Bearbeiten von „Nordhausen und Umgegend im Jahre 1848

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#Vor dem Hagentor: Spangenbergs Brauerei und Hagens Bierstube, „der Sarg“ genannt. „Die Hoffnung", damals Lux (siehe Bild). Trusts Berggarten.
#Vor dem Hagentor: Spangenbergs Brauerei und Hagens Bierstube, „der Sarg“ genannt. „Die Hoffnung", damals Lux (siehe Bild). Trusts Berggarten.
#Vor dem Töpfertor: Mehrere kleinere Häuser. Das Schencksche Haus (Bild), von Danowskys Haus, jetzt „Hotel Gründler“. Das Botenschildchen, schon damals Haus mit Wohnungen für kleinere Leute. Die Gärtnerei von Döring.
#Vor dem Töpfertor: Mehrere kleinere Häuser. Das Schencksche Haus (Bild), von Danowskys Haus, jetzt „Hotel Gründler". Das Botenschildchen, schon damals Haus mit Wohnungen für kleinere Leute. Die Gärtnerei von Döring.
#Vor dem Bielentor: Das Schützenhaus. Weinberg (Schankwirtschaft, später Dr. Seiffart). Das Militärlazarett.
#Vor dem Bielentor: Das Schützenhaus. Weinberg (Schankwirtschaft, später Dr. Seiffart). Das Militärlazarett.
#Vor dem Sundhäuser Tor: Engelhardt, jetzt „Dresdener Hof" (alte Post). Förstemanns Grundstück.
#Vor dem Sundhäuser Tor: Engelhardt, jetzt „Dresdener Hof" (alte Post). Förstemanns Grundstück.
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== Nordhausens Lage ==
== Nordhausens Lage ==


Die Lage Nordhausens, im Kreuzungspunkte mehrerer Landstraßen und Eisenbahnen, am Eingangstor zur „goldenen Aue", ist nicht nur günstig, sondern auch schön und gewährt, besonders wenn man sich der Stadt von Südwesten, vom Schern herab, nähert, einen herrlichen Anblick. Im weiten Umkreise, doch mit dem bloßen Auge genau zu erkennen, umgeben die Stadt bewaldete Gebirge, deren Kuppen mit Denkmälern, Schlössern und Türmen gekrönt sind. Flüßchen, die Mühlen treiben, durchziehen wie Silberfäden die dazwischen liegenden lachenden Fluren. Die alte Stadt selbst hat stolz Besitz genommen von einem die Ebene beherrschenden Höhenrücken, an dem die jüngern Stadtteile vertrauensvoll sich anlehnen. Die mittelalterliche Stadtmauer, dem Auge noch deutlich sichtbar, ruft mit ihren starken Türmen und festen Bastionen die geschichtliche Vergangenheit der Stadt in uns zurück, erinnert an ihre Selbständigkeit, die Kriege und Belagerungen lange nicht gebrochen haben. Die zahlreichen alten Kirchtürme rufen uns ihr geistiges Leben im Mittelalter ins Gedächtnis, zugleich zeigen sie die historische Entwickelung der Stadt. Kein Geringerer als Goethe hat auf der „Harzreise im Winter" seiner Bewunderung über die hoch und auf dem Berge liegende Stadt Ausdruck gegeben. „Ihn interessierten die wunderlichen Türme und Mauerbefestigungen, bei hereinbrechender Abenddämmerung gesehen“. „Ihn erfreute auch die schöne Aussicht aus die goldene Aue“. Er ist am 30. November 1777 auf der Reise zum Brocken an Nordhausen vorübergeritten „bey Nordhausen weg", und hat in Ilfeld in Hebestreits Gasthof übernachtet. Zum Andenken daran ist s. Zt. vom Nordhäuser Geschichtsverein eine Tafel angebracht worden. Als Wahrzeichen Nordhausens tritt der etwas nach Westen sich neigende behelmte Petrikirchturm hervor, mit 60 Metern der höchste Turm der Stadt. Er ladet uns gleichsam zum Näherkommen ein.
Die Lage Nordhausens, im Kreuzungspunkte mehrerer Landstraßen und Eisenbahnen, am Eingangstor zur „goldenen Aue", ist nicht nur günstig, sondern auch schön und gewährt, besonders wenn man sich der Stadt von Südwesten, vom Schern herab, nähert, einen herrlichen Anblick. Im weiten Umkreise, doch mit dem bloßen Auge genau zu erkennen, umgeben die Stadt bewaldete Gebirge, deren Kuppen mit Denkmälern, Schlössern und Türmen gekrönt sind. Flüßchen, die Mühlen treiben, durchziehen wie Silberfäden die dazwischen liegenden lachenden Fluren. Die alte Stadt selbst hat stolz Besitz genommen von einem die Ebene beherrschenden Höhenrücken, an dem die jüngern Stadtteile vertrauensvoll sich anlehnen. Die mittelalterliche Stadtmauer, dem Auge noch deutlich sichtbar, ruft mit ihren starken Türmen und festen Bastionen die geschichtliche Vergangenheit der Stadt in uns zurück, erinnert an ihre Selbständigkeit, die Kriege und Belagerungen lange nicht gebrochen haben. Die zahlreichen alten Kirchtürme rufen uns ihr geistiges Leben im Mittelalter ins Gedächtnis, zugleich zeigen sie die historische Entwickelung der Stadt. Kein Geringerer als Goethe hat auf der „Harzreise im Winter" seiner Bewunderung über die hoch und auf dem Berge liegende Stadt Ausdruck gegeben. „Ihn interessierten die wunderlichen Türme und Mauerbefestigungen, bei hereinbrechender Abenddämmerung gesehen". „Ihn erfreute auch die schöne Aussicht aus die goldene Aue". Er ist am 30. November 1777 auf der Reise zum Brocken an Nordhausen vorübergeritten „bey Nordhausen weg", und hat in Ilfeld in Hebestreits Gasthof übernachtet. Zum Andenken daran ist s. Zt. vom Nordhäuser Geschichtsverein eine Tafel angebracht worden. Als Wahrzeichen Nordhausens tritt der etwas nach Westen sich neigende behelmte Petrikirchturm hervor, mit 60 Metern der höchste Turm der Stadt. Er ladet uns gleichsam zum Näherkommen ein.


