Bearbeiten von „Geschichte des Nordhäuser Stadtarchivs

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Neben dieser praktischen Beurteilung des Archivs als eines Ordnungsfaktors innerhalb der Verwaltung findet sich aber noch eine Einstellung, die ihm eine hohe Bedeutung in politicis beimißt. In einem Gutachten vom 7. Juli 1649, das der Rechtsgelehrte und Nordhäuser Stadtsyndicus Dr. Johann Titius dem Rate über die Rechte der Reichsstadt unterbreitet, führt er u. a. auf:
Neben dieser praktischen Beurteilung des Archivs als eines Ordnungsfaktors innerhalb der Verwaltung findet sich aber noch eine Einstellung, die ihm eine hohe Bedeutung in politicis beimißt. In einem Gutachten vom 7. Juli 1649, das der Rechtsgelehrte und Nordhäuser Stadtsyndicus Dr. Johann Titius dem Rate über die Rechte der Reichsstadt unterbreitet, führt er u. a. auf:


:„das jus archivi, welches nichts anderes ist, alß eine Cantzeley, oder jus cancellariae, wie solches nichts anders bedeutet, alß daß eine Reichs-Stadt ihre privilegia, immunitates, die auff Reichs- und Kreißtagen ergangene acta, ihrer Zünffte und Gülden fundationes, nachbahrliche Streitigkeiten, ihre contractus, statuta, Observantien und dergleichen Nachricht gleich den Fürsten des Reiches in einer Cantzeley mögen verwahren und derselben sich zu ihrer und ihrer Bürger, auch gesambter Stadt Freyheit oder ander Notdurfft gebrauchen, Streitigkeiten zu Güthe und Recht beylegen, Befehle, Beseheyde ertheilen, die Acta in gewisse Ordnung legen und, so offt es noth, den beweiß, daß es so und so ergangen, wiederümb darauß nehmen, welcher dann so kräfftig ist, als ob er aus eines Fürsten Cantzeley genommen.“
:„das jus archivi, welches nichts anderes ist, alß eine Cantzeley, oder jus cancellariae, wie solches . . . nichts anders bedeutet, alß daß eine Reichs-Stadt ihre privilegia, immunitates, die auff Reichs- und Kreißtagen ergangene acta, ihrer Zünffte und Gülden fundationes, nachbahrliche Streitigkeiten, ihre contractus, statuta, Observantien und dergleichen Nachricht gleich den Fürsten des Reiches in einer Cantzeley mögen verwahren und derselben sich zu ihrer und ihrer Bürger, auch gesambter Stadt Freyheit oder ander Notdurfft gebrauchen, Streitigkeiten zu Güthe und Recht beylegen, Befehle, Beseheyde ertheilen, die Acta in gewisse Ordnung legen und, so offt es noth, den beweiß, daß es so und so ergangen, wiederümb darauß nehmen, welcher dann so kräfftig ist, als ob er aus eines Fürsten Cantzeley genommen.“


Diese Auffassung vom Archiv als der juristischen und politischen Rüstkammer einer Stadt (wie auch eines Klosters, eines Grafen, eines Landesherrn o. ä.) war die landläufige vom Mittelalter an bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Hier hämmert Titius seinen „Obern, den Bürgermeistern und dem Rate“ geradezu ein, sich vermöge des jus archivi selbst Fürsten gegenüber als gleichberechtigt zu betrachten.
Diese Auffassung vom Archiv als der juristischen und politischen Rüstkammer einer Stadt (wie auch eines Klosters, eines Grafen, eines Landesherrn o. ä.) war die landläufige vom Mittelalter an bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Hier hämmert Titius seinen „Obern, den Bürgermeistern und dem Rate“ geradezu ein, sich vermöge des jus archivi selbst Fürsten gegenüber als gleichberechtigt zu betrachten.
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Daß Friedrich Christian Lessers „Historische Nachrichten“ 1740 erscheinen konnten, ist wohl nur darauf zurückzuführen, daß Lesser mit dem aufgeklärten Chilian Volkmar Riemann verschwägert war und dieser Beziehung eine gewisse Einsicht in die Dokumente des Archivs verdankte. Die häufigen Flüchtigkeiten und Fehler in den Urkundenwiedergaben des sonst so gewissenhaften Polyhistors lassen aber deutlich erkennen, unter welch widrigen Umständen er sein Werk vollbringen mußte. Daß diese erste vollendete Chronik der Stadt, die ein Jahrhundert lang das Geschichtswerk Nordhausens blieb, ohne Namen des Verfassers erschienen ist, besagt genug.
Daß Friedrich Christian Lessers „Historische Nachrichten“ 1740 erscheinen konnten, ist wohl nur darauf zurückzuführen, daß Lesser mit dem aufgeklärten Chilian Volkmar Riemann verschwägert war und dieser Beziehung eine gewisse Einsicht in die Dokumente des Archivs verdankte. Die häufigen Flüchtigkeiten und Fehler in den Urkundenwiedergaben des sonst so gewissenhaften Polyhistors lassen aber deutlich erkennen, unter welch widrigen Umständen er sein Werk vollbringen mußte. Daß diese erste vollendete Chronik der Stadt, die ein Jahrhundert lang das Geschichtswerk Nordhausens blieb, ohne Namen des Verfassers erschienen ist, besagt genug.


Bezeichnend für den bisher behandelten Zeitabschnitt ist aber auch die oft beklagte, nie beseitigte Unordnung des Archivs. Selbst unter Riemanns straffer Regierung können zwei Gutachten der Stände des Reiches von 1672 und 1680, um die der Mühlhäuser Rat und der Senat zu Goslar gebeten hatten, im Archiv nicht gefunden werden, „so vermuhtlich daher kommt, weil dieses nicht allein durch die königlich-preußischen Troublen, sondern auch die in anno 1710 und 1712 erlittenen großen Brandschäden von Händen kommen seyn muß …“
Bezeichnend für den bisher behandelten Zeitabschnitt ist aber auch die oft beklagte, nie beseitigte Unordnung des Archivs. Selbst unter Riemanns straffer Regierung können zwei Gutachten der Stände des Reiches von 1672 und 1680, um die der Mühlhäuser Rat und der Senat zu Goslar gebeten hatten, im Archiv nicht gefunden werden, „so vermuhtlich daher kommt, weil dieses nicht allein durch die königlich-preußischen Troublen, sondern auch die in anno 1710 und 1712 erlittenen großen Brandschäden von Händen kommen seyn muß . . .“


Ein Wunder ist das freilich nicht, denn so häufig in den alten Papieren das Archiv erwähnt wird, nirgends ist die Rede von einem Archivar. Wenn J. L. von Heß, der Verfasser der „Durchflüge durch Deutschland, die Niederlande und Frankreich“ (erschienen 1793—97 beim Verlage Bachmann und Gundermann in Hamburg), aus Nordhausen zu melden weiß: „Die Kanzlei der Stadt besteht aus einem Syndicus, der zugleich Präses des Consistoriums (d. h. des Rates) ist; aus zwei Senatoren, welche dabei Ratskonsulenten sind, einem Archivarius und einem Cancellisten. Die vier ersten sind Rechtsgelehrte“, so ist mit dem rechtsgelehrten Archivarius eben der Secretarius gemeint. Gehörten aber auch zu dessen Amtsbereich die laufende Registratur mitsamt den ehrwürdigen Privilegien und sonstigen alten Sachen, so war er doch praktisch ebenso wenig verantwortlicher Archivar, wie ein Ratsherr oder ein Bürgermeister, der sich bei Bedarf mit den Archivalien zu schaffen machte.
Ein Wunder ist das freilich nicht, denn so häufig in den alten Papieren das Archiv erwähnt wird, nirgends ist die Rede von einem Archivar. Wenn J. L. von Heß, der Verfasser der „Durchflüge durch Deutschland, die Niederlande und Frankreich“ (erschienen 1793—97 beim Verlage Bachmann und Gundermann in Hamburg), aus Nordhausen zu melden weiß: „Die Kanzlei der Stadt besteht aus einem Syndicus, der zugleich Präses des Consistoriums (d. h. des Rates) ist; aus zwei Senatoren, welche dabei Ratskonsulenten sind, einem Archivarius und einem Cancellisten. Die vier ersten sind Rechtsgelehrte“, so ist mit dem rechtsgelehrten Archivarius eben der Secretarius gemeint. Gehörten aber auch zu dessen Amtsbereich die laufende Registratur mitsamt den ehrwürdigen Privilegien und sonstigen alten Sachen, so war er doch praktisch ebenso wenig verantwortlicher Archivar, wie ein Ratsherr oder ein Bürgermeister, der sich bei Bedarf mit den Archivalien zu schaffen machte.
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Am 3. März 1832 erließ der preußische Minister des Innern und der Polizei in Berlin folgende Verfügung, die dem Magistrat über den Oberpräsidenten in Magdeburg und den Landrat in Nordhausen zuging:
Am 3. März 1832 erließ der preußische Minister des Innern und der Polizei in Berlin folgende Verfügung, die dem Magistrat über den Oberpräsidenten in Magdeburg und den Landrat in Nordhausen zuging:


:„Es ist darüber geklagt worden, daß die Stadtbehörden hei der Aufbewahrung von Akten und Urkunden, welche nicht nur für die Stadt wichtig, sondern auch für den Geschichtsforscher von Interesse seyn können, zuweilen mit großer Nachlässigkeit zu verfahren pflegen, indem diese Dokumente teils an unsicheren, feuergefährlichen Orten niedergelegt und dadurch in Gefahr sind, bei einer Feuersbrunst ein Raub der Flammen zu werden, theils auch ihre Aufbewahrung an feuchten Orten erfolgt, wo sie auch ohne besonderen Zufall der allmähligen Verderbniß unfehlbar ausgesetzt sind, theils auch die Aufsicht darüber so schlecht geführt wird, daß sie wohl rücksichtslos verschleppt und als Maculatur benutzt werden.
:„Es ist darüber geklagt worden, daß die Stadtbehörden hei der Aufbewahrung von Akten und Urkunden, welche nicht nur für die Stadt wichtig, sondern auch für den Geschichtsforscher von Interesse seyn können, zuweilen mit großer Nachlässigkeit zu verfahren pflegen, indem diese Dokumente teils an unsicheren, feuergefährlichen Orten niedergelegt und dadurch in Gefahr sind, bei einer Feuersbrunst ein Raub der Flammen zu werden, theils auch ihre Aufbewahrung an feuchten Orten erfolgt, wo sie auch ohne besonderen Zufall der all-mähligen Verderbniß unfehlbar ausgesetzt sind, theils auch die Aufsicht darüber so schlecht geführt wird, daß sie wohl rücksichtslos verschleppt und als Maculatur benutzt werden.


