Badehaus Nordhausen
Geschichte
Erste Vorstellungen zu einem zentralen Bad in Nordhausen
Die Idee zur Errichtung eines zentralen Bades in Nordhausen entstand im späten 19. Jahrhundert. Angesichts der zunehmenden Industrialisierung und der wachsenden städtischen Bevölkerung stieg das Bedürfnis nach besseren hygienischen Bedingungen und öffentlichen Badeeinrichtungen. In den 1890er Jahren entstanden in vielen deutschen Städten überdachte Schwimmbäder, die der Bevölkerung Zugang zu moderner Körperpflege und sportlicher Betätigung boten. Diese Entwicklung fand auch in Nordhausen große Beachtung und führte zu ersten Überlegungen, ein städtisches Bad zu errichten. Am 11. Januar 1891 lud der „Nordhäuser Hausbesitzer Verein" zu einer Bürgerversammlung mit dem Badeinspektor Trübenbach aus Zittau ein, um über das Thema „Hautpflege" und die Notwendigkeit eines zentralen Bades zu diskutieren. Trübenbach warnte in seinem Vortrag vor der Errichtung einer aufwändigen Kuranstalt, die als Bad und Unterkunft für Kurgäste dienen sollte, da eine solche Einrichtung hohe Investitionen erfordern und nur wenig Nutzen bringen würde. Stattdessen empfahl er, dass die Stadt ein praktisches und funktionales Bad in der Nähe der Rothleimmühle errichten sollte, das die Badegäste vormittags nutzen könnten. Der Standort an der Rothleimmühle wurde als sehr gut angesehen, da er vor den Ostwinden geschützt war.[1] Der erste Bürgermeister von Nordhausen, Herr Hahn, sprach sich jedoch gegen ein solches Kurhaus aus. Er argumentierte, dass die Stadt eher ein Bad benötige, das ausreichende Möglichkeiten für das Schwimmen biete und zur körperlichen Ertüchtigung der Schuljugend beitrage. Hahn betonte, dass ein solches Bad nicht billig sein würde und die Stadt auf die aktive Unterstützung der Bürgerschaft angewiesen sei, um die geschätzten Baukosten von etwa 120.000 Mark zu finanzieren. Er schlug vor, die Finanzierung möglicherweise durch die Bildung einer Aktiengesellschaft zu sichern.[2] Auf Hahns Betreiben hin wurde eine gemischte Kommission gebildet, die sich aus Mitgliedern der städtischen Gremien zusammensetzte. Diese Kommission, zu der unter anderem die Herren Schulze, Bartens, Eberhardt, Wiegand, Grote, Röer und Bach gehörten, sollte die Möglichkeiten für den Bau einer Badeanstalt weiter untersuchen und konkrete Vorschläge erarbeiten. Hahn schlug der Kommission vor, nach Hirschberg zu reisen, um die dortige Badeanstalt mit künstlicher Erwärmung zu besichtigen und sich über die Kosten und Bauweise zu informieren. Diese Reise sollte als Grundlage für die Planungen in Nordhausen dienen.[3] Im Januar 1891 stellte die Kommission der Öffentlichkeit erste Entwürfe und Kostenschätzungen für ein neues Winterbad an der Rothleimmühle vor. Die geschätzten Baukosten beliefen sich auf 74.000 Mark für das Hauptgebäude, das Schwimmbecken, das Wohnhaus, das Kesselhaus, die Dampfkesselanlage und andere Nebenkosten. Für ein Sommerbad wurden zusätzliche 32.000 Mark veranschlagt. Die Pläne sahen ein betoniertes Schwimmbassin von 15 x 12 Metern für Schwimmer und ein separates Becken von 12 x 12,5 Metern für Nichtschwimmer