Diskussion:Martinsfest in Nordhausen

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Letzter Kommentar: 16. Oktober 2020 von Chronist

Der vielfältige historische Hintergrund, vorchristliche Zeit, katholisches Mittelalter und Lutherreformation, spiegelte sich in den Bräuchen des Martinsfestes wider, wie es die Nordhäuser bis ins letzte Jahrzehnt hinein gefeiert haben. Ihr "Martini" war ein frohbewegtes Volksfest, in dem eine ernste, religiöse Seite mitschwang, die sich auf die Grundzüge der geistesbefreienden Tat Luther’s besann, ohne einem engen Konfessionalismus zu verfallen. Die Erscheinung des Reformators stand auch deshalb sehr sinnfällig im Mittelpunkt dieses Festes, da die gewaltige Nachmittagsfeier unter freiem Himmel zu Füßen des Luther- Denkmals auf dem mittelalterlichen Rathausplatz stattfand. Was die Menschen dabei bewegte, war nicht eine spezielle theologische Vorstellung, sondern eine religiöse Grundstimmung des Gottvertrauens und froh-ernsten Lebensmutes, wie beides wesentlich auch aus der erzgegossenen Gestalt des deutschen Christen Martin Luther sprach, erfüllt von Ehrfurcht vor Gott und von der Liebe zu seinem Volke. So steht das Fest allen unvergänglich vor Augen, die nicht mehr in den Mauern des alten Nordhausens wohnen.

Daneben spielte sich ein vielgestaltiges, fröhliches Treiben ab. Die Jugend hatte schulfrei. Die Kaufläden schlossen am frühen Nachmittage, bevor sich der riesige Festzug, an dem traditionell alle Vereinigungen kultureller, sportlicher und militärischer Art, an der Spitze Magistrat und Geistlichkeit, und natürlich die Schulen teilnahmen, durch die Hauptstraßen zum Lutherdenkmal bewegte. Schon in den frühen Morgenstunden entfaltete sich auf den Straßen und Plätzen der wahrlich auch sonst gewerbeeifrigen Stadt ein besonders geschäftiges Treiben, dem die langen Verkaufsreihen der ihre Martinsgänse feilhaltenden Bauern und die großen Bottiche mit lebenden Karpfen ihr Gepräge gaben. Denn zu den traditionellen Symbolen, der Martinsgans und dem Martinslicht, war als drittes Stück der Martinskarpfen getreten, wahrscheinlich auch auf einen alten Brauch zurückgehend, da in den Südharzteichen, zumal auch in manchem Klosterteiche, die Karpfenzucht schon im Mittelalter gepflogen wurde. Die Kinder verlustierten sich auf den Straßen mit den Karpfenblasen, um bei Einbruch der Dunkelheit, wenn sich der Martinsfestzug aufgelöst hatte und unter dem Geläute aller Kirchenglocken die Menschen nach Hause zum Festschmause strebten, mit dem Martinsfeuerwerk zu beginnen. Da gab es ein Geknalle, an dem sich dann auch die Alten in später Nachtstunde - bei der Heimkehr vom fröhlichen Beisammensein mit befreundeten Familien oder vom Festesjubel in den überfüllten Gaststätten - gern beteiligten.

Dieses nur über einen Tag andauernde Fest enthielt Fröhlichkeit, die echt war, da sie auf einem ernst-sittlichen Untergründe wuchs. Nordhäuser Martinsfest wurde so zu dem großen Volksfest, an dem alle, jung und alt, arm und reich, ernster oder übermütig gesonnen, irgendwie mit ganzem Herzen Anteil nahmen. Darum wirkte es auch über die Grenzen der tausendjährigen Stadt hinaus in die Städte und Dörfer des Südharzes und der goldenen Aue.

So ist es wohl zu verstehen, daß die ehemaligen Nordhäuser, sei es, daß sie erst in den letzten schweren Jahren ihre Heimatstadt verließen, sei es, daß sie schon seit Jahrzehnten draußen eine andere Heimat fanden, gerade an diesem Feste hängen, weil es in lebendigster Weise schöne Vergangenheit und für viele die Jahre fröhlicher Jugend beschwört. --Chronist (Diskussion) 17:18, 16. Okt. 2020 (CEST)Beantworten