== Das innere der Stadt 1848 ==
== Das innere der Stadt 1848 ==
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In dem alten Gasthof zum „Römischen Kaiser" am Kornmarkte kehren wir ein, erfüllen als Fremde die weise Forderung der hochlöblichen Polizei und tragen unsere Namen in das Fremdenbuch ein, lassen uns als einfache Abendmahlzeit das hier so beliebte Hackefleisch bereiten und genehmigen dazu einen kleinen Nordhäuser. Danach wird bei Broihanbier mit dem gebildeten Wirt noch das Thüringer Lieblingsspiel, der Skat, gedroschen, bevor wir uns zur Ruhe begeben. Derweile wacht „das Auge des Gesetzes“.
In dem alten Gasthof zum „Römischen Kaiser" am Kornmarkte kehren wir ein, erfüllen als Fremde die weise Forderung der hochlöblichen Polizei und tragen unsere Namen in das Fremdenbuch ein, lassen uns als einfache Abendmahlzeit das hier so beliebte Hackefleisch bereiten und genehmigen dazu einen kleinen Nordhäuser. Danach wird bei Broihanbier mit dem gebildeten Wirt noch das Thüringer Lieblingsspiel, der Skat, gedroschen, bevor wir uns zur Ruhe begeben. Derweile wacht „das Auge des Gesetzes".


== Das geistige Leben in Nordhausen vor 60 Jahren ==
== Das geistige Leben in Nordhausen vor 60 Jahren ==
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Am 10. April 1847 erschien das Toleranzedikt König Friedrich Wilhelms IV., wodurch die Gründung freier Religionsgemeinden einen gesetzlichen Boden erhielt. Der Austritt aus der Landeskirche wurde damit zwar gestattet, aber noch erschwert.
Am 10. April 1847 erschien das Toleranzedikt König Friedrich Wilhelms IV., wodurch die Gründung freier Religionsgemeinden einen gesetzlichen Boden erhielt. Der Austritt aus der Landeskirche wurde damit zwar gestattet, aber noch erschwert.


1848 wurde Ed. Baltzer zum Abgeordneten für die preußische National-Versammlung in Berlin von: Wahlkreis Nordhausen gewählt, Dr. Hoffbauer, ein Nordhäuser, für die National-Versammlung in Frankfurt a. M. Baltzer gehörte zu den Steuerverweigerern der preußischen Kammer. Dr. Hoffbauer, welcher noch dem Rumpfparlament in Stuttgart angehörte, wurde später des Hochverrats angeklagt, aber freigesprochen. Es bedurfte längerer Zeit, um die Erinnerung daran in dem Herzen des Königs auszulöschen. Denn in der Antwort auf die Adresse, die 1852 Magistrat und Gemeinderat von Nordhausen bei der Feier der 50jährigen Vereinigung der Stadt Nordhausen mit dem Königreich Preußen an den König gerichtet hatten, betonte der König „Die Verirrungen, von denen die Stadt in einer nicht genug zu beklagenden Zeit heimgesucht gewesen sei“.
1848 wurde Ed. Baltzer zum Abgeordneten für die preußische National-Versammlung in Berlin von: Wahlkreis Nordhausen gewählt, Dr. Hoffbauer, ein Nordhäuser, für die National-Versammlung in Frankfurt a. M. Baltzer gehörte zu den Steuerverweigerern der preußischen Kammer. Dr. Hoffbauer, welcher noch dem Rumpfparlament in Stuttgart angehörte, wurde später des Hochverrats angeklagt, aber freigesprochen. Es bedurfte längerer Zeit, um die Erinnerung daran in dem Herzen des Königs auszulöschen. Denn in der Antwort auf die Adresse, die 1852 Magistrat und Gemeinderat von Nordhausen bei der Feier der 50jährigen Vereinigung der Stadt Nordhausen mit dem Königreich Preußen an den König gerichtet hatten, betonte der König „Die Verirrungen, von denen die Stadt in einer nicht genug zu beklagenden Zeit heimgesucht gewesen sei".


== Das sonstige geistige Leben in Nordhausen im Jahre 1848 ==
== Das sonstige geistige Leben in Nordhausen im Jahre 1848 ==
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Bei dem geringen Landbesitze waren Handel und Gewerbe die Hauptbeschäftigung der Einwohner. Mit praktischem Sinn trieben sie besonders das einträgliche Geschäft des Branntweinbrennens und dessen Nebenerwerb, Viehmast und Schweineschlächterei. Von diesen rührt Nordhausens Wohlstand her. Tabak- und Tapetenfabrikation entwickelten sich erst später. Mit dem nüchternen und verständigen Sinn der Bürger war eine einfache und regelmäßige Lebensweise verbunden. Die Broihanstuben wurden erst 8 Uhr abends besucht, nach dein Läuten der Petersberger Kirchturmglocke, die deshalb „die Bierglocke" genannt wurde. Man ging wohl auch mal in den Rats-Weinkeller, dem Rathause gegenüber. Sonnabends aß man ein Anläufchen, ein Würstchen, frisch vom Bratofen gereicht, eine Nordhäuser Spezialität. Als Volksfest wurde das Schützenfest gefeiert, ebenso der Jahrmarkt. Volkstümlicher ist das Martinsfest am Geburtstage Luthers, der der Sage nach an diesem Tage hier gewesen sein soll. Es wurde und wird durch öffentlichen Umzug, Läuten mit allen Glocken, Absingen des Lutherliedes, daheim durch Genuß von Gänsebraten, Karpfen und Wein gefeiert. Zur Freude der Kinder brennen bei Tische bunte Martinslichte. Viele Fremde, zumeist Runden und Geschäftsfreunde der Bewohner, oder Verwandte finden sich zur Teilnahme an der Feier ein, bei der sie reichlich bewirtet werden.
Bei dem geringen Landbesitze waren Handel und Gewerbe die Hauptbeschäftigung der Einwohner. Mit praktischem Sinn trieben sie besonders das einträgliche Geschäft des Branntweinbrennens und dessen Nebenerwerb, Viehmast und Schweineschlächterei. Von diesen rührt Nordhausens Wohlstand her. Tabak- und Tapetenfabrikation entwickelten sich erst später. Mit dem nüchternen und verständigen Sinn der Bürger war eine einfache und regelmäßige Lebensweise verbunden. Die Broihanstuben wurden erst 8 Uhr abends besucht, nach dein Läuten der Petersberger Kirchturmglocke, die deshalb „die Bierglocke" genannt wurde. Man ging wohl auch mal in den Rats-Weinkeller, dem Rathause gegenüber. Sonnabends aß man ein Anläufchen, ein Würstchen, frisch vom Bratofen gereicht, eine Nordhäuser Spezialität. Als Volksfest wurde das Schützenfest gefeiert, ebenso der Jahrmarkt. Volkstümlicher ist das Martinsfest am Geburtstage Luthers, der der Sage nach an diesem Tage hier gewesen sein soll. Es wurde und wird durch öffentlichen Umzug, Läuten mit allen Glocken, Absingen des Lutherliedes, daheim durch Genuß von Gänsebraten, Karpfen und Wein gefeiert. Zur Freude der Kinder brennen bei Tische bunte Martinslichte. Viele Fremde, zumeist Runden und Geschäftsfreunde der Bewohner, oder Verwandte finden sich zur Teilnahme an der Feier ein, bei der sie reichlich bewirtet werden.