:Es ist eine unzweifelhafte Pflicht der Communalbehörden, über die Erhaltung des städtischen Eigenthums zu wachen; und da Akten und Urkunden ein sehr wichtiger Theil dieses Eigenthums sind, so muß von den Vorgesetzten Behörden Aufsicht darüber geführt werden, daß sie dieser Pflicht auch in Hinsicht der städtischen Archive nachkommen.“
:Es ist eine unzweifelhafte Pflicht der Communalbehörden, über die Erhaltung des städtischen Eigenthums zu wachen; und da Akten und Urkunden ein sehr wichtiger Theil dieses Eigenthums sind, so muß von den Vorgesetzten Behörden Aufsicht darüber geführt werden, daß sie dieser Pflicht auch in Hinsicht der städtischen Archive nach-kommen.“


Man kann sich vorstelien, mit welchem Gefühl der Magistrat (der neue Bürgermeister Kölling war eben erst ins ,Amt gekommen), dieses merkwürdige Ansinnen des Herrn Ministers ansah. Er ließ es vorderhand auf sich beruhen. Erst als der Landrat mehrfach gemahnt und um Bericht ersucht hatte, ob „vollständige Repertorien“ über die im Archiv befindlichen Urkunden vorhanden seien und schließlich seinen Kontrollbesuch anzeigte, nahm Bürgermeister Kölling Stellung. In seinem Schreiben vom 27. August 1832 hieß es:
Man kann sich vorstelien, mit welchem Gefühl der Magistrat (der neue Bürgermeister Kölling war eben erst ins ,Amt gekommen), dieses merkwürdige Ansinnen des Herrn Ministers ansah. Er ließ es vorderhand auf sich beruhen. Erst als der Landrat mehrfach gemahnt und um Bericht ersucht hatte, ob „vollständige Repertorien“ über die im Archiv befindlichen Urkunden vorhanden seien und schließlich seinen Kontrollbesuch anzeigte, nahm Bürgermeister Kölling Stellung. In seinem Schreiben vom 27. August 1832 hieß es:


:„… verfehlen wir nicht, gehorsamst zu berichten, daß uns bis jetzt der Schlüssel zu dem städtischen Archive noch nicht bekannt ist, wir aber auch dann, wenn dies der Fall wäre, das Archiv noch nicht betreten haben, indem früher die zu demselben führende Thür durch die bey Gelegenheit der Einführung des neuen Magistrats angebrachte Verzierung verbaut war, später aber wir einer allgemeinen Übergabe und somit auch der des Archivs entgegensahen. Wir "Würden daher ganz außer Stande seyn, in dieser Hinsicht eine genügende Auskunft zu geben, wäre uns nicht von Seiten des Herrn Bürgermeisters Seiffart und zwar durch den Stadtsekretär Bosse ein Verzeichnis der bis jetzt geordneten 131 Stück Königlicher und Kayserlicher Urkunden übergeben worden, welches wir anliegend, s. p. r. (d. h. mit der Bitte um Rückgabe) Ew. Hochw. gehorsamst vorlegen.“
:„. . . verfehlen wir nicht, gehorsamst zu berichten, daß uns bis jetzt der Schlüssel zu dem städtischen Archive noch nicht bekannt ist, wir aber auch dann, wenn dies der Fall wäre, das Archiv noch nicht betreten haben, indem früher die zu demselben führende Thür durch die bey Gelegenheit der Einführung des neuen Magistrats angebrachte Verzierung verbaut war, später aber wir einer allgemeinen Übergabe und somit auch der des Archivs entgegensahen. Wir "Würden daher ganz außer Stande seyn, in dieser Hinsicht eine genügende Auskunft zu geben, wäre uns nicht von Seiten des Herrn Bürgermeisters Seiffart und zwar durch den Stadtsekretär Bosse ein Verzeichnis der bis jetzt geordneten 131 Stück Königlicher und Kayserlicher Urkunden übergeben worden, welches wir anliegend, s. p. r. (d. h. mit der Bitte um Rückgabe) Ew. Hochw. gehorsamst vorlegen.“


Im weiteren Texte dieses Berichtes wurde gesagt, daß dieses erste, kurze Verzeichnis von dem Konrektor am Gymnasium, Prof. Dr. Förstemann, angefertigt worden sei, und es wurde darum gebeten, diesen auch zu der Revision des Landrats hinzuzuziehen, „da bey der alten, mit Abbreviaturen (Abkürzungen) aller Art überhäuften Schrift es nicht allein zeitraubend, ja oft wohl unmöglich seyn würde, sich von dem Inhalte und der Identität der im Verzeichnisse aufgeführten Urkunde zu überzeugen.“ Das Ergebnis der Archivbesichtigung war, daß Prof. Förstemann gebeten wurde, mit der Aufzeichnung der Urkunden fortzufahren. Dann setzten in kurzen Intervallen die Terminerinnerungen des Landrats ein. Zunächst warf sich der Magistrat selbst in die Bresche und bat um Geduld:
Im weiteren Texte dieses Berichtes wurde gesagt, daß dieses erste, kurze Verzeichnis von dem Konrektor am Gymnasium, Prof. Dr. Förstemann, angefertigt worden sei, und es wurde darum gebeten, diesen auch zu der Revision des Landrats hinzuzuziehen, „da bey der alten, mit Abbreviaturen (Abkürzungen) aller Art überhäuften Schrift es nicht allein zeitraubend, ja oft wohl unmöglich seyn würde, sich von dem Inhalte und der Identität der im Verzeichnisse aufgeführten Urkunde zu überzeugen.“ Das Ergebnis der Archivbesichtigung war, daß Prof. Förstemann gebeten wurde, mit der Aufzeichnung der Urkunden fortzufahren. Dann setzten in kurzen Intervallen die Terminerinnerungen des Landrats ein. Zunächst warf sich der Magistrat selbst in die Bresche und bat um Geduld:
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Am 4. Mai 1833 setzte Förstemann sich gegen die anhaltenden Mahnungen des Landrats selbst in folgendem „Promemoria“ zur Wehr. Er schrieb:
Am 4. Mai 1833 setzte Förstemann sich gegen die anhaltenden Mahnungen des Landrats selbst in folgendem „Promemoria“ zur Wehr. Er schrieb:


:„Die alten Urkunden und Akten des hiesigen städtischen Archivs scheinen früher geordnet gewesen zu sein; diese Ordnung ist aber in späteren Jahren gestört und endlich alles so durcheinander geworfen worden, daß oft zusammengehörige Stücke selbst in den verschiedenen und getrennten Localen getrennt sich befinden. Aufgefordert, eine neue Anordnung des Vorhandenen zu treffen und ein Repertorium davon anzufertigen, habe ich zuerst den ganzen Urkundenvorrath in dem feuerfesten Locale unter dem Sessionszimmer eines Wohllöblichen Magistrats gesichtet und reponiert, indem ich auch diejenigen zahlreichen Urkunden hinzufügte, welche vor dem Eingänge des erst später mir geöffneten zweiten Locals unter Wust und Schmutz in Kasten lagen. Ein geordnetes Verzeichnis der Urkunden hatte ich angefangen, mußte dasselbe aber als allzu unvollständig bei Seite legen, da sich nach Öffnung jenes zweiten Locales im Spätjahre 1832 unerwartet dort noch eine Anzahl alter Stücke vorfand. Es schien mir zweckmäßig zu sein, die Anfertigung eines Verzeichnisses nun gänzlich auszusetzen, bis der gesamte Vorrath gesichtet sein würde, indem erst alsdann eine sichere Anordnung des Ganzen getroffen und ein vollständiges Verzeichnis geliefert werden kann. Nun konnte ich aber im Winter in dem finsteren Gewölbe, in welchem der noch nicht revidierte Actenvorrath nebst einigen Urkunden sich befindet, nicht arbeiten, und ein heizbares Local auf dem Rathaus konnte ein Wohll. Magistrat mir nicht anweisen. Deshalb wurden nur die wahrscheinlich bei früheren Durchsuchungen der Repositorien herausgerissenen und auf den Boden geworfenen Fascikel, welche auf den Steinen liegend dem Verderben ausgesetzt waren, von mir gereinigt und reponiert, und darauf die ganze Arbeit für den kommenden Sommer ausgesetzt. Hierbei bemerke ich, daß auf eine sehr schnelle Beendigung der Arbeit nicht gerechnet werden kann, da mein Schulamt sowie meine Gesundheit mir nicht erlauben, mich anhaltend und unausgesetzt damit zu beschäftigen. Dabei hoffe ich umsomehr auf geneigte Nachsicht, da ich das nicht unbedeutende und mühsame Geschäft ohne Erwartung einer Remuneration und, wie andere meiner Arbeiten, bloß aus Liebe zur Sache unternommen habe. Bei erforderlicher Unterstützung an Material und besserer Einrichtung der noch mangelhaften Behälter und Repositorien hoffe ich indessen, die Arbeit ihrem Ende bald näher zu führen.
:„Die alten Urkunden und Akten des hiesigen städtischen Archivs scheinen früher geordnet gewesen zu sein; diese Ordnung ist aber in späteren Jahren gestört und endlich alles so durcheinander geworfen worden, daß oft zusammengehörige Stücke selbst in den verschiedenen und getrennten Localen getrennt sich befinden. Aufgefordert, eine neue Anordnung des Vorhandenen zu treffen und ein Repertorium davon anzufertigen, habe ich zuerst den ganzen Urkundenvor-rath in dem feuerfesten Locale unter dem Sessionszimmer eines Wohllöblichen Magistrats gesichtet und reponiert, indem ich auch diejenigen zahlreichen Urkunden hinzufügte, welche vor dem Eingänge des erst später mir geöffneten zweiten Locals unter Wust und Schmutz in Kasten lagen. Ein geordnetes Verzeichnis der Urkunden hatte ich angefangen, mußte dasselbe aber als allzu unvollständig bei Seite legen, da sich nach Öffnung jenes zweiten Locales im Spätjahre 1832 unerwartet dort noch eine Anzahl alter Stücke vorfand. Es schien mir zweckmäßig zu sein, die Anfertigung eines Verzeichnisses nun gänzlich auszusetzen, bis der gesamte Vorrath gesichtet sein würde, indem erst alsdann eine sichere Anordnung des Ganzen getroffen und ein vollständiges Verzeichnis geliefert werden kann. Nun konnte ich aber im Winter in dem finsteren Gewölbe, in welchem der noch nicht revidierte Actenvorrath nebst einigen Urkunden sich befindet, nicht arbeiten, und ein heizbares Local auf dem Rathaus konnte ein Wohll. Magistrat mir nicht anweisen. Deshalb wurden nur die wahrscheinlich bei früheren Durchsuchungen der Repositorien herausgerissenen und auf den Boden geworfenen Fascikel, welche auf den Steinen liegend dem Verderben ausgesetzt waren, von mir gereinigt und reponiert, und darauf die ganze Arbeit für den kommenden Sommer ausgesetzt. Hierbei bemerke ich, daß auf eine sehr schnelle Beendigung der Arbeit nicht gerechnet werden kann, da mein Schulamt sowie meine Gesundheit mir nicht erlauben, mich anhaltend und unausgesetzt damit zu beschäftigen. Dabei hoffe ich umsomehr auf geneigte Nachsicht, da ich das nicht unbedeutende und mühsame Geschäft ohne Erwartung einer Remuneration und, wie andere meiner Arbeiten, bloß aus Liebe zur Sache unternommen habe. Bei erforderlicher Unterstützung an Material und besserer Einrichtung der noch mangelhaften Behälter und Repositorien hoffe ich indessen, die Arbeit ihrem Ende bald näher zu führen.
:Nordhausen, den 4. Mai 1833 E. G. Förstemann.“
:Nordhausen, den 4. Mai 1833 E. G. Förstemann.“


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Die offensichtliche Unordnung in Registratur und Archiv und die daraus resultierende Behinderung des Geschäftsganges beschäftigte nun auch die Stadtverordneten-Versammlung. In ihrer Vorlage an den Magistrat vom 21. Juli 1834 hieß es:
Die offensichtliche Unordnung in Registratur und Archiv und die daraus resultierende Behinderung des Geschäftsganges beschäftigte nun auch die Stadtverordneten-Versammlung. In ihrer Vorlage an den Magistrat vom 21. Juli 1834 hieß es:


:„Es ist schon oft der Fall vorgekommen, daß frühere Akten über so mancherlei Verwaltungsgegenständ.e nicht haben aus der Registratur herbeigeschafft werden können; dies hat seinen Grund in dem Mangel eines vorhandenen, vollständigen Repertoriums über sämtliche bei einem Wohll. Magistrate vorhandenen früheren und jetzigen Akten. Nach der Instruktion für die städtischen Behörden und Kassenbeamten, dat. Erfurt, den 3. Dezember 1832, welche die königl. Regierung den Städten, die nach der revidirten Städ.teordnung vom 17. 3. 1831 verwaltet werden, soll der jährlich abzulegenden Rechnung eine Nachweisung aller Bestandteile des Gemeindevermögens an Grundstücken und sonstigem Besitztum beigefügt werden. Wir tragen daher darauf an
:„Es ist schon oft der Fall vorgekommen, daß frühere Akten über so mancherlei Verwaltungsgegenständ.e nicht haben aus der Registratur herbeigeschafft werden können; dies hat seinen Grund in dem Mangel eines vorhandenen, vollständigen Repertoriums über sämtliche bei einem Wohll. Magistrate vorhandenen früheren und jetzigen Akten. Nach der Instruktion für die städtischen Behörden und Kassenbeamten, dat. Erfurt, den 3. Dezember 1832, welche die königl. Regierung den Städten, die nach der revidirten Städ.teordnung vom 17. 3. 1831 verwaltet werden, soll . . . der jährlich abzulegenden Rechnung eine Nachweisung aller Bestandteile des Gemeindevermögens an Grundstücken . . . und sonstigem Besitztum beigefügt werden. Wir tragen daher . . . darauf an . . .


