Arbeitererhebung am 17. Juni 1953 in Nordhausen
In den Tagen um den 17. Juni 1953 kam es in der DDR zu einer Welle von Streiks, Demonstrationen und Protesten, die als Volksaufstand des 17. Juni oder Arbeitererhebung bezeichnet werden. In Nordhausen streikten mehr als 1600 Arbeiter.
Lage in Nordhausen
Die Arbeiter im IFA Schlepperwerk Nordhausen legten nach heftigen Diskussionen zur Normerhöhung und aufgrund der schlechten Versorgungssituation in der Stadt zu Beginn der Frühschicht geschlossen die Arbeit nieder. Am frühen Morgen wurde die Sirene auf dem Kornhaus als Zeichen des begonnen Streiks betätigt und die Fahnen am Bahnbetriebswerk wehten mit Trauerflor. Kurz darauf begab sich der Leiter der Deutschen Volkspolizei, Fritz Pabst, in das Werk und sprach zu den Arbeitern, die danach an ihre Arbeitsplätze zurückkehrten und weiterdiskutierten. Als Pabst das Werk verließ, legten die Werkangehörigen erneut die Arbeit nieder. Einige Arbeiter vom Schlepperwerk begaben sich nun in andere Betriebe, um dort die Lage zu sondieren.
Eine für 13 Uhr geplante Demonstration konnte nicht durchgeführt werden, weil Volkspolizei und Rote Armee die Werktore abriegelten. Die Werkangehörigen wurden nun aufgefordert, an ihre Werkstatt zurückzukehren oder sich in ihre Wohnungen zu begeben. Daraufhin gingen die Arbeiter in ihre Abteilungen zurück. Das ganze Schlepperwerk blieb unter Kontrolle der Polizei und Militärs.
Zum Höhepunkt der Streikbewegung kam es am 18. Juni, als 1600 Menschen im Abus Maschinenbau (400 Streikende), im VEB Ausrüstungen (ehemals Gebhardt & Koenig, 100 Streikende) und im IFA Schlepperwerke die Arbeit niederlegten. Die Polizei brachte vorsorglich das Elektrizitäts-, Gas- und Wasserwerk, die Post und die Talsperre Neustadt unter Kontrolle.
In Nordhausen wurde der Ausnahmezustand erklärt. Neben den Hundertschaften der Volkspolizei (mit MfS) waren auch 48 Freiwillige Helfer der Volkspolizei im Einsatz. Enge Zusammenarbeit gab es mit den sowjetischen Einheiten. Obwohl am 17. Juni ab 6 Uhr der Schießbefehl erteilt wurde, vermied man offene Konfrontationen; Verhaftungen erfolgten meist verdeckt. In der ganzen Stadt wurden Plakate des Chefs der sowjetischen Garnison angeschlagen, der den Ausnahmezustand erklärte.
Wichtige Personen der Arbeitererhebung in Nordhausen waren Otto Reckstat und Alfred Fanther.
Die Streikbewegung in Nordhausen brach innerhalb von zwei Tagen zusammen. Am 19. Juni 1953 wurde „im Zusammenhang mit der Unordnung in manchen Industriebetrieben“ der Ausnahmezustand verschärft. Auch in den folgenden Wochen kam es in den Großbetrieben zu Unruhen und Protestaktionen. Am 8. Juli wurde in einer Gewerkschaftsversammlung von 100 Beschäftigten der ABUS-Maschinenbau der 16-Punkte-Forderungskatalog von Otto Reckstat publik gemacht.
Zitat "Eine ähnliche Lebensgeschichte als ehemaliger Nazi und Beteiligter am Aufstand vom 17. Juni 1953 zeigt der Vorgang eines Schleifers im VEB IFA Schlepperwerk, der als GI (Geheimer Informator) angeworben wurde. Dem MfS war bekannt, dass dieser Arbeiter Mitglied der Hitlerjugend, dann der NSDAP und in den Jahren 1936 bis 1938 der SS war. Einen Tag nach dem Juni-Aufstand wurde er unter dem Verdacht festgenommen, "als Rädelsführer am 18.6.1953 im IFA-Schlepperwerk beteiligt zu sein". Interessant, da im Widerspruch zur offiziellen Propaganda, ist die Formulierung des Führungsoffiziers, dass er nicht vom politisch-motivierten Aufstand sprach, sondern die Arbeitsniederlegung in Verbindung mit der Erhöhung der Arbeitsnormen brachte. Die Anwerbung erfolgte dann direkt vor der Haftentlassung am 21. Juni 1953, d.h. nur vier Tage nach dem Aufstand. Der GI verpflichtete sich, "den staatlichen Organen in Zukunft in jeder Weise (zu) helfen und die Gegner unserer demokratischen Entwicklung zum Sozialismus auf(zu)zeigen".
"Die KD Nordhausen. Arbeitsstruktur und Wirkung der Kreisstelle des Ministeriums für Staatssicherheit im Grenzkreis Nordhausen", Hanna Labrenz-Weiß, S.42, ISBN 978-3-942130-80-6
Literatur
- Rainer Hellberg, Fritz Schmalz: Der 17. Juni 1953 in Nordhausen. Nordhausen: le Petit, 2007.