Die gern besuchten Konzerte im Gehege, Aufführungen der Sing-Akademie, geleitet von Musikdirektor Sörgel, die Leistungen verschiedener Gesangvereine, voran die der Liedertafel, boten musikalische Genüsse. Theatervorstellungen fanden im „Berliner Hof", (Bild) Rautenstraße, in der Regel in den Monaten April und Mai, September und Oktober unter Hoftheaterdirektor Martini statt. An geselligen Vereinen gab es damals schon die „Loge", die „Harmonie", gegründet 1791, im „Riesenhause", die „Ressource“.
Die gern besuchten Konzerte im Gehege, Aufführungen der Sing-Akademie, geleitet von Musikdirektor Sörgel, die Leistungen verschiedener Gesangvereine, voran die der Liedertafel, boten musikalische Genüsse. Theatervorstellungen fanden im „Berliner Hof", (Bild) Rautenstraße, in der Regel in den Monaten April und Mai, September und Oktober unter Hoftheaterdirektor Martini statt. An geselligen Vereinen gab es damals schon die „Loge", die „Harmonie", gegründet 1791, im „Riesenhause", die „Ressource".


== Zeitungen im Jahre 1848 ==
== Zeitungen im Jahre 1848 ==
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Der Reichskriegsminister von Peucker hatte den Reichsbefehl erlassen, daß am 6. August alle deutschen Truppen zur Huldigung vor dem Reichsverweser Erzherzog Johann Parade abhalten sollten. Auch in Nordhausen fand diese Huldigung aus dem Schinderrasen statt, doch hielten sich die Königlichen Jäger infolge höheren Befehls fern.
Der Reichskriegsminister von Peucker hatte den Reichsbefehl erlassen, daß am 6. August alle deutschen Truppen zur Huldigung vor dem Reichsverweser Erzherzog Johann Parade abhalten sollten. Auch in Nordhausen fand diese Huldigung aus dem Schinderrasen statt, doch hielten sich die Königlichen Jäger infolge höheren Befehls fern.


Schon am 19. März hatten Nordhäuser Frauen beschlossen, der Bürgerwehr eine Fahne zu stiften. Diese wurde von der geschicktesten Stickerin in der Stadt, Frl. Karoline Fromm, gestickt, in den schwarz-rot-goldenen Farben angefertigt, mit der Inschrift „Freiheit und Ordnung. 19. März 1848. Bürgerwehr zu Nordhausen“. Die Fahne ist bekanntlich noch heute Fahne des hiesigen Rettungsvereins und im städtischen Museum zu sehen. Das Banner kam auf den hohen Preis von 145 Taler zu stehen. Die Weihe fand Sonntag, den 18. Juni, aus dem Schinderrasen, nunmehr Paradeplatz genannt, statt. Am eine Tribüne hatten Bürgerwehr, Schützenkompagnie, Rettungsverein und Handwerkerkompagnien ein Viereck gebildet. Die von der Frauen-Deputation zur Sprecherin gewählte Frau Gerichtsdirektor Bergmann übergab das Feldzeichen mit einer Ansprache dem Bürgermeister Eckardt. Dieser nahm es in Empfang, erwiderte und schloß mit einein Hoch aus die Frauen. Superintendent Schmidt hielt sodann die Festrede, u. a. die Farben schwarz-rot-gold erklärend. Dann präsentieren des Gewehres, Parademarsch, Heimkehr, Heimbringen der Fahne.
Schon am 19. März hatten Nordhäuser Frauen beschlossen, der Bürgerwehr eine Fahne zu stiften. Diese wurde von der geschicktesten Stickerin in der Stadt, Frl. Karoline Fromm, gestickt, in den schwarz-rot-goldenen Farben angefertigt, mit der Inschrift „Freiheit und Ordnung. 19. März 1848. Bürgerwehr zu Nordhausen". Die Fahne ist bekanntlich noch heute Fahne des hiesigen Rettungsvereins und im städtischen Museum zu sehen. Das Banner kam auf den hohen Preis von 145 Taler zu stehen. Die Weihe fand Sonntag, den 18. Juni, aus dem Schinderrasen, nunmehr Paradeplatz genannt, statt. Am eine Tribüne hatten Bürgerwehr, Schützenkompagnie, Rettungsverein und Handwerkerkompagnien ein Viereck gebildet. Die von der Frauen-Deputation zur Sprecherin gewählte Frau Gerichtsdirektor Bergmann übergab das Feldzeichen mit einer Ansprache dem Bürgermeister Eckardt. Dieser nahm es in Empfang, erwiderte und schloß mit einein Hoch aus die Frauen. Superintendent Schmidt hielt sodann die Festrede, u. a. die Farben schwarz-rot-gold erklärend. Dann präsentieren des Gewehres, Parademarsch, Heimkehr, Heimbringen der Fahne.