:2) ein vollständiges Repertorium über alle und jede vorhandenen Akten, sie mögen current sein oder nicht, aus der jetzigen oder vorigen Verwaltungspenode herrühren,
:2) ein vollständiges Repertorium über alle und jede vorhandenen Akten, sie mögen current sein oder nicht, aus der jetzigen oder vorigen Verwaltungspenode herrühren,
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:4) ein vollständiges Verzeichnis der vorhandenen Bücher und etwaigen Manuskripte
:4) ein vollständiges Verzeichnis der vorhandenen Bücher und etwaigen Manuskripte
:im Laufe dieses Sommers aufnehmen und. ein Exemplar für unsere Registratur ausfertigen zu lassen.
:im Laufe dieses Sommers aufnehmen und. ein Exemplar für unsere Registratur ausfertigen zu lassen.
:Wir verkennen keineswegs, daß die Ausführung unseres Beschlusses, die aber unumgänglich notwendig ist, um uns von dem ganzen vorhandenen städtischen Besitztum eine vollständige Überzeugung zu verschaffen, Arbeit machen wird, die aber von den Magistratsoffizianten gewiß umso williger übernommen werden wird, da es ihnen selbst die künftige Arbeit erleichtern und Vergnügen machen wird, wenn alles in geregelter Ordnung ist
:Wir verkennen keineswegs, daß die Ausführung unseres Beschlusses, die aber unumgänglich notwendig ist, um uns von dem ganzen vorhandenen städtischen Besitztum eine vollständige Überzeugung zu verschaffen, Arbeit machen wird, die aber von den Magistratsoffizianten gewiß umso williger übernommen werden wird, da es ihnen selbst die künftige Arbeit erleichtern und Vergnügen machen wird, wenn alles in geregelter Ordnung ist . . .
:Gern sind wir bereit, soviel wir können, bei den vorzunehmenden, namentlich bei den archivalisehen Geschäften, den Offizianten Unterstützung zukommen zu lassen und uns dieserhalb über die auszuführende Arbeit mit einem Wohll. Magistrate zu einigen.“
:Gern sind wir bereit, soviel wir können, bei den vorzunehmenden, namentlich bei den archivalisehen Geschäften, den Offizianten Unterstützung zukommen zu lassen und uns dieserhalb über die auszuführende Arbeit mit einem Wohll. Magistrate zu einigen.“


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In einem Schreiben vom 28. Januar 1858 an den Magistrat faßte dieser erste Archivar unserer Stadt die Art seines Wirkens kurz und bescheiden zusammen:
In einem Schreiben vom 28. Januar 1858 an den Magistrat faßte dieser erste Archivar unserer Stadt die Art seines Wirkens kurz und bescheiden zusammen:


:„Dem Wohll. Magistrate beehre ich mich hierbei das vollständige Verzeichnis der Handschriften und Urkunden des städtischen Archivs zu überreichen, welches ich in diesem Jahre angefertigt habe. Dabei glaube ich Folgendes bemerken zu müssen: Eine sorgfältigere und strengere systematische Anordnung der verzeichneten Stücke, sowie eine ausführlichere Angabe des Inhalts, auch der Siegel und Zeugen, wenigsten der ältesten und wichtigsten Urkunden, welche ich anfangs beabsichtigte, mußte ich aufgeben, da das höhere Greisenalter, in welchem ich stehe, mir gebot, mich auf das Nothwendige zu beschränken,indem auch die Ausarbeitung einer vollständigen Geschichte von Nordhausen, wozu ich mit Zusage von liberaler Unterstützung durch die verehrten Vorsteher unserer Stadt aufgefordert worden bin, noch viel Zeit und Mühe in Anspruch nehmen wird
:„Dem Wohll. Magistrate beehre ich mich hierbei das vollständige Verzeichnis der Handschriften und Urkunden des städtischen Archivs zu überreichen, welches ich in diesem Jahre angefertigt habe. Dabei glaube ich Folgendes bemerken zu müssen: Eine sorgfältigere und strengere systematische Anordnung der verzeichneten Stücke, sowie eine ausführlichere Angabe des Inhalts, auch der Siegel und Zeugen, wenigsten der ältesten und wichtigsten Urkunden, welche ich anfangs beabsichtigte, mußte ich aufgeben, da das höhere Greisenalter, in welchem ich stehe, mir gebot, mich auf das Nothwendige zu beschränken,indem auch die Ausarbeitung einer vollständigen Geschichte von Nordhausen, wozu ich mit Zusage von liberaler Unterstützung durch die verehrten Vorsteher unserer Stadt aufgefordert worden bin, noch viel Zeit und Mühe in Anspruch nehmen wird . . .
:Die Arbeit im städt. Archiv hat mich viele Jahre hindurch beschäftigt. Dieselbe wurde sehr erschwert durch den verwahrlosten Zustand, in welchem ich das Archiv fand, ja, ich möchte behaupten, ein Archiv gar nicht vorgefunden zu haben. Die meisten der jetzt in dem Archivgewölbe niedergelegten Schriften und Urkunden lagen zerstreut in verschiedenen Localen, Schränken, Kasten und Schachteln, auch hier und da auf dem bloßen Fußboden und in Winkeln unter Unrath und Moder. Zahlreiche Schriftstücke und Urkunden waren abhanden gekommen, einige werthvolle, die ehemals vorhanden waren, fehlen noch jetzt. Seit etwa 40 Jahren ist es meine angelegentliche Sorge gewesen, solchen verschleppten Sachen nachzuspüren, und ich habe das Glück gehabt, manches werthvolle Stück, namentlich Originalcodices der alten Statuten und viele Klosterurkunden im Privatbesitz der verschiedensten Personen aufzufinden und theils als Geschenk, theils durch Tausch und Kauf an mich zu bringen und dieselben dann unentgeltlich dem Archive zu überweisen. Daß ich dieses gethan habe, zeigt das jetzt eingereichte Verzeichniß bei den betr. Handschriften; bei den einzelnen Urkunden, die durch mich dem Archive wieder einverleibt sind, habe ich das nicht bemerkt. Das Sammeln, Reinigen, Lesen und Excerpieren von mehr als zweitausend, zum Theil nicht leicht lesbaren Urkunden, selbst die Bestimmung der Daten mußte natürlich viel Zeit hinwegnehmen, indem ich auch alle diese Arbeiten allein und ohne von jemand dabei unterstützt zu werden, vornehmen mußte, denn ich war gewissermaßen zugleich Archivdirektor, Archivar oder Archivsekretär und Archivdiener. Das Einrichten der einzelnen Nummern und das Ordnen des Ganzen wurde mir wesentlich erschwert durch fortwährendes Auffinden einzelner Stücke und Nachträge, welche selbst in den letzten Tagen noch zu machen waren. Solche Nachträge werden ohne Zweifel auch noch künftig zu machen sein.“
:Die Arbeit im städt. Archiv hat mich viele Jahre hindurch beschäftigt. Dieselbe wurde sehr erschwert durch den verwahrlosten Zustand, in welchem ich das Archiv fand, ja, ich möchte behaupten, ein Archiv gar nicht vorgefunden zu haben. Die meisten der jetzt in dem Archivgewölbe niedergelegten Schriften und Urkunden lagen zerstreut in verschiedenen Localen, Schränken, Kasten und Schachteln, auch hier und da auf dem bloßen Fußboden und in Winkeln unter Unrath und Moder. Zahlreiche Schriftstücke und Urkunden waren abhanden gekommen, einige werthvolle, die ehemals vorhanden waren, fehlen noch jetzt. Seit etwa 40 Jahren ist es meine angelegentliche Sorge gewesen, solchen verschleppten Sachen nachzuspüren, und ich habe das Glück gehabt, manches werthvolle Stück, namentlich Originalcodices der alten Statuten und viele Klosterurkunden im Privatbesitz der verschiedensten Personen aufzufinden und theils als Geschenk, theils durch Tausch und Kauf an mich zu bringen und dieselben dann unentgeltlich dem Archive zu überweisen. Daß ich dieses gethan habe, zeigt das jetzt eingereichte Verzeichniß bei den betr. Handschriften; bei den einzelnen Urkunden, die durch mich dem Archive wieder einverleibt sind, habe ich das nicht bemerkt. Das Sammeln, Reinigen, Lesen und Excerpieren von mehr als zweitausend, zum Theil nicht leicht lesbaren Urkunden, selbst die Bestimmung der Daten mußte natürlich viel Zeit hinwegnehmen, indem ich auch alle diese Arbeiten allein und ohne von jemand dabei unterstützt zu werden, vornehmen mußte, denn ich war gewissermaßen zugleich Archivdirektor, Archivar oder Archivsekretär und Archivdiener. Das Einrichten der einzelnen Nummern und das Ordnen des Ganzen wurde mir wesentlich erschwert durch fortwährendes Auffinden einzelner Stücke und Nachträge, welche selbst in den letzten Tagen noch zu machen waren. Solche Nachträge werden ohne Zweifel auch noch künftig zu machen sein.“


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Nachdem er noch auf einige zur Zeit nicht auffindbare Stücke hingewiesen hatte, nannte er diejenigen Handschriften, die er bei seinen historischen Arbeiten noch in seiner Wohnung benutzte und verwahrte:
Nachdem er noch auf einige zur Zeit nicht auffindbare Stücke hingewiesen hatte, nannte er diejenigen Handschriften, die er bei seinen historischen Arbeiten noch in seiner Wohnung benutzte und verwahrte:


:„Doch habe ich dieselben in dem Verzeichniß auf geführt, damit diese schätzbaren Sachen dem Archive erhalten bleiben und auch etwa nach meinem Tode für dasselbe reclamiert werden können. So glaube ich meine Pflicht gegen meine Vaterstadt, welcher ich über ein halbes Jahrhundert als Bürgerangehöre, auch in dieser Hinsicht erfüllt zu haben.“
:„Doch habe ich dieselben in dem Verzeichniß auf geführt, damit diese schätzbaren Sachen dem Archive erhalten bleiben und auch etwa nach meinem Tode für dasselbe reclamiert werden können. So glaube ich meine Pflicht gegen meine Vaterstadt, welcher ich über ein halbes Jahrhundert als Bürger-angehöre, auch in dieser Hinsicht erfüllt zu haben.“


Am 11. Juni 1859 ist Ernst Günther Förstemann gestorben.
Am 11. Juni 1859 ist Ernst Günther Förstemann gestorben.
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folgendermaßen ausließ:
folgendermaßen ausließ:


:„Die Erkenntnis, daß die Ordnung des städt. Archivs zu Nordhausen und die Vorbereitung zu seiner Nutzbarmachung für die wissenschaftliche Forschung zunächst im Interesse der Stadt selbst liege und ihre eigene Sache sei, hat schon vor einer längeren Reihe von Jahren den Magistrat bewogen, der Sichtung, Ordnung und Repertorisierung des Stadtarchivs durch den Geschichtsschreiber der Stadt, weiland Conrector Dr. Förstemann, seine Fürsorge zu widmen. Es hat jedoch den Anschein, daß die Bemühungen dieses Gelehrten, dessen geschichtliche Publikationen und Herausgabe der wichtigsten Urkunden der Stadt hinlänglich bekannt sind, keinen rechten Fortgang gehabt haben und daß auch durch das Verhältnis des verstorbenen Professors Perschmann zum Stadtarchiv keine Fortschritte in der Ordnung und Verzeichnung desselben gemacht worden sind.....Übrigens würden die für die beregten Arbeiten erforderlichen Geldmittel, wenn sie bei ihrer verhältnismäßig nicht bedeutenden Höhe dennoch nicht auf das Stadtärar, auch nicht successive übernommen werden könnten, möglicherweise von patriotisch gesinnten Bürgern der ehemaligen alten Reichsstadt, denen eine Beihilfe als Ehrenpflicht erschiene, erhöht werden können.“
:„Die Erkenntnis, daß die Ordnung des städt. Archivs zu Nordhausen und die Vorbereitung zu seiner Nutzbarmachung für die wissenschaftliche Forschung zunächst im Interesse der Stadt selbst liege und ihre eigene Sache sei, hat schon vor einer längeren Reihe von Jahren den Magistrat bewogen, der Sichtung, Ordnung und Repertorisierung des Stadtarchivs durch den Geschichtsschreiber der Stadt, weiland Con-rector Dr. Förstemann, seine Fürsorge zu widmen. Es hat jedoch den Anschein, daß die Bemühungen dieses Gelehrten, dessen geschichtliche Publikationen und Herausgabe der wichtigsten Urkunden der Stadt hinlänglich bekannt sind, keinen rechten Fortgang gehabt haben und daß auch durch das Verhältnis des verstorbenen Professors Persch-mann zum Stadtarchiv keine Fortschritte in der Ordnung und Verzeichnung desselben gemacht worden sind.....Übrigens würden . . . die für die beregten Arbeiten erforderlichen Geldmittel, wenn sie bei ihrer verhältnismäßig nicht bedeutenden Höhe dennoch nicht auf das Stadtärar, auch nicht successive übernommen werden könnten, möglicherweise von patriotisch gesinnten Bürgern der ehemaligen alten Reichsstadt, denen eine Beihilfe als Ehrenpflicht erschiene, erhöht werden können.“


