Bearbeiten von „Friedrich August Wolf (1759–1824)

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Anfangs April 1777 bezog der jugendliche Studiosus, vom Rate in Nordhausen mit „guten Stipendien“ ausgestattet, die alma mater in Göttingen. Noch schlimmer als bei Heyne erging es ihm da aber bei dem Prorektor der Universität, dem berühmten Arzte Baidinger, als er von ihm verlangte, als Philologiae Studiosus eingeschrieben zu werden. Sich vor Lachen schüttelnd, meinte Seine Magnifizenz: Medicinae studiosos gebe es wohl, auch iuris und theologiae, ja selbst philosophiae. Aber ein Student der Philologie sei ihm in praxi noch nicht vorgekommen. Des Jünglings Beharrlichkeit siegte indessen über alle formalen Bedenken: Philologiae Studiosus — so lautet des jungen Friedrich August Wolf Matrikel vom 8. April 1777. Und dieses Datum bezeichnet zugleich den Geburtstag der Philologie überhaupt, denn damit wurde ihr als einem freien Studium, das seinen Zweck und seine Berechtigung in sich selbst trage, der prägnanteste und kühnste Ausdruck gegeben. So zog der „auf eignen Grund und Boden gegründete Mann“ hinaus in das Leben, dessen stürmische Wogen auch sein Lebenschifflein hart umspülen sollten.
Anfangs April 1777 bezog der jugendliche Studiosus, vom Rate in Nordhausen mit „guten Stipendien“ ausgestattet, die alma mater in Göttingen. Noch schlimmer als bei Heyne erging es ihm da aber bei dem Prorektor der Universität, dem berühmten Arzte Baidinger, als er von ihm verlangte, als Philologiae Studiosus eingeschrieben zu werden. Sich vor Lachen schüttelnd, meinte Seine Magnifizenz: Medicinae studiosos gebe es wohl, auch iuris und theologiae, ja selbst philosophiae. Aber ein Student der Philologie sei ihm in praxi noch nicht vorgekommen. Des Jünglings Beharrlichkeit siegte indessen über alle formalen Bedenken: Philologiae Studiosus — so lautet des jungen Friedrich August Wolf Matrikel vom 8. April 1777. Und dieses Datum bezeichnet zugleich den Geburtstag der Philologie überhaupt, denn damit wurde ihr als einem freien Studium, das seinen Zweck und seine Berechtigung in sich selbst trage, der prägnanteste und kühnste Ausdruck gegeben. So zog der „auf eignen Grund und Boden gegründete Mann“ hinaus in das Leben, dessen stürmische Wogen auch sein Lebenschifflein hart umspülen sollten.


In seinen Studien blieb Wolf im allgemeinen Autodidakt: in den kostbaren Bücherschätzen der Universitätsbibliothek und in der reich ausgestatteten Privatbibliothek des Professors Lüder Kulenkamp fand sein umfassender vorwärtsstrebender Geist beste Nahrung. Der Besuch der Vorlesungen in den ersten 14 Tagen diente ihm nur zur Kenntnis der Quellen und Hülfsmittel seiner Disziplin. Aber auch außerhalb seines eigentlichen Studienfaches hörte er zahlreiche Vorlesungen, in denen ihn entweder Gelehrsamkeit oder Geist der Untersuchung anzogen. Infolge seines Interesses an der Kritik des Alten Testamentes bei Professor Michaelis wurde er mit einem Privatdozenten im orientalisch-philologischen Fache, Joh. Ohr. Wilhelm Diederichs aus Pyrmont, und einem Juristen, Heinrich Meurer aus den Nassau-Weilburgischen Landen freundschaftlich zusammengeführt. Seine Teilnahme an einem geselligen Abendzirkel brachte ihn ferner näher hervorragenden Persönlichkeiten wie Kästner, Lichtenberg und Kulenkamp. Dagegen wollte sich mit dem eigentlichen Fachvertreter, mit Professor Heyne, kein inneres Verhältnis anbahnen, ja Heyne war gerade ihm, der gleich einem Prometheus die Fackel der neuen Wissenschaft leuchtend in die Lande tragen sollte, in tiefstem Grunde abgeneigt. In seinem vierten Briefe an Heyne zieht Wolf selbst die Summe seiner Versuche, sich Heyne zu nähern: „... Genug, jene rauhe Begegnung (Ausschluß von einer Pindarvorlesung) war die vornehmste Ursache, warum ich das fernere Melden und Hören gänzlich aufgab, mich auf meine vorherige Studienart einschränkte und nicht einmal eine Stelle in dem philologischen Seminarium suchte, so ungern ich sie in ökonomischer Rücksicht entbehrte.“ Sein sich immer erweiternder Privatunterricht, in dem er Studentenn nicht nur lateinischen, griechischen und englischen Unterricht erteilte, sondern ihnen auch den Xenophon, Demosthenes und andere Schriftsteller erklärte, hatte bereits in den Professorenkreisen eine gewisse Sensation erregt, als ihm wider alles Erwarten ohne akademischen Grad, ohne Examen, ja ohne Mitglied des philologischen Seminars gewesen zu sein, von Heyne (vielleicht nach dem bekannten Rezepte des Promoveatur, ut amoveatur) eine Kollaboratorstelle am Kgl. Pädagogium in Ilfeld, dessen Kommissar Heyne war, und zugleich vom Professor der Theologie Joh. Peter Miller eine Hauslehrerstelle bei einem Wiener Reichshofrate angeboten wurden. Wolf entschied sich für Ilfeld und reichte Heyne als Beweis seiner Gelehrsamkeit eine Abhandlung unter dem Titel „Ketzereien über Homer“ ein. Da offenbar Heyne von dieser Leistung nicht sonderlich erbaut war, so sollte Wolf vor dem Ilfelder Rektor Carl Friedrich Meisner und den beiden älteren Lehrern eine Probelektion halten. Interessant ist Heynes Schreiben (30. August 1779) an Meisner: „… Der Mensch hat Fähigkeiten, aber sein Wesen gefällt mir nicht; jedoch darf das hier nicht entscheiden… . Ew. Hochedelgeboren ersuche ich, ihn nach aller Strenge zu prüfen und besonders darauf zu achten, wie weit Sie sich seiner Gelehrigkeit und Folgsamkeit versichert halten können.