Bereits am Feste der Fahnenweihe wurde stark genörgelt, der Eifer an der Sache ließ nach. Schon im November mußte der Kommandeur öffentlich lässige Bürgerwehrmänner zu gewissenhafterer Teilnahme an den Übungen auffordern. Noch einmal schien das Feuer aufflackern zu wollen, als die Stadtverordnetenversammlung auf Stadtkosten den Bürgermeister mit einer Adresse, in der gegen die „Gewaltinaßregeln des Ministeriums Brandenburg" gegenüber der Nationalversammlung Verwahrung eingelegt wurde, zur allgemeinen Bürgerwehrversammlung nach Berlin sandte. Schon am 11. Dezember lehnten aber die Stadtverordneten den Antrag der Bürgerwehr, die Aosten der Entsendung einer Deputation zum Bürgerwehrkongreß in Breslau auf die Stadtkasse zu übernehmen, ab. Das Interesse verringerte sich zusehends, die Teilnahme an den Übungen nahm stetig ab. Nach Erlaß des Gesetzes vom 24. Oktober 1849, das die Zurückgabe der vom Staate der Bürgerwehr nur leihweise gelieferten Waffen anordnete, fand die Bürgerwehr auch in Nordhausen ihr Ende und zwar durch Auslösung seitens des Magistrats am 1. Dezember 1849. In Berlin wurde die Bürgerwehr durch Königliche Verordnung bereits am 11. November 1848 ausgelöst.
Bereits am Feste der Fahnenweihe wurde stark genörgelt, der Eifer an der Sache ließ nach. Schon im November mußte der Kommandeur öffentlich lässige Bürgerwehrmänner zu gewissenhafterer Teilnahme an den Übungen auffordern. Noch einmal schien das Feuer aufflackern zu wollen, als die Stadtverordnetenversammlung auf Stadtkosten den Bürgermeister mit einer Adresse, in der gegen die „Gewaltinaßregeln des Ministeriums Brandenburg" gegenüber der Nationalversammlung Verwahrung eingelegt wurde, zur allgemeinen Bürgerwehrversammlung nach Berlin sandte. Schon am 11. Dezember lehnten aber die Stadtverordneten den Antrag der Bürgerwehr, die Aosten der Entsendung einer Deputation zum Bürgerwehrkongreß in Breslau auf die Stadtkasse zu übernehmen, ab. Das Interesse verringerte sich zusehends, die Teilnahme an den Übungen nahm stetig ab. Nach Erlaß des Gesetzes vom 24. Oktober 1849, das die Zurückgabe der vom Staate der Bürgerwehr nur leihweise gelieferten Waffen anordnete, fand die Bürgerwehr auch in Nordhausen ihr Ende und zwar durch Auslösung seitens des Magistrats am 1. Dezember 1849. In Berlin wurde die Bürgerwehr durch Königliche Verordnung bereits am 11. November 1848 ausgelöst.
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Am Abend des 2. August, um 9 Uhr, versammelte sich abermals eine Menschenmenge vor dem Hause in der Hagenstraße, ursprünglich mehr aus Neugier, um sich die zertrümmerten Fenster anzusehen. Zur Aufrechterhaltung der Ordnung waren einige Mann vom Rettungsverein aufgeboten, welche in Rotten auf- und abpatrouillierten, von der Menge aber wenig beachtet wurden. Da fingen einige junge Leute von neuem an, mit Steinen zu werfen, es gesellte sich der Pöbel dazu, und das Werfen mit Pflastersteinen wurde immer schlimmer, die Fenster des 2. Stockes, die abends vorher noch verschont geblieben waren, und die schon geflickten Fensterläden des untern wurden zertrümmert. Da hielt es die städtische Behörde für notwendig, gegen den Pöbel einzuschreiten. Da der Aufforderung, auseinanderzugehen, nicht Folge geleistet und mit Steinwürfen geantwortet wurde, wurde Generalmarsch geschlagen und geblasen, die Bürgerwehr und die Königlichen Jäger traten unter die Waffen, die Straßen nach dem Hagen wurden besetzt, und die Menschenmassen auf dem Hagen zerstreut. Dabei wurden einige durch Steinwürfe verletzt, blinde Schüsse der Jäger fielen, die als Schreckschüsse dienen sollten. Einige Bürgerwehrmänner sollen sich auch, weil sie im Waffendienst ungeübt waren, selbst durch Bajonettstiche verletzt haben.
Am Abend des 2. August, um 9 Uhr, versammelte sich abermals eine Menschenmenge vor dem Hause in der Hagenstraße, ursprünglich mehr aus Neugier, um sich die zertrümmerten Fenster anzusehen. Zur Aufrechterhaltung der Ordnung waren einige Mann vom Rettungsverein aufgeboten, welche in Rotten auf- und abpatrouillierten, von der Menge aber wenig beachtet wurden. Da fingen einige junge Leute von neuem an, mit Steinen zu werfen, es gesellte sich der Pöbel dazu, und das Werfen mit Pflastersteinen wurde immer schlimmer, die Fenster des 2. Stockes, die abends vorher noch verschont geblieben waren, und die schon geflickten Fensterläden des untern wurden zertrümmert. Da hielt es die städtische Behörde für notwendig, gegen den Pöbel einzuschreiten. Da der Aufforderung, auseinanderzugehen, nicht Folge geleistet und mit Steinwürfen geantwortet wurde, wurde Generalmarsch geschlagen und geblasen, die Bürgerwehr und die Königlichen Jäger traten unter die Waffen, die Straßen nach dem Hagen wurden besetzt, und die Menschenmassen auf dem Hagen zerstreut. Dabei wurden einige durch Steinwürfe verletzt, blinde Schüsse der Jäger fielen, die als Schreckschüsse dienen sollten. Einige Bürgerwehrmänner sollen sich auch, weil sie im Waffendienst ungeübt waren, selbst durch Bajonettstiche verletzt haben.