Hilfe von außen war also weder in personeller, noch finanzieller Hinsicht zu erwarten. Im März faßte Oberbürgermeister Hahn die Verwendung von Sparkassenüberschüssen für das Stadtarchiv ins Auge, die Stadtverordnetenversammlung bewilligte aber von 7000 Mk Überschüssen des Vorjahres ganze 500 Mk für Archivzwecke, und diese gingen natürlich für sächliche Ausgaben drauf.
Hilfe von außen war also weder in personeller, noch finanzieller Hinsicht zu erwarten. Im März faßte Oberbürgermeister Hahn die Verwendung von Sparkassenüberschüssen für das Stadtarchiv ins Auge, die Stadtverordnetenversammlung bewilligte aber von 7000 Mk Überschüssen des Vorjahres ganze 500 Mk für Archivzwecke, und diese gingen natürlich für sächliche Ausgaben drauf.
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:Dr. M. Heyse, kgl. Gymnasiallehrer.“
:Dr. M. Heyse, kgl. Gymnasiallehrer.“


Der unter solchen Auspizien zum ehrenamtlichen Archivar bestellte Paul Oßwald war von Hause aus Kaufmann. Seine Neigungen richteten sich indes auf wissenschaftliche Arbeit, und als er 1882 von beruflicher Wanderschaft in die Heimat zurückkehrte, fand er Zeit, ihnen nachzugehen. Seit 1888 hatte er im städt. Museum zusammen mit Hermann Arnold, dem Stadtrat Grimm, dem Rendanten Osterloh und Hermann Heineck gearbeitet, hatte sich an Ausgrabungen bei Auleben beteiligt und im Geschichts- und Altertumsverein Vorträge gehalten, die eine bemerkenswerte und vielseitige Begabung auf historischem Gebiete erkennen ließen. Seinem Spürsinn gelang es, eine ganze Anzahl mittelalterlicher Handschriften und Urkunden, insbesondere solche des Domstifts, am Platze selbst und auswärts zu entdecken. Er hat sie aus eigenen Mitteln angekauft und dem Archiv geschenkt. Es war sein Ziel, eine Geschichte des Stifts zum hl. Kreuz zu schreiben. Als Vorarbeit hierzu veröffentlichte er in der Zeitschrift des Harzvereins 1889 den von ihm auf gefundenen „Liber feodalis et censuum perpetuorum ecclesie S. Crucis in Northusen“, eine Handschrift aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts. Nach Übernahme des Archivs begann er, den gesamten, bereits von Förstemann aufgezeichneten Urkundenbestand systematisch geordnet in Schutzhüllen zu legen und diese mit kurzen, aber treffsicheren Regesten und neuzeitlicher Datierung zu versehen. Mit dieser Arbeit allein, auf der die nachfolgenden Generationen fußen konnten, hat Paul Oßwald seine innere Berufung zum Archivar erwiesen. Die einzige Publikation während seiner Archivtätigkeit war ein Aufsatz „Nordhäuser Kriminalakten von 1498 bis 1657“, der 1891 in der Zeitschrift des Harzvereins erschien.
Der unter solchen Auspizien zum ehrenamtlichen Archivar bestellte Paul Oßwald war von Hause aus Kaufmann. Seine Neigungen richteten sich indes auf wissenschaftliche Arbeit, und als er 1882 von beruflicher Wanderschaft in die Heimat zurückkehrte, fand er Zeit, ihnen nachzugehen. Seit 1888 hatte er im städt. Museum zusammen mit Hermann Arnold, dem Stadtrat Grimm, dem Rendanten Osterloh und Hermann Heineck gearbeitet, hatte sich an Ausgrabungen bei Auleben beteiligt und im Geschichts- und Altertumsverein Vorträge gehalten, die eine bemerkenswerte und vielseitige Begabung auf historischem Gebiete erkennen ließen. Seinem Spürsinn gelang es, eine ganze Anzahl mittelalterlicher Handschriften und Urkunden, insbesondere solche des Domstifts, am Platze selbst und auswärts zu entdecken. Er hat sie aus eigenen Mitteln angekauft und dem Archiv geschenkt. Es war sein Ziel, eine Geschichte des Stifts zum hl. Kreuz zu schreiben. Als Vorarbeit hierzu veröffentlichte er in der Zeitschrift des Harzvereins 1889 den von ihm auf gefundenen „Liber feodalis et censuum perpetuo-rum ecclesie S. Crucis in Northusen“, eine Handschrift aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts. Nach Übernahme des Archivs begann er, den gesamten, bereits von Förstemann aufgezeichneten Urkundenbestand systematisch geordnet in Schutzhüllen zu legen und diese mit kurzen, aber treffsicheren Regesten und neuzeitlicher Datierung zu versehen. Mit dieser Arbeit allein, auf der die nachfolgenden Generationen fußen konnten, hat Paul Oßwald seine innere Berufung zum Archivar erwiesen. Die einzige Publikation während seiner Archivtätigkeit war ein Aufsatz „Nordhäuser Kriminalakten von 1498 bis 1657“, der 1891 in der Zeitschrift des Harzvereins erschien.


Seine weitergehenden Absichten, nach Vollendung der Urkundenregestierung auch die längst fällige Repertorisierung der Aktenbestände in Angriff zu nehmen, blieben unausgeführt, denn nach nur dreijähriger Tätigkeit als Stadtarchivar starb Oßwald am 6. Mai 1893 im Beginn seines 30. Lebensjahres.
Seine weitergehenden Absichten, nach Vollendung der Urkundenrege-stierung auch die längst fällige Repertorisierung der Aktenbestände in Angriff zu nehmen, blieben unausgeführt, denn nach nur dreijähriger Tätigkeit als Stadtarchivar starb Oßwald am 6. Mai 1893 im Beginn seines 30. Lebensjahres.


Abermals stand der Magistrat vor der Frage, dieses immer noch als notwendiges Übel empfundene Stadtarchiv neu zu besetzen. Bewerbungen eines Hochschuldozenten in Stuttgart und des Nordhäuser Lokalforschers Karl Meyer wurden abgelehnt. Hatte doch die Erfahrung bewiesen, • daß sich immer wieder idealistische Menschen fanden, die aus Liebe zur Wissenschaft umsonst arbeiteten. Beiläufig bemerkt forderte auch K. Meyer nur eine geringe Entschädigung. In seinem Antrage verwies er auf sein „in jahrelanger, stiller Arbeit fertiggestelltes Urkundenbuch des Nordhäuser Frauenbergklosters“ und andere Ergebnisse seines Fleißes. Möglicherweise hat er zur Unterstützung seiner Bewerbung auch folgende Notiz in der Nordhäuser Zeitung vom 25. Mai 1893 veranlaßt:
Abermals stand der Magistrat vor der Frage, dieses immer noch als notwendiges Übel empfundene Stadtarchiv neu zu besetzen. Bewerbungen eines Hochschuldozenten in Stuttgart und des Nordhäuser Lokalforschers Karl Meyer wurden abgelehnt. Hatte doch die Erfahrung bewiesen, • daß sich immer wieder idealistische Menschen fanden, die aus Liebe zur Wissenschaft umsonst arbeiteten. Beiläufig bemerkt forderte auch K. Meyer nur eine geringe Entschädigung. In seinem Antrage verwies er auf sein „in jahrelanger, stiller Arbeit fertiggestelltes Urkundenbuch des Nordhäuser Frauenbergklosters“ und andere Ergebnisse seines Fleißes. Möglicherweise hat er zur Unterstützung seiner Bewerbung auch folgende Notiz in der Nordhäuser Zeitung vom 25. Mai 1893 veranlaßt:


:„Vom Urkundenbuch der Stadt Nordhausen, welches im Aufträge der Hist. Kommission der Provinz Sachsen bearbeitet wird, war vor zwei Jahren durch den verstorbenen Dr. Rackwitz die erste Abtheilung, enthaltend die 90 Urkunden des Nordhäuser Altendorfklosters, vollendet worden. Nunmehr ist abermals eine Abtheilung vollendet; dieselbe enthält die 310 Urkunden des Nordhäuser Frauenbergklosters (etwa 20 Druckbogen), welche von Herrn Volksschullehrer Meyer, hier, abgeschrieben und bearbeitet worden sind und dep Zeitraum von 1233 bis 1550 umfassen. Von den Urkunden der übrigen hiesigen Klöster und Kirchen sind außerdem noch 175 abgeschrieben, sodaß gegenwärtig Abschriften von etwa 600 Nordhäuser Urkunden gefertigt sind. Dfrerste Band des Nordhäuser Urkundenbuches wird voraussichtlich 1000 Urkunden der geistlichen Stiftungen (Klöster, Kirchen und Hospialei) der Stadt Nordhausen enthalten und natürlich reiches Material lur die Stadtgeschichte bieten.“
:„Vom Urkundenbuch der Stadt Nordhausen, welches im Aufträge der Hist. Kommission der Provinz Sachsen bearbeitet wird, war vor zwei Jahren durch den verstorbenen Dr. Rackwitz die erste Abtheilung, enthaltend die 90 Urkunden des Nordhäuser Altendorfklosters, vollendet worden. Nunmehr ist abermals eine Abtheilung vollendet; dieselbe enthält die 310 Urkunden des Nordhäuser Frauenbergklosters (etwa 20 Druckbogen), welche von Herrn Volksschullehrer Meyer, hier, abgeschrieben und bearbeitet worden sind und dep Zeitraum von 1233 bis 1550 umfassen. Von den Urkunden der übrigen hiesigen Klöster und Kirchen sind außerdem noch 175 abgeschrieben, sodaß gegenwärtig Abschriften von etwa 600 Nordhäuser Urkunden gefertigt sind. Dfrerste Band des Nordhäuser Urkundenbuches wird voraussichtlich 1000 Urkunden der geistlichen Stiftungen (Klöster, Kirchen und Hospi-alei) der Stadt Nordhausen enthalten und natürlich reiches Material lur die Stadtgeschichte bieten.“


Unbewußt hat der Magistrat mit Meyers Ablehnung doch eine dem Archiv nützliche Entscheidung getroffen. Es ist und bleibt das Dilemma des ganz auf sich gestellten Stadtarchivars, das rechte Verhältnis zwischen seiner vornehmsten Aufgabe, die Bestände und die nie aufhörenden Zugänge an Schriftgut der Verwaltung zu ordnen, zu verzeichnen und für die Allgemeinheit bereitzustellen, und der Neigung, sich selbst wissenschaftlich und schriftstellerisch zu betätigen, zu finden. Meyer war ein zu fruchtbarer Geschichtsschreiber, als daß er ein geduldiger Archivar hätte werden können.
Unbewußt hat der Magistrat mit Meyers Ablehnung doch eine dem Archiv nützliche Entscheidung getroffen. Es ist und bleibt das Dilemma des ganz auf sich gestellten Stadtarchivars, das rechte Verhältnis zwischen seiner vornehmsten Aufgabe, die Bestände und die nie aufhörenden Zugänge an Schriftgut der Verwaltung zu ordnen, zu verzeichnen und für die Allgemeinheit bereitzustellen, und der Neigung, sich selbst wissenschaftlich und schriftstellerisch zu betätigen, zu finden. Meyer war ein zu fruchtbarer Geschichtsschreiber, als daß er ein geduldiger Archivar hätte werden können.
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Schon bald nach dessen Dienstantritt verfügte der 2. Bürgermeister Lemcke:
Schon bald nach dessen Dienstantritt verfügte der 2. Bürgermeister Lemcke:


