Bearbeiten von „Die ehemalige Heinrichsburg in Nordhausen

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Es ist hiernach also zweifellos, daß unter Heinrich I. 927 und 929 in Nordhausen eine Burg vorhanden gewesen ist. Die Spuren derselben sind in den Jahrhunderten derart verwischt worden, daß heute die allerwenigsten Bewohner unserer Stadt überhaupt noch eine Kenntnis von der Existenz einer solchen Burg haben, geschweige denn über ihre Lage irgend etwas wißen. Und deshalb gehört es vielleicht zu dem geschichtlich Interessantesten, was die Tausendjahrfeier uns bringen kann, daß wir über diese Burg und ihre Lage etwas Genaueres erfahren. Solange ich in Nordhausen wohne und lokalgeschichtliche Forschungen treibe, ist es mein eifrigstes Bemühen gewesen, die genaue Lage dieser „Heinrichsburg“ zu ergründen, und durch überraschende Entdeckungen der letzten zwei Jahre glaube ich in der Lage zu sein, dieselbe genau bestimmen zu können.
Es ist hiernach also zweifellos, daß unter Heinrich I. 927 und 929 in Nordhausen eine Burg vorhanden gewesen ist. Die Spuren derselben sind in den Jahrhunderten derart verwischt worden, daß heute die allerwenigsten Bewohner unserer Stadt überhaupt noch eine Kenntnis von der Existenz einer solchen Burg haben, geschweige denn über ihre Lage irgend etwas wißen. Und deshalb gehört es vielleicht zu dem geschichtlich Interessantesten, was die Tausendjahrfeier uns bringen kann, daß wir über diese Burg und ihre Lage etwas Genaueres erfahren. Solange ich in Nordhausen wohne und lokalgeschichtliche Forschungen treibe, ist es mein eifrigstes Bemühen gewesen, die genaue Lage dieser „Heinrichsburg“ zu ergründen, und durch überraschende Entdeckungen der letzten zwei Jahre glaube ich in der Lage zu sein, dieselbe genau bestimmen zu können.


Die bisherigen Veröffentlichungen schwanken in ihren Angaben unsicher hin und her. Julius Schmidt sagt<ref>Julius Schmidt, Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Nordhausen 1888, S. 5, Z. 9.</ref>: „Der wahrscheinlichste Ort dürfte wohl am Rande des Abhanges zu suchen sein, der von der Steineberggasse durchschnitten wird.“" Er verlegt sie also vor die innere Stadtmauer an den Abhang der Kutteltreppe, indem er, unbekannt mit der Nordhäuser Mundart, irrtümlich die „am Steeneberg" genannte Wegbezeichnung als Steineberggasse wiedergiebt. Andere haben an die „Burg“ an der Hütergasse vor dem Rautentore gedacht. E. G. Förstemann gar ist geneigt<ref>Urkundliche Geschichte S. 4.</ref> an eine Burg aus dem Geiersberg, da, wo die Merwigslinde steht, zu denken und würde dadurch, entgegen seinen sonstigen klaren historischen Ergebnissen, die alte, endlich abgetane Mär von der Gründung der Stadt Nordhausen durch den sagenhaften König Merwig aufs neue wieder stützen. Freilich will auch er viel lieber den Angaben des Cyriacus Spangenberg Glauben schenken, der in Nordhausen geboren ist und also der alten Tradition über den Standort noch näher gestanden hat. Spangenberg verlegt sie an den „Königshof“ und wird in dieser Annahme wesentlich durch den Namen her Ritterstraße bestärkt. Alle diese Mutmaßungen gehen fehl. Und Karl Meyer in seinen verschiedenen Veröffentlichungen hat schon Recht, wenn er dem zu Unrecht überholt geglaubten Lesser<ref>Historische Nachrichte von der Kayserl. und des Heil. Röm. Reichs freyen Stadt Nordhausen 1740, S. 167.</ref> folgt, der, obwohl ihm die Erforschung gerade auf diesem Gebiete aus leicht ersichtlichen Gründen schwer fiel, die alte „Kayserliche Burg“, wie er sie nennt, nach dem Domstifte zu sucht, wo an dem Ende der Bäckerstraße sich eine wüste Stelle befunden habe, an der noch Reste einer alten Mauer wahrgenommen worden seien und die im Volksmunde „Finkenburg“ genannt worden sei. Es handelt sich also nicht um die heutige Finkenburg, sondern um den heute mit Steinmauern neu aufgesührten Garten am ersten Hause der Nordseite der Bäckerstraße, wenn man zur heutigen Finkenburg geht. Meyer<ref>Aus Nordhausens Vorzeit 1910, S. 29.</ref> geht nun richtig darin noch über Lesser hinaus, daß er die Burg noch einen Schritt weiter nördlich auf dem Gebiete der heutigen Finkenburg sucht. Und es bleibt unbeschadet aller nachbesternden Kritik und späteren genaueren Feststellung doch etwas Richtiges an dem, was der Volksmund durch die Jahrhunderte erhalten hat. Daß aus der „Finklerburg“, wie sie eigentlich heißen müßte, im Volksmunde eine Finkenburg geworden ist, macht für die Richtigkeit der hinter ihr sich verbergenden Burg Heinrichs des Finklers natürlich gar nichts aus. Auch kümmert uns die Frage wenig, wann denn Heinrich zuerst der Finkler genannt worden ist, denn der Name Finkenburg ist eben erst aufgekommen, als er bereits der Finkler genannt wurde. Die Meinung freilich ist als völlig abwegig zu bezeichnen, als wäre die im Januar dieses Jahres niedergelegte und jetzt glücklicherweise wieder in ursprünglicherem Zustande aufgebaute Finkenburg selbst ein Bestandteil der ältesten Burg. Gerade die Bloßlegung der Fundamente bei ihrer jetzigen Niederlegung hat auch dem ungeübten Auge zeigen können, daß der über den Erdboden hinausreichende Teil über einem viel älteren Keller errichtet gewesen ist, der sich noch heute quer unter der Finkenburg hinzieht, der bei dem Bau des über ihm errichteten Gebäudes durch den Bogen aus Brandsteinen, der die Jahreszahl 1491 trägt, gesteift wurde und aus dem ursprünglich eine gerade jetzt wieder freigelegte Wendeltreppe noch oben führte, die mit der späteren mittelalterlichen Finkenburg gar nichts zu tun hatte, darum zugemauert und durch einen neuen Ausgang ersetzt wurde.
Die bisherigen Veröffentlichungen schwanken in ihren Angaben unsicher hin und her. Julius Schmidt sagt<ref>Julius Schmidt, Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Nordhausen 1888, S. 5, Z. 9.</ref>: „Der wahrscheinlichste Ort dürfte wohl am Rande des Abhanges zu suchen sein, der von der Steineberggasse durchschnitten wird.“" Er verlegt sie also vor die innere Stadtmauer an den Abhang der Kutteltreppe, indem er, unbekannt mit der Nordhäuser Mundart, irrtümlich die „am Steeneberg" genannte Wegbezeichnung als Steineberggasse wiedergiebt. Andere haben an die „Burg“ an der Hütergasse vor dem Rautentore gedacht. E. G. Förstemann gar ist geneigt<ref>Urkundliche Geschichte S. 4.</ref> an eine Burg aus dem Geiersberg, da, wo die Merwigslinde steht, zu denken und würde dadurch, entgegen seinen sonstigen klaren historischen Ergebnissen, die alte, endlich abgetane Mär von der Gründung der Stadt Nordbausen durch den sagenhaften König Merwig aufs neue wieder stützen. Freilich will auch er viel lieber den Angaben des Cyriacus Spangenberg Glauben schenken, der in Nordhausen geboren ist und also der alten Tradition über den Standort noch näher gestanden hat. Spangenberg verlegt sie an den „Königshof“ und wird in dieser Annahme wesentlich durch den Namen her Ritterstraße bestärkt. Alle diese Mutmaßungen gehen fehl. Und Karl Meyer in seinen verschiedenen Veröffentlichungen hat schon Recht, wenn er dem zu Unrecht überholt geglaubten Lesser<ref>Historische Nachrichte von der Kayserl. und des Heil. Röm. Reichs freyen Stadt Nordhausen 1740, S. 167.</ref> folgt, der, obwohl ihm die Erforschung gerade auf diesem Gebiete aus leicht ersichtlichen Gründen schwer siel, die alte „Kayserliche Burg“, wie er sie nennt, nach dem Domstifte zu sucht, wo an dem Ende der Bäckerstraße sich eine wüste Stelle befunden habe, an der noch Reste einer alten Mauer wahrgenommen worden seien und die im Volksmunde „Finkenburg“ genannt worden sei. Es handelt sich also nicht um die heutige Finkenburg, sondern um den heute mit Steinmauern neu aufgesührten Garten am ersten Hause der Nordseite der Bäckerstraße, wenn man zur heutigen Finkenburg geht. Meyer<ref>Aus Nordhausens Vorzeit 1910, S. 29.</ref> geht nun richtig darin noch über Lesser hinaus, daß er die Burg noch einen Schritt weiter nördlich auf dem Gebiete der heutigen Finkenburg sucht. Und es bleibt unbeschadet aller nachbesternden Kritik und späteren genaueren Feststellung doch etwas Richtiges an dem, was der Volksmund durch die Jahrhunderte erhalten hat. Daß aus der „Finklerburg“, wie sie eigentlich heißen müßte, im Volksmunde eine Finkenburg geworden ist, macht für die Richtigkeit der hinter ihr sich verbergenden Burg Heinrichs des Finklers natürlich gar nichts aus. Auch kümmert uns die Frage wenig, wann denn Heinrich zuerst der Finkler genannt worden ist, denn der Name Finkenburg ist eben erst aufgekommen, als er bereits der Finkler genannt wurde. Die Meinung freilich ist als völlig abwegig zu bezeichnen, als wäre die im Januar dieses Jahres niedergelegte und jetzt glücklicherweise wieder in ursprünglicherem Zustande aufgebaute Finkenburg selbst ein Bestandteil der ältesten Burg. Gerade die Bloßlegung der Fundamente bei ihrer jetzigen Niederlegung hat auch dem ungeübten Auge zeigen können, daß der über den Erdboden hinausreichende Teil über einem viel älteren Keller errichtet gewesen ist, der sich noch heute quer unter der Finkenburg hinzieht, der bei dem Bau des über ihm errichteten Gebäudes durch den Bogen aus Brandsteinen, der die Jahreszahl 1491 trägt, gesteift wurde und aus dem ursprünglich eine gerade jetzt wieder freigelegte Wendeltreppe noch oben führte, die mit der späteren mittelalterlichen Finkenburg gar nichts zu tun hatte, darum zugemauert und durch einen neuen Ausgang ersetzt wurde.