“ Bald darauf (8. September 1779) hielt Wolf in Ilfeld seine Probelektion, deren Themata er „auf ganz eigentümliche Weise“ behandelte. Noch am gleichen Tage berichtete Rektor Meisner an Heyne über seinen Eindruck dieser Lektion (Ovid. Met. H. 761—800 und Aelian V. H. XIV 24): „ … ich traue ihm alle Geschicklichkeit und Tüchtigkeit im wissenschaftlichen Vortrage zu, ein sehr guter Collaborator zu werden, wenn er will. Er scheint freilich etwas eine gute Meinung von sich zu haben, und da sie nicht ungegründet ist, so nehme ich ihm das so übel nicht, wenn sie ihn in der Folge nicht zum Mißbrauch verleitet. Sonst hat mir sein Wesen viel besser gefallen, als ich nach den von ihm aus seiner Vaterstadt erhaltenen Beschreibungen vermuten konnte. Bei der hiesigen Jugend, merke ich, hat er schon einiges Zutrauen gewonnen, und das ist zugleich Gewinnst an Ansehen, um auch den Teil seiner Pflichten, die die Disziplin betreffen, ohne viel Mühe und erziehungsmäßig erfüllen zu können …“
In seinen Studien blieb Wolf im allgemeinen Autodidakt: in den kostbaren Bücherschätzen der Universitätsbibliothek und in der reich ausgestatteten Privatbibliothek des Professors Lüder Kulenkamp fand sein umfassender vorwärtsstrebender Geist beste Nahrung. Der Besuch der Vorlesungen in den ersten 14 Tagen diente ihm nur zur Kenntnis der Quellen und Hülfsmittel seiner Disziplin. Aber auch außerhalb seines eigentlichen Studienfaches hörte er zahlreiche Vorlesungen, in denen ihn entweder Gelehrsamkeit oder Geist der Untersuchung anzogen. Infolge seines Interesses an der Kritik des Alten Testamentes bei Professor Michaelis wurde er mit einem Privatdozenten im orientalisch-philologischen Fache, Joh. Ohr. Wilhelm Diederichs aus Pyrmont, und einem Juristen, Heinrich Meurer aus den Nassau-Weilburgischen Landen freundschaftlich zusammengeführt. Seine Teilnahme an einem geselligen Abendzirkel brachte ihn ferner näher hervorragenden Persönlichkeiten wie Kästner, Lichtenberg und Kulenkamp. Dagegen wollte sich mit dem eigentlichen Fachvertreter, mit Professor Heyne, kein inneres Verhältnis anbahnen, ja Heyne war gerade ihm, der gleich einem Prometheus die Fackel der neuen Wissenschaft leuchtend in die Lande tragen sollte, in tiefstem Grunde abgeneigt. In seinem vierten Briefe an Heyne zieht Wolf selbst die Summe seiner Versuche, sich Heyne zu nähern: „... Genug, jene rauhe Begegnung (Ausschluß von einer Pindarvorlesung) war die vornehmste Ursache, warum ich das fernere Melden und Hören gänzlich aufgab, mich auf meine vorherige Studienart einschränkte und nicht einmal eine Stelle in dem philologischen Seminarium suchte, so ungern ich sie in ökonomischer Rücksicht entbehrte.“ Sein sich immer erweiternder Privatunterricht, in dem er Studierenden nicht nur lateinischen, griechischen und englischen Unterricht erteilte, sondern ihnen auch den Xenophon, Demosthenes und andere Schriftsteller erklärte, hatte bereits in den Professorenkreisen eine gewisse Sensation erregt, als ihm wider alles Erwarten ohne akademischen Grad, ohne Examen, ja ohne Mitglied des philologischen Seminars gewesen zu sein, von Heyne (vielleicht nach dem bekannten Rezepte des Promoveatur, ut amoveatur) eine Kollaboratorstelle am Kgl. Pädagogium in Ilfeld, dessen Kommissar Heyne war, und zugleich vom Professor der Theologie Joh. Peter Miller eine Hauslehrerstelle bei einem Wiener Reichshofrate angeboten wurden. Wolf entschied sich für Ilfeld und reichte Heyne als Beweis seiner Gelehrsamkeit eine Abhandlung unter dem Titel „Ketzereien über Homer“ ein. Da offenbar Heyne von dieser Leistung nicht sonderlich erbaut war, so sollte Wolf vor dem Ilfelder Rektor Carl Friedrich Meisner und den beiden älteren Lehrern eine Probelektion halten. Interessant ist Heynes Schreiben (30. August 1779) an Meisner: „… Der Mensch hat Fähigkeiten, aber sein Wesen gefällt mir nicht; jedoch darf das hier nicht entscheiden… . Ew. Hochedelgeboren ersuche ich, ihn nach aller Strenge zu prüfen und besonders darauf zu achten, wie weit Sie sich seiner Gelehrigkeit und Folgsamkeit versichert halten können.“ Bald darauf (8. September 1779) hielt Wolf in Ilfeld seine Probelektion, deren Themata er „auf ganz eigentümliche Weise“ behandelte. Noch am gleichen Tage berichtete Rektor Meisner an Heyne über seinen Eindruck dieser Lektion (Ovid. Met. H. 761—800 und Aelian V. H. XIV 24): „ … ich traue ihm alle Geschicklichkeit und Tüchtigkeit im wissenschaftlichen Vortrage zu, ein sehr guter Collaborator zu werden, wenn er will. Er scheint freilich etwas eine gute Meinung von sich zu haben, und da sie nicht ungegründet ist, so nehme ich ihm das so übel nicht, wenn sie ihn in der Folge nicht zum Mißbrauch verleitet. Sonst hat mir sein Wesen viel besser gefallen, als ich nach den von ihm aus seiner Vaterstadt erhaltenen Beschreibungen vermuten konnte. Bei der hiesigen Jugend, merke ich, hat er schon einiges Zutrauen gewonnen, und das ist zugleich Gewinnst an Ansehen, um auch den Teil seiner Pflichten, die die Disziplin betreffen, ohne viel Mühe und erziehungsmäßig erfüllen zu können …“