:„Herr Heineck hat nach Zeitungsmitteilungen neulich im hiesigen Geschichtsverein Urkunden aus dem Archive vorgelegt, ohne zur Herausnahme derselben aus den Archivräumen die vorgeschriebene magistratliche Genehmigung eingeholt zu haben. Das darf nicht sein. Vielmehr ist Herr Heineck an die desfalls bestehenden Anordnungen ebenso gebunden, wie jeder andere.“
:„Herr Heineck hat nach Zeitungsmitteilungen neulich im hiesigen Geschichtsverein Urkunden aus dem Archive vorgelegt, ohne zur Herausnahme derselben aus den Archivräumen die vorgeschriebene magi-stratliche Genehmigung eingeholt zu haben. Das darf nicht sein. Vielmehr ist Herr Heineck an die desfalls bestehenden Anordnungen ebenso gebunden, wie jeder andere.“


Heineck erwiderte darauf:
Heineck erwiderte darauf:


:„Ich habe die fragl. Urkunde mit ausdrücklicher Genehmigung des Herrn Arnold im Verein vorgelegt. Derselbe ist dabei von der Ansicht ausgegangen, daß wir dem Archiv gegenüber nicht Privatpersonen, sondern Beamte sind Herr Oßwald hat in zahlreichen Fällen auf diese Weise unbeanstandet Urkunden im Verein vorgelegt.“
:„Ich habe die fragl. Urkunde mit ausdrücklicher Genehmigung des Herrn Arnold im Verein vorgelegt. Derselbe ist dabei von der Ansicht ausgegangen, daß wir dem Archiv gegenüber nicht Privatpersonen, sondern Beamte sind . . . Herr Oßwald hat in zahlreichen Fällen auf diese Weise unbeanstandet Urkunden im Verein vorgelegt.“


Worauf Obm. Schustehrus dekretierte:
Worauf Obm. Schustehrus dekretierte:


:„Das Vorlegen Von Urkunden in dem privaten städtischen Geschichtsverein hat mit den Dienstobliegenheiten der von der Stadt mit Wahrnehmung der Archivgeschäfte betrauten Herren nichts zu schaffen. Der Magistrat muß deshalb bei seiner Anordnung stehen bleiben und erwartet, daß derselben künftig genau entsprochen wird“.  
:„Das Vorlegen Von Urkunden in dem privaten städtischen Geschichtsverein hat mit den Dienstobliegenheiten der von der Stadt mit Wahrnehmung der Archivgeschäfte betrauten Herren nichts zu schaffen. Der Magistrat muß deshalb bei seiner . . . Anordnung stehen bleiben und erwartet, daß derselben künftig genau entsprochen wird“.  


(Diese Anordnung wurde erst im Januar 1901 durch Obm. Dr. Contag aufgehoben).
(Diese Anordnung wurde erst im Januar 1901 durch Obm. Dr. Contag aufgehoben).
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Am 19. Oktober 1910 wandte sich der Geh. Archivrat Dr. Winter in Magdeburg an den Nordhäuser Oberbürgermeister Dr. Contag. Sein Schreiben lautete:
Am 19. Oktober 1910 wandte sich der Geh. Archivrat Dr. Winter in Magdeburg an den Nordhäuser Oberbürgermeister Dr. Contag. Sein Schreiben lautete:


:„Sie wollen mir gestatten, noch einmal auf meine früheren Vorschläge zurückzukommen und Ihrer gefl. Erwägung anheimzugeben, ob das große Arnold’sche Vermächtnis nicht jetzt die Möglichkeit gewähren würde, den Archivarposten in einen vollbesoldeten zu verwandeln. Erst dann werden die wissenschaftlichen Aufgaben des Archivs ganz erfüllt werden können, erst dann aber wird auch die städtische Verwaltung den vollen Nutzen von dem Archive haben, den dieses in fast allen schwierigen Rechtsfällen nur dann gewähren kann, wenn es sich in wohlgeordnetem Zustande unter der Obhut eines der Aufgabe gewachsenen, im Hauptamte angestellten Archivars befindet, wie das z. B. in Erfurt, Langensalza und Mühlhausen der Fall ist.
:„Sie wollen mir . . . gestatten, noch einmal auf meine früheren Vorschläge zurückzukommen und Ihrer gefl. Erwägung anheimzugeben, ob das große Arnold’sche Vermächtnis nicht jetzt die Möglichkeit gewähren würde, den Archivarposten in einen vollbesoldeten zu verwandeln. Erst dann werden die wissenschaftlichen Aufgaben des Archivs ganz erfüllt werden können, erst dann aber wird auch die städtische Verwaltung den vollen Nutzen von dem Archive haben, den dieses in fast allen schwierigen Rechtsfällen nur dann gewähren kann, wenn es sich in wohlgeordnetem Zustande unter der Obhut eines der Aufgabe gewachsenen, im Hauptamte angestellten Archivars befindet, wie das z. B. in Erfurt, Langensalza und Mühlhausen der Fall ist.
:Bei dem lebhaften Interesse, daß Sie der Sache entgegenbringen, wird sich ein Weg zur Verwirklichung, die zugleich eine intensivere Pflege der heimischen Geschichtsforschung ermöglichen würde, gewiß finden lassen.“
:Bei dem lebhaften Interesse, daß Sie . . . der Sache entgegenbringen, wird sich ein Weg zur Verwirklichung, die zugleich eine intensivere Pflege der heimischen Geschichtsforschung ermöglichen würde, gewiß finden lassen.“


Das in diesen Zeilen erwähnte Vermächtnis betraf die Hinterlassenschaft des am 30. Dezember 1909 verstorbenen Hermann Arnold in Höhe von 1 700 000 Mark, die der Stadt testamentarisch mit der Bestimmung vermacht war, daß die Hälfte der Zinsen dieses Kapitals „zur Linderung der Leiden der Menschheit“, die andere Hälfte „zum Bau, zur Ausstattung, Erhaltung und Erweiterung des städtischen Museums nebst Bibliothek und Archiv“ Verwendung finden sollten.
Das in diesen Zeilen erwähnte Vermächtnis betraf die Hinterlassenschaft des am 30. Dezember 1909 verstorbenen Hermann Arnold in Höhe von 1 700 000 Mark, die der Stadt testamentarisch mit der Bestimmung vermacht war, daß die Hälfte der Zinsen dieses Kapitals „zur Linderung der Leiden der Menschheit“, die andere Hälfte „zum Bau, zur Ausstattung, Erhaltung und Erweiterung des städtischen Museums nebst Bibliothek und Archiv“ Verwendung finden sollten.
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Kuratoriums der Arnoldstiftung war, und aus Verhandlungen dieses Gremiums ging schließlich, gewissermaßen in Anlehnung an den Winter’schen Vorschlag, folgender Kompromiß hervor: neben Heineck sollte ein wissenschaftlicher Archivar für mindestens ein Jahr angestellt werden, der insbesondere die Aktenbestände seit 1600 aufarbeiten sollte; die weitere Bearbeitung des Nordhäuser Urkundenbuches sollte Heineck Vorbehalten bleiben. Die Arnold-Stiftung übernahm die Kosten für den Berufsarchivar auf ein Jahr und bewilligte Heineck eine jährliche Remuneration von 1000 Mark.
Kuratoriums der Arnoldstiftung war, und aus Verhandlungen dieses Gremiums ging schließlich, gewissermaßen in Anlehnung an den Winter’schen Vorschlag, folgender Kompromiß hervor: neben Heineck sollte ein wissenschaftlicher Archivar für mindestens ein Jahr angestellt werden, der insbesondere die Aktenbestände seit 1600 aufarbeiten sollte; die weitere Bearbeitung des Nordhäuser Urkundenbuches sollte Heineck Vorbehalten bleiben. Die Arnold-Stiftung übernahm die Kosten für den Berufsarchivar auf ein Jahr und bewilligte Heineck eine jährliche Remuneration von 1000 Mark.


Dieser eigenartige Versuch zur Reorganisation des Stadtarchivs scheiterte vollkommen. Zwar wurde für die für erforderlich gehaltene Überholung des Archivs, vor allem für die notwendige Repertorisierung älterer Akten, der Erfurter Stadtarchivar Dr. Overmann im November 1912 gewonnen. Allein schon am 12. Dezember 1912 wurde vereinbart, daß Overmann seine Tätigkeit „zunächst ausschließlich dem Museum“ widmen sollte. Dabei ist es denn auch geblieben, und Prof. Overmann hat in lOjähriger Arbeit (anfangs wöchentlich den Sonnabend ganz und Sonntag bis Mittag) das Nordhäuser Museum fachmännisch neu organisiert. Von irgendwelchem Einfluß auf das Stadtarchiv ist weder aus den Akten noch im Archivalienbestande etwas wahrzunehmen.
Dieser eigenartige Versuch zur Reorganisation des Stadtarchivs scheiterte vollkommen. Zwar wurde für die für erforderlich gehaltene Überholung des Archivs, vor allem für die notwendige Repertorisierung älterer Akten, der Erfurter Stadtarchivar Dr. Overmann im November 1912 gewonnen. Allein schon am 12. Dezember 1912 wurde vereinbart, daß Overmann seine Tätigkeit „zunächst ausschließlich dem Museum“ widmen sollte. Dabei ist es denn auch geblieben, und Prof. Overmann hat in lOjähriger Arbeit (anfangs wöchentlich den Sonnabend ganz und Sonntag bis Mittag) das Nordhäuser Museum fachmännisch neu organisiert. Von irgendwelchem Einfluß auf das Stadtarchiv ist weder aus den Akten noch im Archivalienbe-stande etwas wahrzunehmen.


Mit der immerhin gewonnenen Aufbesserung seiner Remuneration führte der Archivar Heineck sein Amt weiter, fortan sogar in einer gewissen Unabhängigkeit vom Museum. Die Abschriften für das geplante Urkundenbuch, das die Zeit bis 1300 umfassen sollte, füllten vier starke Soennekenordner. Während der Jahre 1913 bis 1915 widmete er sich der „Katalogisierung“ der sogenannten alten Registratur, die, nach Sachgebieten geordnet, unter der Signatur N. F. (Neue Folge) und laufender Nummer mehrere „Findbücher“ füllte. Diese Neue Folge erweiterte sich naturgemäß in den folgenden Jahren zusehends, da immer wieder Zugänge „vom Rathausboden“ eingingen, und aus den Findbüchern wurden — Such-bücher! Die dem Archiv dienende historische Bücherei war geordnet und umfaßte am Ende des ersten Weltkrieges rund 2 400 Bände.
Mit der immerhin gewonnenen Aufbesserung seiner Remuneration führte der Archivar Heineck sein Amt weiter, fortan sogar in einer gewissen Unabhängigkeit vom Museum. Die Abschriften für das geplante Urkundenbuch, das die Zeit bis 1300 umfassen sollte, füllten vier starke Soenneken-ordner. Während der Jahre 1913 bis 1915 widmete er sich der „Katalogisierung“ der sogenannten alten Registratur, die, nach Sachgebieten geordnet, unter der Signatur N. F. (Neue Folge) und laufender Nummer mehrere „Findbücher“ füllte. Diese Neue Folge erweiterte sich naturgemäß in den folgenden Jahren zusehends, da immer wieder Zugänge „vom Rathausboden“ eingingen, und aus den Findbüchern wurden — Such-bücher! Die dem Archiv dienende historische Bücherei war geordnet und umfaßte am Ende des ersten Weltkrieges rund 2 400 Bände.