Am 3. August erfolgte eine Bekanntmachung des Magistrats, durch die der kleine Belagerungszustand über die Stadt verhängt wurde. Gegen 8 Uhr abends wurden sämtliche Bürgerwehrkompagnien und die 4. Jägerabteilung aufgestellt, und um 9 Uhr begann das patrouillieren in den verschiedenen Stadtteilen. So wurde die Ruhe an diesem und an den folgenden Abenden aufrecht erhalten. Schon am 8. August wurden durch Bekanntmachung des Magistrats die am 3. d. Mts. getroffenen außerordentlichen Maßregeln als entbehrlich wieder aufgehoben. Der Stadtrat Förstemann nahm Urlaub und verließ die Stadt. Mehrere Exzedenten waren erkannt. Bei der auf höheren Befehl angeordneten Untersuchung wurden mehrere überführt und bestraft. Von einem alten 48er habe ich folgendes drollige Verhör erzählt bekommen: Ein Holzhacker, der vor dem Förstemannschen Hause gestanden hat, soll einen nennen, den er ganz genau erkannt hat. Er antwortet: „Wen ich ganz genau gesehen habe, das ist der Herr Landrat gewesen; ob er aber auch mit Steinen geworfen hat, das kann ich nicht beschwören“.
Am 3. August erfolgte eine Bekanntmachung des Magistrats, durch die der kleine Belagerungszustand über die Stadt verhängt wurde. Gegen 8 Uhr abends wurden sämtliche Bürgerwehrkompagnien und die 4. Jägerabteilung aufgestellt, und um 9 Uhr begann das patrouillieren in den verschiedenen Stadtteilen. So wurde die Ruhe an diesem und an den folgenden Abenden aufrecht erhalten. Schon am 8. August wurden durch Bekanntmachung des Magistrats die am 3. d. Mts. getroffenen außerordentlichen Maßregeln als entbehrlich wieder aufgehoben. Der Stadtrat Förstemann nahm Urlaub und verließ die Stadt. Mehrere Exzedenten waren erkannt. Bei der auf höheren Befehl angeordneten Untersuchung wurden mehrere überführt und bestraft. Von einem alten 48er habe ich folgendes drollige Verhör erzählt bekommen: Ein Holzhacker, der vor dem Förstemannschen Hause gestanden hat, soll einen nennen, den er ganz genau erkannt hat. Er antwortet: „Wen ich ganz genau gesehen habe, das ist der Herr Landrat gewesen; ob er aber auch mit Steinen geworfen hat, das kann ich nicht beschwören".


== Die Jugend im Jahre 1848 ==
== Die Jugend im Jahre 1848 ==
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== Das Turnen in Nordhausen im Jahre 1848 ==
== Das Turnen in Nordhausen im Jahre 1848 ==


Wie das Turnen 1848 in unserer Stadt gepflegt worden ist, zeigt die Gründung des Turnvereins „Vater Jahn“. Schon 1817 wurde in Nordhausen in der Nähe des Gehegeplatzes ein Turnplatz hergerichtet, auf dem unter Salomo, einem Schüler und Kampfgenossen Jahns, eifrig geturnt wurde. Aber bereits 1820 wurde infolge der Demagogenfurcht jener Jahre (Jahn verhaftet) alles Turnen durch Allerhöchsten Befehl untersagt. Erst mit dem Tode Friedrich Wilhelms III. wurde der Bann von den Turnanstalten genommen, und es begann in den Jahren sich von neuem darin zu regen. Der Hammerrasen jenseits der Zorge wurde als Turnplatz zur Verfügung gestellt. Waren es nun bis dahin hauptsächlich Schüler, die das Turnen übten, so entstand im Mai 1848 in Nordhausen der erste Turnverein junger Leute, Lehrer, Beamte, Kaufleute, der sich 1860 zum Unterschiede von einem andern „Vater Jahn" genannt hat. Es kam damit des Turnvater Jahns Absicht, „Zönglinge zu wackeren Kämpfern und Verteidigern des Vaterlandes heranzuziehen", nach und trat der im Freiheitsjahr 1848 gegründeten Bürgerwehr würdig zur Seite.
Wie das Turnen 1848 in unserer Stadt gepflegt worden ist, zeigt die Gründung des Turnvereins „Vater Jahn". Schon 1817 wurde in Nordhausen in der Nähe des Gehegeplatzes ein Turnplatz hergerichtet, auf dem unter Salomo, einem Schüler und Kampfgenossen Jahns, eifrig geturnt wurde. Aber bereits 1820 wurde infolge der Demagogenfurcht jener Jahre (Jahn verhaftet) alles Turnen durch Allerhöchsten Befehl untersagt. Erst mit dem Tode Friedrich Wilhelms III. wurde der Bann von den Turnanstalten genommen, und es begann in den Jahren sich von neuem darin zu regen. Der Hammerrasen jenseits der Zorge wurde als Turnplatz zur Verfügung gestellt. Waren es nun bis dahin hauptsächlich Schüler, die das Turnen übten, so entstand im Mai 1848 in Nordhausen der erste Turnverein junger Leute, Lehrer, Beamte, Kaufleute, der sich 1860 zum Unterschiede von einem andern „Vater Jahn" genannt hat. Es kam damit des Turnvater Jahns Absicht, „Zönglinge zu wackeren Kämpfern und Verteidigern des Vaterlandes heranzuziehen", nach und trat der im Freiheitsjahr 1848 gegründeten Bürgerwehr würdig zur Seite.


