Bearbeiten von „Nordhausen und Umgegend im Jahre 1848

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„Um des Lichts gesell'ge Flamme
„Um des Lichts gesell'ge Flamme
Sammeln sich die Hausbewohner.
Sammeln sich die Hausbewohner."
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Die pietistische Orthodoxie, die in Preußen seit der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms IV. herrschte, rief eine Reaktion hervor, deren erstes Stadium das Auftreten der Lichtfreunde oder protestantischen Freunde bezeichnet. Den Anstoß gab die Maßregelung eines freien Predigers in Magdeburg. Ein Verein für vernunftgemäßes, praktisches Christentum entstand, veranstaltete Volksversammlungen, die vom Prediger Uhlich geleitet wurden. Ein anderer Anhänger der neuen Richtung, Prediger Wislicenus, wurde seines Amtes entsetzt, eine Eingabe an den König forderte Freiheit der Forschung auf religiösem Gebiete. Als der König abweisend antwortete, wuchs die Bewegung und griff auch nach Nordhausen über.
Die pietistische Orthodoxie, die in Preußen seit der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms IV. herrschte, rief eine Reaktion hervor, deren erstes Stadium das Auftreten der Lichtfreunde oder protestantischen Freunde bezeichnet. Den Anstoß gab die Maßregelung eines freien Predigers in Magdeburg. Ein Verein für vernunftgemäßes, praktisches Christentum entstand, veranstaltete Volksversammlungen, die vom Prediger Uhlich geleitet wurden. Ein anderer Anhänger der neuen Richtung, Prediger Wislicenus, wurde seines Amtes entsetzt, eine Eingabe an den König forderte Freiheit der Forschung auf religiösem Gebiete. Als der König abweisend antwortete, wuchs die Bewegung und griff auch nach Nordhausen über.


Hier starb im Jahre 1845 Superintendent Förstemann, und die Nicolaigemeinde daselbst wählte den 31 Jahre alten freidenkenden Diakonus Eduard Baltzer aus Delitzsch, nachdem er eine beifällig aufgenommene Gast-Predigt gehalten hatte, zu ihrem Seelsorger. „Sie freute sich, einen Prediger gefunden zu haben, welcher das sittliche Element über das dogmatische stellte.Die Vokation des Magistrats folgte sehr bald, aber die Bestätigung des Konsistoriums blieb aus. Als der Kirchenvorstand St. Nicolai, die Herren Schencke, Schlichteweg, Rosenthal, in Übereinstimmung mit Magistrat und Kirchengemeinde, beim Minister kein Gehör fanden und sich auch vergeblich an Se. Majestät wandten, legte das Kirchenkollegium protestierend sein Amt nieder und rief die gleichgesinnten Bürger zur Gründung einer freien protestantischen Gemeinde auf. Um Baltzer, der freiwillig sein Amt in Delitzsch niederlegte, scharten sich, nachdem er in den Abendstunden des 5. Januar 1847 im Wirtshause von Kolditz, später „Deutscher Kaiser" genannt, in der Barfüßerstraße, eine Ansprache gehalten hatte, mehr denn 100 Männer und erklärten, von dem jungen Prediger, den die Behörde nicht bestätigen wollte, nicht lassen zu wollen. Nachdem ihnen dieser die Grundzüge der neuen Gemeindeordnung und den Inhalt ihres Glaubens formuliert hatte, ertönte auf die Frage, ob sie bereit seien, eine freie protestantische Gemeinde zu bilden, ein solch brausendes, aus tiefer Männerbrust hervordringendes Ja, daß es Baltzer selbst durch Mark und Bein ging.Das bezügliche Protokoll Unterzeichneten 101 Männer, an der Spitze Herr Spangenberg sen. (angeblich ein Nachkomme des Pfarrers Joh. Spangenberg, der als Gründer des Nordhäuser Gymnasiums von 1525 bekannt ist). Dem Magistrat wurde alsbald von der Tatsache Mitteilung gemacht. Am folgenden Tage wurde im „Riesenhause" eine größere öffentliche Versammlung gehalten von Männern und Frauen, denen der neue Prediger einen Vortrag hielt. Nach weiteren Beitrittserklärungen wurde der Gemeindevorstand gewählt. Am 3(. Januar fand in der „Hoffnung" die erste religiöse Erbauung statt. Trauungen und Taufen von Kindern, mit denen einige Eltern gewartet hatten, nahm B. im Ornat in der Wohnung der Betreffenden vor.