Während der politische Umschwung 1918 und die folgende Zeit der Weimarer Verfassung keinen Einfluß auf die Organisation und Tätigkeit des Stadtarchivs ausübte, machte sich doch seit 1925 immer unangenehmer seine beengte Lokalität bemerkbar. Als 1926 die Vorarbeiten für die Jahrtausendfeier der Stadt einsetzten, für die das Archiv sehr lebhaft beansprucht wurde, mußte schließlich die Frage einer würdigeren Unterkunft als brennend anerkannt werden.
Während der politische Umschwung 1918 und die folgende Zeit der Weimarer Verfassung keinen Einfluß auf die Organisation und Tätigkeit des Stadtarchivs ausübte, machte sich doch seit 1925 immer unangenehmer seine beengte Lokalität bemerkbar. Als 1926 die Vorarbeiten für die Jahrtausendfeier der Stadt einsetzten, für die das Archiv sehr lebhaft beansprucht wurde, mußte schließlich die Frage einer würdigeren Unterkunft als brennend anerkannt werden.
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Während ihm für die interne Archivarbeit Fräulein Hanna Müller, die bereits seit 1928 als Assistentin in Museum, Archiv und Volksbücherei fungierte, eine unentbehrliche Helferin war, nahm F. Stolberg rasch entschlossen die Herausgabe eines Nordhäuser Urkundenbuches in Angriff. In einem Artikel über die „Aufgaben der Heimatforschung“ in der „Nordhäuser Zeitung“ vom Oktober 1933 hatte Dr. Silberborth gerade wieder auf dieses seit fast hundert Jahren erwogene, nie zur Ausführung gekommene Projekt hingewiesen.
Während ihm für die interne Archivarbeit Fräulein Hanna Müller, die bereits seit 1928 als Assistentin in Museum, Archiv und Volksbücherei fungierte, eine unentbehrliche Helferin war, nahm F. Stolberg rasch entschlossen die Herausgabe eines Nordhäuser Urkundenbuches in Angriff. In einem Artikel über die „Aufgaben der Heimatforschung“ in der „Nordhäuser Zeitung“ vom Oktober 1933 hatte Dr. Silberborth gerade wieder auf dieses seit fast hundert Jahren erwogene, nie zur Ausführung gekommene Projekt hingewiesen.


Für die Bearbeitung des Urkundenbuches gewann F. Stolberg einige jüngere Philologen, die als Geschichtslehrer gerade am Nordh. Gymnasium tätig waren. Ihnen ist es im wesentlichen zu verdanken, wenn schon 1936 der 1. Teil des UB, der die kaiserlichen und königlichen Urkunden des Nordhäuser Stadtarchivs enthält (1158—1793), im Druck erscheinen konnte. Als Bearbeiter zeichnete Dr. Günter Linke. Als 2. Teil des Werkes sollten die „Päpstlichen Urkunden“ durch Dr. Gerhard Naumann publiziert werden, der sich auch intensiv mit den Vorarbeiten beschäftigte, wobei ihm die von Heineck hinterlassenen Abschriften zustatten kamen. Zur Ausführung dieser Absicht ist es indes nicht gekommen, weil es den Redaktoren des UB zweckmäßig erschien, die Gelegenheit wahrzunehmen, eine andere Reihe von Urkunden, die Dr. Gerhard Meißner gerade für seine Dissertation „Das Kriegswesen der Stadt Nordhausen“ exzerpiert hatte, an die Öffentlichkeit zu bringen. So wurde denn 1939 der 2. Teil mit den weltlichen Urkunden „von Fürsten, Grafen, Herren und Städten“ gedruckt. F. Stolberg, der inzwischen 1938 seine Archivtätigkeit mit einem Posten in seinem Berufe als Architekt vertauscht hatte, bearbeitete bei diesem Bande die Siegelbeschreibung ausführlich.
Für die Bearbeitung des Urkundenbuches gewann F. Stolberg einige jüngere Philologen, die als Geschichtslehrer gerade am Nordh. Gymnasium tätig waren. Ihnen ist es im wesentlichen zu verdanken, wenn schon 1936 der 1. Teil des UB, der die kaiserlichen und königlichen Urkunden des Nordhäuser Stadtarchivs enthält (1158—1793), im Druck erscheinen konnte. Als Bearbeiter zeichnete Dr. Günter Linke. Als 2. Teü des Werkes sollten die „Päpstlichen Urkunden“ durch Dr. Gerhard Naumann publiziert werden, der sich auch intensiv mit den Vorarbeiten beschäftigte, wobei ihm die von Heineck hinterlassenen Abschriften zustatten kamen. Zur Ausführung dieser Absicht ist es indes nicht gekommen, weil es den Redaktoren des UB zweckmäßig erschien, die Gelegenheit wahrzunehmen, eine andere Reihe von Urkunden, die Dr. Gerhard Meißner gerade für seine Dissertation „Das Kriegswesen der Stadt Nordhausen“ exzerpiert hatte, an die Öffentlichkeit zu bringen. So wurde denn 1939 der 2. Teil mit den weltlichen Urkunden „von Fürsten, Grafen, Herren und Städten“ gedruckt. F. Stolberg, der inzwischen 1938 seine Archivtätigkeit mit einem Posten in seinem Berufe als Architekt vertauscht hatte, bearbeitete bei diesem Bande die Siegelbeschreibung ausführlich.


Die Fortsetzung des Urkundenbuches ist nicht allein durch die folgende Kriegszeit vereitelt worden. Sein Abweichen von der bewährten Methode chronologischer Einheitlichkeit und andere Mängel sind in Fachkreisen kritisiert worden. Man wollte den erschienenen beiden Heften allenfalls die Bezeichnung „Inventarverzeichnis“ zugestehen. Aber nicht einmal das trifft zu, denn es sind beispielsweise Hunderte von Pergamenten, die auch von Fürsten, Grafen, Herren und Städten ausgestellt worden sind und sich gleichfalls im Nordhäuser Archiv befinden, ohne Angabe von Gründen nicht abgedruckt worden.
Die Fortsetzung des Urkundenbuches ist nicht allein durch die folgende Kriegszeit vereitelt worden. Sein Abweichen von der bewährten Methode chronologischer Einheitlichkeit und andere Mängel sind in Fachkreisen kritisiert worden. Man wollte den erschienenen beiden Heften allenfalls die Bezeichnung „Inventarverzeichnis“ zugestehen. Aber nicht einmal das trifft zu, denn es sind beispielsweise Hunderte von Pergamenten, die auch von Fürsten, Grafen, Herren und Städten ausgestellt worden sind und sich gleichfalls im Nordhäuser Archiv befinden, ohne Angabe von Gründen nicht abgedruckt worden.
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An Stelle des so plötzlich abgegangenen Dr. Stolberg wurde der seit vielen Jahren auf dem Gebiete der Heimatgeschichtsschreibung rühmlich bekannte Studienrat i. R. Dr. H. Silberborth mit der Leitung des Archivs beauftragt. Ihm war, wie kaum einem Außenstehenden, die Struktur des Stadtarchivs aus jahrelanger Forschungsarbeit bekannt, und er verstand es, aus der Fülle des vorhandenen Materials nicht nur für sich selbst zu schöpfen, sondern auch anderen fördernde Auskünfte zu geben. Seine eigene schriftstellerische Arbeit und auch die von ihm selbst zugegebene Unlust, sich mit der manuellen und büromäßigen Ordnungsarbeit zu befassen, bewogen ihn jedoch bald, die Verantwortung wieder abzugeben. In einer Denkschrift vom 2. März 1939 gab er dem Schulamt, das seit langem das Dezernat auch für Archiv und Museum hatte, einige Hinweise auf die Archivverhältnisse nebst Verbesserungsvorschlägen. Unter anderm heißt es darin:
An Stelle des so plötzlich abgegangenen Dr. Stolberg wurde der seit vielen Jahren auf dem Gebiete der Heimatgeschichtsschreibung rühmlich bekannte Studienrat i. R. Dr. H. Silberborth mit der Leitung des Archivs beauftragt. Ihm war, wie kaum einem Außenstehenden, die Struktur des Stadtarchivs aus jahrelanger Forschungsarbeit bekannt, und er verstand es, aus der Fülle des vorhandenen Materials nicht nur für sich selbst zu schöpfen, sondern auch anderen fördernde Auskünfte zu geben. Seine eigene schriftstellerische Arbeit und auch die von ihm selbst zugegebene Unlust, sich mit der manuellen und büromäßigen Ordnungsarbeit zu befassen, bewogen ihn jedoch bald, die Verantwortung wieder abzugeben. In einer Denkschrift vom 2. März 1939 gab er dem Schulamt, das seit langem das Dezernat auch für Archiv und Museum hatte, einige Hinweise auf die Archivverhältnisse nebst Verbesserungsvorschlägen. Unter anderm heißt es darin:


:„Das Archiv ist in dem Hause an der Weberstraße zweckmäßig untergebracht. Es wäre wünschenswert, wenn alle Dienststellen der Stadt davon Kenntnis nähmen; das Verkehrsamt z. B. konnte keine Auskunft auf die Frage nach der Lage des städt. Archivs geben, Von den Beständen des Archivs ist die Archivbücherei gut geordnet und nach modernen Grundsätzen kartiert. Leider ist das bei den eigentlichen Archivalien nicht der Fall. Im Laufe der Jahrzehnte, auch mit durch das Bestreben, allmählich zu modernem Verfahren überzugehen, sind eine ganze Reihe von Registern und Listen angelegt worden, die einen durchaus einwandfreien Nachweis über die Bestände liefern, deren Gebrauch aber für den Uneingeweihten wegen ihrer Kompliziertheit beinahe gänzlich unmöglich ist
:„Das Archiv ist in dem Hause an der Weberstraße zweckmäßig untergebracht. Es wäre wünschenswert, wenn alle Dienststellen der Stadt davon Kenntnis nähmen; das Verkehrsamt z. B. konnte keine Auskunft auf die Frage nach der Lage des städt. Archivs geben, . . . Von den Beständen des Archivs ist die Archivbücherei gut geordnet und nach modernen Grundsätzen kartiert. Leider ist das bei den eigentlichen Archivalien nicht der Fall. Im Laufe der Jahrzehnte, auch mit durch das Bestreben, allmählich zu modernem Verfahren überzugehen, sind eine ganze Reihe von Registern und Listen angelegt worden, die einen durchaus einwandfreien Nachweis über die Bestände liefern, deren Gebrauch aber für den Uneingeweihten wegen ihrer Kompliziertheit beinahe gänzlich unmöglich ist . . .
:besonders wichtige Aufgaben des Archivs für die nächsten Jahre: 1. die Ordnung der sogenannten „Neuen Folge“ (N. F.) mit ihren ungefähr 5000 Nummern. In der „Neuen Folge“ ist alles wahllos registriert, was man, abgesehen von den Pergament-Urkunden und den eingebundenen wichtigen Aktenstücken, aufgefunden hat…
:. . . besonders wichtige Aufgaben des Archivs für die nächsten Jahre: 1. die Ordnung der sogenannten „Neuen Folge“ (N. F.) mit ihren ungefähr 5000 Nummern. In der „Neuen Folge“ ist alles wahllos registriert, was man, abgesehen von den Pergament-Urkunden und den eingebundenen wichtigen Aktenstücken, aufgefunden hat. . .
:Die Arbeit kann nur in den Sommermonaten durchgeführt werden, da das Gebäude eine Arbeit in den übrigen Jahreszeiten nicht zuläßt.“
:. . . Die Arbeit kann nur in den Sommermonaten durchgeführt werden, da das Gebäude eine Arbeit in den übrigen Jahreszeiten nicht zuläßt.“


