Bearbeiten von „Siechenhof

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[[Datei:Siechenhof Nordhausen.jpg|thumb|Siechenhof (2017)]]
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[[Datei:Cyriaci-Kapelle Nordhausen 1 by Vincent Eisfeld.jpg|thumb|Cyriaci-Kapelle von der Freiherr-vom-Stein-Straße gesehen]]
[[Datei:Cyriaci-Kapelle Nordhausen 1 by Vincent Eisfeld.jpg|thumb|Cyriaci-Kapelle von der Freiherr-vom-Stein-Straße gesehen]]
Der '''Siechenhof''' (auch ''Siechhof'') wurde um 1284 als Unterkunft für verarmte und kranke Menschen errichtet und zusammen mit der '''Cyriaci-Kapelle''' fertiggestellt. 1788 wurde das Hospital um ein Altenheim erweitert und während der Freiheitskriege 1806 bis 1815 als Lazarett und Verbandsplatz genutzt. Später diente es auch als Polizeigefängnis für Kurzstrafen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Siechenhof wieder ein Altenheim. Teile der Gebäude werden heute von der [[Kreismusikschule Nordhausen]] genutzt.
Der '''Siechenhof''' (auch ''Siechhof'') wurde um 1284 als Unterkunft für verarmte und kranke Menschen errichtet und zusammen mit der '''Cyriaci-Kapelle''' fertiggestellt. 1788 wurde das Hospital um ein Altenheim erweitert und während der Freiheitskriege 1806 bis 1815 als Lazarett und Verbandsplatz genutzt. Später diente es auch als Polizeigefängnis für Kurzstrafen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Siechenhof wieder ein Altenheim. Teile der Gebäude werden heute von der [[Kreismusikschule Nordhausen]] genutzt.


Der Siechenhof besteht aus einem fast quadratischen Hof, den langgestreckte niedere Fachwerkgebäude umgeben. In ihren Grundzügen hat die ganze Anlage von alters her die heutige Gestalt behalten.
Der Siechenhof besteht heute aus einem fast quadratischen Hof, den langgestreckte niedere Fachwerkgebäude umgeben. In ihren Grundzügen hat die ganze Anlage von altersher die heutige Gestalt behalten.


== Geschichte ==
== Geschichte ==
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3. August 1825 eingeweiht. 1823 brach man die Kapelle wegen Baufälligkeit ab und errichtete 1845 und 1846 einen verputzten zweigeschossigen neugotischen Saalbau. An der niedergerissenen Kapelle waren sieben große Kreuze, aus Sandsein gehauen, eingemauert, vor deren einem ein Priester kniete mit dem Kelch in der Hand. Die Sage erzählt, dass einst ein Wolkenbruch gefallen sei, dessen Fluten die Kirche umgestürzt und den Priester, nebst sieben Personen, mit fortgeschwemmt habe. Zum Andenken an diese Begebenheit waren die Kreuze gesetzt worden. Der Siechhof wurde fortan als Armen- und Krankenhaus genutzt.
3. August 1825 eingeweiht. 1823 brach man die Kapelle wegen Baufälligkeit ab und errichtete 1845 und 1846 einen verputzten zweigeschossigen neugotischen Saalbau. An der niedergerissenen Kapelle waren sieben große Kreuze, aus Sandsein gehauen, eingemauert, vor deren einem ein Priester kniete mit dem Kelch in der Hand. Die Sage erzählt, dass einst ein Wolkenbruch gefallen sei, dessen Fluten die Kirche umgestürzt und den Priester, nebst sieben Personen, mit fortgeschwemmt habe. Zum Andenken an diese Begebenheit waren die Kreuze gesetzt worden. Der Siechhof wurde fortan als Armen- und Krankenhaus genutzt.