Hier starb im Jahre 1845 Superintendent Förstemann, und die Nicolaigemeinde daselbst wählte den 31 Jahre alten freidenkenden Diakonus Eduard Baltzer aus Delitzsch, nachdem er eine beifällig aufgenommene Gast-Predigt gehalten hatte, zu ihrem Seelsorger. „Sie freute sich, einen Prediger gefunden zu haben, welcher das sittliche Element über das dogmatische stellte." Die Vokation des Magistrats folgte sehr bald, aber die Bestätigung des Konsistoriums blieb aus. Als der Kirchenvorstand St. Nicolai, die Herren Schencke, Schlichteweg, Rosenthal, in Übereinstimmung mit Magistrat und Kirchengemeinde, beim Minister kein Gehör fanden und sich auch vergeblich an Se. Majestät wandten, legte das Kirchenkollegium protestierend sein Amt nieder und rief die gleichgesinnten Bürger zur Gründung einer freien protestantischen Gemeinde auf. Um Baltzer, der freiwillig sein Amt in Delitzsch niederlegte, scharten sich, nachdem er in den Abendstunden des 5. Januar 1847 im Wirtshause von Kolditz, später „Deutscher Kaiser" genannt, in der Barfüßerstraße, eine Ansprache gehalten hatte, mehr denn 100 Männer und erklärten, von dem jungen Prediger, den die Behörde nicht bestätigen wollte, nicht lassen zu wollen. Nachdem ihnen dieser die Grundzüge der neuen Gemeindeordnung und den Inhalt ihres Glaubens formuliert hatte, ertönte auf die Frage, ob sie bereit seien, eine freie protestantische Gemeinde zu bilden, ein solch brausendes, aus tiefer Männerbrust hervordringendes Ja, daß es Baltzer selbst durch Mark und Bein ging." Das bezügliche Protokoll Unterzeichneten 101 Männer, an der Spitze Herr Spangenberg sen. (angeblich ein Nachkomme des Pfarrers Joh. Spangenberg, der als Gründer des Nordhäuser Gymnasiums von 1525 bekannt ist). Dem Magistrat wurde alsbald von der Tatsache Mitteilung gemacht. Am folgenden Tage wurde im „Riesenhause" eine größere öffentliche Versammlung gehalten von Männern und Frauen, denen der neue Prediger einen Vortrag hielt. Nach weiteren Beitrittserklärungen wurde der Gemeindevorstand gewählt. Am 3(. Januar fand in der „Hoffnung" die erste religiöse Erbauung statt. Trauungen und Taufen von Kindern, mit denen einige Eltern gewartet hatten, nahm B. im Ornat in der Wohnung der Betreffenden vor.


Am 10. April 1847 erschien das Toleranzedikt König Friedrich Wilhelms IV., wodurch die Gründung freier Religionsgemeinden einen gesetzlichen Boden erhielt. Der Austritt aus der Landeskirche wurde damit zwar gestattet, aber noch erschwert.
Am 10. April 1847 erschien das Toleranzedikt König Friedrich Wilhelms IV., wodurch die Gründung freier Religionsgemeinden einen gesetzlichen Boden erhielt. Der Austritt aus der Landeskirche wurde damit zwar gestattet, aber noch erschwert.
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Ein wesentlicher Unterschied zwischen der damaligen Tagespresse und der von heute lag darin, daß man den Abschnitt Lokalnachrichten nicht kannte, aus den ja heute der Blick unserer meisten Zeitungsleser nach den Familiennachrichten zuerst fällt. Dagegen benutzte man die Presse, was in dieser Weise, Gott sei Dank, heute nicht mehr geschieht, zum Austrag aller möglichen Händel. Öffentliche Angriffe wechseln mit öffentlicher Abwehr, Familienangelegenheiten werden breit getreten. „Ist es recht", fragen mehrere Fruchthändler, „daß die Frau eines Fruchtmaklers vor das Siechentor geht, sich um das Geschäft ihres Mannes bekümmert und zu Hause alles versauen und verdrecken läßt?"
