Bearbeiten von „Die Sander in Nordhausen und Rom im 15. und 16. Jahrhundert

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|KURZBESCHREIBUNG=Dieser erste Teil der Reihe „Sander-Northusen. Geschichte einer Bürgerfamilie“ wurde nicht fortgesetzt. Die ursprüngliche Arbeit stammt aus dem Jahr 1934.
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== Die ersten Sander in Nordhausen ==
== Die ersten Sander in Nordhausen ==


Der Name Sander ist die deutsche Abkürzung des griechisch- lateinischen Alexander, zu deutsch „der Männerabwehrende“. Als der Name sich bei unseren Vorfahren einbürgerte, gemahnte er sie nicht etwa an den heldenhaften Mazedonier, sondern an einen Heiligen, der mit seiner Mutter Felicitas und sechs Brüdern im zweiten Jahrhundert zu Rom den Märtyrertod erlitten haben soll. Der Gedenktag der „Sieben Brüder" ist der 10. Juli.
Der Name Sander ist die deutsche Abkürzung des griechisch- lateinischen Alexander, zu deutsch „der Männerabwehrende". Als der Name sich bei unseren Vorfahren einbürgerte, gemahnte er sie nicht etwa an den heldenhaften Mazedonier, sondern an einen Heiligen, der mit seiner Mutter Felicitas und sechs Brüdern im zweiten Jahrhundert zu Rom den Märtyrertod erlitten haben soll. Der Gedenktag der „Sieben Brüder" ist der 10. Juli.


Seltsamerweise war es ein Enkel des urdeutschen und heidnischen Kriegshelden Widukind, der den Namen des fremden, frommen Mannes im Sachsenlande heimisch machte. Widukind und seine Kampfgenossen hatten das Christentum nur der Not gehorchend und äußerlich angenommen. Das wußten ihre Zwingherren, die fränkischen Kaiser, gar wohl, und um die Bekehrung der Unterworfenen allmählich zu verinnerlichen, ließen sie die Söhne der sächsischen Vornehmen als Geiseln an ihrem Hofe und in den fränkischen Klöstern zu Christen erziehen.
Seltsamerweise war es ein Enkel des urdeutschen und heidnischen Kriegshelden Widukind, der den Namen des fremden, frommen Mannes im Sachsenlande heimisch machte. Widukind und seine Kampfgenossen hatten das Christentum nur der Not gehorchend und äußerlich angenommen. Das wußten ihre Zwingherren, die fränkischen Kaiser, gar wohl, und um die Bekehrung der Unterworfenen allmählich zu verinnerlichen, ließen sie die Söhne der sächsischen Vornehmen als Geiseln an ihrem Hofe und in den fränkischen Klöstern zu Christen erziehen.
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Das Papsttum jener Zeit war aufs tiefste verweltlicht. Innozenz VIII. sorgte hauptsächlich für seine natürlichen Kinder, während im Kirchenstaat das Faustrecht herrschte; unter Alexander VI., der die Gegner mit Gift und Dolch beseitigte, bildeten die Untaten seines Sohnes Cäsar Borgia das Stadtgespräch; Julius II. zeichnete sich durch Kriegstaten und großartige Bauten aus, und Leo X. überbot alle Vorgänger durch Prachtwerke. Unter frommen Vorwänden wurden gewaltige Abgaben der Gläubigen nach Rom gezogen und zu weltlichen Zwecken verwendet. Wohl blühten Kunst und Wissenschaft, aber Glaube und Christentum litten Not.  
Das Papsttum jener Zeit war aufs tiefste verweltlicht. Innozenz VIII. sorgte hauptsächlich für seine natürlichen Kinder, während im Kirchenstaat das Faustrecht herrschte; unter Alexander VI., der die Gegner mit Gift und Dolch beseitigte, bildeten die Untaten seines Sohnes Cäsar Borgia das Stadtgespräch; Julius II. zeichnete sich durch Kriegstaten und großartige Bauten aus, und Leo X. überbot alle Vorgänger durch Prachtwerke. Unter frommen Vorwänden wurden gewaltige Abgaben der Gläubigen nach Rom gezogen und zu weltlichen Zwecken verwendet. Wohl blühten Kunst und Wissenschaft, aber Glaube und Christentum litten Not.  


Da das Leben in Rom außerordentlich teuer war, pflegten die Kurialbeamten ihr Einkommen dadurch zu vermehren, daß sie sich möglichst viele heimatliche Sinekuren verschafften, deren Einkünfte sie in der Ferne genießen konnten. Auch Johannes Sander bediente sich dieses Mittels. Da seine Vaterstadt im Erfurter Archidiakonat des Erzbistums Mainz lag, so kamen für ihn in erster Linie Pfründen in Nordhausen und Umgegend sowie in Erfurt in Betracht. Im Jahre 1506 finden wir ihn im Besitz von sechs Bikarien, nämlich je einer am Kreuzstift, dem Altendorfkloster und der Petrikirche zu Nordhausen, zweier an der Pfarrkirche zu Ellrich und einer zu Udersleben. Aus diesen Pfründen bezog er 68¼ Schock Groschen, 8½ Scheffel Roggen, 2½ Scheffel Gerste und 4 Scheffel Hafer im Gesamtwert von 170 rheinischen Goldgulden mit einer Kaufkraft von etwa 7400 Mark unserer Vorkriegswährung. Spätestens zu Anfang des Jahres 1508 erwarb er noch eine weit bessere Pfründe, nämlich eine Domherrnstelle in Erfurt. Von den Pfründeneinnahmen mußte er gelegentlich einen Teil als eine sogenannte Subsidienzahlung an seinen Mainzer Erzbischof abliefern.
Da das Leben in Rom außerordentlich teuer war, pflegten die Kurialbeamten ihr Einkommen dadurch zu vermehren, daß sie sich möglichst viele heimatliche Sinekuren verschafften, deren Einkünfte sie in der Ferne genießen konnten. Auch Johannes Sander bediente sich dieses Mittels. Da seine Vaterstadt im Erfurter Archidiakonat des Erzbistums Mainz lag, so kamen für ihn in erster Linie Pfründen in Nordhausen und Umgegend sowie in Erfurt in Betracht. Im Jahre 1506 finden wir ihn im Besitz von sechs Bikarien, nämlich je einer am Kreuzstift, dem Altendorfkloster und der Petrikirche zu Nordhausen, zweier an der Pfarrkirche zu Ellrich und einer zu Udersleben. Aus diesen Pfründen bezog er 68¼ Schock Groschen, 8½ Scheffel Roggen, 2½ Scheffel Gerste und 4 Scheffel Hafer im Gesamtwert von 170 rheinischen Goldgulden mit einer Kaufkraft von etwa 7400 Mark unserer Vorkriegswährung. Spätestens zu Anfang des Jahres 1508 erwarb er noch eine weit bessere Pfründe, nämlich eine Domherrnstelle in Erfurt. Von den Pfründeneinnahmen mußte er gelegentlich einen Teil als eine sogenannte Subsidienzahlung an feinen Mainzer Erzbischof abliefern.


