Bearbeiten von „Vom alten Brauchtum in den Landen zwischen Harz und Hainleite

Aus NordhausenWiki
Sie sind nicht angemeldet. Ihre IP-Adresse wird bei Bearbeitungen öffentlich sichtbar.
Wenn Sie ein Konto erstellen oder sich anmelden, bleibt die IP-Adresse verborgen.

Die Bearbeitung kann rückgängig gemacht werden. Bitte prüfe den Vergleich unten, um sicherzustellen, dass du dies tun möchtest, und veröffentliche dann unten deine Änderungen, um die Bearbeitung rückgängig zu machen.

Aktuelle Version Dein Text
Zeile 63: Zeile 63:
#Christliche Anschauung und christlicher Brauch.
#Christliche Anschauung und christlicher Brauch.


Die ersten und ältesten Entwicklungsstufen sind im heutigen Brauchtum deshalb noch z. T. zu erkennen, weil unser Seelenleben gewisse Urformen bewahrt hat. Von den in späteren Entwicklungsstufen ausgebildeten Bräuchen und Vorstellungen sind vor allem die in die Lebensäußerungen unseres Volkes eingegangen, welche an die Jahrtausende alten Wirtschaftsformen der Viehzucht und des Ackerbaus der Germanen geknüpft sind. Dieses Brauchtum scheint mir in seinen wesentlichen Zügen in der Bronzezeit, 2000—800 Jahre vor Christi Geburt, ausgebildet zu sein, als ein mildes und gesundes Klima die Völker Nordeuropas und der südlichen Umrandung der Nord- und Ostsee zu einer außerordentlichen Kulturhöhe auf der Grundlage von Ackerbau, Viehzucht und Schiffahrt führte. Solarische Veränderungen zwischen 1000 und 700 v. Chr. bedingten es, daß diese Kulturhöhe die folgenden tausend Jahre nicht überall beibehalten werden konnte. Durch einen Klimaumschwung gezwungen, drängten die germanischen Völker nach Süden und eroberten im schwersten Ringen mit den Kelten allmählich den ganzen heutigen deutschen Lebensraum.<ref>Auf Grund der Torfmoorforschungen des schwedischen Geologen Sernander hat zuerst Kossinna nachdrücklich auf die Folgen des Klimawechsels in kultureller Beziehung aufmerksam gemacht. Vergl. Kossinna, Mannus IV und Kossinna, die deutsche Vorgeschichte , Leipzig«, 143 ff. — Der Nußbaum kam in der Bronzezeit in ganz Skandinavien fort, Weizen und Hirse konnten bis Finnland angebaut werden. Entsprechend wärmer waren natürlich Polen, Deutschland, Frankreich. Nur so ist es zu erklären, daß die Germanen später, als sie nach Süden drängten, ähnliche klimatische Bedingungen wie einst im Nordland vorfanden, ihre alte Beschäftigungsweise säst unverändert beibehalten konnten und damit uraltes Brauchtum. Straffer hat recht, wenn er schreibt: „In dieser ruhig-schöpferischen und ausgeglichenen Jugendzeit — der Bronzezeit — haben die Germanen ihren inneren Reichtum und ihre riesenhafte Kraft gesammelt, mit der sie dann in der Eisenzeit Alteuropa überwältigten und das neue gestalteten.“ Und weiter: „Auch wenn wir durch die frühen Geschichtsschreiber nicht das geringste über den bei der Wende zur Eisenzeit einsetzenden Völkersturm wüßten, würde uns der weithinreichende damalige Kulturniedergang ausfallen.“ — K. Th. Straffer, Die Nordgermanen, Hamburg, 12.</ref> Wanderungen und Kämpfe beeinträchtigten eine günstige Fortentwicklung; unter ihrem Einfluß wandelten sich auch die Anschauungen und die Formen des gesellschaftlichen Lebens in geringem Ausmaße nach der negativen Seite hin, die Grundhaltung des seßhaften Viehzüchters und Ackerbauers wurde aber doch im wesentlichen beibehalten, rettete sich auch durch die Stürme und Volksverluste der historisch deutlich erkennbaren Völkerwanderungen nach Christi Geburt und war danach, ständig gut unterbaut von der gleichbleibenden sozialen und wirtschaftlichen Struktur, so volksverwurzelt und kräftig, daß der Einbruch des Christentums zwar die alten Götter und Dämonen entthronen und in andere Funktionsbereiche überführen, aber nicht völlig auslöschen konnte und auch nicht auslöschen wollte. Wenn auch das Christentum manchen Volksbrauch umgebogen und seinen ursprünglichen Sinn verdunkelt hat, so hat es doch nur in geringem Maße altes Brauchtum wirklich ausgerottet. Der tatsächliche Zerfall begann erst, als die bürgerlichindividualistische Kultur alle geistigen Kräfte in bisher unmöglichem Außmaße freiwerden und sich entwickeln ließ und durch die unerhörte Ueberwindung der Natur seit dem 18. Jahrhundert der bisherigen Lebensgestaltung und Lebensanschauung die Grundlage entzog. Dadurch und u. E. allein dadurch und nicht durch das Christentum ist erst in den letzten hundert Jahren vieles alte Lebensgut verschüttet gegangen. Das liegt im Zuge der Entwicklung, man darf es deshalb nicht beklagen, sondern muß es verstehen. Darüber, daß mit dieser Feststellung „noch lange keinem wurzellosen Hinvegetieren von Augenblick zu Augenblick das Wort gesprochen sein soll“, habe ich mich schon in der Einleitung zu meinen heimatlichen Sagen geäußert. Heute, wo die Gefahren, die unseren völkischen Bestand bedrohen, klar erkannt sind, kommt es darauf an, zu scheiden zwischen dem, was über Bord gehen mußte, weil es an nunmehr überholte soziale Bedingtheiten geknüpft war, und zweitens dem, was zutiefst in unserer Wesensart ruht. Das erstere ist dahin; es wäre vergebliches Bemühen, es erneuern zu wollen; nicht naturgewachsen, sondern gemacht und verkrampft müßte es erscheinen. Das andere aber, unsere völkische, ewig aus dem Boden unserer Heimat Kraft und Nahrung empfangende Art. kann gar nicht pfleglich genug behandelt werden. Denn nur wenn ein Volk sich auf seine Eigenart und seinen Eigenwert besinnt, sie hegt und pflegt, von ihnen nimmer läßt, kann es seine ihm von Gott verliehenen Fähigkeiten entwickeln und für sich und andere nutzbar machen.