vor. Zudem waren 25 Brausezellen sowie ein An- und Auskleideraum vorgesehen. Das Bassin sollte im Winter durch eine Dampfkesselanlage erwärmt werden, die mit zirkulierendem Dampf betrieben wurde. Die Planung schritt weiter voran, und es wurden konkrete Angebote eingeholt. Die ermittelten Baukosten für das Bad an der Rothleimmühle beliefen sich auf insgesamt 120.000 bis 150.000 Mark, was den Kosten anderer Städte entsprach. Um die Finanzierung sicherzustellen, veröffentlichte der Magistrat 1891 einen Aufruf an die Bürger, Anteilscheine im Wert von 100 bis 500 Mark zu erwerben. Parallel dazu machte der Besitzer der „Sanatoriums- und Badeanstalt A. Tropus" der Stadt den Vorschlag, auf seinem Grundstück eine Schwimmhalle mit einem warmen Schwimmbassin und Umkleideräumen zu errichten, wenn die Stadt ihm ein unkündbares Darlehen von 75.000 Mark für 15 Jahre zu einem Zinssatz von 3 Prozent gewähre und ihm das Wasser kostenlos zur Verfügung stelle. Die Stadtverordnetenversammlung lehnte diesen Vorschlag jedoch ab, und die Verhandlungen mit Tropus führten zu keinem Ergebnis. Im Jahr 1899 kam es zu einem weiteren Vorschlag, das geplante Stadtbad mit der Errichtung eines Elektrizitätswerkes in der Grimmelallee zu kombinieren. Die Abwärme und das Kondenswasser des Elektrizitätswerkes sollten für den Sommer- und Winterbetrieb des Bades genutzt werden. Die Elektrizitäts-Aktiengesellschaft Schuckert & Co. erklärte sich bereit, das erforderliche städtische Kapital nicht nur mit 3 Prozent zu verzinsen, sondern auch so zu amortisieren, dass das Bad nach 50 Jahren in das Eigentum der Stadt übergehen würde. Diese Pläne wurden jedoch im Jahr 1899 verworfen, da die Erträge des Elektrizitätswerks aufgrund eines ungünstigen Gasvertrages mit der Deutschen Continental-Gas-Gesellschaft in Dessau in den ersten zehn Betriebsjahren nicht ausreichen würden, um den Bau und Betrieb eines Schwimmbades auf eigene Kosten zu finanzieren. Die Diskussionen über den Bau eines zentralen Bades in Nordhausen zogen sich noch einige Jahre hin. Im April 1904 informierte der Stadtverordnete Stade die Mitglieder des Stadtrates darüber, dass der Magistrat ein Darlehen von 2.058.000 Mark bei der Stadtsparkasse in Magdeburg zu einer Verzinsung von 4 Prozent aufnehmen wollte. Die Anleihe sollte unter anderem 150.000 Mark für den Bau des Bades umfassen. Nach weiteren Diskussionen wurde schließlich in der Stadtverordnetenversammlung am 25. Januar 1906 das Projekt eines städtischen Bades mit Sommer- und Winterbetrieb für die Summe von 195.000 Mark verabschiedet. Der Standort für das neue Bad wurde intensiv diskutiert. Es wurden Gutachten eingeholt, die sowohl die Vor- als auch die Nachteile der Standorte an der Rothleimmühle und der Grimmelallee untersuchten. Während der Standort an der Rothleimmühle landschaftlich schön und geschützt lag, sprachen die zentrale Lage, die gute Anbindung an die Straßenbahn und die geringeren Kosten für die Erdarbeiten und Entwässerung für die Grimmelallee. Letztlich entschied sich der Bauausschuss mit nur einer Gegenstimme für die Grimmelallee als Standort des neuen Stadtbades.