Etwa im Jahre 1495 erlangte Johannes das Amt eines Rota-Notars an der päpstlichen Kurie. Als solcher wird er in den Protokollen der Rota erstmalig am 26. und 28. September 1496 genannt, wo er bei einem großen Prozesse um die Domscholasterei von Breslau wichtige Urkunden des kaiserlichen Notars Sebald Ziegler in Nürnberg als dessen Bevollmächtigter geltend machte.
Etwa im Jahre 1495 erlangte Johannes das Amt eines Rota-Notars an der päpstlichen Kurie. Als solcher wird er in den Protokollen der Rota erstmalig am 26. und 28. September 1496 genannt, wo er bei einem großen Prozesse um die Domscholasterei von Breslau wichtige Urkunden des kaiserlichen Notars Sebald Ziegler in Nürnberg als dessen Bevollmächtigter geltend machte.
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Aus dem Sitzungssaal und der Rechenstube des Ratshauses hinaus und durch alle Teile der Stadt führte Hansen das Amt eines Kriegsmeisters oder Pfeilherrn, welches er 1512 bekleidete. Es war besonders verantwortungsvoll und wurde von zwei Ratsherren verwaltet, deren einer am Dreikönigstage, der andere zu Johannis das Amt antrat und ein Jahr lang behielt. Dementsprechend fand an diesen beiden Tagen eine Rechnungslegung statt.
Aus dem Sitzungssaal und der Rechenstube des Ratshauses hinaus und durch alle Teile der Stadt führte Hansen das Amt eines Kriegsmeisters oder Pfeilherrn, welches er 1512 bekleidete. Es war besonders verantwortungsvoll und wurde von zwei Ratsherren verwaltet, deren einer am Dreikönigstage, der andere zu Johannis das Amt antrat und ein Jahr lang behielt. Dementsprechend fand an diesen beiden Tagen eine Rechnungslegung statt.


Die Kriegsmeister hatten im Kriegsfälle zusammen mit dem Stadthauptmann, einem im Solde des Rats stehenden Ritter, die kriegerischen Maßnhmen zu beschließen und zu leiten. In Friedenszeit lag ihnen hauptsächlich die Sorge für alles Kriegsgerät der Stadt ob. Sie sollten gemäß der Satzung von 1470 „alle Geschütze und Gezeug, die zu ihrem Amte dienen und gehören, auch alle Waffen und Geschütze auf den Toren und Türmen, im Pfeilhause, auf den Mauern und wo sie dieselben sonst haben, mit des Rats Zeichen zeichnen, in ein Register beschreiben und verzeichnet ihren Nachfolgern geben, überantworten und beweisen; wer das nicht tut und darüber betroffen wird, gibt eine Mark und sitzt vier Tage inne, ohne Gnade.
Die Kriegsmeister hatten im Kriegsfälle zusammen mit dem Stadthauptmann, einem im Solde des Rats stehenden Ritter, die kriegerischen Maßnhmen zu beschließen und zu leiten. In Friedenszeit lag ihnen hauptsächlich die Sorge für alles Kriegsgerät der Stadt ob. Sie sollten gemäß der Satzung von 1470 „alle Geschütze und Gezeug, die zu ihrem Amte dienen und gehören, auch alle Waffen und Geschütze auf den Toren und Türmen, im Pfeilhause, auf den Mauern und wo sie dieselben sonst haben, mit des Rats Zeichen zeichnen, in ein Register beschreiben und verzeichnet ihren Nachfolgern geben, überantworten und beweisen; wer das nicht tut und darüber betroffen wird, gibt eine Mark und sitzt vier Tage inne, ohne Gnade."


Hansens Amtsgenosse war erst Lorenz Junker, dann Gerlach Pockeram. Ihre Tätigkeit wurde erschwert durch den Umstand, daß die Kriegsvorräte der Stadt an den verschiedensten Plätzen untergebracht waren. Nach einem Verzeichnis von 1514 lagerten im Pfeilhause über der Ratsstube große Mengen von Pfeilen in 16 Tonnen, 28 Schauben und 2 Fässern, außerdem etwa 80 neue Armbruste, deren Verbleib sorgfältig nachgewiesen werden mußte, und einige Hundert lange Spieße; in dem Gewölbe unter der Kämmerei Salpeter, Schwefel, Blei und ein kleiner Vorrat fertigen Pulvers; vor dem Gewölbe Pfeile und einige Fässer gestoßener Holzkohle; unter der Ratsstube Salpeter und mehrere Schock Hakenbüchsen; unter der Kämmerei Pfeile. Lederne Löscheimer wurden auf dem Tanzboden, im Wachthause vorm Adler in der Neustadt und im Altendorf verwahrt, der Hauptvorrat an fertigem Pulver im Wülfingsturm, die Geschütze nebst Steinkugeln, Karren und Wagen im Büchsenhaus zu St. Georgen. Außerdem waren sämtliche 76 Türme und Tore der Stadt mit Kriegsmaterial zur sofortigen Benutzung versehen.
Hansens Amtsgenosse war erst Lorenz Junker, dann Gerlach Pockeram. Ihre Tätigkeit wurde erschwert durch den Umstand, daß die Kriegsvorräte der Stadt an den verschiedensten Plätzen untergebracht waren. Nach einem Verzeichnis von 1514 lagerten im Pfeilhause über der Ratsstube große Mengen von Pfeilen in 16 Tonnen, 28 Schauben und 2 Fässern, außerdem etwa 80 neue Armbruste, deren Verbleib sorgfältig nachgewiesen werden mußte, und einige Hundert lange Spieße; in dem Gewölbe unter der Kämmerei Salpeter, Schwefel, Blei und ein kleiner Vorrat fertigen Pulvers; vor dem Gewölbe Pfeile und einige Fässer gestoßener Holzkohle; unter der Ratsstube Salpeter und mehrere Schock Hakenbüchsen; unter der Kämmerei Pfeile. Lederne Löscheimer wurden auf dem Tanzboden, im Wachthause vorm Adler in der Neustadt und im Altendorf verwahrt, der Hauptvorrat an fertigem Pulver im Wülfingsturm, die Geschütze nebst Steinkugeln, Karren und Wagen im Büchsenhaus zu St. Georgen. Außerdem waren sämtliche 76 Türme und Tore der Stadt mit Kriegsmaterial zur sofortigen Benutzung versehen.


Als Nebenaufgabe hatten die Kriegsmeister die Aufsicht über den Marstall des Rats zu führen. Täglich mußte einer von ihnen „auf den Stall gehen und zusehen“. Neues Sattelzeug durfte der Stallmeister nur mit ihrer Genehmigung anschaffen, unbrauchbares mußte er an sie abliefern.
Als Nebenaufgabe hatten die Kriegsmeister die Aufsicht über den Marstall des Rats zu führen. Täglich mußte einer von ihnen „auf den Stall gehen und zusehen". Neues Sattelzeug durfte der Stallmeister nur mit ihrer Genehmigung anschaffen, unbrauchbares mußte er an sie abliefern.


