Wie der Ilfelder Bäcker seine Wette verlor

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Ansicht von Ilfeld und der Johannishütte (1841)

Ein Mann namens Kohlnicker war viel auf Reisen. Ob er seinen Namen von seinem Vater her hatte, oder ob er ihn davon bekam, daß er alle Kohlköpfe grüßte, als wären sie seine Herrn Vettern, das weiß ich nicht genau, 's ist auch schon lange her.

Warum er den Kohlköpfen die Ehre antat? Ei nun, das geschah aus Heller Freude, die er allemal beim Anblick eines Kohlfeldes hatte. Er erfreute sich nämlich eines solchen Appetites, wie er wohl noch nicht da gewesen ist vor ihm und nach ihm und — rohe Kohlköpfe waren ein Herrenessen für ihn.

Samstagabend war's und die Ilfelder Glocken weckten feierliches Echo im Gebirge, da kamen die Schäfer mit den Herden von der Weide, und die Klosterleute hörten auf mit arbeiten und gingen heim.

Da sahen sie den Kohlnicker kommen. Sein kleiner Kopf nickte freundlich. Der Kopf konnte auch lachen, nicht immer sitzt solch' kleiner Kopf auf so riesigem Bauch, aber — dem Bauch konnte es um so ängstlicher werden, denn der ruhte auf zwei dünnen, kurzen Beinchen und darum schwankte der ganze Mensch beim Gehen unsicher hin und her.

Die Leute lachten über die drollige Erscheinung und der Fremde lachte mit, aber die Hellen Tränen standen ihm dabei im Auge, er hätte solchen Hunger, klagte er. Da lud ihn der Schafmeister ein, mitzukommen und bei ihm Abendbrot zu essen. Kohlnicker nahm 's gern an und wurde immer fideler, je näher sie dem Flecken kamen.

„Ah, die schönen weißen, runden Kiesel, der blanke Saft!" jubelte er, setzte sich nieder am Flüßchen und schluckte Kiesel auf Kiesel hinab. D ie Schäfer standen um ihn her, sie staunten und faßten sich an den Kopf, denn alle meinten sie träumten.

„ So!" sagte der Fresser endlich, „das tat wohl, so schöne Kiesel hab' ich lange nicht gehabt. Nun kann ich Abendbrot essen wie andre Leut'.“

Des Schafmeisters Frau hatte eben das Abendbrot auf den Tisch gestellt und wartete schon auf ihren Mann und die Knechte, als sie nach Haus kamen. Das Herz im Leibe lachte ihnen, als sie den dampfenden Schweinskopf, die Backbirnen und die gelbweißen Kartoffelklöße stehen sahen, denn der Schafmeisterin kam es auf ein Ei in dem Kloß nicht an. — Juhe! das sollte schmecken! Aber da dachten sie an ihren Gast und das Herz sackte ihnen in die Füße, als sie an seine Freßsucht dachten. Der aber stand, rieb sich vergnügt seinen Bauch und schnalzte mit der Zunge.

Den andern winkten die Frau heraus und erzählten ihr, daß an dem Frem en nichts so zu loben sei, als sein unmenschlicher Hunger, rieten ihr, ihm vorweg ein halbes Brot zu geben, damit er nicht so viel von dem schönen Kloß und Schweinskopf begehre. So schnitt denn die Schäfersfrau einen halben Laib Brot ab und sie gingen hinein zu dem Fremden, der eben das letzte Schweinsohr in den Mun d schob und sie fragte, ob sie nicht bald äßen und er etwas abbekäme.

Da — als die Schäfer die leeren Schüsseln sahen, wurden sie bös, hauten dem gefräßigen Gast den Buckel voll und setzten ihn vor die Tür. Da saß er und weinte vor Hunger.

Zu der Zeit wohnten in Ilfeld ein paar reiche Leute, die sich einander neckten und plagten, halb im Scherz, halb im Ernst. E s waren der Schmied und der Bäcker. Wenn der Schmied etwas erzählte, stritt der Bäcker, und was der Bäcker erzählte, erklärte der Schmied für puren Unsinn.

Der Bäcker kam jetzt gerade an der Schäferei vorbei und frug — neugierig wie er war — den weinenden Mann, warum er so heule. Da klagte ihm der sein Leid: erst habe ihn der Schäfer eingeladen zum Essen und kaum habe er angefangen, da hätten ihn die Schäfersleute 'nausgeworfen und äßen nun alleine.

Der Bäcker ging hinein zu dem Schäfer und hörte da, was sich zugetragen mit dem sonderlichen Gast. In des Bäckers Schelmenkopfe begann sich's zu regen. Er nahm Kohlnicker mit nach Hause, und gab ihm ein großes Brot. Das vertilgte der Freßmeier und legte sich dann schlafen.

Sein Wirt aber ging in die Schenke, erzählte von seinem Gaste, und wie dieser ihm erzählt, daß er als österreichischer Soldat stets für acht Mann gerechnet sei im Quartier. Und da hätten die Leute immer noch lieber acht Mann genommen als ihn. Freund Schmiedemeister stritt wie gewöhnlich, biß fest auf seine kurze Pfeife und ließ aus schiefem Munde vernehmen, so was müsse der Bäcker Dummen weiß machen.

Auf das Streiten des Schmiedes hatte es der Bäcker gerade abgesehen und um den Schmied aufzureizen, behauptete er, der Fremde könne ein Kalb mit einem Male verzehren.

Der Streit ging hin und her, der Schmied sagte nein, der Bäcker ja, und zuletzt wetteten beide um hundert Gulden. „Dem müssen die Österreicher höllisch locker in der Tasche sitzen," sagte der Bäcker, (denn der war seiner Sache sicher) und schlug vor, der Fremde solle morgen ein Kalb aufessen, da sei Sonntag und die ganze Gemeinde könne zusehen nach der Nachmittagskirche.

Sonntag früh machte sich der Fremde nützlich, fegte Hof und Scheuer und verzehrte dabei einen Haufen Kohlköpfe, dazu trank er einen Pferdeeimer leer und klopfte sich dann den Bauch vor Behagen. Als das der Bäcker sah, rief er seinen Gast herein, sperrte ihn in die Kammer und sagte, er müsse bis vier Uhr fasten, dann müsse er ein Kalb aufzehren.

Ei, das sei ein Späßchen, meinte Kohlnicker, aber der Bäcker sagte, das wär 'ne Leistung, auf die man sich vorbereiten müsse. Und wie auch der Fresser bat, der Bäcker solle ihm noch ein Brot oder ein Schüsselchen Kieselsteine geben, der tat es nicht, er wollte seine hundert Gulden gewinnen und er ließ Kohlnicker fasten.

In der Kammer stand ein großer Kasten voll Knöpfe und Schnallen, die zehrte der arme, hungrige Kerl alle auf, aber es war lange nicht genug. Zuletzt wimmerte er vor Hunger und als er still wurde, war's der Bäcker zufrieden, denn er dachte der Fremde schliefe, und nun käme erst rechter Hunger. Aber — als er seinen Gast abholen wollte mit ihm in's Gasthaus zu gehen, da war der vor Hunger gestorben.

Da mußte der Bäcker den Fresser begraben lassen und dem Schmied die hundert Gulden obendrein bezahlen. —