Gustav Ricken
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Gustav Ricken (geb. 15. Februar 1877 in Bochum; gest. 17. Dezember 1972 in Hannover) war Architekt und errichtete zahlreiche Bauwerke in Nordhausen.
Leben
Gustav Ricken wurde als Sohn des Tischler- und Polstermeisters Gustav Ricken sen. in Bochum geboren. Er wuchs mit seinen 11 Geschwistern in der Nibelungenstraße 15 auf und wurde streng katholisch erzogen. Von seinem Vater erlernte er den Beruf des Bautischlers. Bereits in seiner Jugend interessierte er sich für Architektur, nahm an Wettbewerben teil und schloss am 22. März 1900 die Königlich Preußische Baugewerkschule in Höxter mit „vorzüglich bestanden“ ab. Anschließend ging er drei Jahre an die Königlich-Technische Hochschule in Hannover. Zu dieser Zeit stand er bereits im Diensten verschiedener Stadtbauämter, u. a. in Bochum, Gelsenkirchen und Herne. Als sein Vater 1903 an Gürtelrose verstarb, wurde der Gebäudekomplex allein auf Gustav jun. überschrieben, da Frauen zu der Zeit nicht geschäftsmündig waren.
1904 erhielt Ricken zahlreiche Bauaufträge der Stadt Nordhausen und errichtete bis 1909 die Wiedigsburgschule, die Badeanstalt und das Stadthaus mit Sparkasse. Danach verließ er die Verwaltung und machte sich selbstständig.
Wir sprechen Ihnen hiermit für Ihre der Stadt geleisteten Dienste unsere volle Anerkennung und unseren besonderen Dank aus. Die Ausführung des Sparkassengebäudes insbesondere hat uns nach jeder Richtung befriedigt. In Übereinstimmung mit der Stadtverordneten-Versammlung haben wir beschlossen, Ihnen als äußeres Zeichen unserer Anerkennung Ihrer hervorragenden Leistungen bei diesem Bauwerk eine Ehrengabe von 500 Mark zu gewähren. | ||
— Bürgermeister Carl Contag |
1912 heratete er Anna Lippold, Tochter des Nordhäuser Telegrapheninspektors, und bezog eine Etagenwohnung in der Thüringer Straße 1. Das Paar hatte drei Kinder.
1917 zeichnete sich Ricken für die Innenausstattung des neu erbauten Theatergebäudes verantwortlich. In den 1920/30er Jahren erbaute er zahlreiche Wohn- und Geschäftshäuser in Nordhausen, weitere Gebäude entstanden auch in Benneckenstein, Wiegersdorf, Bleicherode, Walkenried, Bad Sachsa, Herzberg, Sondershausen, Sangerhausen und Ellrich.
Nach dem Tod seiner Mutter, 1936, verkaufte er das Familienanwesen in Bochum auf eigene Rechnung und seine Brüder Anton (Tischlermeister) und Wilhem (Polstermeister) mussten ausziehen, Haus und Werkstatt des Vaters verlassen. Zu diesem Zeitpunkt gab es die endgültige Trennung quer durch die Familie. Johannes und Karl hatten eine rechte, deutsch-nationale Einstellung und zogen zu ihrem Bruder nach Nordhausen. Die Brüder Heinrich (Malermeister), Anton und Wilhelm verblieben in Bochum. Sie gründeten aus den örtliche Gesellenverein Kolpings die Kolpings AG um eine Auflösung und Gleichschaltung der NSDAP zu verhindern. Das Gründungsbild der drei Brüder hängt noch heute im Kolpingshaus. Sie verhalfen mit Hilfe des Bochumer Redemptoristen-Klosters Juden in die Schweiz. Wilhelm erhielt dafür als zu dem Zeitpunkt einziger Überlebender der drei 1961 das Bundesverdienstkreuz.
Ab 1938 musste Gustav Ricken, hervorgerufen durch die Verknappung u. a. von Eisen, seine Bautätigkeit einschränken. Die Luftangriffe auf Nordhausen 1945 überlebte die Familie im Keller des Hauses in der Thüringer Straße.
In den Nachkriegsjahren entwarf und leitete Ricken den Bau der Werksanlagen des VEB Nordbrand. 1957 stelle er den Antrag zur Zulassung als freischaffender Architekt, der 1965 bewilligt wurde.
Wie aus dem allen hervorgeht, hat Herr Ricken in der Öffentlichkeit der Stadt Nordhausen und über diese hinaus als Baukünstler eine durchaus anerkannte Stellung. Man sollte meinen, dass es einer örtlichen amtlichen Stelle unmöglich sein sollte, sich über diese Tatsache hinwegzusetzen. | ||
— Prof. Dr. Robert Salzer |
Fortan durfte er jedoch den Um- und Ausbau von Gebäuden vornehmen mit einer Investition von maximal 20.000 Mark. Angestellte durften nicht beschäftigt werden.
Am 30. Juli 1972 verließ Gustav Ricken Nordhausen und wurde von seiner Tochter Margot Gerke in Hannover gepflegt, wo er am 17. Dezember verstarb. Die Architektentradition wurde von seinen Söhnen Gerhard und Herbert und mehreren Enkeln fortgesetzt.
Bauwerke (Auswahl)
- Frauenklinik
- Harzquerbahnhof
- Stadthaus
- Geschäfts- und Wohnhaus „Schönbeck“ am Kornmarkt
- Badeanstalt (heute Badehaus)
- Wiedigsburgschule (heute Herder-Gymnasium)
Literatur
- Annett Dallu: Gustav Ricken – der vergessene Architekt. Zum 125. Geburtstag des Mannes, der Nordhausens Gesicht prägte. In: Beiträge zur Geschichte aus Stadt und Kreis Nordhausen (Band 27/2002), S. 5–15.
- Jürgen Ricken: Gustav Ricken – ein Nordhäuser Architekt. In: Nordhäuser Nachrichten. Südharzer Heimatblätter (1/2010). S. 2–3.
- Stadtarchiv Nordhausen (Hrsg.): Nordhäuser Persönlichkeiten aus elf Jahrhunderten. Horb am Neckar: Geiger, 2009.