Der Verein zählte bald 60 Mitglieder. Versammlungsort war bei schlechtem Wetter Stanges Lokal an der Kutteltreppe, später das Schützenhaus. Die Mitglieder erschienen in Turnkleidung, die jeder nach Belieben wählen konnte; die meisten trugen eine Bluse. Auch waren sie vorschriftsmäßig bewaffnet. Die Übungen fanden 2 Mal wöchentlich statt; auch Turnfahrten wurden veranstaltet. Turnwart war Lehrer Karg, Vorsitzender Gallus; als Mitglieder werden 18488 genannt: Julius Schwabe, Gerichtsbeamter, der Gründer des Vereins, Th. Artiger, M. Stegemann, Bierwirth, Nebelung, Wenzel I, Arnold, Müller, Freudenberg, Falkenstein.
Der Verein zählte bald 60 Mitglieder. Versammlungsort war bei schlechtem Wetter Stanges Lokal an der Kutteltreppe, später das Schützenhaus. Die Mitglieder erschienen in Turnkleidung, die jeder nach Belieben wählen konnte; die meisten trugen eine Bluse. Auch waren sie vorschriftsmäßig bewaffnet. Die Übungen fanden 2 Mal wöchentlich statt; auch Turnfahrten wurden veranstaltet. Turnwart war Lehrer Karg, Vorsitzender Gallus; als Mitglieder werden 18488 genannt: Julius Schwabe, Gerichtsbeamter, der Gründer des Vereins, Th. Artiger, M. Stegemann, Bierwirth, Nebelung, Wenzel I, Arnold, Müller, Freudenberg, Falkenstein.
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=== Benneckenstein ===
=== Benneckenstein ===


Die Teuerung des Jahres 1847 hatte die so schon armen Einwohner in bittere Not versetzt. Der Bürgermeister Schaeffer aber war nicht milde und wohltätig gegen die Notleidenden, sondern hart und streng. Gegen ihn richtete sich die Mißstimmung. Dazu kam, daß die Kirchenbehörde einen im Orte beliebten, freigebigen Geistlichen, Moebius, weil er an einer blonden Gebirgstochter besonderen Gefallen gefunden haben sollte, und da er dem Bacchus und Gambrinus sehr huldigte, aus dem Städtchen entfernen wollte und vom Amte suspendiert hatte. (Der Totengräber von Benneckenstein soll ein Schildchen getragen haben, das die Worte zeigte: „Christus, der ist mein Leben, Sterben ist mein Gewinn“.) Freie Holzverteilungen aus dem nahen Stadtwalde, billige Versteigerungen, zu denen der Bürgermeister aufgefordert wurde, lehnte er ab. Da kam die Nachricht von dem Aufstande in Berlin. Als die Sonntags-Glocken zum Gottesdienste läuteten, den der neue Geistliche zum ersten Male halten sollte, holten 2 Frauen den alten, der sich noch im Pfarrhause aufhielt, zogen ihm den Talar an und zerrten ihn auf die Kanzel. Die Menge, die sich vor der Kirche angesammelt hatte, stürmte, von jenen Weibern aufgestachelt, unter dem Geläute der Sturmglocken nach dem Rathause. „In Berlin hätte man den König weggejagt, sie wollten nun ihren Bürgermeister davonjagen!" Der war längst vom Rathause verschwunden. Dafür zerstörte man in seinem Amtszimmer alles in blinder Wut und zog dann nach seiner Privatwohnung. Das Haus wurde gestürmt, und als man den Verhaßten auch hier nicht fand, begann das Plündern von neuem. Hausgerät flog zum Fenster heraus, Weiber rissen sich um die feinen Kleider der Frau Bürgermeister. Angesichts solcher Ausschreitungen zogen sich die Gemäßigten vom Aufstande zurück, der Pöbel bekam die Oberhand und geriet in blinde Zerstörungswut. Der Besitzer des Nachbarhauses, im Verdacht, den Bürgermeister versteckt zu haben, wurde gemißhandelt. Der war, als Fuhrmann verkleidet, längst nach Hohegeiß geflüchtet und in Sicherheit. Indessen setzten die Frevler ihr Treiben bis in die Nacht in andern Teilen der Stadt fort, zunächst die Wohlhabenden und Unbeliebten, schließlich jeden Beliebigen brandschatzend.
Die Teuerung des Jahres 1847 hatte die so schon armen Einwohner in bittere Not versetzt. Der Bürgermeister Schaeffer aber war nicht milde und wohltätig gegen die Notleidenden, sondern hart und streng. Gegen ihn richtete sich die Mißstimmung. Dazu kam, daß die Kirchenbehörde einen im Orte beliebten, freigebigen Geistlichen, Moebius, weil er an einer blonden Gebirgstochter besonderen Gefallen gefunden haben sollte, und da er dem Bacchus und Gambrinus sehr huldigte, aus dem Städtchen entfernen wollte und vom Amte suspendiert hatte. (Der Totengräber von Benneckenstein soll ein Schildchen getragen haben, das die Worte zeigte: „Christus, der ist mein Leben, Sterben ist mein Gewinn".) Freie Holzverteilungen aus dem nahen Stadtwalde, billige Versteigerungen, zu denen der Bürgermeister aufgefordert wurde, lehnte er ab. Da kam die Nachricht von dem Aufstande in Berlin. Als die Sonntags-Glocken zum Gottesdienste läuteten, den der neue Geistliche zum ersten Male halten sollte, holten 2 Frauen den alten, der sich noch im Pfarrhause aufhielt, zogen ihm den Talar an und zerrten ihn auf die Kanzel. Die Menge, die sich vor der Kirche angesammelt hatte, stürmte, von jenen Weibern aufgestachelt, unter dem Geläute der Sturmglocken nach dem Rathause. „In Berlin hätte man den König weggejagt, sie wollten nun ihren Bürgermeister davonjagen!" Der war längst vom Rathause verschwunden. Dafür zerstörte man in seinem Amtszimmer alles in blinder Wut und zog dann nach seiner Privatwohnung. Das Haus wurde gestürmt, und als man den Verhaßten auch hier nicht fand, begann das Plündern von neuem. Hausgerät flog zum Fenster heraus, Weiber rissen sich um die feinen Kleider der Frau Bürgermeister. Angesichts solcher Ausschreitungen zogen sich die Gemäßigten vom Aufstande zurück, der Pöbel bekam die Oberhand und geriet in blinde Zerstörungswut. Der Besitzer des Nachbarhauses, im Verdacht, den Bürgermeister versteckt zu haben, wurde gemißhandelt. Der war, als Fuhrmann verkleidet, längst nach Hohegeiß geflüchtet und in Sicherheit. Indessen setzten die Frevler ihr Treiben bis in die Nacht in andern Teilen der Stadt fort, zunächst die Wohlhabenden und Unbeliebten, schließlich jeden Beliebigen brandschatzend.