Bestätigt dies alles auch die Ansicht Meyers, so geht doch auch er noch nicht weit genug, da er sich mit dem Gebiete der „sogenannten“ Finkenburg und den beiden angrenzenden Häusern (Domstraße 22 und 21), die mit der Fluchtlinie der Kranichstraße abschließen, begnügt, eine Annahme, die bei einer genauen Erforschung des Geländes schon scheitern muß. Doch ist soviel erreicht: Meyer hat fraglos erstmalig den Boden der alten Heinrichsburg betreten, nur noch nicht den ganzen Ort ihrer Lage gefunden.
Bestätigt dies alles auch die Ansicht Meyers, so geht doch auch er noch nicht weit genug, da er sich mit dem Gebiete der „sogenannten“ Finkenburg und den beiden angrenzenden Häusern (Domstraße 22 und 21), die mit der Fluchtlinie der Kranichstraße abschließen, begnügt, eine Annahme, die bei einer genauen Erforschung des Geländes schon scheitern muß. Doch ist soviel erreicht: Meyer hat fraglos erstmalig den Boden der alten Heinrichsburg betreten, nur noch nicht den ganzen Ort ihrer Lage gefunden.
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'''W'''er die alte Heinrichsburg sucht, dem bieten sich drei Wege, aus dem er sie finden kann. Er kann durch Erforschung des urkundlichen Materials und seiner literarischen Verarbeitung zu wertvollen Ergebnissen gelangen. Dieser Weg ist so gut wie verschlossen. Denn außer dem im obigen aus den bisher veröffentlichten Chroniken der Stadt Angegebenen ist so gut wie nichts mehr vorhanden. Es bleibt ihm deshalb nichts anderes übrig, als die Augen zu öffnen für das, was im Schoße der Erde verborgen ruht, und er wird sich glücklich preisen können, wenn er durch Funde, die ihm zu unwidersprechlichen Zeugen werden, in die Lage versetzt wird, seine Vermutungen und Entdeckungen zu beweisen. Aber er wird auch – und diese Arbeit wird seinen eben genannten Forschungen vorausgehen müssen, damit er in der Lage ist, den Spaten an der richtigen Stelle anzusetzen – sich das Gelände, das er erforschen will, von außen ansehen, um zu erkennen, wo denn überhaupt eine Burg gestanden haben kann. Denn die Berge sind es schließlich noch allein, die in den Jahrhunderten ihr Aussehen und ihre Lage so gut wir gar nicht verändert haben.  
'''W'''er die alte Heinrichsburg sucht, dem bieten sich drei Wege, aus dem er sie finden kann. Er kann durch Erforschung des urkundlichen Materials und seiner literarischen Verarbeitung zu wertvollen Ergebnissen gelangen. Dieser Weg ist so gut wie verschlossen. Denn außer dem im obigen aus den bisher veröffentlichten Chroniken der Stadt Angegebenen ist so gut wie nichts mehr vorhanden. Es bleibt ihm deshalb nichts anderes übrig, als die Augen zu öffnen für das, was im Schoße der Erde verborgen ruht, und er wird sich glücklich preisen können, wenn er durch Funde, die ihm zu unwidersprechlichen Zeugen werden, in die Lage versetzt wird, seine Vermutungen und Entdeckungen zu beweisen. Aber er wird auch – und diese Arbeit wird seinen eben genannten Forschungen vorausgehen müssen, damit er in der Lage ist, den Spaten an der richtigen Stelle anzusetzen – sich das Gelände, das er erforschen will, von außen ansehen, um zu erkennen, wo denn überhaupt eine Burg gestanden haben kann. Denn die Berge sind es schließlich noch allein, die in den Jahrhunderten ihr Aussehen und ihre Lage so gut wir gar nicht verändert haben.  


Wer nun das Panorama von Nordhausen, das an sich schon wert ist, von Kennern und Freunden unserer Stadt aufmerksam betrachtet zu werden, einmal vom Holungsbühel oder von der Höhe vor Herreden aus prüfend überblickt, dem wird sich die eigentümlich gestaltete Höhe um den Dom herum als die für eine Burganlage geeignetste Stelle ohne weiteres darbieten. Das steil abfallende Gelände geht hier am schnellsten in die Tiefe und bietet so an dieser Stelle eine noch viel natürlichere und gesichertere Befestigung, als etwa weiter südlich am Neuen Wege und am Primariusgraben, der ja gerade im 15. Jahrhundert wegen seiner Gefährdung eine vorgelagerte zweite Mauer erhielt. Und wer nach diesem Blick aus weiter Ferne etwa durch den Grimmel oder von der Hohnsteiner Straße her zum Burggelände kommt, dem ersteht unwillkürlich, wenn anders er zu schauen und nicht bloß zu sehen vermag, das Bild einer Burg, die seine kühnsten Erwartungen übertrifft.<ref>Vgl. das beigefügte Bild „Die alte Burg“ 1674.</ref>
Wer nun das Panorama von Nordhausen, das an sich schon wert ist, von Kennern und Freunden unserer Stadt aufmerksam betrachtet zu werden, einmal vom Holungsbühel oder von der Höhe vor Herreden aus prüfend überblickt, dem wird sich die eigentümlich gestaltete Höhe um den Dom herum als die für eine Burganlage geeignetste Stelle ohne weiteres darbieten. Das steil abfallende Gelände geht hier am schnellsten in die Tiefe und bietet so an dieser Stelle eine noch viel natürlichere und gesichertere Befestigung, als etwa weiter südlich am Neuen Wege und am Primariusgraben, der ja gerade im 15. Jahrhundert wegen seiner Gefährdung eine vorgelagerte zweite Mauer erhielt. Und wer nach diesem Blick aus weiter Ferne etwa durch den Grimme! oder von der Hohnsteiner Straße her zum Burggelände kommt, dem ersteht unwillkürlich, wenn anders er zu schauen und nicht bloß zu sehen vermag, das Bild einer Burg, die seine kühnsten Erwartungen übertrifft.<ref>Vgl. das beigefügte Bild „Die alte Burg“ 1674.</ref>