Eine weitere Nebenaufgabe war die Überwachung des Schützenmeisters, dem die Stadtsöldner unterstanden. Für gewöhnlich hatte die Stadt etwa 20 Schützen zu Fuß und einige Knechte zu Pferd oder Reisige in ihrem Dienst. Einem der Reisigen namens Klaus Pfannschmidt werden wir im Bauernkriege wiederbegegnen.
Eine weitere Nebenaufgabe war die Überwachung des Schützenmeisters, dem die Stadtsöldner unterstanden. Für gewöhnlich hatte die Stadt etwa 20 Schützen zu Fuß und einige Knechte zu Pferd oder Reisige in ihrem Dienst. Einem der Reisigen namens Klaus Pfannschmidt werden wir im Bauernkriege wiederbegegnen.
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Um diese Zeit weilte Luther noch auf der Wartburg, während einer der gefährlichsten Schwarmgeister nach Nordhausen kam, nämlich Thomas Münzer. Anfänglich zu Luther stehend, bekämpfte er ihn dann aufs schärfste, da er vermeinte, nur mit Gewalt und nach allgemeinem Umsturz ein Gottesreich nach seinem Sinne errichten zu können. In Nordhausen, wo er bis zum März 1523 als Kaplan, erst wohl an der St. Georgenkapelle und dann am Nonnenkloster im Altendorf wirkte, vermochte er sich nicht durchzusetzen, gewann aber durch scharfe und zügellose Beredsamkeit manche Anhänger.
Um diese Zeit weilte Luther noch auf der Wartburg, während einer der gefährlichsten Schwarmgeister nach Nordhausen kam, nämlich Thomas Münzer. Anfänglich zu Luther stehend, bekämpfte er ihn dann aufs schärfste, da er vermeinte, nur mit Gewalt und nach allgemeinem Umsturz ein Gottesreich nach seinem Sinne errichten zu können. In Nordhausen, wo er bis zum März 1523 als Kaplan, erst wohl an der St. Georgenkapelle und dann am Nonnenkloster im Altendorf wirkte, vermochte er sich nicht durchzusetzen, gewann aber durch scharfe und zügellose Beredsamkeit manche Anhänger.


In dem Widerstreit der Meinungen, der immer heftiger wurde, stellte sich der Rat entschlossen auf die Seite Luthers, der später rühmend gesagt hat: „Ich weiß keine Stadt am Harz oder sonst, welche sich dem Evangelio so bald unterworfen als die Stadt Nordhausen.Der Entschluß war nicht leicht, denn der einzige zuverlässige Beschützer der Unabhängigkeit der Reichstadt war der streng katholische Kaiser, der nächste örtliche Schutzfürst der streng katholische Herzog Georg. Mit beiden durfte man es nicht verderben. Deshalb ging der Rat zwar mit Entschiedenheit, aber auch mit Mäßigung und politischer Klugheit vor.
In dem Widerstreit der Meinungen, der immer heftiger wurde, stellte sich der Rat entschlossen auf die Seite Luthers, der später rühmend gesagt hat: „Ich weiß keine Stadt am Harz oder sonst, welche sich dem Evangelio so bald unterworfen als die Stadt Nordhausen." Der Entschluß war nicht leicht, denn der einzige zuverlässige Beschützer der Unabhängigkeit der Reichstadt war der streng katholische Kaiser, der nächste örtliche Schutzfürst der streng katholische Herzog Georg. Mit beiden durfte man es nicht verderben. Deshalb ging der Rat zwar mit Entschiedenheit, aber auch mit Mäßigung und politischer Klugheit vor.


Maßlose Schwarmgeister wie Thomas Münzer waren nicht nach seinem Sinn. Er verschaffte deshalb dem sich zu Luthers Lehre bekennenden bisherigen Augustinerprior Lorenz Süße, einem Mann von vermittelnder Sinnesart, die Stelle eines Predigers an der Petrikirche. Am 22. Februar 1522 hielt Süße die erste evangelische predigt, d. h. eine Predigt, die auf der Heiligen Schrift fußte und die mißbräuchliche Gnadenvermittelung bekämpfte.
Maßlose Schwarmgeister wie Thomas Münzer waren nicht nach seinem Sinn. Er verschaffte deshalb dem sich zu Luthers Lehre bekennenden bisherigen Augustinerprior Lorenz Süße, einem Mann von vermittelnder Sinnesart, die Stelle eines Predigers an der Petrikirche. Am 22. Februar 1522 hielt Süße die erste evangelische predigt, d. h. eine Predigt, die auf der Heiligen Schrift fußte und die mißbräuchliche Gnadenvermittelung bekämpfte.


Indem der Rat sich den lutherischen Lehren zuwandte, handelte er im Sinne der großen Mehrzahl der Bürger, aber durchaus nicht aller. Neben einigen Anhängern Münzers, denen Luther viel zu gemäßigt war, gab es eine beträchtliche Anzahl von solchen, die aus Ueberzeugung oder Eigennutz allen Neuerungen widerstrebten. Ihr stärkster Rückhalt in der Stadt war das reichsunmittelbare Domstift St. Crucis oder Kreuzstift, das über großen Besitz und Einfluß verfügte. Dieses beschwerte sich nun bei Kaiser Karl v.: „Der Rat zu Nordhausen läßt wider kaiserliches Oberedikt und päpstlichen Bann Martinsbuben (Anhänger Martin Luthers), so zum Teil verlaufene Mönche sind, auftreten und predigen. So hat der Rat auch einen verlaufenen Mönch in die Kapelle St. Görgen verordnet, welcher gewöhnlich in seinen Predigten zum Abbruche unseres Pfarrherrn schmähet. Der Rat hat auch den Lorenz Süße, einen ausgelaufenen Mönch, der auch sein Mönchshabit abgelegt hat, an St. Peters Pfarrkirchen zu einem pfarrherrn präsentiert.
Indem der Rat sich den lutherischen Lehren zuwandte, handelte er im Sinne der großen Mehrzahl der Bürger, aber durchaus nicht aller. Neben einigen Anhängern Münzers, denen Luther viel zu gemäßigt war, gab es eine beträchtliche Anzahl von solchen, die aus Ueberzeugung oder Eigennutz allen Neuerungen widerstrebten. Ihr stärkster Rückhalt in der Stadt war das reichsunmittelbare Domstift St. Crucis oder Kreuzstift, das über großen Besitz und Einfluß verfügte. Dieses beschwerte sich nun bei Kaiser Karl v.: „Der Rat zu Nordhausen läßt wider kaiserliches Oberedikt und päpstlichen Bann Martinsbuben (Anhänger Martin Luthers), so zum Teil verlaufene Mönche sind, auftreten und predigen. So hat der Rat auch einen verlaufenen Mönch in die Kapelle St. Görgen verordnet, welcher gewöhnlich in seinen Predigten zum Abbruche unseres Pfarrherrn schmähet. Der Rat hat auch den Lorenz Süße, einen ausgelaufenen Mönch, der auch sein Mönchshabit abgelegt hat, an St. Peters Pfarrkirchen zu einem pfarrherrn präsentiert."


