Bearbeiten von „Nordhausen vor 200 Jahren. Ein ziemlich barockes Kapitel“
Aus NordhausenWiki
Die Bearbeitung kann rückgängig gemacht werden. Bitte prüfe den Vergleich unten, um sicherzustellen, dass du dies tun möchtest, und veröffentliche dann unten deine Änderungen, um die Bearbeitung rückgängig zu machen.
Aktuelle Version | Dein Text | ||
Zeile 242: | Zeile 242: | ||
Unternehmungslustiger namens Benjamin Lauer den Lorbeerbaum am Altentore, | Unternehmungslustiger namens Benjamin Lauer den Lorbeerbaum am Altentore, | ||
der 1735 in den Besitz des Rates überging, und schon 1728 waren die „Drei | der 1735 in den Besitz des Rates überging, und schon 1728 waren die „Drei | ||
Linden“ in der heutigen | Linden“ in der heutigen Grimmeiallee entstanden, konnten sich allerdings im | ||
Privatbesitz auch nicht halten, so daß sie 1736 der Rat sub hasta übernehmen | Privatbesitz auch nicht halten, so daß sie 1736 der Rat sub hasta übernehmen | ||
mußte. Die Stadt setzte seitdem in beide Schankstätten Pächter. | mußte. Die Stadt setzte seitdem in beide Schankstätten Pächter. | ||
Zeile 367: | Zeile 367: | ||
Recht zu freier Jagd und freiem Fischfang und angelt. Denn unser Feldwasser, | Recht zu freier Jagd und freiem Fischfang und angelt. Denn unser Feldwasser, | ||
die Zorge, herbergt zahlreiche Fische wie „Karpfen, Hechte, Forellen, Aschen, | die Zorge, herbergt zahlreiche Fische wie „Karpfen, Hechte, Forellen, Aschen, | ||
Perschen, Eilritzen, Grund-Schmerlinge u. a.“. Doch nicht immer gingen die guten | Perschen, Eilritzen, Grund-Schmerlinge u.a.“. Doch nicht immer gingen die guten | ||
Nordhäuser mit erlaubtem Gerät dem Fischfänge nach. Dort hinten z. B. steht | Nordhäuser mit erlaubtem Gerät dem Fischfänge nach. Dort hinten z.B. steht | ||
einer mitten im flachen Wasser und baut mit Steinen und Erde einen Damm, um | einer mitten im flachen Wasser und baut mit Steinen und Erde einen Damm, um | ||
an den Fischen in engem Wassertümpel gleich einen Massenmord zu begehen. | an den Fischen in engem Wassertümpel gleich einen Massenmord zu begehen. | ||
Zeile 435: | Zeile 435: | ||
Noch sehnen wir uns nicht zurück in die Enge und in das Gewirr der Straßen, | Noch sehnen wir uns nicht zurück in die Enge und in das Gewirr der Straßen, | ||
sondern gehen vom äußeren Altentore vor der Wiedigsburg durch gegen das | sondern gehen vom äußeren Altentore vor der Wiedigsburg durch gegen das | ||
Grimmeitor hin und überschreiten dabei die sogenannte Bleiche. Hier, wo heute | |||
im 20. Jahrhundert die | im 20. Jahrhundert die Grimmeiallee am Landratsamte, an der Badeanstalt und | ||
am Elektrizitätswerk vorbeizieht, befanden sich im Mittelalter mehrere Teiche, | am Elektrizitätswerk vorbeizieht, befanden sich im Mittelalter mehrere Teiche, | ||
welche die Altwässer der Zorge gebildet hatten; doch waren diese im 18. | welche die Altwässer der Zorge gebildet hatten; doch waren diese im 18. | ||
Zeile 477: | Zeile 477: | ||
jeglichen Steuern. Im katholischen Mittelalter war diese wichtige Sonderstellung | jeglichen Steuern. Im katholischen Mittelalter war diese wichtige Sonderstellung | ||
dem Stifte ganz offenbar zuerkannt worden. In der Reformationszeit aber begann | dem Stifte ganz offenbar zuerkannt worden. In der Reformationszeit aber begann | ||
sich die Rechtslage zu verwischen, da in schwierigen Zeiten, wie z. B. im Jahre | sich die Rechtslage zu verwischen, da in schwierigen Zeiten, wie z.B. im Jahre | ||
des Bauernkrieges und gegen Ausgang des 16. Jahrhunderts, das Stift nirgends | des Bauernkrieges und gegen Ausgang des 16. Jahrhunderts, das Stift nirgends | ||
Schutz fand als bei den städtischen Behörden und deshalb von manchem Rechte | Schutz fand als bei den städtischen Behörden und deshalb von manchem Rechte | ||
Zeile 548: | Zeile 548: | ||
sich diese zu bewahren, behauptete das Stift, - und nach der Urkunde von 1220 | sich diese zu bewahren, behauptete das Stift, - und nach der Urkunde von 1220 | ||