Und genau an diese Stelle weist uns nun auch eine andere Betrachtung, die wir gleichfalls nur von draußen anstellen können.
Und genau an diese Stelle weist uns nun auch eine andere Betrachtung, die wir gleichfalls nur von draußen anstellen können.
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Nun aber ist es auch klar, daß der alte Mühlgraben, über besten Entstehung wir bisher nichts zu wissen glaubten, uns urkundlich seine Entstehung erzählt. Denn, daß die Klostermühle und die Martinimühle später erst ihre heutigen Namen angenommen haben, als das Kloster und das Martinistift auf dem Grund und Boden des alten Reichshofes in den Jahren 1200 und 1389 errichtet worden sind, daß sie früher Reichsmühlen gewesen waren, und also der Mühlgraben schon 786 mit dem Reichshof angelegt sein müsse, hatte auch ohne urkundliche Belege Meyer schon richtig vermutet. Jetzt bei der Grimmühle oder Burgmühle können wir einen urkundlichen Beleg aus dem Jahre 929 wenigstens beibringen. Denn bei dem, was Heinrich' I. seiner Gemahlin alles übereignet (siehe S. 603) werden auch „Master und Wasterläufe“ genannt. Unter Wasterläufen (aquarunr deeurslbus, d. h. Ableitungen der Master) ist nichts anderes zu verstehen, als die die Mühlen treibenden Wasterläufe, wie wir sie außer in Nordhausen heute auch in Wallhausen und Quedlinburg noch sehen können und wie sie wohl zu jeder rechten Burganlage gehören. Daß der Mühlgraben außerdem noch dazu diente, die Teiche zu speisen, die als natürliche Befestigung der Burg dienten (vergl. die als Wasserburg angelegte Wiedigsburg), sei nur nebenbei erwähnt, ist aber für unsere Frage nach der Auffindung der Heinrichsburg gleich bedeutungsvoll.
Nun aber ist es auch klar, daß der alte Mühlgraben, über besten Entstehung wir bisher nichts zu wissen glaubten, uns urkundlich seine Entstehung erzählt. Denn, daß die Klostermühle und die Martinimühle später erst ihre heutigen Namen angenommen haben, als das Kloster und das Martinistift auf dem Grund und Boden des alten Reichshofes in den Jahren 1200 und 1389 errichtet worden sind, daß sie früher Reichsmühlen gewesen waren, und also der Mühlgraben schon 786 mit dem Reichshof angelegt sein müsse, hatte auch ohne urkundliche Belege Meyer schon richtig vermutet. Jetzt bei der Grimmühle oder Burgmühle können wir einen urkundlichen Beleg aus dem Jahre 929 wenigstens beibringen. Denn bei dem, was Heinrich' I. seiner Gemahlin alles übereignet (siehe S. 603) werden auch „Master und Wasterläufe“ genannt. Unter Wasterläufen (aquarunr deeurslbus, d. h. Ableitungen der Master) ist nichts anderes zu verstehen, als die die Mühlen treibenden Wasterläufe, wie wir sie außer in Nordhausen heute auch in Wallhausen und Quedlinburg noch sehen können und wie sie wohl zu jeder rechten Burganlage gehören. Daß der Mühlgraben außerdem noch dazu diente, die Teiche zu speisen, die als natürliche Befestigung der Burg dienten (vergl. die als Wasserburg angelegte Wiedigsburg), sei nur nebenbei erwähnt, ist aber für unsere Frage nach der Auffindung der Heinrichsburg gleich bedeutungsvoll.
[[Datei:Das tausendjährige Nordhausen - Bild 36. Heinrichsburg Nordhausen.jpg|thumb|center|Bild 36.]]


== Aus der Geschichte der Burgengründungen Heinrichs I. ==
== Aus der Geschichte der Burgengründungen Heinrichs I. ==
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Von hier aus aber fällt erst recht ein Helles Licht auf die Burgengründungen Heinrichs I. Schon der Bischof Liudbrand von Cremona läßt in seinem Buche von der Vergeltung (geschrieben 958) zum Jahre 919 den Ungarn ihren Entschluß, den neu erwählten König Heinrich in seiner Heimat anzugreifen, dadurch begründen, daß das Gebiet der Sachsen und Thüringer leicht auszuplündern sein würde, da es weder durch hohe Gebirge geschützt, noch mit festen Städten versehen sei.<ref>Julius Schmidt, a. a. O. S. 2.</ref> 924 schließt Heinrich aber den bekannten Vertrag mit den Ungarn, der seinem Lande einen 9jährigen Waffenstillstand sichert. Die Zeit dieses Waffenstillstandes benutzte Heinrich nun, um in eifriger Tätigkeit allenthalben die auch von ihm klar erkannte Schwäche seines Landes zu beseitigen. Jetzt erst wird die Nachricht Widukinds von Corvey in seiner Sachsengeschichte<ref>Monumenta Germaniae, Scriptores I, cap. 35.</ref>
Von hier aus aber fällt erst recht ein Helles Licht auf die Burgengründungen Heinrichs I. Schon der Bischof Liudbrand von Cremona läßt in seinem Buche von der Vergeltung (geschrieben 958) zum Jahre 919 den Ungarn ihren Entschluß, den neu erwählten König Heinrich in seiner Heimat anzugreifen, dadurch begründen, daß das Gebiet der Sachsen und Thüringer leicht auszuplündern sein würde, da es weder durch hohe Gebirge geschützt, noch mit festen Städten versehen sei.<ref>Julius Schmidt, a. a. O. S. 2.</ref> 924 schließt Heinrich aber den bekannten Vertrag mit den Ungarn, der seinem Lande einen 9jährigen Waffenstillstand sichert. Die Zeit dieses Waffenstillstandes benutzte Heinrich nun, um in eifriger Tätigkeit allenthalben die auch von ihm klar erkannte Schwäche seines Landes zu beseitigen. Jetzt erst wird die Nachricht Widukinds von Corvey in seiner Sachsengeschichte<ref>Monumenta Germaniae, Scriptores I, cap. 35.</ref>


: „Wie nun König Heinrich, als er von den Ungarn einen Frieden von 9 Jahren erhalten hatte, mit der größten Klugheit Sorge trug, das Vaterland zu befestigen und die barbarischen Völker zu unterwerfen, dies auszusühren geht über meine Kräfte, obgleich ich es doch auch nicht ganz verschweigen darf. Zuerst nämlich wählte er unter den ländlichen Kriegern (aggrariis  militibus) jeden neunten Mann aus und ließ ihn in Burgen (urbibus) wohnen, damit er hier für seine acht Genossen Wohnungen errichte und von aller Frucht den dritten Teil empfange und bewahre; die übrigen Acht aber sollten säen und ernten und die Frucht sammeln für den Neunten, und dieselbe an ihrem Platze aufbewahren. Auch gebot er, daß die Gerichtstage und alle übrigen Versammlungen und Festgelage in den Burgen abgehalten würden (concilia et omnes conventus atque convivia in urbibus voluit celebrari), mit deren Bau man sich Tag und Nacht beschäftigte, damit sie im Frieden lernten, was sie im Falle der Not gegen die Feinde zu tun hätten. Außerhalb der Burgen standen keine oder doch nur schlechte und wertlose Gebäude.<ref>Reinhold Schottin, Widukinds Sächsische Geschichten. Berlin. Bester. 1852. S. 3S.</ref>
: „Wie nun König Heinrich, als er von den Ungarn einen Frieden von 9 Jahren erhalten hatte, mit der größten Klugheit Sorge trug, das Vaterland zu befestigen und die barbarischen Völker zu unterwerfen, dies auszusühren geht über meine Kräfte, obgleich ich es doch auch nicht ganz verschweigen darf. Zuerst nämlich wählte er unter den ländlichen Kriegern (aggrariis  militibus) jeden neunten Mann aus und ließ ihn in Burgen (urbibus) wohnen, damit er hier für seine acht Genossen Wohnungen errichte und von aller Frucht den dritten Teil empfange und bewahre; die übrigen Acht aber sollten säen und ernten und die Frucht sammeln für den Neunten, und dieselbe an ihrem Platze aufbewahren. Auch gebot er, daß die Gerichtstage und alle übrigen Versammlungen und Festgelage in den Burgen abgehalten würden (concilia et omnes conventus atque convivia in urbibus voluit celebrari), mit deren Bau man sich Tag und Nacht beschäftigte, damit sie im Frieden lernten, was sie im Falle der Not gegen die Feinde zu tun hätten. Außerhalb der Burgen standen keine oder doch nur schlechte und wertlose Gebäude."<ref>Reinhold Schottin, Widukinds Sächsische Geschichten. Berlin. Bester. 1852. S. 3S.</ref>