Der Königliche Landrat von Nordhausen, von Byla, fuhr sofort nach Benachrichtigung hinauf, um die Leute zur Ordnung zu bringen. Vergeblich versuchte er von den Stufen der Treppe des Rathauses zur Menge zu reden, vergebens zeigte er den Schreiern das Strafgesetzbuch und wies auf die Strafparagraphen hin; er wurde verhöhnt. Man zog ernstere Seiten auf. Eine Kompagnie der Königlichen Jäger aus Nordhausen rückte ein. Der Aufforderung des kommandierenden Offiziers, auseinanderzugehen, wurde keine Folge geleistet. Man nahm an, daß die Jäger, unter denen sich viele Höhne des Harzes befanden, blind schießen würden. Diese rückten tatsächlich unverrichteter Wache wieder ab. Aber nun rückte Infanterie aus Sondershausen ein. Die kurzen und gestrengen Worte ihres Befehlshabers bewirkten Ruhe. Man ging auseinander. Die Gemäßigten gewannen die Oberhand, eine Bürgerwehr zur Ausrechterhaltung der Ordnung wurde gebildet, das Militär zog wieder in die Garnison ab. Doch kam es noch einmal zu Unruhen. 6 Personen, die aus Requisition des Untersuchungsrichters wegen Tumultes von Jägern als Gefangene nach Nordhausen abgeführt werden sollten, mußten, um Blutvergießen zu verhindern, der drohenden Volksmenge wieder freigegeben werden. Als dann das Militär verstärkt erschien, wurden die Rädelsführer der Benneckensteiner Revolution streng bestraft, der alte Pastor, der von seinen Anhängern wiederholt eingesetzt war, wurde endlich entfernt. Das Elend wich aber nicht sobald, so daß mancher Benneckensteiner aus Not Wilddieb wurde. Dadurch ist der kleine Ort berüchtigt gewesen; erst in unsern Tagen ist es besser geworden, Benneckenstein hat Eisenbahn bekommen und wird setzt als Luftkurort besucht.
Der Königliche Landrat von Nordhausen, von Byla, fuhr sofort nach Benachrichtigung hinauf, um die Leute zur Ordnung zu bringen. Vergeblich versuchte er von den Stufen der Treppe des Rathauses zur Menge zu reden, vergebens zeigte er den Schreiern das Strafgesetzbuch und wies auf die Strafparagraphen hin; er wurde verhöhnt. Man zog ernstere Seiten auf. Eine Kompagnie der Königlichen Jäger aus Nordhausen rückte ein. Der Aufforderung des kommandierenden Offiziers, auseinanderzugehen, wurde keine Folge geleistet. Man nahm an, daß die Jäger, unter denen sich viele Höhne des Harzes befanden, blind schießen würden. Diese rückten tatsächlich unverrichteter Wache wieder ab. Aber nun rückte Infanterie aus Sondershausen ein. Die kurzen und gestrengen Worte ihres Befehlshabers bewirkten Ruhe. Man ging auseinander. Die Gemäßigten gewannen die Oberhand, eine Bürgerwehr zur Ausrechterhaltung der Ordnung wurde gebildet, das Militär zog wieder in die Garnison ab. Doch kam es noch einmal zu Unruhen. 6 Personen, die aus Requisition des Untersuchungsrichters wegen Tumultes von Jägern als Gefangene nach Nordhausen abgeführt werden sollten, mußten, um Blutvergießen zu verhindern, der drohenden Volksmenge wieder freigegeben werden. Als dann das Militär verstärkt erschien, wurden die Rädelsführer der Benneckensteiner Revolution streng bestraft, der alte Pastor, der von seinen Anhängern wiederholt eingesetzt war, wurde endlich entfernt. Das Elend wich aber nicht sobald, so daß mancher Benneckensteiner aus Not Wilddieb wurde. Dadurch ist der kleine Ort berüchtigt gewesen; erst in unsern Tagen ist es besser geworden, Benneckenstein hat Eisenbahn bekommen und wird setzt als Luftkurort besucht.
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=== Das Jahr 1848 in Ellrich ===
=== Das Jahr 1848 in Ellrich ===