Der Rat ließ sich nicht beirren: den ihm selbst gefährlichen Umstürzler Münzer verwies er aus der Stadt, den bedächtigen Süße förderte er. Einen besonders glücklichen Griff tat er, indem er den bisherigen Stadtunterschreiber Michael Meyenburg zum Stadtoberschreiber ernannte. Gestützt auf das Vertrauen des Rats, hat Meyenburg in den folgenden Jahren als erster Beamter der Stadt dank seiner politischen Einsicht und mit Vorsicht und Verschlagenheit Hand in Hand gehender Tatkraft und Kühnheit das Staatsschiff durch Klippen und Brandung hindurchgeführt, die Stadt vor ernstlichem Schaden bewahrt, ihre Rechte wesentlich erweitert und die Gegner erfolgreich bekämpft.
Der Rat ließ sich nicht beirren: den ihm selbst gefährlichen Umstürzler Münzer verwies er aus der Stadt, den bedächtigen Süße förderte er. Einen besonders glücklichen Griff tat er, indem er den bisherigen Stadtunterschreiber Michael Meyenburg zum Stadtoberschreiber ernannte. Gestützt auf das Vertrauen des Rats, hat Meyenburg in den folgenden Jahren als erster Beamter der Stadt dank seiner politischen Einsicht und mit Vorsicht und Verschlagenheit Hand in Hand gehender Tatkraft und Kühnheit das Staatsschiff durch Klippen und Brandung hindurchgeführt, die Stadt vor ernstlichem Schaden bewahrt, ihre Rechte wesentlich erweitert und die Gegner erfolgreich bekämpft.
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Die Freie Reichstädt Mühlhausen war kleiner als Nordhausen. In etwa 800 Häuern mag sie 5000 bis 5500 Einwohner beherbergt haben, Nordhausen in 1100 Häusern etwa 7000. Jedoch besaß Mühlhausen in vorteilhaftem Gegensatz zu Nordhausen ein ansehnliches Landgebiet mit 18 Dörfern. Auf ländlichen Besitz gestützt, hatten die patrizischen Geschlechter verfassungsmäßig eine etwas stärkere Stellung im Rate behauptet, als es in Nordhausen der Fall war. In Wirklichkeit war aber der Mühlhäuser Rat keineswegs aristokratischer als der Nordhäuser, denn in vier Ratsregimenten zählte er nicht weniger als 120 Mitglieder, und die Hälfte der Bürgermeister wurde den Zünften entnommen.
Die Freie Reichstädt Mühlhausen war kleiner als Nordhausen. In etwa 800 Häuern mag sie 5000 bis 5500 Einwohner beherbergt haben, Nordhausen in 1100 Häusern etwa 7000. Jedoch besaß Mühlhausen in vorteilhaftem Gegensatz zu Nordhausen ein ansehnliches Landgebiet mit 18 Dörfern. Auf ländlichen Besitz gestützt, hatten die patrizischen Geschlechter verfassungsmäßig eine etwas stärkere Stellung im Rate behauptet, als es in Nordhausen der Fall war. In Wirklichkeit war aber der Mühlhäuser Rat keineswegs aristokratischer als der Nordhäuser, denn in vier Ratsregimenten zählte er nicht weniger als 120 Mitglieder, und die Hälfte der Bürgermeister wurde den Zünften entnommen.


Bereits im Jahre 1522 waren „evangelische Prädikanten" in Mühlhausen aufgetreten, doch zunächst mit geringem Erfolg. Erst als sich der frühere Mönch Heinrich Pfeifer zu ihnen gesellte, wurde es anders. Pfeifer, ein Mann von feurigem Geiste und festem Mut, sprach anfangs ganz in Luthers Sinn für die Verbesserung der kirchlichen Zustände und gegen die zuchtlose Geistlichkeit. „Das hörte die Gemeinde gern, und obwohl etliche im Rat dawider sprachen, so sprachen doch die anderen, es ginge den Rat nichts an, sondern nur die Pfaffen und Mönche, welche sich das Volk durch ihren Bann und Gnade sehr gehässig gemacht hatten.Diese Aeußerung eines Mühlhäuser Zeitgenossen verdient besondere Beachtung, da sie auch auf Nordhausen zutrifft. Die Geistlichkeit gehörte nicht zur Bürgerschaft, genoß große Vorrechte, griff mit Kirchenstrafen eigenmächtig in das bürgerliche Leben ein, brachte durch den Ablaßhandel die Leute um Geld und Gewissenhaftigkeit.
Bereits im Jahre 1522 waren „evangelische Prädikanten" in Mühlhausen aufgetreten, doch zunächst mit geringem Erfolg. Erst als sich der frühere Mönch Heinrich Pfeifer zu ihnen gesellte, wurde es anders. Pfeifer, ein Mann von feurigem Geiste und festem Mut, sprach anfangs ganz in Luthers Sinn für die Verbesserung der kirchlichen Zustände und gegen die zuchtlose Geistlichkeit. „Das hörte die Gemeinde gern, und obwohl etliche im Rat dawider sprachen, so sprachen doch die anderen, es ginge den Rat nichts an, sondern nur die Pfaffen und Mönche, welche sich das Volk durch ihren Bann und Gnade sehr gehässig gemacht hatten." Diese Aeußerung eines Mühlhäuser Zeitgenossen verdient besondere Beachtung, da sie auch auf Nordhausen zutrifft. Die Geistlichkeit gehörte nicht zur Bürgerschaft, genoß große Vorrechte, griff mit Kirchenstrafen eigenmächtig in das bürgerliche Leben ein, brachte durch den Ablaßhandel die Leute um Geld und Gewissenhaftigkeit.