Man liest es immer wieder, daß Heinrich urkundlich nachweisbar nur verschwindend wenige Burgen in jenen Jahren habe Herstellen lassen. Meist wird immer nur Merseburg, vielleicht noch Tangermünde genannt. Dem ernstlich Suchenden aber erschließt sich das Auge für mehr. Das Vordringen der östlichen Völker bildete in jenen Jahrhunderten eine ernste Gefahr für das werdende Deutschland und alle machtvollen Fürsten von Karl dem Großen an haben die Sicherung der Ostmark ihres Reiches als eine ihrer wichtigsten Aufgaben angesehen. So hat sich schon nach dem Plane Karls des Großen eine Sicherungslinie von der Eider bis zur Etsch hingezogen. Elbe und Saale waren in unserer Zeit in Mitteldeutschland die zu sichernde Grenze, bis Markgraf Gero unter Otto dem Großen die Grenze weiter nach Osten verschob. Wer nun heute diese Sicherungsgrenze einmal nach Städten absucht, die in diesen Jahren Tausendjahrfeiern gehalten haben oder halten werden, und diese Städte aus ihre ehemaligen Burganlagen ansieht, dem wird sich die Bedeutung dessen, was Widukind von Corvey auszuführen als „über seine Kräfte“ gehend angibt, in einem ganz anderen Lichte ansehen lernen. Eins ist mir jedenfalls bei diesem Suchen klar geworden: In dem großen Befestigungsgürtel bildet unsere Gegend um den Harz als der Wohnsitz des Herrscherhauses den Mittelpunkt und darum die gefährdetste Stelle. Darum kann es uns nicht wundernehmen, wenn gerade in unserer Gegend die Burgen dichter beieinander liegen als anderwärts. Wallhausen, Allstedt und Merseburg sind die Burgen, die noch um 900 als die eigentlichen alten Kaiserpfalzen genannt werden. Und wenn auch Wallhausen vielleicht wegen seiner militärisch allzu ungesicherten Lage schon früh von Heinrich I. als eigentlicher Stützpunkt seiner Hausmacht aufgegeben worden sein mag, so ist es mir heute zweifelsfrei, daß gerade die Orte, die in den Urkunden von 927 und 929 genannt werden, solche sicheren Stützpunkte sind, die er damals hat neu anlegen oder stärker befestigen lassen. Und gerade aus der Tatsache, daß 929 eine zweite Urkunde nötig wurde und diese zweite Urkunde außer den Burgen Quedlinburg, Nordhausen, Pöhlde und Duderstadt noch Grona nennt, scheint mir hervorzugehen, daß die Burgen eben in der Reihenfolge ihrer Fertigstellung in die Hausmacht des Königs bzw. in das Eigentum der Königin übergingen. Daß die Burgen aber als Teile der werdenden Hausmacht anzusehen sind und nicht freies Privateigentum der Königin werden, geht aus dem Wortlaut der Urkunde von 929 klar hervor, in der es heißt:
Man liest es immer wieder, daß Heinrich urkundlich nachweisbar nur verschwindend wenige Burgen in jenen Jahren habe Herstellen lassen. Meist wird immer nur Merseburg, vielleicht noch Tangermünde genannt. Dem ernstlich Suchenden aber erschließt sich das Auge für mehr. Das Vordringen der östlichen Völker bildete in jenen Jahrhunderten eine ernste Gefahr für das werdende Deutschland und alle machtvollen Fürsten von Karl dem Großen an haben die Sicherung der Ostmark ihres Reiches als eine ihrer wichtigsten Aufgaben angesehen. So hat sich schon nach dem Plane Karls des Großen eine Sicherungslinie von der Eider bis zur Etsch hingezogen. Elbe und Saale waren in unserer Zeit in Mitteldeutschland die zu sichernde Grenze, bis Markgraf Gero unter Otto dem Großen die Grenze weiter nach Osten verschob. Wer nun heute diese Sicherungsgrenze einmal nach Städten absucht, die in diesen Jahren Tausendjahrfeiern gehalten haben oder halten werden, und diese Städte aus ihre ehemaligen Burganlagen ansieht, dem wird sich die Bedeutung dessen, was Widukind von Corvey auszuführen als „über seine Kräfte“ gehend angibt, in einem ganz anderen Lichte ansehen lernen. Eins ist mir jedenfalls bei diesem Suchen klar geworden: In dem großen Befestigungsgürtel bildet unsere Gegend um den Harz als der Wohnsitz des Herrscherhauses den Mittelpunkt und darum die gefährdetste Stelle. Darum kann es uns nicht wundernehmen, wenn gerade in unserer Gegend die Burgen dichter beieinander liegen als anderwärts. Wallhausen, Allstedt und Merseburg sind die Burgen, die noch um 900 als die eigentlichen alten Kaiserpfalzen genannt werden. Und wenn auch Wallhausen vielleicht wegen seiner militärisch allzu ungesicherten Lage schon früh von Heinrich I. als eigentlicher Stützpunkt seiner Hausmacht aufgegeben worden sein mag, so ist es mir heute zweifelsfrei, daß gerade die Orte, die in den Urkunden von 927 und 929 genannt werden, solche sicheren Stützpunkte sind, die er damals hat neu anlegen oder stärker befestigen lassen. Und gerade aus der Tatsache, daß 929 eine zweite Urkunde nötig wurde und diese zweite Urkunde außer den Burgen Quedlinburg, Nordhausen, Pöhlde und Duderstadt noch Grona nennt, scheint mir hervorzugehen, daß die Burgen eben in der Reihenfolge ihrer Fertigstellung in die Hausmacht des Königs bzw. in das Eigentum der Königin übergingen. Daß die Burgen aber als Teile der werdenden Hausmacht anzusehen sind und nicht freies Privateigentum der Königin werden, geht aus dem Wortlaut der Urkunde von 929 klar hervor, in der es heißt:
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Wo sind die Grenzen der Burg und vor allem, wo ist der Aufgang und der Eingang zur Burg?
Wo sind die Grenzen der Burg und vor allem, wo ist der Aufgang und der Eingang zur Burg?


Wir gehen auch jetzt wieder von den alten Heerstraßen aus. Denn von dort aus müssen wir doch zweifellos am zuverlässigsten den Zugang finden. Ich erinnere daran, daß die sächsischen Heerstraßen von Harzburg, Duderstadt und Wallhausen aus an der Grimmelbrücke zusammenstießen. Von hier aus muß deshalb auch der Zugang zur Burg zu finden sein. Der Grimmel war der einzige zwischen den Teichen hinführende erhöhte Weg. Dieser aber führte, da der Neue Weg erst 1289 von dem Walkenrieder Kloster als Zugang zu dem damals erbauten Walkenrieder Hof angelegt worden ist, allein zu der durch ein befestigtes Tor gesicherten Grimm- oder Kaisermühle. Von hier aber führte derselbe Weg weiter, wieder durch ein befestigtes Tor, besten Spuren heute noch zu erkennen sind, die heutige Elisabethstraße hinauf an der äußeren Burgmauer entlang, bog da, wo das 1873 abgebrochene sogenannte Aeußere Barfüßertor stand, um und gelangte dicht vor dem Eingang zur Domstraße an das sogenannte alte Tor, die valva antiqua der alten Heinrichstadt, nach dem in Jahrhunderten noch dieser Teil der Oberstadt das Altentorviertel genannt wurde.<ref>Vielleicht ist der Name „vor dem Alten Tore“ und dann später die gesamte Bezeichnung des Altendorfes von hier aus zu erklären, was mancherlei Rätsel über die älteste Ansiedlung Nordhausens lösen würde.</ref> Dieses Tor ist 1800 abgebrochen worden und die anliegenden Häuser (Barfüßerstraße Nr. 11,12,13) werden noch 1804 „auf dem Alten Tore“ genannt. An dieser Ecke in der Domstraße sehen wir noch heute ein Tor, besten gotischer Spitzbogen den Kundigen die romanische Urform erkennen läßt. Dieses Tor halte ich für das Eingangstor zur Unterburg. Hier mögen, wo heute noch ehemalige Stiftskurien stehen, die Dienerschaft und ein Teil der Besatzung Unterkunft gefunden haben. Von hier ging es den Berg hinan bis dahin, wo wahrscheinlich zwischen dem späteren Propsteigebäude und dem Kapitelgebäude der Eingang in die eigentliche Oberburg gewesen sein mag.
Wir gehen auch jetzt wieder von den alten Heerstraßen aus. Denn von dort aus müssen wir doch zweifellos am zuverlässigsten den Zugang finden. Ich erinnere daran, daß die sächsischen Heerstraßen von Harzburg, Duderstadt und Wallhausen aus an der Grimmelbrücke zusammenstießen. Von hier aus muß deshalb auch der Zugang zur Burg zu finden sein. Der Grimme! war der einzige zwischen den Teichen hinführende erhöhte Weg. Dieser aber führte, da der Neue Weg erst 1289 von dem Walkenrieder Kloster als Zugang zu dem damals erbauten Walkenrieder Hof angelegt worden ist, allein zu der durch ein befestigtes Tor gesicherten Grimm- oder Kaisermühle. Von hier aber führte derselbe Weg weiter, wieder durch ein befestigtes Tor, besten Spuren heute noch zu erkennen sind, die heutige Elisabethstraße hinauf an der äußeren Burgmauer entlang, bog da, wo das 1873 abgebrochene sogenannte Aeußere Barfüßertor stand, um und gelangte dicht vor dem Eingang zur Domstraße an das sogenannte alte Tor, die valva antiqua der alten Heinrichstadt, nach dem in Jahrhunderten noch dieser Teil der Oberstadt das Altentorviertel genannt wurde.<ref>Vielleicht ist der Name „vor dem Alten Tore“ und dann später die gesamte Bezeichnung des Altendorfes von hier aus zu erklären, was mancherlei Rätsel über die älteste Ansiedlung Nordhausens lösen würde.</ref> Dieses Tor ist 1800 abgebrochen worden und die anliegenden Häuser (Barfüßerstraße Nr. 11,12,13) werden noch 1804 „auf dem Alten Tore“ genannt. An dieser Ecke in der Domstraße sehen wir noch heute ein Tor, besten gotischer Spitzbogen den Kundigen die romanische Urform erkennen läßt. Dieses Tor halte ich für das Eingangstor zur Unterburg. Hier mögen, wo heute noch ehemalige Stiftskurien stehen, die Dienerschaft und ein Teil der Besatzung Unterkunft gefunden haben. Von hier ging es den Berg hinan bis dahin, wo wahrscheinlich zwischen dem späteren Propsteigebäude und dem Kapitelgebäude der Eingang in die eigentliche Oberburg gewesen sein mag.