Auf Grund des Ministerialrescripts vom 21. Oktober 1779 kam Wolf am 27. Oktober nach Ilfeld, stellte sich am nächsten Tage dem Oberamtmann Wilhelm Christian von Wuellen, dem höchsten Beamten der Grafschaft Hohenstein und zugleich Administrator des Ilfelder Stiftsfonds, vor und ward am 29. Oktober um 10 Uhr vormittags in größerem Auditorium vom Direktor Meisner durch eine Rede „von den Pflichten der Lehrer“ feierlichst in sein Amt eingeführt. Die Handhabung der Disziplin im Kloster Ilfeld war auch damals nicht leicht. Kein Wunder daher, daß Wolf bei seinem jugendlichen Alter trotz „Perrücke und Tressenkleid“ in dieser Hinsicht keinen leichten Stand hatte, doch gewann er bald die richtige Position. In den zu behandelnden Disziplinariällen legte er ruhige Besonnenheit und äußerst taktvolles Vorgehen an den Tag; auch warnte er wiederholt in besonderen Voten vor allzu strenger Anwendung der Schulgesetze. Dagegen stellte er an die wissenschaftlichen Leistungen seiner Schüler mit Recht hohe Forderungen, wie sich aus seinen Gutachten bei Versetzungen deutlich ersehen läßt. Bei den Beratungen über die Auswahl eines Primus scholae (im Januar 1778) gab er folgendes interessante Votum ab: „Der Primus, den wir zu den Absichten, die durch ihn erreicht werden sollten, wünschten, ist freilich nicht da. Denn wenn ein bei gesetztem Wesen zugeich mit Kenntnissen vorzüglich versehener Scholar gesucht werden soll, so gestehe ich wenigstens, daß ich unter dem gegenwärtigen Coetus diesen nicht finden kann.“ Und wie er selbst tüchtige Schüler gern förderte, so drang er auch darauf, daß schwächeren Zöglingen von den Lehrern privatim geholfen werde. So ließ er selbst es sich angelegen sein, die drei ihm anvertrauten Scholaren in ihren Freistunden besonders zu beschäftigen und überhaupt über ihr ganzes Studium eine genaue Aufsicht zu führen, über dessen Fortgang er seinen Kollegen in der Konferenz zu berichten pflegte. Der Direktor Meisner war freilich der Ansicht, daß Wolf von seinen Schülern zu viel verlange, auch drückte ihn wohl die geistige Ueberlegen- heit des jungen Mannes, da er auf sein Ansehen als Direktor sehr eifersüchtig war. Auch Heyne scheint mit Wolfs Behandlungsart der Schriftsteller und der Scholaren nicht immer zufrieden gewesen zu sein, doch meinte Wolf: „ich sah bloß aufwallende Hitze, bittere Laune: schlimme Absichten sah ich nicht“ und schrieb eben damals zugleich dem berühmten Meister das stolze Wort von sich: „ich wandele nur meinen eigenen Weg.“ Doch erkannte er auch rühmend an, Heyne für seine Bearbeitung von Platons Gastmahl (am 16. Januar 1782 in Ilfeld abgeschlossen) „die besten Hülfsmittel von der göttingischen Bibliothek“ zu verdanken. Seine Konzentration auf das Symposion war aber eine Folge des „Schreibens Friedrich des Großen an den Etatsminister Freiherrn von Zedlitz“, das die Verbesserung des gelehrten Schulunterrichts besonders durch eine in rhetorischer und logischer Analyse mehr auf den Inhalt der alten Autoren gerichtete Interpretationsmethode bezweckte. Dieses Schreiben des großen Königs scheint ihn auch zur deutschen Erklärung veranlaßt zu haben. In seiner Vorrede gedachte er absichtlich des „Philosophen auf dem Throne und seines erleuchteten Staatsministers“; auch fehlte es nicht an einem Komplimente gegenüber dem Berliner Direktor Gedike, vermutlich in dem geheimen Wunsche, an einer preußischen Gelehrtenschule oder Universität wirken zu können, wobei auch der Gedanke an eine Heirat mit Sophia Hüpeden, der Tochter eines seiner Pathen, des Justizamtmanns Hüpeden zu Neustadt unterm Hohnstein mitgespielt haben mag.
Auf Grund des Ministerialrescripts vom 21. Oktober 1779 kam Wolf am 27. Oktober nach Ilfeld, stellte sich am nächsten Tage dem Oberamtmann Wilhelm Christian von Wuellen, dem höchsten Beamten der Grafschaft Hohenstein und zugleich Administrator des Ilfelder Stiftsfonds, vor und ward am 29. Oktober um 10 Uhr vormittags in größerem Auditorium vom Direktor Meisner durch eine Rede „von den Pflichten der Lehrer“ feierlichst in sein Amt eingeführt. Die Handhabung der Disziplin im Kloster Ilfeld war auch damals nicht leicht. Kein Wunder daher, daß Wolf bei seinem jugendlichen Alter trotz „Perrücke und Tressenkleid“ in dieser Hinsicht keinen leichten Stand hatte, doch gewann er bald die richtige Position. In den zu behandelnden Disziplinariällen legte er ruhige Besonnenheit und äußerst taktvolles Vorgehen an den Tag; auch warnte er wiederholt in besonderen Voten vor allzu strenger Anwendung der Schulgesetze. Dagegen stellte er an die wissenschaftlichen Leistungen seiner Schüler mit Recht hohe Forderungen, wie sich aus seinen Gutachten bei Versetzungen deutlich ersehen läßt. Bei den Beratungen über die Auswahl eines Primus scholae (im Januar 1778) gab er folgendes interessante Votum ab: „Der Primus, den wir zu den Absichten, die durch ihn erreicht werden sollten, wünschten, ist freilich nicht da. Denn wenn ein bei gesetztem Wesen zugeich mit Kenntnissen vorzüglich versehener Scholar gesucht werden soll, so gestehe ich wenigstens, daß ich unter dem gegenwärtigen Coetus diesen nicht finden kann.