Die ersten und ältesten Entwicklungsstufen sind im heutigen Brauchtum deshalb noch z. T. zu erkennen, weil unser Seelenleben gewisse Urformen bewahrt hat. Von den in späteren Entwicklungsstufen ausgebildeten Bräuchen und Vorstellungen sind vor allem die in die Lebensäußerungen unseres Volkes eingegangen, welche an die Jahrtausende alten Wirtschaftsformen der Viehzucht und des Ackerbaus der Germanen geknüpft sind. Dieses Brauchtum scheint mir in seinen wesentlichen Zügen in der Bronzezeit, 2000—800 Jahre vor Christi Geburt, ausgebildet zu sein, als ein mildes und gesundes Klima die Völker Nordeuropas und der südlichen Umrandung der Nord- und Ostsee zu einer außerordentlichen Kulturhöhe auf der Grundlage von Ackerbau, Viehzucht und Schiffahrt führte. Solarische Veränderungen zwischen 1000 und 700 v. Chr. bedingten es, daß diese Kulturhöhe die folgenden tausend Jahre nicht überall beibehalten werden konnte. Durch einen Klimaumschwung gezwungen, drängten die germanischen Völker nach Süden und eroberten im schwersten Ringen mit den Kelten allmählich den ganzen heutigen deutschen Lebensraum.<ref>Auf Grund der Torfmoorforschungen des schwedischen Geologen Sernander hat zuerst Kossinna nachdrücklich auf die Folgen des Klimawechsels in kultureller Beziehung aufmerksam gemacht. Vergl. Kossinna, Mannus IV und Kossinna, die deutsche Vorgeschichte . . ., Leipzig«, 143 ff. — Der Nußbaum kam in der Bronzezeit in ganz Skandinavien fort, Weizen und Hirse konnten bis Finnland angebaut werden. Entsprechend wärmer waren natürlich Polen, Deutschland, Frankreich. Nur so ist es zu erklären, daß die Germanen später, als sie nach Süden drängten, ähnliche klimatische Bedingungen wie einst im Nordland vorfanden, ihre alte Beschäftigungsweise säst unverändert beibehalten konnten und damit uraltes Brauchtum. Straffer hat recht, wenn er schreibt: „In dieser ruhig-schöpferischen und ausgeglichenen Jugendzeit — der Bronzezeit — haben die Germanen ihren inneren Reichtum und ihre riesenhafte Kraft gesammelt, mit der sie dann in der Eisenzeit Alteuropa überwältigten und das neue gestalteten.“ Und weiter: „Auch wenn wir durch die frühen Geschichtsschreiber nicht das geringste über den bei der Wende zur Eisenzeit einsetzenden Völkersturm wüßten, würde uns der weithinreichende damalige Kulturniedergang ausfallen.“ — K. Th. Straffer, Die Nordgermanen, Hamburg, 12.</ref> Wanderungen und Kämpfe beeinträchtigten eine günstige Fortentwicklung; unter ihrem Einfluß wandelten sich auch die Anschauungen und die Formen des gesellschaftlichen Lebens in geringem Ausmaße nach der negativen Seite hin, die Grundhaltung des seßhaften Viehzüchters und Ackerbauers wurde aber doch im wesentlichen beibehalten, rettete sich auch durch die Stürme und Volksverluste der historisch deutlich erkennbaren Völkerwanderungen nach Christi Geburt und war danach, ständig gut unterbaut von der gleichbleibenden sozialen und wirtschaftlichen Struktur, so volksverwurzelt und kräftig, daß der Einbruch des Christentums zwar die alten Götter und Dämonen entthronen und in andere Funktionsbereiche überführen, aber nicht völlig auslöschen konnte und auch nicht auslöschen wollte. Wenn auch das Christentum manchen Volksbrauch umgebogen und seinen ursprünglichen Sinn verdunkelt hat, so hat es doch nur in geringem Maße altes Brauchtum wirklich ausgerottet. Der tatsächliche Zerfall begann erst, als die bürgerlichindividualistische Kultur alle geistigen Kräfte in bisher unmöglichem Außmaße freiwerden und sich entwickeln ließ und durch die unerhörte Ueberwindung der Natur seit dem 18. Jahrhundert der bisherigen Lebensgestaltung und Lebensanschauung die Grundlage entzog. Dadurch und u. E. allein dadurch und nicht durch das Christentum ist erst in den letzten hundert Jahren vieles alte Lebensgut verschüttet gegangen. Das liegt im Zuge der Entwicklung, man darf es deshalb nicht beklagen, sondern muß es verstehen. Darüber, daß mit dieser Feststellung „noch lange keinem wurzellosen Hinvegetieren von Augenblick zu Augenblick das Wort gesprochen sein soll“, habe ich mich schon in der Einleitung zu meinen heimatlichen Sagen geäußert. Heute, wo die Gefahren, die unseren völkischen Bestand bedrohen, klar erkannt sind, kommt es darauf an, zu scheiden zwischen dem, was über Bord gehen mußte, weil es an nunmehr überholte soziale Bedingtheiten geknüpft war, und zweitens dem, was zutiefst in unserer Wesensart ruht. Das erstere ist dahin; es wäre vergebliches Bemühen, es erneuern zu wollen; nicht naturgewachsen, sondern gemacht und verkrampft müßte es erscheinen. Das andere aber, unsere völkische, ewig aus dem Boden unserer Heimat Kraft und Nahrung empfangende Art. kann gar nicht pfleglich genug behandelt werden. Denn nur wenn ein Volk sich auf seine Eigenart und seinen Eigenwert besinnt, sie hegt und pflegt, von ihnen nimmer läßt, kann es seine ihm von Gott verliehenen Fähigkeiten entwickeln und für sich und andere nutzbar machen.