Im Siechenhof befand sich eine Arbeitsanstalt und war jahrhundertelang Obdach für alte oder heimlose Bürger. Daneben wurden Kranke aufgenommen, versorgt und gepflegt. Im Dezember 1846 wurde im Siechenhof eine Armenküche eingerichtet. Die sog. Suppen-Anstalt begann am 12. Dezember, an die Stadtarmen Suppe auszugeben. Teils wurden die Portionen kostenlos, teils zum Preis von 4 Pfennigen abgegeben. Die heutigen Gebäude wurden 1825 fertiggestellt und beherbergten:<ref>[[Hermann Heineck]]: ''[[Geschichte der Stadt Nordhausen 1802–1914]]'' (= ''[[Das tausendjährige Nordhausen]]'', Bd. 2), S. 206.</ref>
Im Siechenhof befand sich eine Arbeitsanstalt und war jahrhundertelang Obdach für alte oder heimlose Bürger. Daneben wurden Kranke aufgenommen, versorgt und gepflegt. Im Dezember 1846 wurde im Siechenhof eine Armenküche eingerichtet. Die sog. Suppen-Anstalt begann am 12. Dezember, an die Stadtarmen Suppe auszugeben. Teils wurden die Portionen kostenlos, teils zum Preis von 4 Pfennigen abgegeben. Die heutigen Gebäude wurden 1825 fertiggestellt und beherbergten:<ref>[[Hermann Heineck]]: ''[[Geschichte der Stadt Nordhausen 1802-1914]]'' (= ''[[Das tausendjährige Nordhausen]]'', Bd. 2), S. 206.</ref>


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Das Nordhäuser Krankenhaus im Siechhof hatte eine Kapazität von nur 29 Betten. Ein Kenner der Krankenverhältnisse, der ehemalige Stadtrat [[August Grimm]], schrieb im Verwaltungsbericht des Magistrats:  
Das Nordhäuser Krankenhaus im Siechhof hatte eine Kapazität von nur 29 Betten. Ein Kenner der Krankenverhältnisse, der ehemalige Stadtrat [[August Grimm]], schrieb im Verwaltungsbericht des Magistrats:  


:''„Die Erfahrung zeigt, daß Einheimische lieber ihre letzten Mittel daransetzen, ehe sie sich entschließen, in den Siechhof zu gehen, um sich dort einer Kur zu unterwerfen. Der Grund liegt in der unglücklichen Verbindung dieser Anstalt mit dem Zwangsarbeitshause und in dem nicht eben tröstlichen Klange, den der Komplex der dortigen Anstalten aus früheren Zeiten her mit der Gesamtbezeichnung der Siechhof an sich trägt.''“
:''Die Erfahrung zeigt, daß Einheimische lieber ihre letzten Mittel daransetzen, ehe sie sich entschließen, in den Siechhof zu gehen, um sich dort einer Kur zu unterwerfen. Der Grund liegt in der unglücklichen Verbindung dieser Anstalt mit dem Zwangsarbeitshause und in dem nicht eben tröstlichen Klange, den der Komplex der dortigen Anstalten aus früheren Zeiten her mit der Gesamtbezeichnung der Siechhof an sich trägt.''“


Am 29. Mai 1888 wurde das [[Krankenhaus am Taschenberg]] meröffnet und am 2. Juni zogen die Kranken aus dem Siechhof in die neuen Räume um.
Am 29. Mai 1888 wurde das [[Krankenhaus am Taschenberg]] meröffnet und am 2. Juni zogen die Kranken aus dem Siechhof in die neuen Räume um.
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==== Nachkriegszeit ====
==== Nachkriegszeit ====
Kurz nach der Besetzung von Nordhausen internierte die amerikanische Militärverwaltung im Siechenhof für einige Zeit belastete Nationalsozialisten. Zu den Inhaftierten gehörten Schulrat Dr. [[Paul Koch]], Major a. D. Stadtrat [[Friedrich Quelle]] und Schuhmacherobermeister Otto Holzapfel. Nach seiner Rückkehr nach Nordhausen wurde im Mai 1945 auch [[Heinz Sting]], von 1933-1935 NSDAP-Oberbürgermeister, dort inhaftiert. Die Gefangenen wurden täglich durch die zerstörte Stadt geführt und bei verschiedenen Arbeiten eingesetzt.  Arbeitsorte waren z. B. auf dem Neuen Friedhof, am Müllabladeplatz auf dem Schinderrasen und in der Lehmgrube der Ziegelei Rudolf Schulze.
Kurz nach der Besetzung von Nordhausen internierte die amerikanische Militärverwaltung im Siechenhof für einige Zeit belastete Nationalsozialisten. Zu den Inhaftierten gehörten Schulrat Dr. Paul Koch, Major a. D. Stadtrat [[Friedrich Quelle]] und Schuhmacherobermeisetr Otto Holzapfel. Nach seiner Rückkehr nach Nordhausen wurde im Mai 1945 auch [[Heinz Sting]], von 1933-1935 NSDAP-Obebürgermeister, dort inhaftiert. Die Gefangenen wurden täglich durch die zerstörte Stadt geführt und bei verschiedenen Arbeiten eingesetzt.  Arbeitsorte waren z. B. auf dem Neuen Friedhof, am Müllabladeplatz auf dem Schinderrasen und in der Lehmgrube der Ziegelei Rudolf Schulze.