war es dazu berechtigt: annumeretur aliis praepositis imperii es sei ein Kaiserliches | war es dazu berechtigt: annumeretur aliis praepositis imperii es sei ein Kaiserliches | ||
Freies Reichsstift, d. h. ein unmittelbar unter dem Kaiser stehender Reichsstand | Freies Reichsstift, d.h. ein unmittelbar unter dem Kaiser stehender Reichsstand | ||
wie die Freie Reichsstadt Nordhausen selbst. Demgegenüber behauptete | wie die Freie Reichsstadt Nordhausen selbst. Demgegenüber behauptete | ||
Riemann, das Domstift sei nur ein Kaiserlich Freies Stift, aber kein Reichsstift. | Riemann, das Domstift sei nur ein Kaiserlich Freies Stift, aber kein Reichsstift. | ||
Zeile 568: | Zeile 568: | ||
Doch wir müssen eilen, denn manches gibt es auch noch in der Stadt zu | Doch wir müssen eilen, denn manches gibt es auch noch in der Stadt zu | ||
besichtigen. So verlassen wir denn die gastliche Linde auf der Bleiche, erreichen | besichtigen. So verlassen wir denn die gastliche Linde auf der Bleiche, erreichen | ||
in wenigen Minuten das Äußere | in wenigen Minuten das Äußere Grimmeitor, das zwar ziemlich verfallen ist, so | ||
daß es 1750 erneuert werden mußte, wo uns aber wieder einige stattliche Linden | daß es 1750 erneuert werden mußte, wo uns aber wieder einige stattliche Linden | ||
erfreuen, und schreiten von dort auf dem sogenannten Teichdamm zwischen dem | erfreuen, und schreiten von dort auf dem sogenannten Teichdamm zwischen dem | ||
Zeile 630: | Zeile 630: | ||
dann durch eine noch festere gewölbte Brücke auch vor dem Sundhäuser Tore | dann durch eine noch festere gewölbte Brücke auch vor dem Sundhäuser Tore | ||
die Zorge neu überbrückt; die steinerne Brücke, die in der Verlängerung des | die Zorge neu überbrückt; die steinerne Brücke, die in der Verlängerung des | ||
Grimmeis über die Zorge führte, stammte aus dem Jahre 1745, bewährte sich | |||
wegen ihres zu starken Bogens aber nicht und wurde deshalb später (1789) durch | wegen ihres zu starken Bogens aber nicht und wurde deshalb später (1789) durch | ||
eine Holzbrücke ersetzt. Auf dem Lohmarkt endlich wurde erst 1754 eine breite | eine Holzbrücke ersetzt. Auf dem Lohmarkt endlich wurde erst 1754 eine breite | ||
Zeile 696: | Zeile 696: | ||
Töpfer- und Töpferhagenstraße, 1739 der Lohmarkt und seine nördliche Fortsetzung | Töpfer- und Töpferhagenstraße, 1739 der Lohmarkt und seine nördliche Fortsetzung | ||
bis zum Neue-Wegstore, 1740 und 1753 der Neue Weg selbst, 1745 die | bis zum Neue-Wegstore, 1740 und 1753 der Neue Weg selbst, 1745 die | ||
Neustadt vom Vogel an bis auf den Sand, 1751 der | Neustadt vom Vogel an bis auf den Sand, 1751 der Grimmei und unter den | ||
Weiden, 1752 die Jüdenstraße gepflastert. Das war ein gewaltiger Fortschritt; | Weiden, 1752 die Jüdenstraße gepflastert. Das war ein gewaltiger Fortschritt; | ||
nach und nach bekam Nordhausen das Aussehen, das es bis in die sechziger und | nach und nach bekam Nordhausen das Aussehen, das es bis in die sechziger und | ||
Zeile 848: | Zeile 848: | ||
gern zusammensaß und zechte. Diese natürliche Lust eines starken Geschlechts | gern zusammensaß und zechte. Diese natürliche Lust eines starken Geschlechts | ||
an Gelag und Feiern konnte kein künstlicher Erlaß unterbinden. Unzählige Male | an Gelag und Feiern konnte kein künstlicher Erlaß unterbinden. Unzählige Male | ||
war die Polizeistunde, z. B. 1708 auf 10 Uhr abends, festgesetzt worden, - sie | war die Polizeistunde, z.B. 1708 auf 10 Uhr abends, festgesetzt worden, - sie | ||
wurde immer wieder überschritten; nichts nützte das Untersagen von Schlägerei | wurde immer wieder überschritten; nichts nützte das Untersagen von Schlägerei | ||
und Schimpfwort (1722), das Untersagen von Völlerei und spätem Nachtsitzen | und Schimpfwort (1722), das Untersagen von Völlerei und spätem Nachtsitzen | ||
Zeile 1.117: | Zeile 1.117: | ||