“ Und wie er selbst tüchtige Schüler gern förderte, so drang er auch darauf, daß schwächeren Zöglingen von den Lehrern privatim geholfen werde. So ließ er selbst es sich angelegen sein, die drei ihm anvertrauten Scholaren in ihren Freistunden besonders zu beschäftigen und überhaupt über ihr ganzes Studium eine genaue Aufsicht zu führen, über dessen Fortgang er seinen Kollegen in der Konferenz zu berichten pflegte. Der Direktor Meisner war freilich der Ansicht, daß Wolf von seinen Schülern zu viel verlange, auch drückte ihn wohl die geistige Ueberlegen- heit des jungen Mannes, da er auf sein Ansehen als Direktor sehr eifersüchtig war. Auch Heyne scheint mit Wolfs Behandlungsart der Schriftsteller und der Scholaren nicht immer zufrieden gewesen zu sein, doch meinte Wolf: „ich sah bloß aufwallende Hitze, bittere Laune: schlimme Absichten sah ich nicht“ und schrieb eben damals zugleich dem berühmten Meister das stolze Wort von sich: „ich wandele nur meinen eigenen Weg.“ Doch erkannte er auch rühmend an, Heyne für seine Bearbeitung von Platons Gastmahl (am 16. Januar 1782 in Ilfeld abgeschlossen) „die besten Hülfsmittel von der göttingischen Bibliothek“ zu verdanken. Seine Konzentration auf das Symposion war aber eine Folge des „Schreibens Friedrich des Großen an den Etatsminister Freiherrn von Zedlitz“, das die Verbesserung des gelehrten Schulunterrichts besonders durch eine in rhetorischer und logischer Analyse mehr auf den Inhalt der alten Autoren gerichtete Interpretationsmethode bezweckte. Dieses Schreiben des großen Königs scheint ihn auch zur deutschen Erklärung veranlaßt zu haben. In seiner Vorrede gedachte er absichtlich des „Philosophen auf dem Throne und seines erleuchteten Staatsministers“; auch fehlte es nicht an einem Komplimente gegenüber dem Berliner Direktor Gedike, vermutlich in dem geheimen Wunsche, an einer preußischen Gelehrtenschule oder Universität wirken zu können, wobei auch der Gedanke an eine Heirat mit Sophia Hüpeden, der Tochter eines seiner Pathen, des Justizamtmanns Hüpeden zu Neustadt unterm Hohnstein mitgespielt haben mag.
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Daher betrachtete er auch als die Grundbedingung aller höheren Ausbildung den idealen Sinn, der beim Lernen und Forschen von jedem äußeren Vorteile absehe, indem er mit aller Entschiedenheit der gemeinen Denkart und dem banausichen Treiben derer entgegentrat, die in der Wissenschaft eben nichts anderes sähen, als eine tüchtige Kuh, die sie mit Butter versorge — überall nur auf das Vorteilhafte zu sehen ist ja nach Aristoteles des Freien und Edelgesinnten unwürdig. Im allgemeinen sah er in allem akademischen Unterricht „eine Anleitung, den weiteren Weg- selbst zu finden“ und ließ es sich ganz besonders angelegen sein, seinen Schülern „den Charakter seines Geistes einzuhauchen, der in andern Mischungen neuer Persönlichkeiten die Wissenschaft mannigfacher und reicher gestalten sollte.“ Deshalb studiere nur der recht, der für sich und das Leben studiere, nicht aber um der Prüfungen willen, denen er beim Eintritt in den Staatsdienst sich unterziehen müsse. In seinem Hörsaal stand nur eine einzige Büste — die Büste Lessings: alle seine Vorträge waren durchdrungen von dem Geiste einer Kritik, die bei jeder bedeutenden Frage Wahrheit oder Gewißheit von Wahrscheinlichkeit und von Möglichkeit zu unterscheiden und die Grade der beiden letztem sicher zu bestimmen suchte. Ueber den gewaltigen Eindruck seines Vortrags sind alle Stimmen einig. So bezeichnet Goethe seine Vorlesungen als „eine aus der Fülle der Kenntnis hervortretende freie Ueberlieferung, aus gründlichstem Wissen mit Freiheit, Geist und Geschmack sich über die Zuhörer verbreitende Mitteilung.“ Und sein Schwiegersohn Körte schreibt: „Nie fehlte ihm das rechte, schlagende Wort, der überraschende Ausdruck, und sein herrliches Organ gestattete ihm überall den bedeutsamsten Ton, der jeden Punkt, auf den es eben ankam, klar hervorhob.“ Dem umfassenden Bilde aber, das Föhlisch von dem Meister in seinen „Erinnerungen“ gibt, entnehme ich nur noch folgende Züge: „Wolf war ein ebenso ausgezeichneter Lehrer als Schriftsteller. Sein Vortrag war frei, in dem er nur anregte, Ideen gab und seine Schüler durch die Liebe zur Wissenschaft begeisterte, die ihn selbst erfüllte. Daher die gespannte Aufmerksamkeit seiner zahlreichen Zuhörer und ihr reger Eifer, seinem raschen Gedankengange, welcher nicht selten blitzartig auf verwandte Gegenstände übersprang, zu folgen. Ueberall empfahl er bei Inangriffnahme neuer Aufgaben ein historisch-wissenschaftliches Quellenstudium als sicherste Grundlage. Alle seine Vorträge waren gewürzt durch heitere Laune und Witz. Er besaß eine seltene Kombinationsgabe. Musterhaft war seine methodische Kunst, wissenschaftliche Ergebnisse im Geiste seiner Zuhörer zu entwickeln. Und seine Methode in der Erklärung der Schriftsteller war im allgemeinen eine historisch-kritische: aus sich selbst und ihrem Zeitalter.