Noch ein zweiter Eingang ist nachzuweisen. Aber während der eben beschriebene Weg als die Fahrstraße anzusprechen ist, handelt es sich jetzt um einen Fuß- vielleicht auch Reitweg. Auch er geht von der Burgmühle aus, in seinen Anfängen noch erkennbar an der Erhöhung, die uns heute mehr wie ein Bürgersteig anmutet, die aber alle Zeichen eines alten Burgweges an sich trägt. Unmittelbar an der Wassertreppe scheint er durch ein Tor in den Burggarten geführt zu haben. Oben aber, genau über diesem Tor ist heute noch in der Stadtmauer zwischen den beiden Strebepfeilern der Eingang in den oberen Burghof zu sehen, seit wenigstens 100 Jahren freilich durch das Gartenhaus verdeckt, das die Domherren hier zur Verdeckung auch dieses Zeugen vergangener Zeiten erbaut haben.
Noch ein zweiter Eingang ist nachzuweisen. Aber während der eben beschriebene Weg als die Fahrstraße anzusprechen ist, handelt es sich jetzt um einen Fuß- vielleicht auch Reitweg. Auch er geht von der Burgmühle aus, in seinen Anfängen noch erkennbar an der Erhöhung, die uns heute mehr wie ein Bürgersteig anmutet, die aber alle Zeichen eines alten Burgweges an sich trägt. Unmittelbar an der Wassertreppe scheint er durch ein Tor in den Burggarten geführt zu haben. Oben aber, genau über diesem Tor ist heute noch in der Stadtmauer zwischen den beiden Strebepfeilern der Eingang in den oberen Burghof zu sehen, seit wenigstens 100 Jahren freilich durch das Gartenhaus verdeckt, das die Domherren hier zur Verdeckung auch dieses Zeugen vergangener Zeiten erbaut haben.
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Wie oft Heinrich selbst in seiner Burg geweilt hat, Residenzen, d. h. dauernde Wohnsitze, konnten die damaligen Herrscher ja nicht haben, ist urkundlich nicht zu erweisen. Daß er oft hier geweilt hat, ist gewiß. Denn Nordhausen ist fraglos neben Quedlinburg der Lieblingssitz der Königin Mathilde gewesen. Und das Bild eines friedlichen und fröhlichen Familienlebens inmitten der Kinderschar um die fromme Königin, unter der wir den Heranwachsenden ersten deutschen Kaiser aus sächsischem Geschlecht und die beiden ersten uns bekannten Kinder unserer Stadt, Gerberga, die spätere Königin von Frankreich, und Heinrich, den nachmaligen Herzog von Bayern sehen, können wir uns in Burg und Stadt Nordhausen nach Herzenslust ausmalen. Wo die beiden jüngsten Kinder, Bruno (geboren 924) und Hedwig geboren sind, wird wohl nur ein glücklicher Zufall einmal ergeben. Wir erfahren aus Widukinds Sächsischer Geschichte nur folgendes:
Wie oft Heinrich selbst in seiner Burg geweilt hat, Residenzen, d. h. dauernde Wohnsitze, konnten die damaligen Herrscher ja nicht haben, ist urkundlich nicht zu erweisen. Daß er oft hier geweilt hat, ist gewiß. Denn Nordhausen ist fraglos neben Quedlinburg der Lieblingssitz der Königin Mathilde gewesen. Und das Bild eines friedlichen und fröhlichen Familienlebens inmitten der Kinderschar um die fromme Königin, unter der wir den Heranwachsenden ersten deutschen Kaiser aus sächsischem Geschlecht und die beiden ersten uns bekannten Kinder unserer Stadt, Gerberga, die spätere Königin von Frankreich, und Heinrich, den nachmaligen Herzog von Bayern sehen, können wir uns in Burg und Stadt Nordhausen nach Herzenslust ausmalen. Wo die beiden jüngsten Kinder, Bruno (geboren 924) und Hedwig geboren sind, wird wohl nur ein glücklicher Zufall einmal ergeben. Wir erfahren aus Widukinds Sächsischer Geschichte nur folgendes:


:„Ueberdies gebar ihm noch andere Kinder (außer Gerberga) die herrliche und edle und an Klugheit unübertroffene Königin, namens Mathilde, nämlich den Erstgeborenen, den Liebling der Welt, namens Oddo, den zweiten, mit des Vaters Namen gezierten, Heinrich, einen tapferen und geschickten Mann, und den dritten, namens Brun, den wir das Amt eines obersten Priesters und gewaltigen Feldherrn zugleich verwalten sahen (er wurde 953 Erzbischof von Köln und ist im Jahre 966 im Alter von 42 Jahren gestorben)Auch gebar sie ihm noch eine zweite Tochter (Hedwig), welche dem Herzog Hugo vermählt wurde.“
:„Ueberdies gebar ihm noch andere Kinder (außer Gerberga) die herrliche und edle und an Klugheit unübertroffene Königin, namens Mathilde, nämlich den Erstgeborenen, den Liebling der Welt, namens Oddo, den zweiten, mit des Vaters Namen gezierten, Heinrich, einen tapferen und geschickten Mann, und den dritten, namens Brun, den wir das Amt eines obersten Priesters und gewaltigen Feldherrn zugleich verwalten sahen (er wurde 953 Erzbischof von Köln und ist im Jahre 966 im Alter von 42 Jahren gestorben)... Auch gebar sie ihm noch eine zweite Tochter (Hedwig), welche dem Herzog Hugo vermählt wurde.“


Und nach dem Tode des Königs 936 entwickelte sich erst das Leben der frommen Königswitwe, wie es der Verfasser der vitu Llnttiilckis, ein Nordhäuser Mönch soll es gewesen sein, auch in unserer Stadt so anschaulich zu-schildern weiß, bis sie am 22. Dezember 967 Nordhausen verkästen Hat, nur um am 14. Februar 968 bei der Gruft ihres Gemahls in Quedlinburg zu sterben. Hier in Nordhausen mag es gewesen sein, wo sie, wie ihr Chronist erzählt, einen Boten aussandte, wenn sie draußen auf der Landstraße einen Bettler sah, um ihm ihre Gaben zu senden; wo rings im Lande sie die Vöglein speisen ließ, damit auch die gefiederte Sängerschar unter dem blauen Himmelszelt an der Liebe Gottes in der Menschenbrust teilhätte. Und hier in der Nordhäuser Burg mag es gewesen sein – um das Lieblingsbild der Heiligen der katholischen Kirche zu vollenden –, wo sie in der Kapelle, dicht neben ihrer eigenen Kemenade, ganze Nächte vor dem Altäre in frommem Gebete zugebracht hat, während sie die frommen Frauen ihres Stiftes im Gang oder in ihrem eigenen Gemach Hymnen zum Preise Gottes singen ließ. Denn hier hat sie schließlich das letzte ihrer frommen Werke vollbracht und im Jahre 962 ein Stift frommer Frauen gegründet, nachdem sie schon kurz nach dem Tode ihres Gemahls ein gleiches in Quedlinburg und später ein Mönchskloster in Pöhlde gegründet hatte.
Und nach dem Tode des Königs 936 entwickelte sich erst das Leben der frommen Königswitwe, wie es der Verfasser der vitu Llnttiilckis, ein Nordhäuser Mönch soll es gewesen sein, auch in unserer Stadt so anschaulich zu-schildern weiß, bis sie am 22. Dezember 967 Nordhausen verkästen Hat, nur um am 14. Februar 968 bei der Gruft ihres Gemahls in Quedlinburg zu sterben. Hier in Nordhausen mag es gewesen sein, wo sie, wie ihr Chronist erzählt, einen Boten aussandte, wenn sie draußen auf der Landstraße einen Bettler sah, um ihm ihre Gaben zu senden; wo rings im Lande sie die Vöglein speisen ließ, damit auch die gefiederte Sängerschar unter dem blauen Himmelszelt an der Liebe Gottes in der Menschenbrust teilhätte. Und hier in der Nordhäuser Burg mag es gewesen sein – um das Lieblingsbild der Heiligen der katholischen Kirche zu vollenden –, wo sie in der Kapelle, dicht neben ihrer eigenen Kemenade, ganze Nächte vor dem Altäre in frommem Gebete zugebracht hat, während sie die frommen Frauen ihres Stiftes im Gang oder in ihrem eigenen Gemach Hymnen zum Preise Gottes singen ließ. Denn hier hat sie schließlich das letzte ihrer frommen Werke vollbracht und im Jahre 962 ein Stift frommer Frauen gegründet, nachdem sie schon kurz nach dem Tode ihres Gemahls ein gleiches in Quedlinburg und später ein Mönchskloster in Pöhlde gegründet hatte.