Ein wesentlicher Unterschied zwischen der damaligen Tagespresse und der von heute lag darin, daß man den Abschnitt Lokalnachrichten nicht kannte, aus den ja heute der Blick unserer meisten Zeitungsleser nach den Familiennachrichten zuerst fällt. Dagegen benutzte man die Presse, was in dieser Weise, Gott sei Dank, heute nicht mehr geschieht, zum Austrag aller möglichen Händel. Öffentliche Angriffe wechseln mit öffentlicher Abwehr, Familienangelegenheiten werden breit getreten. „Ist es recht", fragen mehrere Fruchthändler, „daß die Frau eines Fruchtmaklers vor das Siechentor geht, sich um das Geschäft ihres Mannes bekümmert und zu Hause alles versauen und verdrecken läßt?"


„Was habe ich denn dem Drechslermeister X. getan", fragt ein anderer. „Ich warne ihn, meine Wohnung wieder zu betreten, weil er 'rausgeworfen wird!" „Hat der Polizeidiener St.wünschen mehrere Bürger zu wissen, „das Recht, mit Arrestanten, wenn er sie vom Rathause nach dem Gefängnis bringt, unterwegs in Bierhäusern einzukehren und mit ihnen zu trinken?" Schlimmer waren die Auseinandersetzungen, die in das politische Gebiet hinüberreichten, z. B. als man einen Stadtrat fälschlicherweise bezichtigt hatte, die Arbeiterschaft zu Katzenmusiken, zum Pflasteraufreißen, Plünderung der Häuser der besitzenden Massen und dergleichen ausgereizt zu haben.
„Was habe ich denn dem Drechslermeister X. getan", fragt ein anderer. „Ich warne ihn, meine Wohnung wieder zu betreten, weil er 'rausgeworfen wird!" „Hat der Polizeidiener St." wünschen mehrere Bürger zu wissen, „das Recht, mit Arrestanten, wenn er sie vom Rathause nach dem Gefängnis bringt, unterwegs in Bierhäusern einzukehren und mit ihnen zu trinken?" Schlimmer waren die Auseinandersetzungen, die in das politische Gebiet hinüberreichten, z. B. als man einen Stadtrat fälschlicherweise bezichtigt hatte, die Arbeiterschaft zu Katzenmusiken, zum Pflasteraufreißen, Plünderung der Häuser der besitzenden Massen und dergleichen ausgereizt zu haben.


Harmloser waren die Meinungsverschiedenheiten über die Bewaffnung, Kleidung, das Äußere der Bürgerwehr, z. B. über das Tragen von Schnurrbärten.
Harmloser waren die Meinungsverschiedenheiten über die Bewaffnung, Kleidung, das Äußere der Bürgerwehr, z. B. über das Tragen von Schnurrbärten.
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== Die Jugend im Jahre 1848 ==
== Die Jugend im Jahre 1848 ==


Daß auch die Jugend in Nordhausen an den Vorgängen nicht unbeteiligt blieb, lehrt die Tatsache, daß die älteren und größeren Schüler des Gymnasiums und der Realschule in die Bürgerwehr eintraten und den militärischen Exerzitien beiwohnten. Eingeübt wurden sie von Herrn Otto Alberti, Mechanikus und Optikus, dem Vater des jetzt noch lebenden Optikus Herrn Alberti (dem ich manche Mitteilungen verdanke). Einigen Schülern wurde auch gestattet, sich dem kaufmännischen Turnverein anzuschließen. Infolgedessen sagten die lehrplanmäßigen Turnstunden den erwachsenen Schülern wenig zu; größeres Interesse brachten die Gymnasiasten den mit militärischen Exerzitien verbundenen Übungen entgegen, die Oberlehrer Dr. Rothmaler leitete. Den 10. November fand die übliche Feier des Geburtstages Luthers statt, bei der im Gymnasium vor Absingung des Lutherliedes der Direktor Dr. Schirlitz in einer kurzen Ansprache an die Schüler zeigte, was die Kämpfer für die Freiheit, sowohl die politische wie die religiöse, von Luther lernen könnten.