Die kirchliche Bewegung in Mühlhausen war im Grunde nicht stark, doch diente sie zur Förderung einer politischen Strömung, die auf Abstellung von städtischen Übelständen und größere Beteiligung der Bürger an der Regierung gerichtet war. Am 1. April 1523 versammelten sich die Unzufriedenen auf einem Kirchhof, verbanden sich durch einen Eid und wählten acht Männer zu ihren Vertretern. Die „Achtmänner" begaben sich in das Haus eines Hans Sander und stellten ihre noch maßvollen Forderungen in 53 Artikeln zusammen, die sie dem Rate vorlegten. Nur zwei der Artikel beschäftigten sich mit kirchlichen Dingen, der Predigt des Evangeliums; diese bewilligte der Rat sofort, die übrigen wollte er erst prüfen. Darüber kam es im Juli zum Aufruhr und zur Belagerung des Rathauses, wo der Rat mit den Achtmännern verhandelte. Um die tobende Menge von Gewalttaten gegen den Rat abzulenken, regten die Achtmänner sie zur Plünderung eines gewissen Klosters an, während der eingeschüchterte Rat die 53 Artikel bewilligte.
Die kirchliche Bewegung in Mühlhausen war im Grunde nicht stark, doch diente sie zur Förderung einer politischen Strömung, die auf Abstellung von städtischen Übelständen und größere Beteiligung der Bürger an der Regierung gerichtet war. Am 1. April 1523 versammelten sich die Unzufriedenen auf einem Kirchhof, verbanden sich durch einen Eid und wählten acht Männer zu ihren Vertretern. Die „Achtmänner" begaben sich in das Haus eines Hans Sander und stellten ihre noch maßvollen Forderungen in 53 Artikeln zusammen, die sie dem Rate vorlegten. Nur zwei der Artikel beschäftigten sich mit kirchlichen Dingen, der Predigt des Evangeliums; diese bewilligte der Rat sofort, die übrigen wollte er erst prüfen. Darüber kam es im Juli zum Aufruhr und zur Belagerung des Rathauses, wo der Rat mit den Achtmännern verhandelte. Um die tobende Menge von Gewalttaten gegen den Rat abzulenken, regten die Achtmänner sie zur Plünderung eines gewissen Klosters an, während der eingeschüchterte Rat die 53 Artikel bewilligte.
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In Mühlhausen werden die Achtmänner machtlüstern. Pfeiffer darf zurückkehren und ist nun nicht mehr lutherisch gesinnt, sondern ganz von münzerischen Umsturzplänen erfüllt. Der Rat verliert immer mehr an Boden und wagt keine durchgreifenden Maßnahmen. Im März 1524 kommt es zum Bildersturm in einem Kloster, dem oft mit Brandstiftung verbundenen Merkmal nahender Pöbel- Herrschaft. Im August erscheint Thomas Münzer in der Stadt. Anderthalb Jahr lang hatte er in Allstedt mit Wort und Schrift für seine Umsturzpläne gewirkt und in der Umgegend viele Geheimbünde gegründet, dann aber glaubte er sich gefährdet und entwich in Begleitung eines Nordhäuser Goldschmieds von Allstedt nach Mühlhausen. Durch den mächtigen Eindruck seiner leidenschaftlichen Hetzpredigten auf viele war sein Selbstgefühl bis zu dem Grade gesteigert, daß er glaubte, berufen zu sein, als ein Prophet jede weltliche Obrigkeit zu stürzen und einen kommunistischen Gottesstaat zu errichten. Bald nach seinem Eintreffen kam es in Mühlhausen zu neuen gefährlichen Unruhen und einem allgemeinen Bildersturm. Aber noch einmal gelang es dem Rate, sich zu behaupten, nicht zum wenigsten mit Hilfe der Bauern aus den Stadtdörfern, denen das wüste Treiben in der Stadt zuwider und störend war, und Ende September wurden Pfeifer und Münzer von neuem ausgewiesen.
In Mühlhausen werden die Achtmänner machtlüstern. Pfeiffer darf zurückkehren und ist nun nicht mehr lutherisch gesinnt, sondern ganz von münzerischen Umsturzplänen erfüllt. Der Rat verliert immer mehr an Boden und wagt keine durchgreifenden Maßnahmen. Im März 1524 kommt es zum Bildersturm in einem Kloster, dem oft mit Brandstiftung verbundenen Merkmal nahender Pöbel- Herrschaft. Im August erscheint Thomas Münzer in der Stadt. Anderthalb Jahr lang hatte er in Allstedt mit Wort und Schrift für seine Umsturzpläne gewirkt und in der Umgegend viele Geheimbünde gegründet, dann aber glaubte er sich gefährdet und entwich in Begleitung eines Nordhäuser Goldschmieds von Allstedt nach Mühlhausen. Durch den mächtigen Eindruck seiner leidenschaftlichen Hetzpredigten auf viele war sein Selbstgefühl bis zu dem Grade gesteigert, daß er glaubte, berufen zu sein, als ein Prophet jede weltliche Obrigkeit zu stürzen und einen kommunistischen Gottesstaat zu errichten. Bald nach seinem Eintreffen kam es in Mühlhausen zu neuen gefährlichen Unruhen und einem allgemeinen Bildersturm. Aber noch einmal gelang es dem Rate, sich zu behaupten, nicht zum wenigsten mit Hilfe der Bauern aus den Stadtdörfern, denen das wüste Treiben in der Stadt zuwider und störend war, und Ende September wurden Pfeifer und Münzer von neuem ausgewiesen.


Wie anders verlief das Jahr 1524 in Nordhausen! Es war das letzte der Jahre, in welchem Hans Sander dem sitzenden Rate angehörte, an dessen Spitze der Bürgermeister Heinrich Thomas stand. Unbeirrt durch den Widerstand des Kreuzstifts, doch ohne unnötige Schärfe, setzte der Rat das Werk der Kirchenverbesserung fort, und am 26. September führte er die Reformation in aller Form ein, indem er verkündete: „Auf Befehl (d. h. Empfehlung) unserer Herren der Ältesten haben wir, der Rat, nach Beschluß der ehrbaren Freien- und Reichsstädte auf dem Städtetag zu Speyer unfern Pfarrern und Seelenwärtern aus allen Pfarrkirchen gesagt, das göttliche Wort einträchtig nach Vermöge des heiligen Evangeliums und biblischer apostolischer Schrift hinfürder zu predigen.
Wie anders verlief das Jahr 1524 in Nordhausen! Es war das letzte der Jahre, in welchem Hans Sander dem sitzenden Rate angehörte, an dessen Spitze der Bürgermeister Heinrich Thomas stand. Unbeirrt durch den Widerstand des Kreuzstifts, doch ohne unnötige Schärfe, setzte der Rat das Werk der Kirchenverbesserung fort, und am 26. September führte er die Reformation in aller Form ein, indem er verkündete: „Auf Befehl (d. h. Empfehlung) unserer Herren der Ältesten haben wir, der Rat, nach Beschluß der ehrbaren Freien- und Reichsstädte auf dem Städtetag zu Speyer unfern Pfarrern und Seelenwärtern aus allen Pfarrkirchen gesagt, das göttliche Wort einträchtig nach Vermöge des heiligen Evangeliums und biblischer apostolischer Schrift hinfürder zu predigen."