Diese Stadt wurde nicht nur durch politische, sondern auch durch religiöse Parteien erregt. Der Vorgang in Nordhausen vor dmn „Römischen Kaiser" machte in Ellrich gewaltiges Aufsehen. Ein Teil der Bürgerschaft nahm für den Generalsuperintendent Möller, die freie Gemeinde in Ellrich für Prediger Baltzer Partei. Am 6. August kam nun Baltzer auf Einladung der freireligiösen Gemeinde nach Ellrich, nachdem Hülfsprediger Schünemann,<ref>In Nord-Amerika als freireligiöser Prediger †.</ref> sein Stellvertreter während seiner Abwesenheit in Berlin, schon einige Versammlungen hier abgehalten hatte, und hielt im Gasthof zum Kronprinzen eine religiöse Erbauung, woraus er nach Zorge fuhr. Abends kehrte er mit seinen Begleitern in zwei offenen Wagen nach Ellrich zurück, und bei der Einfahrt sangen sie das Schillersche Lied „Ein freies Leben führen wir“. Eine große Menschenmenge wurde dadurch herbeigelockt. Als nun Baltzer im „Kronprinzen" einen politischen Vortrag als Abgeordneter hielt, versuchten 2 junge Leute aus der Menge in den Saal zu dringen, um zuzuhören, wurden aber hinausgeworfen. Dies war die Ursache zu einem erbitterten Straßenkampfe, in dessen Verlauf die Gegner der Lichtfreunde in den Saal drangen und Baltzer, der von allen verlassen war, grausam mißhandelten. Die Polizei, von dem Vorgänge benachrichtigt, alarmierte die Bürgerwehr, die sich endlich in geringer Zahl einstellte, sich Baltzers annahm und ihn in ihre Mitte nahm, ihn aufs Rathaus zu bringen. Auf dem Wege dahin wurde er abermals aufs roheste zugerichtet. Der Bürgermeister Baumgarten spielte während der ganzen Ausschreitung eine sehr verdächtige Rolle. Es beteiligten sich auch sonst ruhige Bürger an dem Exzeß, weil sie meinten, Baltzer sei ein Feind des Königtums und der Religion, und es sei ihre Pflicht, ihm den Aufenthalt in Ellrich für immer zu verleiden. B. rettete sich mit Mühe vom Rathause ins Freie und wurde von einem ihm bekannten Mühlenbesitzer zu Magen nach Nordhausen gebracht. Am nächsten Tage rückten Soldaten aus Nordhausen ein, die an 50 Bürger dahin abführten. Sie wurden zu Gefängnis verurteilt, denn Baltzers Verwundung wurde gerichtlich als lebensgefährlich festgestellt. Infolge der rastlosen Bemühungen des damaligen Ellricher Oberpredigers Nebelung wurden die Verurteilten später vom Könige begnadigt.
Diese Stadt wurde nicht nur durch politische, sondern auch durch religiöse Parteien erregt. Der Vorgang in Nordhausen vor dmn „Römischen Kaiser" machte in Ellrich gewaltiges Aufsehen. Ein Teil der Bürgerschaft nahm für den Generalsuperintendent Möller, die freie Gemeinde in Ellrich für Prediger Baltzer Partei. Am 6. August kam nun Baltzer auf Einladung der freireligiösen Gemeinde nach Ellrich, nachdem Hülfsprediger Schünemann,<ref>In Nord-Amerika als freireligiöser Prediger †.</ref> sein Stellvertreter während seiner Abwesenheit in Berlin, schon einige Versammlungen hier abgehalten hatte, und hielt im Gasthof zum Kronprinzen eine religiöse Erbauung, woraus er nach Zorge fuhr. Abends kehrte er mit seinen Begleitern in zwei offenen Wagen nach Ellrich zurück, und bei der Einfahrt sangen sie das Schillersche Lied „Ein freies Leben führen wir". Eine große Menschenmenge wurde dadurch herbeigelockt. Als nun Baltzer im „Kronprinzen" einen politischen Vortrag als Abgeordneter hielt, versuchten 2 junge Leute aus der Menge in den Saal zu dringen, um zuzuhören, wurden aber hinausgeworfen. Dies war die Ursache zu einem erbitterten Straßenkampfe, in dessen Verlauf die Gegner der Lichtfreunde in den Saal drangen und Baltzer, der von allen verlassen war, grausam mißhandelten. Die Polizei, von dem Vorgänge benachrichtigt, alarmierte die Bürgerwehr, die sich endlich in geringer Zahl einstellte, sich Baltzers annahm und ihn in ihre Mitte nahm, ihn aufs Rathaus zu bringen. Auf dem Wege dahin wurde er abermals aufs roheste zugerichtet. Der Bürgermeister Baumgarten spielte während der ganzen Ausschreitung eine sehr verdächtige Rolle. Es beteiligten sich auch sonst ruhige Bürger an dem Exzeß, weil sie meinten, Baltzer sei ein Feind des Königtums und der Religion, und es sei ihre Pflicht, ihm den Aufenthalt in Ellrich für immer zu verleiden. B. rettete sich mit Mühe vom Rathause ins Freie und wurde von einem ihm bekannten Mühlenbesitzer zu Magen nach Nordhausen gebracht. Am nächsten Tage rückten Soldaten aus Nordhausen ein, die an 50 Bürger dahin abführten. Sie wurden zu Gefängnis verurteilt, denn Baltzers Verwundung wurde gerichtlich als lebensgefährlich festgestellt. Infolge der rastlosen Bemühungen des damaligen Ellricher Oberpredigers Nebelung wurden die Verurteilten später vom Könige begnadigt.


Meine Nordhäuser Mitbürger, die so häufig nach dem lieblichen
Meine Nordhäuser Mitbürger, die so häufig nach dem lieblichen
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Aus den Dörfern Crimderode, Wiegersdorf und Niedersachswerfen sind die Leute mit Äxten in den Wald gezogen, Holz zu fällen. Zwischen ihnen und den Königlichen Förstern und Gendarmen ist es zu Tätlichkeiten gekommen, worauf aus Goslar Militär angerückt ist. Mit den Soldaten haben sich die Leute nachher so gut gestanden, daß sie diese gar nicht wieder haben ziehen lassen wollen.
Aus den Dörfern Crimderode, Wiegersdorf und Niedersachswerfen sind die Leute mit Äxten in den Wald gezogen, Holz zu fällen. Zwischen ihnen und den Königlichen Förstern und Gendarmen ist es zu Tätlichkeiten gekommen, worauf aus Goslar Militär angerückt ist. Mit den Soldaten haben sich die Leute nachher so gut gestanden, daß sie diese gar nicht wieder haben ziehen lassen wollen.


Die Holzfrage war auch in Uftrungen „eine brennende“. Dort wandte sich der Haß der Leute gegen einen „Forstbereiter" mit Namen Lauenstein, der durch peinliche Genauigkeit und Strenge im Walde mißliebig war. Man lauerte ihm auf und prügelte ihn durch. Darauf wurde er als Oberförster in eine andere Gegend versetzt.
Die Holzfrage war auch in Uftrungen „eine brennende". Dort wandte sich der Haß der Leute gegen einen „Forstbereiter" mit Namen Lauenstein, der durch peinliche Genauigkeit und Strenge im Walde mißliebig war. Man lauerte ihm auf und prügelte ihn durch. Darauf wurde er als Oberförster in eine andere Gegend versetzt.


== Schlußwort ==
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