Daß auch die Jugend in Nordausen an den Vorgängen nicht unbeteiligt blieb, lehrt die Tatsache, daß die älteren und größeren Schüler des Gymnasiums und der Realschule in die Bürgerwehr eintraten und den militärischen Exerzitien beiwohnten. Eingeübt wurden sie von Herrn Otto Alberti, Mechanikus und Optikus, dem Vater des jetzt noch lebenden Optikus Herrn Alberti (dem ich manche Mitteilungen verdanke). Einigen Schülern wurde auch gestattet, sich dem kaufmännischen Turnverein anzuschließen. Infolgedessen sagten die lehrplanmäßigen Turnstunden den erwachsenen Schülern wenig zu; größeres Interesse brachten die Gymnasiasten den mit militärischen Exerzitien verbundenen Übungen entgegen, die Oberlehrer Dr. Rothmaler leitete. Den 10. November fand die übliche Feier des Geburtstages Luthers statt, bei der im Gymnasium vor Absingung des Lutherliedes der Direktor Dr. Schirlitz in einer kurzen Ansprache an die Schüler zeigte, was die Kämpfer für die Freiheit, sowohl die politische wie die religiöse, von Luther lernen könnten.


Bedeutsamer, ausführlicher und dazu öffentlich war die Rede, die schon vorher am 26. März 1848 der Direktor der Realschule, Dr. Fischer, gehalten hatte. An diesem Tage wurde nach dem Vormittagsgottesdienst auf dem Realschulgebäude vor dem Töpfertor (Bild) eine schwarz-rot-goldene Fahne aufgesteckt. Die Schüler hatten nämlich den Wunsch ausgesprochen, eine der Größe des Schulgebäudes angemessene Fahne zu besitzen. Der Direktor kam diesem Wunsche gern entgegen und ordnete das Nötige an. So zogen denn 7 Primaner, mit breiten schwarz- rot-goldenen Bändern geschmückt, unter dem Geläute der Glocken von der Promenade her auf den mit Zuschauern bedeckten Friedrich-Wilhelmsplatz vor der Realschule mit ihrer Fahne auf, die übrigen Schüler, geleitet von ihren Lehrern, schlossen sich an und hielten unter Gesang des Liedes „Brause, du Freiheitsgesang" einen Umzug über den Platz. Am Eingang der Realschule stellten die 7 Primaner sich auf der obersten Stufe mit der Fahne auf, und Direktor Fischer hielt von derselben Stelle aus an die ganze Versammlung eine Anrede, die uns die ideale Auffassung der Zeit lehrt:
Bedeutsamer, ausführlicher und dazu öffentlich war die Rede, die schon vorher am 26. März 1848 der Direktor der Realschule, Dr. Fischer, gehalten hatte. An diesem Tage wurde nach dem Vormittagsgottesdienst auf dem Realschulgebäude vor dem Töpfertor (Bild) eine schwarz-rot-goldene Fahne aufgesteckt. Die Schüler hatten nämlich den Wunsch ausgesprochen, eine der Größe des Schulgebäudes angemessene Fahne zu besitzen. Der Direktor kam diesem Wunsche gern entgegen und ordnete das Nötige an. So zogen denn 7 Primaner, mit breiten schwarz- rot-goldenen Bändern geschmückt, unter dem Geläute der Glocken von der Promenade her auf den mit Zuschauern bedeckten Friedrich-Wilhelmsplatz vor der Realschule mit ihrer Fahne auf, die übrigen Schüler, geleitet von ihren Lehrern, schlossen sich an und hielten unter Gesang des Liedes „Brause, du Freiheitsgesang" einen Umzug über den Platz. Am Eingang der Realschule stellten die 7 Primaner sich auf der obersten Stufe mit der Fahne auf, und Direktor Fischer hielt von derselben Stelle aus an die ganze Versammlung eine Anrede, die uns die ideale Auffassung der Zeit lehrt:
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„Ohne irgend eine Aufforderung von uns habt Ihr, geliebte Schüler, den Wunsch ausgesprochen, Euer Schulgebäude mit der deutschen Fahne schmücken zu dürfen. Gern bin ich Eurem Wunsche entgegengekommen. Habe ich doch vor 25 Jahren, als ich ein Jüngling war wie Ihr und jugendlich fühlte wie Ihr, das schwarz-rot-goldene Band getragen als ein Zeichen des Wunsches der deutschen Einheit. Damals mußte dieses Band wieder abgelegt werden, weil es noch nicht an der Zeit war. Jetzt ist die Zeit gekommen, wo die deutsche Einheit wirklich werden soll.