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Zu Beginn des Jahres 1525 schien der im fernen Oberschwaben ausgebrochene Bauernaufstand das mittlere Deutschland noch nicht zu bedrohen, wohl aber war hier Mühlhausen zu einem Brennpunkt weitverbreiteter städtischer Umsturzbestrebungen geworden. Obwohl die benachbarten Fürsten die Gefahr erkannten, fanden sie sich nicht zu gemeinsamer Abwehr zusammen, da politische und religiöse Gegensätze zwischen ihnen vorherrschten.
Zu Beginn des Jahres 1525 schien der im fernen Oberschwaben ausgebrochene Bauernaufstand das mittlere Deutschland noch nicht zu bedrohen, wohl aber war hier Mühlhausen zu einem Brennpunkt weitverbreiteter städtischer Umsturzbestrebungen geworden. Obwohl die benachbarten Fürsten die Gefahr erkannten, fanden sie sich nicht zu gemeinsamer Abwehr zusammen, da politische und religiöse Gegensätze zwischen ihnen vorherrschten.


So gewannen die Umstürzler in Mühlhausen immer mehr Anhang. Viele Unzufriedene aus dem Umgegend kamen in der Stadt zusammen, und auch die Bauern des städtischen Gebiets wurden unruhig. Schon wagten es die Aufwiegler, heimlich bei Nacht in die Umgegend zu ziehen und „die Pfaffen zu stürmen“. Der machtlose Rat mußte Pfeiffers und Münzers Rückkehr dulden.
So gewannen die Umstürzler in Mühlhausen immer mehr Anhang. Viele Unzufriedene aus dem Umgegend kamen in der Stadt zusammen, und auch die Bauern des städtischen Gebiets wurden unruhig. Schon wagten es die Aufwiegler, heimlich bei Nacht in die Umgegend zu ziehen und „die Pfaffen zu stürmen". Der machtlose Rat mußte Pfeiffers und Münzers Rückkehr dulden.


Münzer hatte inzwischen in Oberschwaben das Wachsen der bäuerlichen Bewegung beobachtet und erhoffte von ihr Förderung seiner Umsturzpläne. Nun zum Prediger an einer Kirche Mühlhausens erwählt, trieb er offen zu Aufruhr und Kriegsrüstungen. Durch Volksabstimmung wurde am 16. März der bisherige Rat abgesetzt und tags darauf ein ewiger Rat gewählt. Hatten früher 120 Personen aus angesehenen Familien in viermaliger Abwechslung die Stadt regiert, so wurden nun 16 Männer, zumeist ärmere Bürger, mit der ohne Wechsel fortlaufenden Regierung beauftragt. Zum Bürgermeister wurde ein Knochenhauer gewählt. Der Stadtsyndikus hatte den Umsturz gefördert, einige Ratsherren ihn gutgeheißen. Münzer fand keinen Platz im Stadtregiment, denn die neuen Leute wollten ihre eigene Herrschaft zwar verteidigen, nicht aber sie für Münzers uferlose Pläne aufs Spiel setzen.
Münzer hatte inzwischen in Oberschwaben das Wachsen der bäuerlichen Bewegung beobachtet und erhoffte von ihr Förderung seiner Umsturzpläne. Nun zum Prediger an einer Kirche Mühlhausens erwählt, trieb er offen zu Aufruhr und Kriegsrüstungen. Durch Volksabstimmung wurde am 16. März der bisherige Rat abgesetzt und tags darauf ein ewiger Rat gewählt. Hatten früher 120 Personen aus angesehenen Familien in viermaliger Abwechslung die Stadt regiert, so wurden nun 16 Männer, zumeist ärmere Bürger, mit der ohne Wechsel fortlaufenden Regierung beauftragt. Zum Bürgermeister wurde ein Knochenhauer gewählt. Der Stadtsyndikus hatte den Umsturz gefördert, einige Ratsherren ihn gutgeheißen. Münzer fand keinen Platz im Stadtregiment, denn die neuen Leute wollten ihre eigene Herrschaft zwar verteidigen, nicht aber sie für Münzers uferlose Pläne aufs Spiel setzen.
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Etwa um die Zeit des Mühlhäusischen Umsturzes erschienen die 12 Artikel der schwäbischen Bauern im Druck und gaben allen Unzufriedenen in Stadt und Land eine gemeinsame Richtlinie. Ende März brach der offene Krieg los, verbreitete sich in großen Wellen nach allen Richtungen, vornehmlich nach Norden über Württemberg und Franken bis an den Thüringer Wald und nach Hessen hinein, und sprang auch auf die Harzgegenö über.
Etwa um die Zeit des Mühlhäusischen Umsturzes erschienen die 12 Artikel der schwäbischen Bauern im Druck und gaben allen Unzufriedenen in Stadt und Land eine gemeinsame Richtlinie. Ende März brach der offene Krieg los, verbreitete sich in großen Wellen nach allen Richtungen, vornehmlich nach Norden über Württemberg und Franken bis an den Thüringer Wald und nach Hessen hinein, und sprang auch auf die Harzgegenö über.


Allenthalben bildeten sich Bauernhaufen, die ohne weiteres die Klöster plünderten und zerstörten. Im übrigen traten die Bauern meist gemäßigt auf und waren zur Verständigung mit der weltlichen Obrigkeit bereit. Herren und Städte, die die 12 Artikel annahmen, wurden geschont, mußten aber dem Bauernbünde beitreten und Waffenhilfe leisten. Zumeist unter dem Druck der unteren Volksschichten schlossen sich viele Städte dem Aufstand an und „wurden bäuerisch“.
Allenthalben bildeten sich Bauernhaufen, die ohne weiteres die Klöster plünderten und zerstörten. Im übrigen traten die Bauern meist gemäßigt auf und waren zur Verständigung mit der weltlichen Obrigkeit bereit. Herren und Städte, die die 12 Artikel annahmen, wurden geschont, mußten aber dem Bauernbünde beitreten und Waffenhilfe leisten. Zumeist unter dem Druck der unteren Volksschichten schlossen sich viele Städte dem Aufstand an und „wurden bäuerisch".




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Als dann am 29. April Münzer in Ebeleben eintraf, von wo er in vier Stunden vor Nordhausen erscheinen konnte, stieg hier die Erregung aufs höchste. Die bürgerliche Gruppe der Unzufriedenen schickte eilends Boten nach Ebeleben, um den Molschen Haufen nach Nordhausen zu holen, die Hintersättler im Altenöorf aber glaubten, auch ohne auswärtige Hilfe den Aufstand wagen zu können.
Als dann am 29. April Münzer in Ebeleben eintraf, von wo er in vier Stunden vor Nordhausen erscheinen konnte, stieg hier die Erregung aufs höchste. Die bürgerliche Gruppe der Unzufriedenen schickte eilends Boten nach Ebeleben, um den Molschen Haufen nach Nordhausen zu holen, die Hintersättler im Altenöorf aber glaubten, auch ohne auswärtige Hilfe den Aufstand wagen zu können.


