Der Teufel im Weidenbaum

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Vor vielen Jahren, genau auf den Tag kann man das jetzt nicht mehr sagen, saß einmal der Teufel mit seiner lieben Großmutter in der warmen Hölle und aß sein Abendbrot. Es gab eine dicke Wassersuppe, geschmelzt mit Engelsfett, und hinterher Schweinsfüßchen. Der ganze Tag war ihm recht sauer geworden. Er hatte nämlich einen drei Zentner schweren Rentmeister, der jedes Mal in seinen Abrechnungen bei der Einnahme die Nullen vorn, bei der Ausgabe aber hintenhin gesetzt hatte, mit seinem Karren geholt, nachdem er ihm erst den Hals umgedreht hatte.

Wie der Teufel nun so muffelte, kam einer von den Unterteufeln, der Sperlefix. Das war so eine Art Schütze oder Aufseher über die Gegend von Nordhausen. Der sagte: „Herr, auf dem Holungsbügel bei Nordhausen, das muß ich euch melden, da geht des Nachts bei Neumond eine Spukgestalt mit einem feuerigen Kopf spazieren. Ich habe schon ein paarmal fragen wollen, ob der Kerl aufs Spuken einen Jagd- oder Gewerbeschein hätte, aber der ist mir jedes Mal entwischt.“

Der Teufel schlug gleich in der Gewerbeliste fürs Spuken nach, sodann auch in der Jagdliste, aber er fand nichts über eine Spukgestalt auf dem Holungsbügel. „Gut“, sagte er zu Sperlefix, „heute Abend paßt es auf das Däumchen, weil gerade Neumond ist. Da will ich doch selber mal nachsehen. Nachdem es nun stockduster geworden war, setzte sich der Teufel auf eine große Eule und flog zum Holungsbügel. Wie er sich dort auf einen von den großen Steinen setzen wollte, taumelte er von einem unheimlichen Schlag zurück. Es war ihm, als hätte ihm einer eine mächtige Maulschelle verabreicht. Er wußte gar nicht, wie ihm geschah, doch als er genauer hinsah, bemerkte er, daß in den Stein ein Kreuz gehauen war. Na sowas, dachte der Teufel, das hätte ich mir auch bald an den Fingern abzählen können, daß hier so etwas sein mußte. Er schlug einen großen Bogen um die Stelle, setzte sich hinter einen Dornbusch, spitzte seine langen Ohren und äugte in die Dunkelheit hinaus. Indem kamen zwei alte Weiber, die er schon vom Brocken her kannte, die gingen heimwärts, denn sie hatten in Nordhausen zum Martinsabend sieben, acht Jahre alte Zuchtgänse als ganz junges zartes Bratengeflügel verkauft. Als sie an dem Dornbusch vorbeigingen, sagte Fieke mit den Kulleraugen zu ihrer Nachbarin Nasenhahn: „Du, Hanne, sieh mal, da laufen die weißen Mäuse über den Weg, da kommt wohl bald auch der feurige Spukgeist aus Salza.“ — Wie der Meister Urian hinter seinem Dornbusch das hörte, sperrte er seine Augen auf, und richtig, von Salza her kam eine Gestalt mit einem feuerroten Kopf daher. Wie der Geist näher kam, er bewegte sich sehr langsam, sah der Teufel, daß das Gespenst einen mächtig großen Grenzstein aufgehuckt hatte und immer keuchte und japste: „Wo kann ich den nur hinsetzen — ?“

„Na warte mal ein Momentchen, ich will's dir gleich beibringen,“ sagte der Teufel, sprang hinter dem Dornbusch hervor und fuhr auf den Feuerkerl los. Der warf mit Schrecken den Grenzstein weit von sich und lief, hastdunichtge- sehen, wie ein Irrwisch den Berg hinunter nach der Salza zu und entwischte, wie er den Teufel ganz dicht hinter sich spürte, durch ein Loch in einen hohlen Weidenbaum! Der Teufel schoß ihm hinterher und krächzte: „So warte doch mal, ich will doch nur fragen, ob du einen Gewerbeschein aufs Spuken hast!“ Im Nu zischte der Feuerspuk wieder zum Baum heraus, drehte blitzschnell um und strich seine Ausfahrt mit der schwarzen Kunst zu. Genau so flink war er wieder unten und verschloß auch das andere Loch: „So, nun kannst du da drinnen ein Weilchen übers Fangenspielen nachdenken!“

Da saß nun der Teufel in dem hohlen Weidenbaum und fühlte sich ungeheuer übel. Er klopfte und pochte, hämmerte, wummerte und prustete sich auf wie ein Püsterich, es half aber alles nichts. Er saß fest. — „Verflixt und zugebunden,“ schimpfte er, „da bin ich ja schön festgefahren.“

Es verging ein Jahr nach dem anderen. Zuletzt saß der Teufel meistens, wenn er nicht mit sich selbst disputierte, ganz stille. Nur mitunter, wenn er an seine schöne warme Hölle und an seine liebe Großmutter dachte, da rumorte es wieder im Inneren des Weidenbaumes. Die Leute in der Gegend hörten das gar manches Mal, vor Gruseln standen ihnen die Haare zu Berge, und sie nannten den Baum die „Spukweide“. Doch einmal, es war mitten im Winter, abends halb elf, da spürte der Teufel, daß einer an seinem hölzernen Kerker herumwirtschaftete. Vor Freude hüpfte er in die Höhe und machte einen Kopfstand. Es hackte einer den Baum um! — Es war ein alter Mann aus Salza, der wollte sich Brennholz machen. Wie er nun mit der Axt schuftete und würgte, stampfte der Teufel auf, es tat einen mächtigen Krach und der Baum stürzte um. „Hurra“, jauchzte der Teufel, „es lebe die Freiheit“, und stob davon. Der arme Holzdieb fiel vor Schreck und Graus beinahe um, wie er den Schwarzen fortspringen sah. In seiner Einfalt dachte er, es müsse der Schornsteinfeger gewesen sein, denn wie er den Baum daheim anschaute, war der innen so schwarz wie Kienruß. Und das Holz brannte, wie das leibhaftige Höllenfeuer.