Danach ist also von unserem Brauchtum noch Zweifaches lebendig und gilt es lebendig zu erhalten: Einmal das, was unserer tiefsten Naturanlage entsprossen ist. Unter dem Einfluß dieser Uranlage, die nur sehr oberflächlich durch Erziehung und Konvention abgedeckt ist, stehen wir dauernd, und also äußert sie sich auch dauernd. Vor allem fühlt sich der deutsche Mensch allezeit unter der Hand des allgewaltigen Schicksals, dessen Gewalt er anerkennt, mit dessen Gewalt er aber auch ringt; und so treffen wir immer wieder und zu jeder Zeit auf die Bräuche, die sich bittend und angstvoll fragend an das Schicksal wenden, als da sind: Furcht vor bösen Gewalten, Abwehrmittel dagegen, Wahrsagung und Glückwünschung. Dazu treten die Bräuche, die geknüpft sind an die gegenseitigen Bindungen und Abhängigkeiten der Gesellschaftsschichten sowie an die Ausbildung und Erziehung, soweit sie aus natürlichem Zwang und nicht aus sekundären Ueberlegungen resultieren.
Danach ist also von unserem Brauchtum noch Zweifaches lebendig und gilt es lebendig zu erhalten: Einmal das, was unserer tiefsten Naturanlage entsprossen ist. Unter dem Einfluß dieser Uranlage, die nur sehr oberflächlich durch Erziehung und Konvention abgedeckt ist, stehen wir dauernd, und also äußert sie sich auch dauernd. Vor allem fühlt sich der deutsche Mensch allezeit unter der Hand des allgewaltigen Schicksals, dessen Gewalt er anerkennt, mit dessen Gewalt er aber auch ringt; und so treffen wir immer wieder und zu jeder Zeit auf die Bräuche, die sich bittend und angstvoll fragend an das Schicksal wenden, als da sind: Furcht vor bösen Gewalten, Abwehrmittel dagegen, Wahrsagung und Glückwünschung. Dazu treten die Bräuche, die geknüpft sind an die gegenseitigen Bindungen und Abhängigkeiten der Gesellschaftsschichten sowie an die Ausbildung und Erziehung, soweit sie aus natürlichem Zwang und nicht aus sekundären Ueberlegungen resultieren.
Bitte kopiere keine Inhalte, die nicht deine eigenen sind, benutze keine urheberrechtlich geschützten Werke ohne Erlaubnis des Urhebers!
Du gibst uns hiermit deine Zusage, dass du den Text selbst verfasst hast, dass der Text Allgemeingut (public domain) ist, oder dass der Urheber seine Zustimmung gegeben hat. Falls dieser Text bereits woanders veröffentlicht wurde, weise bitte auf der Diskussionsseite darauf hin. Bitte beachte, dass alle NordhausenWiki-Beiträge automatisch unter der „a Creative Commons Attribution-NonCommercial-ShareAlike 3.0 License“ stehen (siehe NordhausenWiki:Urheberrechte für Einzelheiten).
Abbrechen Bearbeitungshilfe (wird in einem neuen Fenster geöffnet)