Dieses Frauenstift – ein Kloster ist es nie gewesen, sondern ein freiweltliches Stift adliger Damen –, zu besten erster Aebtistin sie ihre treue Dienerin (Hofdame) Richburg machte, legte sie in suburbio, d. h. nicht Vorburg, wie Meyer meint, oder gar Vorstadt, wie Julius Schmidt gänzlich irrtümlich annimmt, sondern Unterburg, wie wir nun nach genauer Kenntnis der Burganlage sagen müssen. Denn unten in der Burg, da wo heute noch die ehemaligen Stiftskurien 7,8,9 stehen und die frühere Dechanei auf dem Bilde von 1674 links vom Kapitelgebäude noch zu sehen ist, haben die wenigen Stiftsdamen – es sind niemals mehr als 11 gewesen –; jede in einer eigenen Stiftskurie gewohnt. Die Aebtissin Richburg wird natürlich in der Pfalz selber wohnen geblieben sein und auch der Propst, den dies Stift bald erhielt, wird gewiß schon frühzeitig in den Flügel des Schlosses gezogen sein, der dann später vollends Propsteigebäude wurde. Für dieses Stift trug Mathilde so rührende Sorgfalt, wie wir aus dem hinlänglich bekannten Abschied der Königin von ihrem Sohne Otto dem Großen 965 zur Genüge kennen.<ref>Das Bild dieses Abschiedes ist von Professor Looschen-Berlin für den Stadtverordnelensitzungssaal gemalt. (Siehe Abbildung.)</ref> Ihm schenkten fast alle deutschen Kaiser der nachfolgenden Zeit, von Otto dem Großen an, wertvolle Gaben: Otto II. z. B. 974 Münze, Markt und Zoll, die dem Stifte eine große Einnahme und eine bedeutende Macht in die Hände gaben, so daß man mit Recht sagen kann, daß Nordhausen in Jahrhunderten vom Stifte aus regiert worden ist. Otto II. schenkte ihm auch das große Gut Vogelsberg in der Nähe von Cölleda, das 837 Jahre im Besitze des Stiftes geblieben ist, bis es 1810 bei der Auflösung des Stiftes an den Staat fiel. Friedrich Barbarossa gar schenkte seiner geliebten Aebtissin Cäcilie 1158 das ganze kaiserliche Burggelände mit allen Besitzungen in und um Nordhausen. Eine Schenkung, die zeigt, zu welchen Ansehen sich das Stift damals emporgearbeitet hatte. Eine Schenkung, die freilich 1220 wieder zurückgenommen wurde, nachdem das Frauenstift unter dem Propste Theoderich von Honstein und auf seine Veranlassung in ein weltliches Chorherrenstift umgewandelt worden war.
Dieses Frauenstift – ein Kloster ist es nie gewesen, sondern ein freiweltliches Stift adliger Damen –, zu besten erster Aebtistin sie ihre treue Dienerin (Hofdame) Richburg machte, legte sie in suburbio, d. h. nicht Vorburg, wie Meyer meint, oder gar Vorstadt, wie Julius Schmidt gänzlich irrtümlich annimmt, sondern Unterburg, wie wir nun nach genauer Kenntnis der Burganlage sagen müssen. Denn unten in der Burg, da wo heute noch die ehemaligen Stiftskurien 7,8,9 stehen und die frühere Dechanei auf dem Bilde von 1674 links vom Kapitelgebäude noch zu sehen ist, haben die wenigen Stiftsdamen – es sind niemals mehr als 11 gewesen –; jede in einer eigenen Stiftskurie gewohnt. Die Aebtissin Richburg wird natürlich in der Pfalz selber wohnen geblieben sein und auch der Propst, den dies Stift bald erhielt, wird gewiß schon frühzeitig in den Flügel des Schlosses gezogen sein, der dann später vollends Propsteigebäude wurde. Für dieses Stift trug Mathilde so rührende Sorgfalt, wie wir aus dem hinlänglich bekannten Abschied der Königin von ihrem Sohne Otto dem Großen 965 zur Genüge kennen.<ref>Das Bild dieses Abschiedes ist von Professor Looschen-Berlin für den Stadtverordnelensitzungssaal gemalt. (Siehe Abbildung.)</ref> Ihm schenkten fast alle deutschen Kaiser der nachfolgenden Zeit, von Otto dem Großen an, wertvolle Gaben: Otto II. z. B. 974 Münze, Markt und Zoll, die dem Stifte eine große Einnahme und eine bedeutende Macht in die Hände gaben, so daß man mit Recht sagen kann, daß Nordhausen in Jahrhunderten vom Stifte aus regiert worden ist. Otto II. schenkte ihm auch das große Gut Vogelsberg in der Nähe von Cölleda, das 837 Jahre im Besitze des Stiftes geblieben ist, bis es 1810 bei der Auflösung des Stiftes an den Staat siel. Friedrich Barbarossa gar schenkte seiner geliebten Aebtissin Cäcilie 1158 das ganze kaiserliche Burggelände mit allen Besitzungen in und um Nordhausen. Eine Schenkung, die zeigt, zu welchen Ansehen sich das Stift damals emporgearbeitet hatte. Eine Schenkung, die freilich 1220 wieder zurückgenommen wurde, nachdem das Frauenstift unter dem Propste Theoderich von Honstein und auf seine Veranlassung in ein weltliches Chorherrenstift umgewandelt worden war.


Wenn wir auch leider sonst nicht mehr viel von dem Frauenstifte erfahren, weil keinerlei Asten von ihm auf uns gekommen sind, so können wir uns doch schon hiernach ein Bild von dem machen, wie es in den 258 Jahren seines Bestehens auf der Burg ausgesehen hat.
Wenn wir auch leider sonst nicht mehr viel von dem Frauenstifte erfahren, weil keinerlei Asten von ihm auf uns gekommen sind, so können wir uns doch schon hiernach ein Bild von dem machen, wie es in den 258 Jahren seines Bestehens auf der Burg ausgesehen hat.
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„Seit jenen Tagen, so schreibt der Chronist, ist die Burg nicht wieder aufgebaut worden.“ Das ist gewiß richtig. Aber ein ganz falsches Bild gibt es doch, wenn man meint, daß die Burg damals vollständig vom Erdboden verschwunden wäre. Weder hat Heinrich der Löwe sie bis aus den Grund zerstört, sonst hätte sie nicht alsbald wieder aufgebaut werden können. Noch haben die Bürger sie 1277 bis aus die Grundmauern abgetragen. Sie werden vielleicht nur den nach der Stadt zu gelegenen Teil, wo die heutige Finkenburg steht, zerstört haben, so daß dann später die hier stehende Finkenburg und noch später die anliegenden Häuser haben errichtet werden können, die uns heute das Wiederauffinden der alten Burganlage an dieser Stelle so sehr erschweren. Dagegen haben die übrigen Teile der Burg noch lange bestanden, ja bestehen z. T. noch heute. Und es wird zu den wichtigsten weiteren Forschungen gehören, nachzuweisen, wie sich die erhaltenen Teile weiter gestaltet haben.
„Seit jenen Tagen, so schreibt der Chronist, ist die Burg nicht wieder aufgebaut worden.“ Das ist gewiß richtig. Aber ein ganz falsches Bild gibt es doch, wenn man meint, daß die Burg damals vollständig vom Erdboden verschwunden wäre. Weder hat Heinrich der Löwe sie bis aus den Grund zerstört, sonst hätte sie nicht alsbald wieder aufgebaut werden können. Noch haben die Bürger sie 1277 bis aus die Grundmauern abgetragen. Sie werden vielleicht nur den nach der Stadt zu gelegenen Teil, wo die heutige Finkenburg steht, zerstört haben, so daß dann später die hier stehende Finkenburg und noch später die anliegenden Häuser haben errichtet werden können, die uns heute das Wiederauffinden der alten Burganlage an dieser Stelle so sehr erschweren. Dagegen haben die übrigen Teile der Burg noch lange bestanden, ja bestehen z. T. noch heute. Und es wird zu den wichtigsten weiteren Forschungen gehören, nachzuweisen, wie sich die erhaltenen Teile weiter gestaltet haben.


