacht einberufen. Er nahm dann von April bis Juni 1940 an der Besetzung Norwegens teil. Während des Militärdienstes ging er dennoch seinen mathematischen Forschungsinteressen nach und verfasste mehrere wissenschaftliche Fachartikel. Ab 1941 war er als Mathematiker zur Dekodierung beim Oberkommando der Wehrmacht in Berlin tätig, hielt nebenbei mathematische Vorlesungen an der Berliner Universität und führte sein mathematisches Forschungsprogramm weiter aus.

Im Mai 1943 folgte Teichmüller einem Mobilisierungsaufruf zur Aufstellung neuer Truppenverbände und meldete sich freiwillig an die nach der deutschen Niederlage in der Schlacht von Stalingrad im Februar 1943 zusammenbrechende Ostfront. Seit September 1943 galt der 30-jährige Teichmüller als verschollen; nach neueren Forschungen fiel er am 11. September 1943 bei Poltava.[1]

Briefwechsel Hans Künzis mit Teichmüllers Mutter[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm im November 1949 der Schweizer Mathematiker Hans Paul Künzi, der sich zuvor an der ETH Zürich promoviert hatte, brieflich Kontakt zu Teichmüllers Mutter Gertrud Teichmüller, geb. Dinse (1875-1954), in Sankt Andreasberg auf.[2] Daraus entwickelte sich eine Korrespondenz, die Mathematikern und Mathematikhistorikern später als Quelle über die widersprüchliche Persönlichkeit des brillianten Mathematikers Teichmüller diente. Zum Beispiel soll Teichmüller nach den Darstellungen seiner Mutter bereits im Alter von dreieinhalb Jahren Lesen und Rechnen gelernt haben, ohne dass er dazu angeleitet wurde.

Fazit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Teichmüller, dessen mathematisches Genie ihm zu einem noch heute in der mathematischen Fachwelt international bekannten Namen verhalf, hat viele wertvolle Beiträge in der Mathematik geleistet. Eine Theorie, zu der er besonders konstruktiv beigetragen hat, trägt sogar seinen Namen: „Teichmüller-Theorie“. Über die mathematische Fachwelt hinaus ist Teichmüller kaum oder gar nicht bekannt, da Nichtmathematiker wenig mit seinem wissenschaftlichen Werk anzufangen wissen und sein persönlicher Lebensweg keinerlei Identifikationsmöglicheit bietet. Kritisch wird sein seinerzeit fanatisch nationalsozialistisches Auftreten betrachtet.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Externe Verweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Segal, Sanford L.: Mathematicians Under the Nazis, Princeton University Press, 2003, S. 450
  2. Eine Abschrift des ersten Briefes müsste sich im Stadtarchiv Nordhausen befinden.