“ Ueber die Konjekturalkritik hat Wolf selbst sich sehr bestimmt ausgesprochen: „Wenn irgend eine Kunst von denen, die sich ihr widmen, Ernst und Besonnenheit fordert, so ist es die philologische Kritik. Weniger auf Regeln als auf das Gefühl vertrauend; weniger dem Fleiße günstig, der in jedes Macht steht, als der Divination, die niemand erzwingen kann (vgl. auch seine Anwendung eines Ausspruches von Cervantes auf die philologische Kritik und Erklärung: … Seite dixit Cejvantes de poetica arte, credo, primas quasque cogitationes scribentibus a diabolo suggeri …), scheint sie eine Geburt der Willkür, ein Spiel des Witzes, der ihr Gebiet durchschwärme, ohne zu wissen, von wannen er komme, noch wohin er wolle ...“ „Ganz eigentümlich“, so kennzeichnet C. G. Zump t Wolfs Methode, „bleibt ihm die Vollendung der Interpretationskunst, und dahin führte ihn sein ausgezeichnetes Talent, in alle schriftstellerische Individualitäten auf das schärfste einzudringen und den Stil der Autoren in die kleinsten Nüanzen zu verfolgen. Er verwandte darauf die sorgfältigste Vorbereitung; alle Ausgaben, Uebersetzungen, Lexika wurden benutzt; er war äußerst behutsam, einen Fehltritt zu tun und verlangte so auch von seinen Schülern die reiflichste Ueberlegung …“ Aber seine erfolgreichste Wirksamkeit entwickelte Wolf in dem von ihm gestifteten philologischen Seminar (15. Oktober 1787 seine Eröffnung). Und bei dem Enthusiasmus, den ei’ unter der studierenden .Jugend für das klassische Altertum erweckte, gingen aus ihm hauptsächlich diejenigen Männer hervor, die seit den neunziger Jahren an den höheren Schulen, Universitäten und Unterrichtsbehörden eines großen Teiles von Deutschland und der Schweiz tätig zu sein anfingen und jene Anerkennung des humanistischen Prinzips zu Wege brachten, die auf die Gesamtentwicklung unserer geistigen Kultur von dem erheblichsten Einfluß waren. Er selbst betrachtete ja dieses Seminar als Institut zur Aufrechterhaltung der Gelehrsamkeit und zur Bildung wie akademischer Dozenten, so besonders solcher Schulmänner, die auf den zwei oder drei obersten Klassen gelehrter Schulen unterrichten sollen. Freilich solche gelehrte und sachkundige Lehrer erhalte man nach Wolfs Ansicht so lange nicht, als die Schulmänner professionsmäßige Theologen seien. „Ich sehe daher“, erklärte er weiter, „eine nach und nach unbemerkt vorgenommene Trennung des Schulstandes vom Predigerstande für etwas in mehrerem Betrachte durchaus Notwendiges und Gemeinnütziges an.“ Aber freilich würde für einen jungen Menschen die prinzipielle Entscheidung für das Schulfach ganz ausschließlich höchst schwierig sein und deshalb könnten auch Studiosi theologiae rezipiert werden, wenn sie nur die erforderlichen philologischen Kenntnisse hätten, und nicht ausschließlich für das Predigtamt determiniert wären. Daß freilich Wolf in praxi zur Aufnahme von Theologen doch nicht geneigt war, läßt ein Vorgang deutlich erkennen, den der Studiosus Thiersch , der in Leipzig unter Hermann studierte, gelegentlich eines Besuches in Halle berichtet: „Letzthin hatte er schon die Feder in der Hand, jemanden als Mitglied des Seminars einzutragen. Aber, hielt er ein, Sie sind doch nicht im theologischen Seminar? — Ja. — Nun, sagte er, und legte die Feder hin. da können Sie nicht in das philologische Seminar treten, das geht durchaus nicht.“ Sollte dies Verhalten als Revanche gegen die Professoren der Theologie zu deuten sein, die ihren Seminaristen den Besuch des Wölfischen Seminars als gute Vorschule empfohlen hatten? Neben den wissenschaftlichen Uebungen des Seminars waren gleich anfangs auch didaktische Versuche der Mitglieder in Aussicht genommen. Diese Versuche bestanden in dreierlei: interpretieren, disputieren und unterrichten in den oberen Klassen der lateinischen Schule des Waisenhauses.
Daher betrachtete er auch als die Grundbedingung aller höheren Ausbildung den idealen Sinn, der beim Lernen und Forschen von jedem äußeren Vorteile absehe, indem er mit aller Entschiedenheit der gemeinen Denkart und dem banausichen Treiben derer entgegentrat, die in der Wissenschaft eben nichts anderes sähen, als eine tüchtige Kuh, die sie mit Butter versorge — überall nur auf das Vorteilhafte zu sehen ist ja nach Aristoteles des Freien und Edelgesinnten unwürdig. Im allgemeinen sah er in allem akademischen Unterricht „eine Anleitung, den weiteren Weg- selbst zu finden“ und ließ es sich ganz besonders angelegen sein, seinen Schülern „den Charakter seines Geistes einzuhauchen, der in andern Mischungen neuer Persönlichkeiten die Wissenschaft mannigfacher und reicher gestalten sollte.“ Deshalb studiere nur der recht, der für sich und das Leben studiere, nicht aber um der Prüfungen willen, denen er beim Eintritt in den Staatsdienst sich unterziehen müsse. In seinem Hörsaal stand nur eine einzige Büste — die Büste Lessings: alle seine Vorträge waren durchdrungen von dem Geiste einer Kritik, die bei jeder bedeutenden Frage Wahrheit oder Gewißheit von Wahrscheinlichkeit und von Möglichkeit zu unterscheiden und die Grade der beiden letztem sicher zu bestimmen suchte. Ueber den gewaltigen Eindruck seines Vortrags sind alle Stimmen einig. So bezeichnet Goethe seine Vorlesungen als „eine aus der Fülle der Kenntnis hervortretende freie Ueberlieferung, aus gründlichstem Wissen mit Freiheit, Geist und Geschmack sich über die Zuhörer verbreitende Mitteilung.