Im Jahre 1307 hat König Albrecht durch Urkunde vom 12. August<ref>Vergl. Böhmer, Kaiserregesten, Nr. 585, Seite 249.</ref> die beim Domstift St. Crucis gelegene Hofstätte in Nordhausen den Deutschordensbrüdern in Wallhausen geschenkt. Gleichzeitig schenkte er ihnen übrigens auch die Kirche des in der Stadtslur gelegenen Dorfes Niedersalza, deren Ruinen noch vor Jahrzehnten in der Nähe des Bahnübergangs bei Kerstings Mühle wahrgenommen werden konnten. Am 28. November 1307 schloß der Provinzialkomthur des Deutschritterordens, Gottfried von Körner, mit der Stadt Nordhausen einen Vertrag, dahingehend, daß er von den auf der Stelle der zerstörten Reichsburg (imperialis curiae ibidem) erbauten drei Höfen zwei derselben an den Nordhäuser Bürger Heino de Ellrich (Stolberg dictus) verkaufte, davon er als Jahreserbzins drei Pfund Wachs geben sollte. Der dritte Hof sollte ein Deutschordenshof bleiben. Würde der Deutschritterorden Wein in dasselbe einlegen, so wollte er keinen Schank darin treiben, und so er Getreide darin aufschütten würde, so wollte der Deutschritterorden es damit wie die anderen Bürger halten. Lange scheint der Orden diesen Hof nicht behalten zu haben. Wann er ihn freilich wieder verkauft hat, ist noch unbekannt. Doch spielen diese drei Häuser auch späterhin noch eine Rolle. 1490 z. B. war der eine Hof, vermutlich die Finkenburg, und zwar das jetzt wieder hergerichtete Gebäude, Eigentum des Nordhäuser Bürgers Hermann Werther. Dieser hat es an den Domvikar Heinrich Gutmann auf besten Lebenszeit verkauft. Von 1527—1540 wohnte in dem vor dem fünfeckigen Festungsturme, Rose genannt, an der Wastertreppe gelegenen Haus e, also in der Finkenburg der Domvikar Johann Fehrer.<ref>Vergl. die Jahreszahl 1491 im Backsteinbogen des Kellers der Finkenburg.</ref>
Wichtiger als dieses ist mir ein anderes Gebäude. Im Jahre 1315 erkaufte das Domherrenstift lediglich zur Erweiterung seines Friedhofes das dem Bürger Lamphord gehörige Haus.<ref>Vergl. Frommann, Ecclesiastica, S.</ref> Bedenken wir, daß die Entwickelung des Stiftes von 962 an von der Unterburg allmählich nach der Oberburg gegangen ist, daß 1267 erst das heute noch stehende Langhaus des hohen Chores geweiht worden ist, daß in jenen Jahren erst die ersten Altäre in der Krypta gestiftet wurden (vergl. Seite 618), so kann eine Erweiterung des Friedhofes nur auf der Südseite des Domes, Stists- kurie 20, mit ihrem westlichen Anbau gewesen sein. D. h. aber dieses Haus, eins jener drei Bürgerhäuser, ist wenigstens in seinem westlichen Anbau, wie wir schon auf Seite 617 nachgewiesen haben, ein Rest der alten Kaiserburg, derselbe, der 1810 in den Besitz der Loge übergegangen ist und dann bald von dieser abgebrochen wurde, um mit seinen Steinen den schönen Logentempel am Kaiserturme zu erbauen.
Bis in das 18. Jahrhundert hinein<ref>Vgl. Lesser, Historische Nachrichten der freien Reichsstadt Nordhausen 1740, S. 353.</ref> hat sich der Name „Kaiserstuhl" erhalten, an dem der Reichsvogt (advocatus) Gericht gehalten hat. Die Gefangenen wurden in dem starkbefestigten Turme an der Wassertreppe, der „Rose", bewacht und auf einer eigens dazu angebrachten Brücke dem Vogte zur Aburteilung zugeführt. Dieser Kaiserstuhl, den Meyer in die Finkenburg verlegt, kann meines Erachtens nur das heutige Kapitelgebäude bzw. seine südliche Fortsetzung gewesen sein. Darin bestärkt mich eine Nachricht bei Lesser. Seite 353 erzählt er in seiner Unglückschronik, daß im Jahre 1670 der Sohn des Stadtsekretarius Johann Günther Wiegand (1670) in dem großen Turme hinter dem Dome bei dem Kaiserstuhle abstürzte und den Hals brach.
Damit glauben wir, den Beweis erbracht zu haben, daß die drei über den Deutschritterorden in Privathände übergegangenen Häuser Reste der alten Kaiserburg gewesen sind und auf dem für die Burg erwiesenen Gelände gelegen haben.
Damit wären auch die drei seit 1307 immer wieder genannten Bürgerhäuser, deren Auffindung bisher so viel Mühe machte, im Burggelände selbst nachgewiesen.
Wie sich die weitere Gestaltung der Burganlage auf dem nach Süden anwachsenden Gebiete des Domherrenstiftes gestaltet hat, ist deshalb schwer zu sagen, weil die Akten des Stiftes, die ehemals in bester Ordnung waren und deren wertvoller Bestand noch 1808 durch den letzten Dechanten Ebel bezeugt wird, im Dreißigjährigen Kriege und bei der Aushebung des Stiftes 1808 bis 1811 zerstreut oder abhanden gekommen ist.<ref>Vergl. Hellwig, Zur Geschichte des Dom- und Kreuzstiftes zu Nordhausen 1694, Seite 6—7.</ref>
Dennoch glaube ich folgendes als geschichtlich feststehend Mitteilen zu können:
Eine der markantesten Persönlichkeiten des Stiftes ist der schon erwähnte Propst Theodoricus, Gras von Honstein, der von 1208—1220 als Propst der Frauenabtei urkundlich erwähnt wird, der vielleicht aus sehr ehrgeizigen Gründen die Umwandlung des Frauenstiftes in ein Chorherrenstift erfolgreich betrieb und der dann als Propst des Stiftes noch bis 1237 erscheint. Unter diesem tatkräftigen und unternehmungslustigen Manne ist 1234 die alte Burgkapelle abgebrannt. Von ihm gehen daher offenbar auch die Pläne der weiteren Entwicklung aus. Bei seinen guten Beziehungen zu geistlichen und weltlichen Fürsten, ja zum Kaiser selbst, ist es ihm gewiß ein Leichtes gewesen, das nördliche Gebäude als Propsteigebäude zu erhalten, das es dann bis zur Auflösung des Stiftes geblieben ist.
Als dann 1260—1267 die nova basilica, d. h. der heute noch stehende romanische hohe Chor gebaut wurde, ist sicherlich der weiter nach Süden gehende Bau der Burg niedergerissen worden, um den Dom freier bauen zu können und gleichzeitig auch Raum für die Anlage eines Friedhofes um die Kirche herum zu gewinnen. Die nördlich der Basilika stehenden Burgbauten bis an die Türme heran, blieben stehen, weil sie sich gut als Kreuzgang benutzen ließen, in denen rings die vielen Altäre, die wir heute vergeblich suchen, untergebracht wurden. Im Jahre 1315 wurde dann (vgl. S. 634) das Haus des Bürgers Lamphord zur Erweiterung des Friedhofes angekauft. Da seit 1294 bekanntlich kein deutscher Kaiser die Burg wieder besucht hat und deshalb auch das Interesse an ihr schwand, so hatte das Domherrenstift leichtes Spiel, auf dem Grund und Boden sich weiter auszudehnen. So wurde der Gedanke verständlich, schon im 14. und vollends 15. Jahrhundert, einen großen, nunmehr gotischen Anbau an das romanische Langhaus anzubauen, was dann schließlich seit 1460 in der heutigen Form zur Ausführung kam. Jetzt fiel auch der Säulenumgang vor dem Kapitelgebäude und machte dem heutigen gotischen Umgang Platz, der fraglos, wie schon erwähnt und an den ersten beiden Strebepfeilern an der Nordostecke des Domes erkennbar ist, am östlichen und nördlichen Flügel weitergebaut werden sollte, ein Plan, der dann infolge der Wirren des Bauernkrieges und der Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse infolge der Reformation nicht zur Ausführung gekommen ist. Dadurch aber ist es auch zu erklären, daß wir heute noch die vielen Reste des alten romanischen Baues der alten Burganlage so deutlich erkennen können. Denn, daß es ein Torso ist, das wir heute im Dom und seinen Nebengebäuden sehen, ist jedem klar, der sich etwas eingehender mit diesem nun erst recht historisch interessanten Bauwerk befaßt. Jetzt wird es durchaus verständlich, wie bei den verschiedenen Bauperioden des Domes, der ja Jahrhunderte unvollendet geblieben ist, bis er um die Mitte des vorigen Jahrhunderts durch Eingreifen der preußischen Regierung und aus deren Kosten fertiggestellt worden ist, die bei der Burganlage geübte Orientierung, die sich eben dem Gelände anpaßte, allmählich die Ostwestorientierung der Windrose, die bei jedem kirchlichen Bauwerk die Regel ist, eingeholt wurde, deren allmähliches Werden wir nachprüfen können, wenn wir die Türme mit der Krypta, den Bau von 1260,67 und das gotische Schiff miteinander vergleichen. Besonders mache ich dafür auf die Südostecke des gotischen Schiffes und den Nordwesteingang zur Kirche unter dem Kreuzgang aufmerksam, wo an den Ansatzstellen der Neuorientierung die Abweichung schon mit bloßem Auge wahrzunehmen ist.