Nachdem es im November 1945 einigen Gefangenen gelungen war aus dem Gefängnis zu fliehen, wurde wahrscheinlich kurzzeitig das Lagergefängnis des ehemaligen KZ Dora von der Stadtverwaltung  zur Inhaftierung von NS-Belasteten aus dem Siechenhof genutzt.
Nachdem es im November 1945 einigen Gefangenen gelungen war aus dem Gefänniszu fliehen, wurde wahrscheinlich kurzzeitig das Lagergefängnis des ehemaligen KZ Dora von der Stadtverwaltung  zur Inhaftierung von NS-Belasteten aus dem Siechenhof genutzt.


Im Westflügel des Siechenhofes befand sich noch bis zum Jahr 1952 ein Untersuchungsgefängnis. Im Rahmen des im August 1947 erlassenen SMAD-Befehls Nr. 201 zur Entnazifizierung in der SBZ waren auch  NS-Belastete hier inhaftiert. Andere Gefangene waren Grenzgänger, Urkundenfälscher, Sabotage-Verdächige und Bauern mit Ablieferungsschwierigkeiten. Die Insassen waren beiderlei Geschlechts und von unterschiedlichen Alter. Wie auch in anderen Polizeigefängnissen in der SBZ waren die Verhältnisse katastrophal. Das Gefängnis war völlig verwanzt. Zwei Gefangene mussten sich oft ein Bett teilen. Der Präsident des Oberlandesgerichtes Barth wies das Thüringer Justizministerium 1948 wiederholt darauf hin, dass die Zustände im Siechenhof nicht länger geduldet werden dürfen. „Einen Beamten der Nazizeit, der politische Häftlinge oder auch kriminelle Verbrecher so eingesperrt hätte, würden wir heute wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit einsperren.
Im Westflügel des Siechenhofes befand sich noch bis zum Jahr 1952 ein Untersuchungsgefängnis. Im Rahmen des im August 1947 erlassenen SMAD-Befehls Nr. 201 zur Entnazifizierung in der SBZ waren auch  NS-Belastete hier inhaftiert. Andere Gefangene waren Grenzgänger, Urkundenfälscher, Sabotage-Verdächige und Bauern mit Ablieferungsschwierigkeiten. Die Insassen waren beiderlei Geschlechts und von unterschiedlichen Alter. Wie auch in anderen Polizeigefängnissen in der SBZ waren die Verhältnisse katastrophal. Das Gefängnis war völlig verwanzt. Zwei Gefangene mussten sich oft ein Bett teilen. Der Präsident des Oberlandesgerichtes Barth wies das Thüringer Justizministerium 1948 wiederholt darauf hin, dass die Zustände im Siechenhof nicht länger geduldet werden dürfen. „Einen Beamten der Nazizeit, der politische Häftlinge oder auch kriminelle Verbrecher so eingesperrt hätte, würden wir heute wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit einsperren."