Bau und Planung in der Grimmelallee
Nach mehreren Jahren intensiver Diskussionen und Planungen fiel 1906 der endgültige Beschluss zum Bau eines zentralen Stadtbades in Nordhausen. Um die Planung und Realisierung eines Bades zu unterstützen, wurde im Jahr 1891 ein Bade-Verein gegründet, der sich für den Bau eines Stadtbades in Nordhausen einsetzte. Am 7. Mai 1906 wurde der Bochumer Architekt Gustav Ricken mit der Bauleitung beauftragt. Dieser hatte bereits den Schulbau Wiedigsburg in Nordhausen erfolgreich geleitet und sollte nun auch den Bau des Stadtbades unter ähnlichen Bedingungen durchführen. Der Stadtverordnete Lüttig von der Baukommission begründete die Wahl von Ricken damit, dass dieser durch seine bisherigen Arbeiten in Nordhausen vertraut war und die spezifischen Anforderungen des Projekts gut einschätzen konnte. Die Bauarbeiten begannen am 20. Juni 1906. Der Bau der Anlage verlief schnell und weitgehend reibungslos, trotz eines Zwischenfalls am 26. September 1906, als der Klempnerlehrling Willi Prophet aus Nordhausen aus einer Höhe von etwa fünf Metern vom Neubau der städtischen Badeanstalt stürzte und sich mehrere Rippenbrüche und Schürfwunden im Gesicht zuzog. Das Richtfest konnte dennoch am 8. Oktober 1906 gefeiert werden, und die Arbeiten wurden zügig fortgesetzt. Am 4. April 1907 waren die maschinellen Einrichtungen des Bades fertiggestellt, sodass mit den ersten Tests begonnen werden konnte. Die Waschanstalt, die mit dem Bad verbunden war, konnte bereits am 1. Mai 1907 ihren Betrieb aufnehmen. Die Bauleitung und die Stadtverwaltung hofften, dass die praktische und modern ausgestattete Waschanstalt sowohl von der städtischen Bevölkerung als auch von den Hotels der Umgebung gut angenommen werden würde, da die Preise an die örtlichen Verhältnisse angepasst waren. Trotz eines Rückschlags während des Probelaufs im Juni, als sich herausstellte, dass ein Teil der Bodenplatte im Schwimmbecken nicht ausreichend mit dem Untergrund verbunden war und neu verlegt werden musste, konnte die geplante Eröffnung eingehalten werden. Die Übergabe des Bades fand am 3. Juli 1907 in Anwesenheit vieler Mitglieder der städtischen Körperschaften und der am Bau beteiligten Firmen statt.
Architektur und Ausstattung
Das Stadtbad wurde im Jugendstil errichtet, der sich durch geschwungene Linien, florale Ornamente und harmonische Proportionen auszeichnete. Der Eingang befand sich an der Grimmelallee. Von dort gelangte man über eine breite Treppe in die Vorhalle, in der sich das Schalterfenster der Kasse und die Wäscheausgabe befanden. Die Besucher traten anschließend in die geräumige Verkehrshalle, die den Zugang zu den verschiedenen Bereichen des Bades ermöglichte. Die Schwimmhalle hatte eine Grundfläche von 10 x 30 Metern und bot Platz für ein großes Schwimmbecken, das aufgeteilt war in einen flachen und einen tiefen Bereich. 22 Brausebäder standen für männliche Besucher zur Verfügung, während für Frauen aufgrund geringerer Nachfrage nur vier vorgesehen waren. Acht Wannenbäder, darunter zwei in gehobener Ausstattung, ergänzten das Angebot. Um das Schwimmbecken herum waren 47 Umkleidekabinen für Erwachsene angeordnet. Die Wände der Halle waren mit Jugendstilmotiven wie Fischen, Schwänen und Wasserpflanzen verziert. Die Beleuchtung erfolgte durch Bogenlampen aus Eisen. An der Stirnseite des tiefen Teils des Beckens waren zwei Sprungbretter angebracht. Ein besonderes Merkmal war der "Kühleborn", ein Wasserauslass in Form eines farbenfrohen Ornaments, der das gereinigte und erwärmte Wasser ins Becken leitete. Die Waschanstalt befand sich im Souterrain des nordwestlichen Flügels. Sie war eine der modernsten Einrichtungen ihrer Art und bot eine Vielzahl von Dienstleistungen an. In der Annahmestelle standen zwei große Waschmaschinen, eine kleine Waschwanne für die Handwäsche, ein Laugenkocher und eine Zentrifuge. Das Trocknen der Wäsche erfolgte in acht großen Trockenschränken. Eine große Dampfmangel und eine "Wäscherolle" wurden zum Trocknen und Glätten verwendet. Im Plättsaal standen Handplätteisen und eine Plättmaschine für Chemisetts, Kragen und Manschetten. Das Stadtbad verfügte über mehrere fortschrittliche technische Einrichtungen. Eine zentrale Heizungsanlage sorgte für die Erwärmung der Badebereiche, während eine moderne Lüftungsanlage die Raumluft regulierte. Für heiße Sommertage gab es eine spezielle Kühlvorrichtung mit Kühldüsen an der Decke der Schwimmhalle. Das Beckenwasser wurde regelmäßig erneuert und durch eine Zirkulationsvorrichtung kontinuierlich gereinigt und erwärmt.