„Ohne irgend eine Aufforderung von uns habt Ihr, geliebte Schüler, den Wunsch ausgesprochen, Euer Schulgebäude mit der deutschen Fahne schmücken zu dürfen. Gern bin ich Eurem Wunsche entgegengekommen. Habe ich doch vor 25 Jahren, als ich ein Jüngling war wie Ihr und jugendlich fühlte wie Ihr, das schwarz-rot-goldene Band getragen als ein Zeichen des Wunsches der deutschen Einheit. Damals mußte dieses Band wieder abgelegt werden, weil es noch nicht an der Zeit war. Jetzt ist die Zeit gekommen, wo die deutsche Einheit wirklich werden soll.


Wie sollte ich Eure jugendliche Begeisterung für die Einheit des gemeinsamen Vaterlandes nicht ehren! Die Fahne, welche Ihr auspflanzen wollt, ist die Fahne der deutschen Freiheit und Einigkeit, aber nicht die Fahne der Zügellosigkeit und Ungebundenheit. Die Freiheit ist ein hohes edles Gut, aber man kann sie keinem schenken, man kann sie nicht auf dem Markte kaufen. Die Freiheit will errungen und erobert sein, aber nicht mit rohen Fäusten, sondern durch Veredelung des Herzens, durch Erleuchtung des Geistes. Nur wenn der Mensch sich selbst die Schranken setzen und das Maß vorschreiben kann, ohne welches weder das Rechte, noch das Gute, noch das Schöne zur Erscheinung gelangt, ist er der Freiheit wert, sind die Schranken von außen, die das Böse verhindern, überflüssig. Sorgt also dafür, daß Ihr, das Heranwachsende Geschlecht, frei werdet durch den schweren, geistig sittlichen Kampf, für welchen auch die Schule ein Ringplatz ist. Dann wird auch die deutsche Einheit möglich werden und die deutscheKAraft, welche weder von Westen noch von Osten die Feinde zu fürchten braucht, dann werdet auch Ihr Helden für das Vaterland werden. Wird aber nicht auf diesem Wege die Freiheit errungen, sondern nur in der Vernichtung äußerer Schranken gesucht, so wird Zügellosigkeit und Unsitte entstehen, die höchste Unfreiheit und Uneinigkeit folgen, Ohnmacht gegen äußere Feinde uns verraten. Schwarzrotgold sind die deutschen Farben, mit welchen Ihr die Pffanzstätte Eurer Jugendbildung schmücken wollt. Wie aber alles Äußere nur ein Zeichen ist, welches allein durch den Sinn, den wir ihm geben, Bedeutung gewinnt, so lasset uns auch an diese Farben einen höheren, bedeutungsvollen Zinn knüpfen. Schwarz ist die unendliche Tiefe des Alls, die uns blau nur durch den Tchleier der irdischen Atmosphäre erscheint. Das erinnere Tuch, deutsche Jünglinge, an die unergründliche Tiefe des deutschen Gemütes und Geistes, das warne Tuch, wenn Leichtsinn und Oberflächlichkeit sich Euer bemächtigen wollen. Rot, der Purpur, mit dem die aufgehende Tonne den jungen Tag verkündet und die untergehende, auf den kommenden Morgen deutend, ihren Abschiedsgruß sendet, ist die Farbe der idealen Befriedigung, nach welcher bewußt oder unbewußt, sich jedes Menschenherz sehnt. Diese ideale Befriedigung wird nur durch jene Freiheit gewonnen, die in der Tiefe des Gemüts ihre Wurzeln birgt. Gold ist die Farbe des edelsten Metalls, das in der Natur zwar selten, aber gediegen vorkommt. Das erinnere Tuch an die Reinheit der Gesinnung, nach der Ihr streben müßt, das mahne Tuch an den edelsten Mut, der sich gediegen wie Gold, in Türen Herzen ansetzen soll. So stecket Eure Fahne auf, und so Ihr künftig auf dem Wege zur Schule sie erblickt, vergesset nicht die Bedeutung der 3 Farben.Es folgte ein Hoch an das deutsche Volk und die Fürsten, in das die Versammelten begeistert einstimmten. Wenige Morte des Gebets schlossen die Ansprache, bei welcher die feierlichste Tülle geherrscht hatte.