==== Altenheim und Musikschule ====
==== Altenheim und Musikschule ====
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== Literatur ==
== Literatur ==
*Günther, Ellen und [[Jens-Christian Wagner|Wagner, Jens-Christian]]: ''Landkreis Nordhausen'', in: ''Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 – 1945 – Thüringen''; Stuttgart 2003, S. 192 - 193.
*Günther, Ellen und Wagner, Jens-Christian: ''Landkreis Nordhausen'', in: ''Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 – 1945 – Thüringen''; Stuttgart 2003, S. 192 - 193.
*Hause, Carmen: Studie zur Nachkriegsgeschichte des ehemaligen KZ Mittelbau-Dora 1945 - 1964; Magisterarbeit zur Erlangung des akademisches Grades Margistra Artium; Leipzi 2010, S. 40
*Hause, Carmen: Studie zur Nachkriegsgeschichte des ehemaligen KZ Mittelbau-Dora 1945 - 1964; Magisterarbeit zur Erlangung des akademisches Grades Margistra Artium; Leipzi 2010, S. 40
*[[Rainer Hellberg|Hellberg, Rainer]]: ''[[Straßen in Nordhausen im Wandel der Zeit]]''; Band 1; Band 1; Nordhausen 2009; S. 83.
*Hellberg, Rainer: ''Straßen in Nordhausen im Wandel der Zeit''; Band 1; Band 1; Nordhausen 2009; S. 83.
* [[Regine Heubaum|Heubaum, Regine]]: ''Nordhausen im Nationalsozialismus''. ''Ein historischer Wegweiser''; Nordhausen/Weimar 2010. ([https://nordhausen-im-ns.de/siechenhof.html Online])
* Heubaum, Regine: ''Nordhausen im Nationalsozialismus''. ''Ein historischer Wegweiser''; Nordhausen/Weimar 2010. ([https://nordhausen-im-ns.de/siechenhof.html Online])
*[[Peter Kuhlbrodt|Kuhlbrodt, Peter]]: ''[[Chronik der Stadt Nordhausen. 1802 bis 1989|Chronik der Stadt Nordhausen 1802 bis 1989]]''; Horb am Neckar 2003, S. 132, S. 340 - 344, S. 368 u. S. 391
*Kuhlbrodt, Peter: ''Chronik der Stadt Nordhausen 1802 bis 1989''; Horb am Neckar 2003, S. 132, S. 340 - 344, S. 368 u. S. 391
*Kuhlbrodt, Peter: ''[[Nordhausen unter dem Sternenbanner]]''; Nordhausen 1995, S. 24 – 25 u. S. 99 - 100
*Kuhlbrodt, Peter: ''Nordhausen unter dem Sternenbanner''; Nordhausen 1995, S. 24 – 25 u. S. 99 - 100
*[[Fritz Schmalz|Schmalz, Fritz]]: ''Erinnerungen und Gedanken zum Siechenhof''; in: ''[[Nordhäuser Nachrichten. Südharzer Heimatblätter (4/2001)|Nordhäuser Nachrichten]]'' 4/2001, S. 14
*Schmalz, Fritz: ''Erinnerungen und Gedanken zum Siechenhof''; in: ''Nordhäuser Nachrichten'' 4/2001, S. 14
*[[Manfred Schröter|Schröter, Manfred]]: ''[[Die Verfolgung der Nordhäuser Juden 1933 bis 1945]]''; Bad Lauterberg 1992, S. 68 – 69, S. 73 u. S. 123 – 127
*Schröter, Manfred: D''ie Verfolgung der Nordhäuser Juden 1933 bis 1945''; Bad Lauterberg 1992, S. 68 – 69, S. 73 u. S. 123 – 127
*[[Heinz Sting|Sting, Heinz]]: ''[[Das 1000jährige Nordhausen und der schöne Südharz]]''; Hannover 1965; S. 259
*Sting, Heinz: ''Das 1000jährige Nordhausen und der schöne Südharz''; Hannover 1965; S. 259
*Weber, Petra: Justiz und Diktatur. Justizverwaltung und politische Strafjustiz in Thüringen 1945 1961; München 2000, S. 109
*Weber, Petra: Justiz und Diktatur : Justizverwaltung und politische Strafjustiz in Thüringen 1945 1961; München 2000, S. 109


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
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[[Kategorie:Bauwerk]]
[[Kategorie:Bauwerk]]
[[Kategorie:Krankenhaus]]
[[Kategorie:Gefängnis]]
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