Auf Dr. Silberborths Empfehlung hin wurde zum 1. April 1939 der em. Gymnasialprofessor Christian Oelmann als Stadtarchivar berufen. Um die gleiche Zeit gelang es den Bemühungen des damaligen Verwaltungsdirektors Bruno Ernst, der die Wichtigkeit eines exakt arbeitenden „Verwaltungsarchivs“ wohl erkannt hatte, einen Fachmann des Staatsarchivs in Halle für die Betreuung des Nordhäuser Archivs zu verpflichten. Unter dessen Anleitung und in engem Kontakt mit dem Archiv der von altersher befreundeten Stadt Mühlhausen, die bereits seit der Jahrhundertwende einen hauptamtlichen Berufsarchivar hatte, nahm Prof. Oelmann die Neuordnung und Gesamtrepertorisierung der Aktenbestände in Angriff. Diese umfangreiche und mühevolle Arbeit, bei der ihn nur eine junge weibliche Hilfskraft unterstützte, gedieh über den Zettelkatalog hinaus bis zur Anlage eines Bandrepertoriums. Als dann aber mit fortschreitendem Kriege die deutschen Städte mehr und mehr zu Angriffsobjekten wurden, mußte jegliche Archivarbeit zum Erliegen kommen. Die Sicherung der Archivalien wurde die wichtigste Aufgabe der Stunde. Schon 1943 begannen die Auslagerungen in die bombensicheren Tresore der Polizei und der Sparkasse, denen die Überführung weiterer Archivalien in das etwa 20 km von Nordhausen entfernte Dorf Werningerode folgte.
Auf Dr. Silberborths Empfehlung hin wurde zum 1. April 1939 der em. Gymnasialprofessor Christian Oelmann als Stadtarchivar berufen. Um die gleiche Zeit gelang es den Bemühungen des damaligen Verwaltungsdirektors Bruno Ernst, der die Wichtigkeit eines exakt arbeitenden „Verwaltungsarchivs“ wohl erkannt hatte, einen Fachmann des Staatsarchivs in Halle für die Betreuung des Nordhäuser Archivs zu verpflichten. Unter dessen Anleitung und in engem Kontakt mit dem Archiv der von altersher befreundeten Stadt Mühlhausen, die bereits seit der Jahrhundertwende einen hauptamtlichen Berufsarchivar hatte, nahm Prof. Oelmann die Neuordnung und Gesamtrepertorisierung der Aktenbestände in Angriff. Diese umfangreiche und mühevolle Arbeit, bei der ihn nur eine junge weibliche Hilfskraft unterstützte, gedieh über den Zettelkatalog hinaus bis zur Anlage eines Bandrepertoriums. Als dann aber mit fortschreitendem Kriege die deutschen Städte mehr und mehr zu Angriffsobjekten wurden, mußte jegliche Archivarbeit zum Erliegen kommen. Die Sicherung der Archivalien wurde die wichtigste Aufgabe der Stunde. Schon 1943 begannen die Auslagerungen in die bombensicheren Tresore der Polizei und der Sparkasse, denen die Überführung weiterer Archivalien in das etwa 20 km von Nordhausen entfernte Dorf Werningerode folgte.
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Mit der Vernichtung der Stadt Nordhausen und mit dem durch den Krieg beschleunigten Untergang der alten Ordnung war abermals eine Epoche in der Geschichte unseres Archivs zu Ende gegangen. Versuchen wir, das Fazit dieser rund 140 Jahre zu ziehen.
Mit der Vernichtung der Stadt Nordhausen und mit dem durch den Krieg beschleunigten Untergang der alten Ordnung war abermals eine Epoche in der Geschichte unseres Archivs zu Ende gegangen. Versuchen wir, das Fazit dieser rund 140 Jahre zu ziehen.


[[Datei:Hermann Heineck Nordhausen.JPG|thumb|200px|Hermann Heineck (1860–1930)]]
[[Datei:Hermann Heineck Nordhausen.JPG|thumb|Hermann Heineck (1860–1930)]]


Charakteristisch für den Zeitabschnitt der Zugehörigkeit Nordhausens zu Preußen — ungeachtet aller politischen Nuancierung durch Franzosenherrschaft, Weimarer Republik oder Drittes Reich — dürfte die Bewertung des Archivs als eines historisch-wissenschaftlichen Instituts gewesen sein. Das schloß nicht aus, daß dieses Archiv gelegentlich auch einmal der Stadt einen höchst realen Nutzen aus einer dem allgemeinen Gedächtnis entschwundenen Waldgerechtsame einbrachte. Grundsätzlich betrachtete aber der Magistrat das Archiv nicht mehr, wie in der reichsfreien Zeit, als wesentlichen Bestandteil seines Verwaltungsorganismus, sondern befolgte nur schleppend die von der preußischen Regierung durch ihre Staatsarchive gegebenen Direktiven.
Charakteristisch für den Zeitabschnitt der Zugehörigkeit Nordhausens zu Preußen — ungeachtet aller politischen Nuancierung durch Franzosenherrschaft, Weimarer Republik oder Drittes Reich — dürfte die Bewertung des Archivs als eines historisch-wissenschaftlichen Instituts gewesen sein. Das schloß nicht aus, daß dieses Archiv gelegentlich auch einmal der Stadt einen höchst realen Nutzen aus einer dem allgemeinen Gedächtnis entschwundenen Waldgerechtsame einbrachte. Grundsätzlich betrachtete aber der Magistrat das Archiv nicht mehr, wie in der reichsfreien Zeit, als wesentlichen Bestandteil seines Verwaltungsorganismus, sondern befolgte nur schleppend die von der preußischen Regierung durch ihre Staatsarchive gegebenen Direktiven.
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Aber auch der Staat ließ es bei allgemeinen Anweisungen für das Stadtarchiv im Hinblick auf die in ihm vorhandenen Quellen zur vaterländischen Geschichte bewenden, ohne sich um ihre Ausführung, geschweige denn um die Mittel und die Menschen zu ihrer Ausführung zu kümmern. Infolgedessen glaubte die Stadt, ihrer Pflicht nachgekommen zu sein, wenn sie einen historisch interessierten Mitbürger mit der Verwaltung beauftragte. Ob dieser Mann sich um die Ordnung und Entwicklung des Archivs bemühte oder nur seinem wissenschaftlichen Ehrgeiz frönte, war für die Obrigkeit und die Öffentlichkeit ohne Belang.
Aber auch der Staat ließ es bei allgemeinen Anweisungen für das Stadtarchiv im Hinblick auf die in ihm vorhandenen Quellen zur vaterländischen Geschichte bewenden, ohne sich um ihre Ausführung, geschweige denn um die Mittel und die Menschen zu ihrer Ausführung zu kümmern. Infolgedessen glaubte die Stadt, ihrer Pflicht nachgekommen zu sein, wenn sie einen historisch interessierten Mitbürger mit der Verwaltung beauftragte. Ob dieser Mann sich um die Ordnung und Entwicklung des Archivs bemühte oder nur seinem wissenschaftlichen Ehrgeiz frönte, war für die Obrigkeit und die Öffentlichkeit ohne Belang.


[[Datei:Hans Silberborth Nordhausen.jpg|thumb|200px|Hans Silberborth (1887–1949)]]
[[Datei:Hans Silberborth Nordhausen.jpg|thumb|Hans Silberborth (1887–1949)]]


Trotz wiederholter Hinweise von Sachverständigen, denen man wohl ein maßgebliches Urteil über die Bedeutung der Nordhäuser Archivalien hätte Zutrauen können, trotz der guten Beispiele benachbarter und befreundeter Städte ist es hier nicht zur Anstellung eines hauptberuflichen Archivars gekommen.
Trotz wiederholter Hinweise von Sachverständigen, denen man wohl ein maßgebliches Urteil über die Bedeutung der Nordhäuser Archivalien hätte Zutrauen können, trotz der guten Beispiele benachbarter und befreundeter Städte ist es hier nicht zur Anstellung eines hauptberuflichen Archivars gekommen.
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Zunächst wurden die ausgelagerten Archivalien aus der Stadt zusammengeholt und im Keller des Meyenburg-Museums gestapelt. Da die revolutionäre Erregung sich nicht nur gegen alle Reminiszenen des Nazismus, sondern allgemein gegen alle Dokumente „früherer Zelten“ wandte, bedurfte es besonderer Umsicht und Energie, um die Archivbestände vor dem Schicksal zu bewahren, das manchem kleinen Gemeinde- oder herrschaftlichen Gutsarchiv zuteil geworden ist. Zu eigener Sicherheit erwirkte der Archivar im Oktober 1945 einen Bescheid des Kreisschulamtes, daß selbstverständlich auch nazistisches Schriftgut zur Dokumentation der Ortsgeschichte im Stadtarchiv erhalten werden müsse. Im Juni 1946 war die Rückführung auch der Archivalien aus Werningerode beendet. In Ermangelung anderer Räumlichkeiten wurde das gesamte gerettete Archivgut in zwei Kammern im Dachgeschoß des Museums untergebracht, die inzwischen mit Regalen ausgestattet worden waren. Dieses provisorische Domizil war weder heizbar, noch als feuer- oder einbruchssicher anzusehen. Dennoch ist auch hier tüchtige Arbeit geleistet worden.
Zunächst wurden die ausgelagerten Archivalien aus der Stadt zusammengeholt und im Keller des Meyenburg-Museums gestapelt. Da die revolutionäre Erregung sich nicht nur gegen alle Reminiszenen des Nazismus, sondern allgemein gegen alle Dokumente „früherer Zelten“ wandte, bedurfte es besonderer Umsicht und Energie, um die Archivbestände vor dem Schicksal zu bewahren, das manchem kleinen Gemeinde- oder herrschaftlichen Gutsarchiv zuteil geworden ist. Zu eigener Sicherheit erwirkte der Archivar im Oktober 1945 einen Bescheid des Kreisschulamtes, daß selbstverständlich auch nazistisches Schriftgut zur Dokumentation der Ortsgeschichte im Stadtarchiv erhalten werden müsse. Im Juni 1946 war die Rückführung auch der Archivalien aus Werningerode beendet. In Ermangelung anderer Räumlichkeiten wurde das gesamte gerettete Archivgut in zwei Kammern im Dachgeschoß des Museums untergebracht, die inzwischen mit Regalen ausgestattet worden waren. Dieses provisorische Domizil war weder heizbar, noch als feuer- oder einbruchssicher anzusehen. Dennoch ist auch hier tüchtige Arbeit geleistet worden.


Mit der Sichtung und Neuordnung wurde der ehemalige Studienrat Dr. Hermann Engelhardt beauftragt, der sich dieser mühsamen Aufgabe »mit größter Gewissenhaftigkeit und bedeutendem Verständnis für archivalische Zwecke unterzog. Die Nachprüfung der Urkunden anhand der Heineckschen Regestenbände ergab nur einen minimalen Abgang (etwa 1 Dtzd.), dagegen stellten sich bei Vergleichung der Aktenbestände mit Heinecks Findbüchern (Prof. Oelmanns Repertorium war verbrannt) sehr erhebliche Verluste heraus. Ganz ungeheuerlich aber hatte die Kriegsfurie unter den Amtsbüchern und den sonstigen gebundenen Handschriften, Innungsakten und Chroniken gewütet. Von den rund 580 Nummern dieser Abteilung waren ganze 77 erhalten geblieben, darunter allerdings die ältesten Nordhäuser Statuten (1300—1470), das Mühlhäuser Rechtsbuch (13. Jahrh.), die beiden „libri privilegiorum“ samt den „albis civium“ von 1312, das „Rauhe Buch“ von 1352, der „liber feodalis et censuum perpetuorum ecclesie S. Crucis“ (1330), die 12 Bände Frommannscher „Collectanea“ und einiges andere mehr.
Mit der Sichtung und Neuordnung wurde der ehemalige Studienrat Dr. Hermann Engelhardt beauftragt, der sich dieser mühsamen Aufgabe »mit größter Gewissenhaftigkeit und bedeutendem Verständnis für archiva-lische Zwecke unterzog. Die Nachprüfung der Urkunden anhand der Hei-neckschen Regestenbände ergab nur einen minimalen Abgang (etwa 1 Dtzd.), dagegen stellten sich bei Vergleichung der Aktenbestände mit Heinecks Findbüchern (Prof. Oelmanns Repertorium war verbrannt) sehr erhebliche Verluste heraus. Ganz ungeheuerlich aber hatte die Kriegsfurie unter den Amtsbüchern und den sonstigen gebundenen Handschriften, Innungsakten und Chroniken gewütet. Von den rund 580 Nummern dieser Abteilung waren ganze 77 erhalten geblieben, darunter allerdings die ältesten Nordhäuser Statuten (1300—1470), das Mühlhäuser Rechtsbuch (13. Jahrh.), die beiden „libri privilegiorum“ samt den „albis civium“ von 1312, das „Rauhe Buch“ von 1352, der „liber feodalis et censuum perpetuorum ecclesie S. Crucis“ (1330), die 12 Bände Frommannscher „Collectanea“ und einiges andere mehr.


Auch den bescheidenen Resten der einst stattlichen Archivbücherei hat Dr. Engelhardt eine vorläufige Ordnung gegeben. Sein Hauptverdienst lag aber in der Anfertigung einer Kartei, die chronologisch das gesamte Material an Urkunden und Akten von 1158—1802 umfaßt und als hervorragendes Mittel zu Erhebungen und Forschungen über die reichsfreie Zeit angesehen werden muß. Mitte September 1947 gab Engelhardt seine Aushilfetätigkeit am Stadtarchiv auf, um eine Stelle als Studienrat in Württemberg zu übernehmen.
Auch den bescheidenen Resten der einst stattlichen Archivbücherei hat Dr. Engelhardt eine vorläufige Ordnung gegeben. Sein Hauptverdienst lag aber in der Anfertigung einer Kartei, die chronologisch das gesamte Material an Urkunden und Akten von 1158—1802 umfaßt und als hervorragendes Mittel zu Erhebungen und Forschungen über die reichsfreie Zeit angesehen werden muß. Mitte September 1947 gab Engelhardt seine Aushilfetätigkeit am Stadtarchiv auf, um eine Stelle als Studienrat in Württemberg zu übernehmen.