Jakob Wallrot und Walter auf der Stelzen riefen ihre Nachbarn auf dem Klosterhofe im Altendorf zusammen und ließen sie schwören: „Leib und Gut für einander zu lassen, bei einander zu stehen, und was einen betreffe, solle den andern auch anlangen“. Dom Evangelium, das sonst gern vorgewandt wurde, war nicht die Rede, und wie der erste Teil des Eides gemeint war, zeigte sich schnell. Zunächst holte man drei Hakenbüchsen von den Mauertürmen des Altendorfs und richtet« sie gegen den Zugang aus der Oberstadt, gewillt, ein etwaiges Eingreifen des Rats mit Waffengewalt abzuwehren. Dann wählte man vier Männer zu Sprechoder Biertelsmeistern. Die erkannten ihre erste Aufgabe darin, die Habe der Nonnen des Klosters im Altendorf unter die Aufrührer zu verteilen, wobei mit Speck und Betten der Anfang gemacht und öfters gedroht wurde, man würde das Kloster aufbrechen und alles nehmen. Um den Mut und die plünderungslust ihrer Leute zu erhöhen, gaben die Rädelsführer vor, man teile auch schon im Kloster auf dem Frauenberge und in dem Ilfelder Klosterhof im Töpferviertel das Korn aus. Bei alledem nicht allzu zuversichtlich, sandten sie den Fritsche Heise und Hans Dorsmann in die nahegelegenen Vorstädte Sand und Neustadt mit der Frage: „ob diese es mit ihnen halten wollten, und was sie sich von ihnen zu versehen hätten?"
Jakob Wallrot und Walter auf der Stelzen riefen ihre Nachbarn auf dem Klosterhofe im Altendorf zusammen und ließen sie schwören: „Leib und Gut für einander zu lassen, bei einander zu stehen, und was einen betreffe, solle den andern auch anlangen". Dom Evangelium, das sonst gern vorgewandt wurde, war nicht die Rede, und wie der erste Teil des Eides gemeint war, zeigte sich schnell. Zunächst holte man drei Hakenbüchsen von den Mauertürmen des Altendorfs und richtet« sie gegen den Zugang aus der Oberstadt, gewillt, ein etwaiges Eingreifen des Rats mit Waffengewalt abzuwehren. Dann wählte man vier Männer zu Sprechoder Biertelsmeistern. Die erkannten ihre erste Aufgabe darin, die Habe der Nonnen des Klosters im Altendorf unter die Aufrührer zu verteilen, wobei mit Speck und Betten der Anfang gemacht und öfters gedroht wurde, man würde das Kloster aufbrechen und alles nehmen. Um den Mut und die plünderungslust ihrer Leute zu erhöhen, gaben die Rädelsführer vor, man teile auch schon im Kloster auf dem Frauenberge und in dem Ilfelder Klosterhof im Töpferviertel das Korn aus. Bei alledem nicht allzu zuversichtlich, sandten sie den Fritsche Heise und Hans Dorsmann in die nahegelegenen Vorstädte Sand und Neustadt mit der Frage: „ob diese es mit ihnen halten wollten, und was sie sich von ihnen zu versehen hätten?"


Die beiden Boten kehrten mit einer unbefriedigenden Antwort zurück und konnten auch nichts von Unruhen in anderen Stadtteilen melden. Daraufhin verloren die Aufrührer sofort den Mut, gaben ihr Unternehmen auf und wurden uneinig: die einen beschlossen, zu den Bauern zu ziehen, die anderen zogen es vor, in der Stadt zu bleiben. Von den letzteren begaben sich Hans Beier und Fritsche Heise, weniger beherzt als vorsichtig, zum Bürgermeister Öthe und berichteten ihm: „das Volk sei auf im Altendorf und wolle zum Tore hinaus; sie bäten, er möchte den Leuten zwei Mann nachschicken.
Die beiden Boten kehrten mit einer unbefriedigenden Antwort zurück und konnten auch nichts von Unruhen in anderen Stadtteilen melden. Daraufhin verloren die Aufrührer sofort den Mut, gaben ihr Unternehmen auf und wurden uneinig: die einen beschlossen, zu den Bauern zu ziehen, die anderen zogen es vor, in der Stadt zu bleiben. Von den letzteren begaben sich Hans Beier und Fritsche Heise, weniger beherzt als vorsichtig, zum Bürgermeister Öthe und berichteten ihm: „das Volk sei auf im Altendorf und wolle zum Tore hinaus; sie bäten, er möchte den Leuten zwei Mann nachschicken."


Vom Bürgermeister beauftragt, begaben sich die Ratsherren Fritsche Bohne und Eitel Eilhard sogleich ins Altendorf. Auf dem Klosterhofe trafen sie noch einen Hausen Leute an, hörten aber, ein Teil sei schon zum Tore hinaus. Bis vor das Tor nachgeeilt, sahen die Ratsherren, daß die Entwichenen bereits die Salza erreicht und damit einen Vorsprung von einer Viertelstunde gewonnen hatten. Nun schickten die Herren ihnen den Beier und Heise nach mit der Aufforderung, sie sollten wieder heimkommen. Davon wollten die Entwichenen aber nichts hören, und einer rief höhnend: „er würde ihnen 500 Bauern schicken“.
Vom Bürgermeister beauftragt, begaben sich die Ratsherren Fritsche Bohne und Eitel Eilhard sogleich ins Altendorf. Auf dem Klosterhofe trafen sie noch einen Hausen Leute an, hörten aber, ein Teil sei schon zum Tore hinaus. Bis vor das Tor nachgeeilt, sahen die Ratsherren, daß die Entwichenen bereits die Salza erreicht und damit einen Vorsprung von einer Viertelstunde gewonnen hatten. Nun schickten die Herren ihnen den Beier und Heise nach mit der Aufforderung, sie sollten wieder heimkommen. Davon wollten die Entwichenen aber nichts hören, und einer rief höhnend: „er würde ihnen 500 Bauern schicken".




Der Aufruhr im Altendorf war völlig gescheitert. Er war nichts als ein leichtsinniger Putschversuch von geringen Leuten, die wenig zu verlieren hatten und plündern wollten. Die bürgerlichen Unzufriedenen um Kehner hatten nichts mit dem Unternehmen zu tun, ja, ihre Anführer weilten damals zumeist nicht in der Stadt. Kehner scheint nach seiner Reise zu Münzer nicht gleich heimgekehrt zu sein, sondern den Molschen Haufen bei dem Zug nach Ebeleben begleitet zu haben, und Sander und Helmsdorf hatten sich auf die Kunde von Münzers Anmarsch aufgemacht, um den Molschen Haufen herbeizurufen.  
Der Aufruhr im Altendorf war völlig gescheitert. Er war nichts als ein leichtsinniger Putschversuch von geringen Leuten, die wenig zu verlieren hatten und plündern wollten. Die bürgerlichen Unzufriedenen um Kehner hatten nichts mit dem Unternehmen zu tun, ja, ihre Anführer weilten damals zumeist nicht in der Stadt. Kehner scheint nach seiner Reise zu Münzer nicht gleich heimgekehrt zu sein, sondern den Molschen Haufen bei dem Zug nach Ebeleben begleitet zu haben, und Sander und Helmsdorf hatten sich auf die Kunde von Münzers Anmarsch aufgemacht, um den Molschen Haufen herbeizurufen.  