“ Und sein Schwiegersohn Körte schreibt: „Nie fehlte ihm das rechte, schlagende Wort, der überraschende Ausdruck, und sein herrliches Organ gestattete ihm überall den bedeutsamsten Ton, der jeden Punkt, auf den es eben ankam, klar hervorhob.“ Dem umfassenden Bilde aber, das Föhlisch von dem Meister in seinen „Erinnerungen“ gibt, entnehme ich nur noch folgende Züge: „Wolf war ein ebenso ausgezeichneter Lehrer als Schriftsteller. Sein Vortrag war frei, in dem er nur anregte, Ideen gab und seine Schüler durch die Liebe zur Wissenschaft begeisterte, die ihn selbst erfüllte. Daher die gespannte Aufmerksamkeit seiner zahlreichen Zuhörer und ihr reger Eifer, seinem raschen Gedankengange, welcher nicht selten blitzartig auf verwandte Gegenstände übersprang, zu folgen. Ueberall empfahl er bei Inangriffnahme neuer Aufgaben ein historisch-wissenschaftliches Quellenstudium als sicherste Grundlage. Alle seine Vorträge waren gewürzt durch heitere Laune und Witz. Er besaß eine seltene Kombinationsgabe. Musterhaft war seine methodische Kunst, wissenschaftliche Ergebnisse im Geiste seiner Zuhörer zu entwickeln. Und seine Methode in der Erklärung der Schriftsteller war im allgemeinen eine historisch-kritische: aus sich selbst und ihrem Zeitalter.“ Ueber die Konjekturalkritik hat Wolf selbst sich sehr bestimmt ausgesprochen: „Wenn irgend eine Kunst von denen, die sich ihr widmen, Ernst und Besonnenheit fordert, so ist es die philologische Kritik. Weniger auf Regeln als auf das Gefühl vertrauend; weniger dem Fleiße günstig, der in jedes Macht steht, als der Divination, die niemand erzwingen kann (vgl. auch seine Anwendung eines Ausspruches von Cervantes auf die philologische Kritik und Erklärung: … Seite dixit Cejvantes de poetica arte, credo, primas quasque cogitationes scribentibus a diabolo suggeri …), scheint sie eine Geburt der Willkür, ein Spiel des Witzes, der ihr Gebiet durchschwärme, ohne zu wissen, von wannen er komme, noch wohin er wolle ...“ „Ganz eigentümlich“, so kennzeichnet C. G. Zump t Wolfs Methode, „bleibt ihm die Vollendung der Interpretationskunst, und dahin führte ihn sein ausgezeichnetes Talent, in alle schriftstellerische Individualitäten auf das schärfste einzudringen und den Stil der Autoren in die kleinsten Nüanzen zu verfolgen. Er verwandte darauf die sorgfältigste Vorbereitung; alle Ausgaben, Uebersetzungen, Lexika wurden benutzt; er war äußerst behutsam, einen Fehltritt zu tun und verlangte so auch von seinen Schülern die reiflichste Ueberlegung …“ Aber seine erfolgreichste Wirksamkeit entwickelte Wolf in dem von ihm gestifteten philologischen Seminar (15. Oktober 1787 seine Eröffnung). Und bei dem Enthusiasmus, den ei’ unter der studierenden .Jugend für das klassische Altertum erweckte, gingen aus ihm hauptsächlich diejenigen Männer hervor, die seit den neunziger Jahren an den höheren Schulen, Universitäten und Unterrichtsbehörden eines großen Teiles von Deutschland und der Schweiz tätig zu sein anfingen und jene Anerkennung des humanistischen Prinzips zu Wege brachten, die auf die Gesamtentwicklung unserer geistigen Kultur von dem erheblichsten Einfluß waren. Er selbst betrachtete ja dieses Seminar als Institut zur Aufrechterhaltung der Gelehrsamkeit und zur Bildung wie akademischer Dozenten, so besonders solcher Schulmänner, die auf den zwei oder drei obersten Klassen gelehrter Schulen unterrichten sollen. Freilich solche gelehrte und sachkundige Lehrer erhalte man nach Wolfs Ansicht so lange nicht, als die Schulmänner professionsmäßige Theologen seien. „Ich sehe daher“, erklärte er weiter, „eine nach und nach unbemerkt vorgenommene Trennung des Schulstandes vom Predigerstande für etwas in mehrerem Betrachte durchaus Notwendiges und Gemeinnütziges an.“ Aber freilich würde für einen jungen Menschen die prinzipielle Entscheidung für das Schulfach ganz ausschließlich höchst schwierig sein und deshalb könnten auch Studiosi theologiae rezipiert werden, wenn sie nur die erforderlichen philologischen Kenntnisse hätten, und nicht ausschließlich für das Predigtamt determiniert wären. Daß freilich Wolf in praxi zur Aufnahme von Theologen doch nicht geneigt war, läßt ein Vorgang deutlich erkennen, den der Studiosus Thiersch , der in Leipzig unter Hermann studierte, gelegentlich eines Besuches in Halle berichtet: „Letzthin hatte er schon die Feder in der Hand, jemanden als Mitglied des Seminars einzutragen. Aber, hielt er ein, Sie sind doch nicht im theologischen Seminar? — Ja. — Nun, sagte er, und legte die Feder hin. da können Sie nicht in das philologische Seminar treten, das geht durchaus nicht.“ Sollte dies Verhalten als Revanche gegen die Professoren der Theologie zu deuten sein, die ihren Seminaristen den Besuch des Wölfischen Seminars als gute Vorschule empfohlen hatten? Neben den wissenschaftlichen Uebungen des Seminars waren gleich anfangs auch didaktische Versuche der Mitglieder in Aussicht genommen. Diese Versuche bestanden in dreierlei: interpretieren, disputieren und unterrichten in den oberen Klassen der lateinischen Schule des Waisenhauses.