Seitdem dann 1760/62 der Ostumgang des Kreuzgangs gefallen ist und 1899 das ehemalige Propsteigebäude abgebrochen wurde, um für den Spielplatz der Knabenmittelschule Raum zu schaffen, und damit diese Zeugen einer alten Zeit der nie stillstehenden Entwicklung zum Opfer gefallen sind, stehen Dom und Nebengebäude mit allem, was die neue Zeit Altes gelassen und Neues hinzugefügt hat, vor unseren Augen da.
== Rückblick und Ausblick ==
'''D'''amit ist der Rundgang, den wir gleichsam nur im Fluge durch die Geschichte unserer tausendjährigen Stadt an diesem einen Punkte ihrer Entwicklung gemacht haben, beendet. Er hat uns, wie ich annehmen darf, neben manchem Alten, was wir schon wußten, doch auch das Auge für viel Neues geöffnet, so daß auch der Kundige manches gesehen haben wird, was er in dieser Beleuchtung noch nicht betrachtet hatte. Er möge es hinnehmen, wie es gegeben ist, als eine Dankesgabe, die der Verfasser dieser Zeilen der tausendjährigen Stadt für das, was er in seiner nun zwölfjährigen Amtstätigkeit in ihr und von ihr an tiefen und tiefsten Anregungen seines Lebens empfangen hat, zu ihrem Jubiläum darbringt. Er weiß es vielleicht am besten, daß das endgültige Wort in dieser Frage, die über das rein Ortsgeschichtliche weit hinausgeht, hiermit noch lange nicht gesprochen ist, und er wird sich über jede Gabe, die zur Lösung dieser Frage beigebracht werden wird, herzlich freuen. Auch auf heftige Kritik ist er gefaßt. Er wird sich auch über sie freuen, wenn sie nur von dem einen Bestreben getragen sein wird, das seine eigenen Forschungen beflügelt hat, der Wahrheit und der klaren Erkenntnis vergangener Dinge zu dienen. Denn nur aus der klar erfaßten Erkenntnis der Vergangenheit können wir für Gegenwart und Zukunft lernen.
Eine Frage sei darum noch berührt, die der Erwägung gerade an dieser Stelle wohl wert ist. Wie kommt es denn, daß die Burg, die einmal doch eine bedeutende Rolle gespielt haben muß, so bald verschwunden ist, daß in Jahrhunderten fast jede Spur von ihr verloren gegangen ist? Die Antwort auf diese Frage ist mir klar.
#Die späteren Kaiser aus dem salischen und hohenstaufischen Hause hatten natürlich das Interesse an dieser Gründung Heinrichs I. nicht wie die sächsischen Kaiser, und andere Lieblingsgründungen traten mehr in den Vordergrund. Ich denke besonders an Goslar, das sich schnell zu einer der glanzvollsten Kaiserpfalzen entwickelte und Nordhausen in den Schalten stellte.
# Die planmäßige Entwicklung der Frauenabtei der Königin Mathilde aber, die in der Zeit ihres höchsten Glanzes unter der offenbar berühmtesten Aebtissin Caecilie 1158 von Friedrich Barbarossa das ganze Burggelände zum Geschenk erhielt, ließ das Interesse an der Erhaltung der Burg zu weltlichen Zwecken in den Hintergrund treten.
#Aus diesen Punkt möchte ich noch einmal mit Nachdruck Hinweisen. Die Burg selbst mit ihren aus leicht verwitterndem Kalkstein erbauten Gebäuden bot weder an Schönheit noch an Haltbarkeit so viel Reiz und Gewähr, daß es sich gelohnt hätte, sie zu erhalten. Man sehe daraufhin nur einmal die Türme des Domes in der Höhe über den Verblendungen der Basilika von 1267 und die alten romanischen Rundbogen des sog. alten Kreuzganges und die noch erhaltene Nordmauer nach der Knabenmittelschule hin an, die alle dasselbe ursprüngliche Gestein zeigen. Man vergleiche nur einmal die in den obersten Turmgeschossen und auf dem ältesten Teile des Kapitelgebäudes in späteren Jahrhunderten aus anderem festeren Gestein aufgebauten Teile. Und man wird leicht erkennen, daß, wollte man die alte Burg ganz erhalten, man einen Neubau von Grund aus hätte aufrichten müssen. Und darum wird man besonders gern gesehen haben, daß das Frauenstift und seit 1220 das Chorherrenstift sich in planmäßiger Entwicklung der Aufgabe unterzog, die Burg sich ilften Zwecken dienstbar zu machen. Und durch diese planmäßige Arbeit ist es dann gelungen, das ursprüngliche Bild der Burg so zu verdecken, daß selbst jedes Andenken an die alte Zeit verloren gegangen ist.
Und nun noch ein Wort für unsere Stadt.
Nordhausen ist so reich an geschichtlichen Erinnerungen wie kaum eine zweite unserer geschichtlich so sehr interessanten Städte am Harz und in Mitteldeutschland. Und nicht nur solche Erinnerungen sind es, die in den Schätze der Museen und in den Folianten der Bibliotheken vergraben sind, sondern die — ich möchte sagen — auf der Straße liegen und in den Steinen der Häuser zu uns reden. Den Blick hierfür an einem Teile geöffnet zu haben, wird für mich der schönste Lohn dieser Untersuchungen sein. Das Auge aber immer wieder für diese historischen Schönheiten zu üben und üben zu lehren, ist die Pflicht und Ausgabe aller Kenner dieser Schätze. Schon Friedrich Christian Lesser, „der Chronist von Nordhausen", sagt in seiner Schrift über das Leben des Laurentius Süße: „Ich habe immer die Meinung gehegt, es sei unanständig, in der Erkenntnis der Geschichte auswärtiger Dinge daheim und einheimischer ein Fremdling zu sein.“
Ob wir nun auf die Höhe des Geiersberges steigen, wo dicht bei der sagenumwobenen Merwigslinde vielleicht eine Kultstätte heidnischer Germanen gewesen ist, sicher in geschichtlich erkennbarer Zeit christlicher Gottesdienst gehalten wurde und festsfohe Tage unsere Vorväter in fröhlichen Stunden versammelt haben, oder ob wir hinüberwandern zur Höhe des Petersberges, wo in Jahrhunderten des Mittelalters die Grafen von Clettenberg das Gaugericht über den Helmegau ausübten, und wo gewiß in Erinnerung an die Schwertgewalt Zius und die Lösegewalt Donars den Apostelfürsten mit dem Schlüssel (Petrus) und dem Schwerte (Paulus) Nordhausens höchstragende Kirche erbaut worden ist. Mit Ehrfurcht und Ergriffenheit werden wir von dort hinausschauen in die Lande und in schweigender Verehrung die Wege des ewigen Gottes in den Jahrtausenden überdenken.
Wenn wir aber dann von dort hinabsteigen zu der Frauenbergkirche, in ihren Grundlagen dem ältesten Denkmal aus historischer Zeit, dann werden wir über den Ruinen des alten Reichshofes längst vergangener Tage keimender Hoffnung deutschen Geistes und deutscher Kraft nachsinnen.
Unser Herz aber wird höher schlagen, wenn wir in den Tagen der Tausendjahrfeier unserer Stadt die alte Köngs- und Kaiserburg vom Grimmel her an St. Elisabeth vorbei zum Barfüßertore hinauf umwandern und dann in den ehrwürdigen Frieden des katholischen Domes mit seinen Gräbern im Hofe des schattigen Kreuzganges eintreten oder gar in den stillen Frieden des schattenspendenden Logengartens kommen und von Stolbergs Ruhe oder von dem Mauerumgang des altehrwürdigen Kaiserturmes aus hinein in die Lande, hinaus zum sternklaren Himmel schauen. Und wenn unsere Seele eingestellt ist auf den Zauber dieses eigen schönen Ortes, wenn wir es verstehen, die Geister mit dem Zauberschlüssel zu wecken, die hier schlummern in tausend und abertausend Jahren, was werden sie uns erzählen von alle dem, was diese Stätten alles erlebt und was die Menschen von dieser Höhe alles gesehen haben?
Dort grüßt von Lahras Höhe, von der Asenburg und vom Rabensberge her, den wir gerade noch über dem Rücken des Kohnsteins hervorleuchten sehen, Urväter Glaube, wie er von allen Höhen in züngelnden Flammen zum Himmel gelodert ist. Dort grüßen in der Nähe, ganz unten im Tale die alten Heerstraßen, auf denen schon in ältesten Zeiten die Völker gewandert sind, bis sie in fernem Westen neue Heimstätten oder das Grab gefunden haben, wo in geschichtlich bekannter Zeit Herzöge, Könige und Kaiser mit heerstarker Macht hin- und hergezogen sind, um hier gastlich zu rasten oder in weiter Ferne neue Taten zu tun. Dann fangen diese Mauern, auf denen wir stehen, und die uns rings umgeben, zu reden an, von alledem, was sie gesehen, von stolzer Könige Taten, von frommer Frauen tugendsamer Sitte. Ergriffen werden wir lauschen, uns in den Geist vergangener Zeiten versenken, aber nicht, um in ihm zu verharren, sondern um hinauf zu schauen zu den Sternen, und dem ewig großen Schöpfer aller Dinge zu danken für das, was er den kleinen Erdenbürgern ausgebaut hat, daß sie in Menschen- und Weltgeschehen seine Taten schauen lernen und sich von ihm stärken lassen, auch in schicksalsschwerer Zeit nicht zu verzagen, sondern glaubensfroh und tatenstark mitzuarbeiten an dem Wiederaufbau deutschen Geistes und deutschen Wesens.
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[[Kategorie:Das tausendjährige Nordhausen|1. Band]]
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