unfrohen Gasthof finden, in welchem wir uns vor abgestandenes Bier oder sauren | unfrohen Gasthof finden, in welchem wir uns vor abgestandenes Bier oder sauren | ||
Wein setzen und mißmutig auf die verödete Straße blicken müssen. Ein freund licher Nordhäuser Bürger weiß Rat und gibt uns den Weg nach den „Drei Linden“ | Wein setzen und mißmutig auf die verödete Straße blicken müssen. Ein freund licher Nordhäuser Bürger weiß Rat und gibt uns den Weg nach den „Drei Linden“ | ||
an, einem Vergnügungslokal, das draußen vor dem | an, einem Vergnügungslokal, das draußen vor dem Grimmei ganz allein auf dem | ||
Anger zwischen Mühlgraben und Zorge liegt, aber ganz neu eingerichtet und mit | Anger zwischen Mühlgraben und Zorge liegt, aber ganz neu eingerichtet und mit | ||
einem Saale ausgestattet ist. Erwartungsvoll machen wir uns auf den Weg, gehen | einem Saale ausgestattet ist. Erwartungsvoll machen wir uns auf den Weg, gehen | ||
Zeile 1.271: | Zeile 1.271: | ||
daß den Primanern beim letzten Maienfest eingefallen, gar im Schurzfell zu | daß den Primanern beim letzten Maienfest eingefallen, gar im Schurzfell zu | ||
kneipen und, was noch schlimmer, daselbst nicht Nordhäuser, sondern Wofflebener, | kneipen und, was noch schlimmer, daselbst nicht Nordhäuser, sondern Wofflebener, | ||
d. h. verruchtes Preußenbier zu trinken. Das könne so nicht fortgehen; | d.h. verruchtes Preußenbier zu trinken. Das könne so nicht fortgehen; | ||
ebenso wenig wie die Zuchtlosigkeit der Schuhmachergilde beim Merwigslindenfest. | ebenso wenig wie die Zuchtlosigkeit der Schuhmachergilde beim Merwigslindenfest. | ||
Unter solchen Exzessen müsse das ganze Staatswesen leiden.<ref> Maienfest der Schüler und ebenso Merwigslindenfest der Schuhmacher 1736 verboten. Vergl. oben Seite | Unter solchen Exzessen müsse das ganze Staatswesen leiden.<ref> Maienfest der Schüler und ebenso Merwigslindenfest der Schuhmacher 1736 verboten. Vergl. oben Seite | ||
Zeile 1.338: | Zeile 1.338: | ||
mußte, um die Ruhe wiederherzustellen, der Rat einschreiten. Das tat er freilich | mußte, um die Ruhe wiederherzustellen, der Rat einschreiten. Das tat er freilich | ||
ungern genug, denn er wußte, wie leicht er dadurch recht folgenreiche Auseinandersetzungen mit großen Potentaten heraufbeschwören konnte. So geschah es | ungern genug, denn er wußte, wie leicht er dadurch recht folgenreiche Auseinandersetzungen mit großen Potentaten heraufbeschwören konnte. So geschah es | ||
z. B. 1742, als der preußische Leutnant von Wulffen wegen eines entlaufenen | z.B. 1742, als der preußische Leutnant von Wulffen wegen eines entlaufenen | ||
Handgeldempfängers sich in der Stadt voll Ungebühr benahm und deshalb in | Handgeldempfängers sich in der Stadt voll Ungebühr benahm und deshalb in | ||
Arrest abgeführt wurde. Sein König, Friedrich II. von Preußen, hielt natürlich die | Arrest abgeführt wurde. Sein König, Friedrich II. von Preußen, hielt natürlich die | ||
Zeile 1.552: | Zeile 1.552: | ||
<poem> | <poem> | ||
Ist zwivel herzen nächgebür, | Ist zwivel herzen nächgebür, | ||
daz muoz der sele werden | daz muoz der sele werden sür. | ||
</poem> | </poem> | ||
Zeile 1.659: | Zeile 1.659: | ||
So war der Choral „Es ist das Heil uns kommen her“ verschwunden; die | So war der Choral „Es ist das Heil uns kommen her“ verschwunden; die | ||
Herausgeber erklärten ihn als mangelhaft in der Form, im Vortrage undeutlich, | Herausgeber erklärten ihn als mangelhaft in der Form, im Vortrage undeutlich, | ||
inhaltlich z. T. anstößig. Es war ferner weggeblieben „Wie schön leucht’t uns der | inhaltlich z.T. anstößig. Es war ferner weggeblieben „Wie schön leucht’t uns der | ||
Morgenstern", weil trotz der schönen Melodie die Verse schlecht gebaut seien; | Morgenstern", weil trotz der schönen Melodie die Verse schlecht gebaut seien; | ||
es fehle „Nun freut Euch, liebe Christen, g’mein“, weil das Lied „dunkle und | es fehle „Nun freut Euch, liebe Christen, g’mein“, weil das Lied „dunkle und |