Der Pädagogik und Didaktik wandte damals Wolf überhaupt sein lebhaftestes Interesse zu. Seine Consilia scholastica hat er zweimal gelesen (1799 und 1801—02), die nach E. Föhlisch (1829—30) auch von Koerte im Jahre 1835 unter dem Titel herausgegeben sind: „Friedrich August Wolf über Erziehung, Schule und Universität (Consilia scholastica). Sein Enthusiasmus über den Wert der klassischen Studien für die Jugendbildung beraubt ihn nicht des gesunden Urteils über das Mögliche. In diesem Zusammenhänge möchte ich auf die höchst lesenswerte Studie von A. Baumstark (Professor der Philologie in Freiburg), Friedrich August Wolf und die Gelehrtenschule 18G4 hinweisen, weil sie Wolf als Vertreter der gesunden Vernunft gegenüber der Verstiegenheit und Maßlosigkeit späterer klassizistischer Gymnasialpädagogen gegenüberstellt. Wer nicht studieren will, soll nach Wolf auch nicht die alten Sprachen lernen. So sind denn wenigstens die beiden oberen Klassen des Gymnasiums ausschließlich für künftige Studenten. Aber nicht einmal alle Studenten bedürfen der gelehrten Sprachen. Der Theologe und Philologe muß, der Jurist und der Mediziner mag Griechisch lernen, wenn er Lust und Anlage hat. Wenn nicht, sollte man ihn nicht zwingen. Denn durch Zwang — darin Rousseau und der Pädagogik seiner Zeit zustimmend — läßt sich der Natur nichts abgewinnen. Und aller Unterricht, der nicht den individuellen Fähigkeiten und Neigungen entspricht, ist vergeblich. Die Bedingung alles wirklichen Erfolges in der Schule ist Selbsttätigkeit, umso mehr, je älter der Schüler ist. Solcher Spontaneität und Freiheit kommt unser gegenwärtiges höheres Schulwesen ja bereits in hohem Grade entgegen. Und wir heißen euch hoffen!' Wolfs Forderungen hinsichtlich des Zieles des griechischen Unterrichtes wie seine Ansichten über den Umkreis der Schullektüre sind bescheiden: sie stehen im schärfsten Gegensätze zu der Pädagogik der „großen Worte.“ Reich sind seine Bemerkungen über die Methode, in den Spuren Gesners und Heynes wandelnd. Für den Unterricht selbst gebe es zwar keine absolute Methode, vielmehr könne sie je nach den Eigentümlichkeiten der Lehrer und Schüler unendlich verschieden sein, aber jeder Lehrer müsse ein Herz für die Jugend haben und die wissenschaftliche Anregung sei und bleibe die Hauptsache. Die gute Methode kennt ja nur wenige Regeln; und die inwohnende Seele des Lehrers ist es, wie Hegel sagt, was die Wirksamkeit seines Unterrichts ausmacht. Gleich jenem Könige aus dem Morgenlande in Rückerts Parabel faßte auch Wolf sein pädagogisches Credo in den einen Satz zusammen: „Habe Geist und wisse Geist zu wecken.“ Auf den Einwurf seines einstigen Schülers, des Königsberger Fr. August Gotthold, er stimme einer solchen Pädagogik vollkommen bei, aber nur unter der Voraussetzung, daß Wolf für sämtliche Schularten solche gottbegnadeten Männer schaffe, da habe Wolf der Unterhaltung mit den Worten ein Ende gemacht: Freilich, freilich; aber für die andern gebe es ja dicke und dünne Anweisungen in Menge.
Der Pädagogik und Didaktik wandte damals Wolf überhaupt sein lebhaftestes Interesse zu. Seine Consilia scholastica hat er zweimal gelesen (1799 und 1801—02), die nach E. Föhlisch (1829—30) auch von Koerte im Jahre 1835 unter dem Titel herausgegeben sind: „Friedrich August Wolf über Erziehung, Schule und Universität (Consilia scholastica). Sein Enthusiasmus über den Wert der klassischen Studien für die Jugendbildung beraubt ihn nicht des gesunden Urteils über das Mögliche. In diesem Zusammenhänge möchte ich auf die höchst lesenswerte Studie von A. Baumstark (Professor der Philologie in Freiburg), Friedrich August Wolf und die Gelehrtenschule 18G4 hinweisen, weil sie Wolf als Vertreter der gesunden Vernunft gegenüber der Verstiegenheit und Maßlosigkeit späterer klassizistischer Gymnasialpädagogen gegenüberstellt. Wer nicht studieren will, soll nach Wolf auch nicht die alten Sprachen lernen. So sind denn wenigstens die beiden oberen Klassen des Gymnasiums ausschließlich für künftige Studierende. Aber nicht einmal alle Studierende bedürfen der gelehrten Sprachen. Der Theologe und Philologe muß, der Jurist und der Mediziner mag Griechisch lernen, wenn er Lust und Anlage hat. Wenn nicht, sollte man ihn nicht zwingen. Denn durch Zwang — darin Rousseau und der Pädagogik seiner Zeit zustimmend — läßt sich der Natur nichts abgewinnen. Und aller Unterricht, der nicht den individuellen Fähigkeiten und Neigungen entspricht, ist vergeblich. Die Bedingung alles wirklichen Erfolges in der Schule ist Selbsttätigkeit, umso mehr, je älter der Schüler ist. Solcher Spontaneität und Freiheit kommt unser gegenwärtiges höheres Schulwesen ja bereits in hohem Grade entgegen. Und wir heißen euch hoffen!' Wolfs Forderungen hinsichtlich des Zieles des griechischen Unterrichtes wie seine Ansichten über den Umkreis der Schullektüre sind bescheiden: sie stehen im schärfsten Gegensätze zu der Pädagogik der „großen Worte.“ Reich sind seine Bemerkungen über die Methode, in den Spuren Gesners und Heynes wandelnd. Für den Unterricht selbst gebe es zwar keine absolute Methode, vielmehr könne sie je nach den Eigentümlichkeiten der Lehrer und Schüler unendlich verschieden sein, aber jeder Lehrer müsse ein Herz für die Jugend haben und die wissenschaftliche Anregung sei und bleibe die Hauptsache. Die gute Methode kennt ja nur wenige Regeln; und die inwohnende Seele des Lehrers ist es, wie Hegel sagt, was die Wirksamkeit seines Unterrichts ausmacht. Gleich jenem Könige aus dem Morgenlande in Rückerts Parabel faßte auch Wolf sein pädagogisches Credo in den einen Satz zusammen: „Habe Geist und wisse Geist zu wecken.“ Auf den Einwurf seines einstigen Schülers, des Königsberger Fr. August Gotthold, er stimme einer solchen Pädagogik vollkommen bei, aber nur unter der Voraussetzung, daß Wolf für sämtliche Schularten solche gottbegnadeten Männer schaffe, da habe Wolf der Unterhaltung mit den Worten ein Ende gemacht: Freilich, freilich; aber für die andern gebe es ja dicke und dünne Anweisungen in Menge.