Wie sollte ich Eure jugendliche Begeisterung für die Einheit des gemeinsamen Vaterlandes nicht ehren! Die Fahne, welche Ihr auspflanzen wollt, ist die Fahne der deutschen Freiheit und Einigkeit, aber nicht die Fahne der Zügellosigkeit und Ungebundenheit. Die Freiheit ist ein hohes edles Gut, aber man kann sie keinem schenken, man kann sie nicht auf dem Markte kaufen. Die Freiheit will errungen und erobert sein, aber nicht mit rohen Fäusten, sondern durch Veredelung des Herzens, durch Erleuchtung des Geistes. Nur wenn der Mensch sich selbst die Schranken setzen und das Maß vorschreiben kann, ohne welches weder das Rechte, noch das Gute, noch das Schöne zur Erscheinung gelangt, ist er der Freiheit wert, sind die Schranken von außen, die das Böse verhindern, überflüssig. Sorgt also dafür, daß Ihr, das Heranwachsende Geschlecht, frei werdet durch den schweren, geistig sittlichen Kampf, für welchen auch die Schule ein Ringplatz ist. Dann wird auch die deutsche Einheit möglich werden und die deutscheKAraft, welche weder von Westen noch von Osten die Feinde zu fürchten braucht, dann werdet auch Ihr Helden für das Vaterland werden. Wird aber nicht auf diesem Wege die Freiheit errungen, sondern nur in der Vernichtung äußerer Schranken gesucht, so wird Zügellosigkeit und Unsitte entstehen, die höchste Unfreiheit und Uneinigkeit folgen, Ohnmacht gegen äußere Feinde uns verraten. Schwarzrotgold sind die deutschen Farben, mit welchen Ihr die Pffanzstätte Eurer Jugendbildung schmücken wollt. Wie aber alles Äußere nur ein Zeichen ist, welches allein durch den Sinn, den wir ihm geben, Bedeutung gewinnt, so lasset uns auch an diese Farben einen höheren, bedeutungsvollen Zinn knüpfen. Schwarz ist die unendliche Tiefe des Alls, die uns blau nur durch den Tchleier der irdischen Atmosphäre erscheint. Das erinnere Tuch, deutsche Jünglinge, an die unergründliche Tiefe des deutschen Gemütes und Geistes, das warne Tuch, wenn Leichtsinn und Oberflächlichkeit sich Euer bemächtigen wollen. Rot, der Purpur, mit dem die aufgehende Tonne den jungen Tag verkündet und die untergehende, auf den kommenden Morgen deutend, ihren Abschiedsgruß sendet, ist die Farbe der idealen Befriedigung, nach welcher bewußt oder unbewußt, sich jedes Menschenherz sehnt. Diese ideale Befriedigung wird nur durch jene Freiheit gewonnen, die in der Tiefe des Gemüts ihre Wurzeln birgt. Gold ist die Farbe des edelsten Metalls, das in der Natur zwar selten, aber gediegen vorkommt. Das erinnere Tuch an die Reinheit der Gesinnung, nach der Ihr streben müßt, das mahne Tuch an den edelsten Mut, der sich gediegen wie Gold, in Türen Herzen ansetzen soll. So stecket Eure Fahne auf, und so Ihr künftig auf dem Wege zur Schule sie erblickt, vergesset nicht die Bedeutung der 3 Farben." Es folgte ein Hoch an das deutsche Volk und die Fürsten, in das die Versammelten begeistert einstimmten. Wenige Morte des Gebets schlossen die Ansprache, bei welcher die feierlichste Tülle geherrscht hatte.