Inzwischen hatte sich Stadtrat Dr. Siberborth trotz anhaltender körperlicher Leiden neben seinen mannigfachen kommunalen Ämtern und Aufgaben vor allem dem Aufbau des Museums gewidmet. Für das Archiv wirkte er vornehmlich nach außen hin. Die politische Eingliederung Nordhausens in das Land Thüringen und damit die Frage des Überganges der Archivaufsicht von Magdeburg nach Weimar bereiteten ihm, dem geborenen Magdeburger, neben historisch-sachlichen Bedenken rein gefühlsmäßige Kümmernisse. Die von ihm angestrebte Klärung der Zustähdigkeitsverhältnisse hat er nicht mehr erlebt. Gleichwohl war er bis zu seinem Ende unablässig darauf bedacht, die Ergebnisse seiner langjährigen Forschungen zur Stadtgeschichte zu publizieren. Hier handelte es sich zuletzt um eine Darstellung der Verschiebungen in der gesellschaftlichen Struktur der Nordhäuser Bevölkerung während, des Mittelalters, die unter dem Titel „Ministerialität und Bürgertum in der Reichsstadt Nordhausen“ in der Harzzeitschrift 1950 (zur Hälfte) erschienen ist. Eine Fortsetzung des Themas zu den beruflichen und, gesellschaftlichen Umschichtungen im 15. und 16. Jahrhundert, ja selbst des 17. und 18. Jahrhunderts, für die Ingenieur Paul Henze in Nordhausen in jahrelanger Arbeit die archivalischen Unterlagen zusammengetragen hatte, machte Silberborths Hinscheiden am 9. Oktober 1949 zunichte.
Inzwischen hatte sich Stadtrat Dr. Siberborth trotz anhaltender körperlicher Leiden neben seinen mannigfachen kommunalen Ämtern und Aufgaben vor allem dem Aufbau des Museums gewidmet. Für das Archiv wirkte er vornehmlich nach außen hin. Die politische Eingliederung Nordhausens in das Land Thüringen und damit die Frage des Überganges der Archivaufsicht von Magdeburg nach Weimar bereiteten ihm, dem geborenen Magdeburger, neben historisch-sachlichen Bedenken rein gefühlsmäßige Kümmernisse. Die von ihm angestrebte Klärung der Zustähdig-keitsverhältnisse hat er nicht mehr erlebt. Gleichwohl war er bis zu seinem Ende unablässig darauf bedacht, die Ergebnisse seiner langjährigen Forschungen zur Stadtgeschichte zu publizieren. Hier handelte es sich zuletzt um eine Darstellung der Verschiebungen in der gesellschaftlichen Struktur der Nordhäuser Bevölkerung während, des Mittelalters, die unter dem Titel „Ministerialität und Bürgertum in der Reichsstadt Nordhausen“ in der Harzzeitschrift 1950 (zur Hälfte) erschienen ist. Eine Fortsetzung des Themas zu den beruflichen und, gesellschaftlichen Umschichtungen im 15. und 16. Jahrhundert, ja selbst des 17. und 18. Jahrhunderts, für die Ingenieur Paul Henze in Nordhausen in jahrelanger Arbeit die archivali-schen Unterlagen zusammengetragen hatte, machte Silberborths Hinscheiden am 9. Oktober 1949 zunichte.


Mit der Fortführung der seit Engelhardts Ausscheiden fast zum Stillstand gekommenen Archivarbeit wurde auf Vorschlag des Leiters der allgemeinen Abteilung (vordem Verwaltungsdirektor), Bruno Ernst, der Verfasser dieser Abhandlung betraut. Da die Neubesetzung des Archivs (15. November 1949) fast gleichzeitig mit der gesetzgeberischen Reorganisation des Archivwesens in der Deutschen Demokratischen Republik erfolgte, konnte weder für den neuen Archivar noch für die Stadtverwaltung ein Zweifel über die Bedeutung, die Zwecke und Methoden eines fortschrittlichen Stadtarchivs bestehen.
Mit der Fortführung der seit Engelhardts Ausscheiden fast zum Stillstand gekommenen Archivarbeit wurde auf Vorschlag des Leiters der allgemeinen Abteilung (vordem Verwaltungsdirektor), Bruno Ernst, der Verfasser dieser Abhandlung betraut. Da die Neubesetzung des Archivs (15. November 1949) fast gleichzeitig mit der gesetzgeberischen Reorganisation des Archivwesens in der Deutschen Demokratischen Republik erfolgte, konnte weder für den neuen Archivar noch für die Stadtverwaltung ein Zweifel über die Bedeutung, die Zwecke und Methoden eines fortschrittlichen Stadtarchivs bestehen.


Waren allerdings die Richtlinien in der „Anordnung über die Aufbewahrung im Geschäftsverkehr nicht mehr benötigter Schriftstücke und Akten“ vom 28. Dezember 1949, in der „Verordnung über das Archivwesen in der DDR“ vom 13. Juli 1950 und in den beiden Anordnungen vom 26. Februar 1951 „zur Errichtung von Verwaltungsarchiven“ und „zur Errichtung von Stadt- und Kreisarchiven“ gegeben, so konnte ihre Verwirklichung erst in Angriff genommen werden, nachdem die Stelle des städtischen Archivars im Februar 1952 in eine hauptamtliche umgewandelt worden war.
Waren allerdings die Richtlinien in der „Anordnung über die Aufbewahrung im Geschäftsverkehr nicht mehr benötigter Schriftstücke und Akten“ vom 28. Dezember 1949, in der „Verordnung über das Archivwesen in der DDR“ vom 13. Juli 1950 und in den beiden Anordnungen vom 26. Februar 1951 „zur Errichtung von Verwaltungsarchiven“ und „zur Errichtung von Stadt- und Kreisarchiven“ gegeben, so konnte ihre Verwirklichung erst in Angriff- genommen werden, nachdem die Stelle des städtischen Archivars im Februar 1952 in eine hauptamtliche umgewandelt worden war.


Ausschlaggebend war schließlich die Übersiedlung des Archivs aus den beiden Bodenkammern des Museums in zunächst drei Zimmer des aus Ruinen neu erstandenen Alten Rathauses am 15. September 1952. Hier, inmitten einer lebendigen Verwaltung, entwickelte das Archiv in verständnisvoller Zusammenarbeit mit den übrigen Dienststellen seine eigene Aktivität.
Ausschlaggebend war schließlich die Übersiedlung des Archivs aus den beiden Bodenkammern des Museums in zunächst drei Zimmer des aus Ruinen neu erstandenen Alten Rathauses am 15. September 1952. Hier, inmitten einer lebendigen Verwaltung, entwickelte das Archiv in verständnisvoller Zusammenarbeit mit den übrigen Dienststellen seine eigene Aktivität.


Es wäre verfehlt, im Rahmen dieser historischen Darstellung des Stadtarchivs etwa über seine gegenwärtigen Aufgaben und deren Bewältigung u berichten oder gar Pläne, Hoffnungen und Wünsche für die Zukunft zu äußern. Einem zusammenfassenden Gedanken soll aber noch Raum gegeben werden, der auch den Zweck dieser Schrift bestimmte.
Es wäre verfehlt, im Rahmen dieser historischen Darstellung des Stadt-ar ivs etwa über seine gegenwärtigen Aufgaben und deren Bewältigung u berichten oder gar Pläne, Hoffnungen und Wünsche für die Zukunft zu äußern. Einem zusammenfassenden Gedanken soll aber noch Raum gegeben werden, der auch den Zweck dieser Schrift bestimmte.


Auf dem ersten Kongreß der Archivare der DDR in Weimar (28. bis 30. Mai 1952) sagte der Leiter der Hauptabteilung Archivwesen im Ministerium des Innern der Regierung der DDR, Dr. Otto Korfes:
Auf dem ersten Kongreß der Archivare der DDR in Weimar (28. bis 30. Mai 1952) sagte der Leiter der Hauptabteilung Archivwesen im Ministerium des Innern der Regierung der DDR, Dr. Otto Korfes:


:„Die Archive üben nicht allein eine Funktion der Verwaltung aus, sie sind eine Unterstützung der Rechtsprechung und der Entscheidung in Rechtsstreitigkeiten, sie üben auch nicht allein eine archivalisch-technische Tätigkeit aus, noch allein eine wissenschaftlich-forschende. Insgesamt aber macht es gerade ihre Eigenart aus, daß sie alle diese Funktionen zugleich erfüllen. Sie sind mit wissenschaftlichen Methoden arbeitende Verwaltungen und jenseits der Verwaltung unmittelbar der historischen Forschung dienende wissenschaftliche Institute. Nicht als wissenschaftliches Institut können sie die Vernichtung von Akten verhindern, sondern als Teil der Verwaltung. Nicht als Teil der Verwaltung können sie wissenschaftliche historische Forschungen anstellen und Quellen für die Wissenschaft erschließen, sondern nur als wissenschaftliche Institutionen4.
:„Die Archive üben nicht allein eine Funktion der Verwaltung aus, sie sind eine Unterstützung der Rechtsprechung und der Entscheidung in Rechtsstreitigkeiten, sie üben auch nicht allein eine archivalisch-tech-nisehe Tätigkeit aus, noch allein eine wissenschaftlich-forschende. Insgesamt aber macht es gerade ihre Eigenart aus, daß sie alle diese Funktionen zugleich erfüllen. Sie sind mit wissenschaftlichen Methoden arbeitende Verwaltungen und jenseits der Verwaltung unmittelbar der historischen Forschung dienende wissenschaftliche Institute. Nicht als wissenschaftliches Institut können sie die Vernichtung von Akten verhindern, sondern als Teil der Verwaltung. Nicht als Teil der Verwaltung können sie wissenschaftliche historische Forschungen anstellen und Quellen für die Wissenschaft erschließen, sondern nur als wissenschaftliche Institutionen4.


Es bedarf keiner besonderen Betonung und geht zur Genüge aus dem Wortlaut der ergangenen Verordnungen und Anordnungen hervor, daß diese vielseitige Aufgabenstellung ein städtisches Archiv genau so verpflichtet wie ein staatliches. Es dürfte aber aus dem 2. Abschnitt dieser Abhandlung deutlich geworden sein, wie sehr in vergangener Zeit in unserem Archiv die wissenschaftliche Seite zum Nachteil der verwaltungsmäßigen Belange bevorzugt worden ist. Wenn also jetzt die Verwaltungsfunktion des Stadtarchivs heller beleuchtet wurde, so nicht nur um der Gerechtigkeit willen. Dadurch, daß das Stadtarchiv aus seiner Isolierung herausgenommen und als Dienststelle der inneren Verwaltung eingegliedert und dem Bürgermeister direkt unterstellt worden ist, hat es neue Bedeutung als Ordnungsfaktor gewonnen, neue Bedeutung als „Arsenal“ und als „Gedächtnis“ der Verwaltung, in dem Klugheit und Torheit, das Kommen und Gehen unserer Vorgänger und dereinst auch unsere eigenen Taten und. Unterlassungen sachlich nebeneinander zu finden sind.
Es bedarf keiner besonderen Betonung und geht zur Genüge aus dem Wortlaut der ergangenen Verordnungen und Anordnungen hervor, daß diese vielseitige Aufgabenstellung ein städtisches Archiv genau so verpflichtet wie ein staatliches. Es dürfte aber aus dem 2. Abschnitt dieser Abhandlung deutlich geworden sein, wie sehr in vergangener Zeit in unserem Archiv die wissenschaftliche Seite zum Nachteil der verwaltungsmäßigen Belange bevorzugt worden ist. Wenn also jetzt die Verwaltungsfunktion des Stadtarchivs heller beleuchtet wurde, so nicht nur um der Gerechtigkeit willen. Dadurch, daß das Stadtarchiv aus seiner Isolierung herausgenommen und als Dienststelle der inneren Verwaltung eingegliedert und dem Bürgermeister direkt unterstellt worden ist, hat es neue Bedeutung als Ordnungsfaktor gewonnen, neue Bedeutung als „Arsenal“ und als „Gedächtnis“ der Verwaltung, in dem Klugheit und Torheit, das Kommen und Gehen unserer Vorgänger und dereinst auch unsere eigenen Taten und. Unterlassungen sachlich nebeneinander zu finden sind.
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