Auch bei seinen eigenen Kindern, Johanna, Wilhelmine und Karoline, deren Erziehung er sich von ihrem zweiten Lebensjahre ab höchst angelegen sein ließ, beobachtete er im allgemeinen die pädagogischen Grundsätze in den Consilia scho- lastica, allerdings berücksichtigte er die eigentümlichen Anlagen des weiblichen Gemüts- und Geisteslebens zu wenig. Insbesondere scheint er für das Wesen der deutschen Frau kein Verständnis gehabt zu haben, das schon Tacitus in seiner Germania so schön als sanctum aliquid et providum (als etwas Heiliges und Ahnungsreiches) bezeichnet hat. Er liebte überall Helle und Klarheit und widerstrebte jedem unbewußten Sein und Handeln. Daher war er dem Dämmerweben der romantischen Schule eines Calderon de la Barca so abhold, daß er seiner Tochter Wilhelmine alles Träumen einfach untersagte. Und „Wilhelmine,“ versichert ihr Mann Koerte, „hat wirklich seitdem nie wieder geträumt.“ Auf den persönlichen Umgang mit den Studentenn und im besonderen mit seinen eigentlichen Schülern legte Wolf hohen Wert. Daher öffnete er vielen sein Haus und ließ sie seine Bibliothek benutzen. Auch besuchte er seine Schüler auf ihren eigenen Zimmern und manchem gar zu schüchternen hat er mit dem Becher in der Hand das vertrautere Wort zugebracht. Im Verkehr selbst gab er sich wie ein älterer Kamerad. Und so sah man ihn auf seinen regelmäßigen Spaziergängen vor dem Essen von einem großen Studentenkreise umgeben. Die ihm eigene Gabe der Unterhaltung, seine Offenheit, sein immer treffender Witz und die ganze Urbanität seines Wesens wirkten unwiderstehlich auf die jungen Leute; ehe sie selbst es wußten, sahen sie sich in seine großartige Bahn mit fortgerissen. An den abendlichen Symposien, die sich bisweilen bis zum Morgen des folgenden Tages ausdehnten, wurden wundervolle Gespräche geführt, mit denen die Seminaristen und Zuhörer ihr Meister bei solchen Gelegenheiten zu regalieren wußte. Aber er hatte sich immer selbst, er hatte sich immer ganz, und keine seiner Eigenschaften war ihm fragmentarisch verliehen. Nie vergaß er seiner Würde, er hielt darauf in angeborener Vornehmheit; in ihr stellte er die Ehre des Gelehrten dar, wie in dem Fleiße dessen Tapferkeit.
Auch bei seinen eigenen Kindern, Johanna, Wilhelmine und Karoline, deren Erziehung er sich von ihrem zweiten Lebensjahre ab höchst angelegen sein ließ, beobachtete er im allgemeinen die pädagogischen Grundsätze in den Consilia scho- lastica, allerdings berücksichtigte er die eigentümlichen Anlagen des weiblichen Gemüts- und Geisteslebens zu wenig. Insbesondere scheint er für das Wesen der deutschen Frau kein Verständnis gehabt zu haben, das schon Tacitus in seiner Germania so schön als sanctum aliquid et providum (als etwas Heiliges und Ahnungsreiches) bezeichnet hat. Er liebte überall Helle und Klarheit und widerstrebte jedem unbewußten Sein und Handeln. Daher war er dem Dämmerweben der romantischen Schule eines Calderon de la Barca so abhold, daß er seiner Tochter Wilhelmine alles Träumen einfach untersagte. Und „Wilhelmine,“ versichert ihr Mann Koerte, „hat wirklich seitdem nie wieder geträumt.“ Auf den persönlichen Umgang mit den Studierenden und im besonderen mit seinen eigentlichen Schülern legte Wolf hohen Wert. Daher öffnete er vielen sein Haus und ließ sie seine Bibliothek benutzen. Auch besuchte er seine Schüler auf ihren eigenen Zimmern und manchem gar zu schüchternen hat er mit dem Becher in der Hand das vertrautere Wort zugebracht. Im Verkehr selbst gab er sich wie ein älterer Kamerad. Und so sah man ihn auf seinen regelmäßigen Spaziergängen vor dem Essen von einem großen Studentenkreise umgeben. Die ihm eigene Gabe der Unterhaltung, seine Offenheit, sein immer treffender Witz und die ganze Urbanität seines Wesens wirkten unwiderstehlich auf die jungen Leute; ehe sie selbst es wußten, sahen sie sich in seine großartige Bahn mit fortgerissen. An den abendlichen Symposien, die sich bisweilen bis zum Morgen des folgenden Tages ausdehnten, wurden wundervolle Gespräche geführt, mit denen die Seminaristen und Zuhörer ihr Meister bei solchen Gelegenheiten zu regalieren wußte. Aber er hatte sich immer selbst, er hatte sich immer ganz, und keine seiner Eigenschaften war ihm fragmentarisch verliehen. Nie vergaß er seiner Würde, er hielt darauf in angeborener Vornehmheit; in ihr stellte er die Ehre des Gelehrten dar, wie in dem Fleiße dessen Tapferkeit.


In der gelehrten Welt begann bald Wolf als Stern erster Größe zu glänzen und immer mehr wurde er als der Fräst der deutschen Philologie angesehen. Seinen literarischen Ruhm haben in Halle vor allem zwei bahnbrechende Werke in alle Lande getragen: 1) sein exegetisches Hauptwerk, die Rede des Demosthenes wider Leptines (1794) und 2) die Prolegomena ad Homerum (1795), ein Urbild geschichtlicher Forschung. Die Homerische Frage ist eine historische und kritische: die Philologie ward zur Geschichtswissenschaft. Sie hat auf die Gestaltung der Literaturgeschichte überhaupt fruchtbringend eingewirkt, sie hat auf Niebuhr und durch ihn auf die deutsche Geschichtsforschung neues Licht verbreitet, und aus ihr sprang ein zündender Funke auf die theologischen Forscher des Alten und Neuen Testamentes. „Wie doch ein einziger Reicher so viele Bettler in Nahrung setzt“! Denn nicht bloß wenn Könige bauen, auch wenn sie niederreißen, haben die Kärrner zu tun.
In der gelehrten Welt begann bald Wolf als Stern erster Größe zu glänzen und immer mehr wurde er als der Fräst der deutschen Philologie angesehen. Seinen literarischen Ruhm haben in Halle vor allem zwei bahnbrechende Werke in alle Lande getragen: 1) sein exegetisches Hauptwerk, die Rede des Demosthenes wider Leptines (1794) und 2) die Prolegomena ad Homerum (1795), ein Urbild geschichtlicher Forschung. Die Homerische Frage ist eine historische und kritische: die Philologie ward zur Geschichtswissenschaft. Sie hat auf die Gestaltung der Literaturgeschichte überhaupt fruchtbringend eingewirkt, sie hat auf Niebuhr und durch ihn auf die deutsche Geschichtsforschung neues Licht verbreitet, und aus ihr sprang ein zündender Funke auf die theologischen Forscher des Alten und Neuen Testamentes. „Wie doch ein einziger Reicher so viele Bettler in Nahrung setzt“! Denn nicht bloß wenn Könige bauen, auch wenn sie niederreißen, haben die Kärrner zu tun.
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