== Das Turnen in Nordhausen im Jahre 1848 ==
== Das Turnen in Nordhausen im Jahre 1848 ==
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gährte es 1848, und in einzelnen Kain es zu Unruhen. Im Jahre 1847 war bekanntlich eine Mißernte, infolge deren entstand Hungersnot, so auch in
gährte es 1848, und in einzelnen Kain es zu Unruhen. Im Jahre 1847 war bekanntlich eine Mißernte, infolge deren entstand Hungersnot, so auch in


=== Sangerhausen ===
=== Sandershausen ===


Viele Felddiebstähle kamen in der Erntezeit des Hungerjahres vor, weshalb hier eine Feldwache von 12 Ackerbürgern eingesetzt wurde. Schon vor dem 18. März fanden Versammlungen statt, wurden Reden gehalten und Brandbriefe versandt. Ulan haßte besonders drei Männer: den Bürgermeister, den Stadtkämmerer, den Königlichen Rendanten. Nach den Berliner Märztagen wuchs die Aufregung, die Bierhäuser füllten sich, Zusammenrottungen fanden statt. Die Garnison war zu schwach. Schon am 21. März wurden Nationalkokarden verkauft, am 23. wurde von angesehenen Bürgern eine Versammlung berufen, in der Klagen gegen die Stadtbehörde erhoben wurden. Mit wildem Geschrei besetzte man die Wohnungen der 3 Beamten, während der Bürgermeister nach Nordhausen floh. Den Stadtverordneten wurden unter den Augen der Polizei die Fenster eingeworfen. Man revidierte dann die Rassen und erzählte von Betrügereien. Der Kammergerichtsreferendar Kaupisch, später Präsident in Arnsberg, besorgte die Geschäfte des Bürgermeisters, es wurden neue Stadtverordnete gewählt, und der Bürgermeister kehrte zurück. Ein Regierungskommissar untersuchte und fand die meisten Beschwerden für unbegründet. Schon am 15. April hatte man eine Bürgerwehr errichtet, die mit alten Schießgewehren und Spießen ausgerüstet wurde, wodurch sich die Schützenkompagnie zuerst verletzt fühlte. Frauen stifteten auch hier eine Fahne, bei deren Einweihung auf 6 Plätzen getanzt wurde. Das schlimme Ende kam hinterher!
Viele Felddiebstähle kamen in der Erntezeit des Hungerjahres vor, weshalb hier eine Feldwache von 12 Ackerbürgern eingesetzt wurde. Schon vor dem 18. März fanden Versammlungen statt, wurden Reden gehalten und Brandbriefe versandt. Ulan haßte besonders drei Männer: den Bürgermeister, den Stadtkämmerer, den Königlichen Rendanten. Nach den Berliner Märztagen wuchs die Aufregung, die Bierhäuser füllten sich, Zusammenrottungen fanden statt. Die Garnison war zu schwach. Schon am 21. März wurden Nationalkokarden verkauft, am 23. wurde von angesehenen Bürgern eine Versammlung berufen, in der Klagen gegen die Stadtbehörde erhoben wurden. Mit wildem Geschrei besetzte man die Wohnungen der 3 Beamten, während der Bürgermeister nach Nordhausen floh. Den Stadtverordneten wurden unter den Augen der Polizei die Fenster eingeworfen. Man revidierte dann die Rassen und erzählte von Betrügereien. Der Kammergerichtsreferendar Kaupisch, später Präsident in Arnsberg, besorgte die Geschäfte des Bürgermeisters, es wurden neue Stadtverordnete gewählt, und der Bürgermeister kehrte zurück. Ein Regierungskommissar untersuchte und fand die meisten Beschwerden für unbegründet. Schon am 15. April hatte man eine Bürgerwehr errichtet, die mit alten Schießgewehren und Spießen ausgerüstet wurde, wodurch sich die Schützenkompagnie zuerst verletzt fühlte. Frauen stifteten auch hier eine Fahne, bei deren Einweihung auf 6 Plätzen getanzt wurde. Das schlimme Ende kam hinterher!
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