Die Brüder waren fortgeritten, Sander in schwarzem Rock auf einem Rappen, Helmsdorf grau gekleidet aus einem braunen Pferde. Unterwegs erfuhren sie, der Haufe sei in Ebeleben gewesen. Weiterreitend fanden sie „die Molschen samt der Sammung", d. h. die Mühlhäuser samt den Bauern, zwischen Ebeleben und Billeben. Sie ritten in den Kreis der Sammung und baten: „Der Haufe wolle nach Nordhausen kommen und einen ewigen Rat machen, sie wären in der Stadt nicht einig, man solle sie einig machen.Sander äußerte dann noch die Bitte, man solle dem Helmsdorf zum Bürgerrecht verhelfen. Helmsdorf schlug den Kehner zum Bürgermeister vor und verlangte für sich selbst das gewiß einträgliche Recht, beim Rolandstandbild am Rathause kochen zu dürfen.
Die Brüder waren fortgeritten, Sander in schwarzem Rock auf einem Rappen, Helmsdorf grau gekleidet aus einem braunen Pferde. Unterwegs erfuhren sie, der Haufe sei in Ebeleben gewesen. Weiterreitend fanden sie „die Molschen samt der Sammung", d. h. die Mühlhäuser samt den Bauern, zwischen Ebeleben und Billeben. Sie ritten in den Kreis der Sammung und baten: „Der Haufe wolle nach Nordhausen kommen und einen ewigen Rat machen, sie wären in der Stadt nicht einig, man solle sie einig machen." Sander äußerte dann noch die Bitte, man solle dem Helmsdorf zum Bürgerrecht verhelfen. Helmsdorf schlug den Kehner zum Bürgermeister vor und verlangte für sich selbst das gewiß einträgliche Recht, beim Rolandstandbild am Rathause kochen zu dürfen.


Hernach sprachen die Brüder noch mit einem Unterführer des Haufens namens Klaus Pfannschmidt, der früher der Stadt Nord- Hausen als Reisiger gedient hatte, und fragten ihn: „wie es werden würde“. Der antwortete: „Sobald sie es geschicken könnten, wollten sie kommen und den (Vertrags-) Brief und die (Bauern-) Artikel mitbringen; wer sich nicht wohl verantworten könnte, den wollten sie absetzen, auch einen Ewigen Rat einsetzen, und der Bürgermeister Lindemann sollte geköpft werden.Das gefiel den Brüdern gar wohl, und als sie entweder noch im Bauernlager oder nach ihrer Heimkehr den Hans Kehner trafen, sagte Helmsdorf zu ihm: „Sieh, Bruder, bist du hier? Es soll wohl noch nach meiner Rede kommen, daß du zu Nordhausen solltest Bürgermeister werden, dazu die Heiligen aus der Kirche tun und deutsche Messe und Vesper singen.
Hernach sprachen die Brüder noch mit einem Unterführer des Haufens namens Klaus Pfannschmidt, der früher der Stadt Nord- Hausen als Reisiger gedient hatte, und fragten ihn: „wie es werden würde". Der antwortete: „Sobald sie es geschicken könnten, wollten sie kommen und den (Vertrags-) Brief und die (Bauern-) Artikel mitbringen; wer sich nicht wohl verantworten könnte, den wollten sie absetzen, auch einen Ewigen Rat einsetzen, und der Bürgermeister Lindemann sollte geköpft werden." Das gefiel den Brüdern gar wohl, und als sie entweder noch im Bauernlager oder nach ihrer Heimkehr den Hans Kehner trafen, sagte Helmsdorf zu ihm: „Sieh, Bruder, bist du hier? Es soll wohl noch nach meiner Rede kommen, daß du zu Nordhausen solltest Bürgermeister werden, dazu die Heiligen aus der Kirche tun und deutsche Messe und Vesper singen."




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Der Zusammenbruch des Aufstandes im Altendorf und Münzers Abmarsch nach dem Eichsfeld befreiten den Nordhäuser Rat für den Augenblick aus der dringlichsten Gefahr, doch blieb die Lage der Stadt noch äußerst schwierig. Im Vertrauen auf die von Pfannschmidt verheißene baldige Hilfe hetzten die Anhänger Keh- ners zur Empörung. Sander sagte bei einer Zusammenkunft der Knochenhauergilde: „Es werde zu Nordhausen nicht gut, man schlage denn den Regenten die Köpfe ab und setze andere an ihre Stelle“. Auch ließen sich die Aufwiegler vernehmen: „Wenn die Herren Ältesten beisammen wären, wollten sie das Rathaus stürmen und die Herren vom Rathause werfen; es solle künftig ein Erbrat sein; man wolle den Weinkeller preisgeben, wenn die Bauern kämen, die Türme erbrechen und das Geschütz nehmen und unter sie teilen.
Der Zusammenbruch des Aufstandes im Altendorf und Münzers Abmarsch nach dem Eichsfeld befreiten den Nordhäuser Rat für den Augenblick aus der dringlichsten Gefahr, doch blieb die Lage der Stadt noch äußerst schwierig. Im Vertrauen auf die von Pfannschmidt verheißene baldige Hilfe hetzten die Anhänger Keh- ners zur Empörung. Sander sagte bei einer Zusammenkunft der Knochenhauergilde: „Es werde zu Nordhausen nicht gut, man schlage denn den Regenten die Köpfe ab und setze andere an ihre Stelle". Auch ließen sich die Aufwiegler vernehmen: „Wenn die Herren Ältesten beisammen wären, wollten sie das Rathaus stürmen und die Herren vom Rathause werfen; es solle künftig ein Erbrat sein; man wolle den Weinkeller preisgeben, wenn die Bauern kämen, die Türme erbrechen und das Geschütz nehmen und unter sie teilen."


Indessen verbreitete sich draußen der offene Aufstand mit Windeseile durch ganz Nordthüringen, und bald war Nordhausen bis Sangerhausen hin die einzige Stadt, die den Bauern noch fest widerstand. Die Rüstungen der nächstbenachbarten Fürsten gingen äußerst langsam vonstatten, da es schwer war, zuverlässige Söldner zu werben und die selbst bedrohten Vasallen zur Heerfolge zu bewegen. Der Kurfürst Friedrich von Sachsen, krank, mutlos und ungerüstet, neigte zu Verhandlungen mit den Bauern, und Graf Albrecht von Mansfeld schwankte, ob er sich nicht auch den Bauern anschließen sollte.
Indessen verbreitete sich draußen der offene Aufstand mit Windeseile durch ganz Nordthüringen, und bald war Nordhausen bis Sangerhausen hin die einzige Stadt, die den Bauern noch fest widerstand. Die Rüstungen der nächstbenachbarten Fürsten gingen äußerst langsam vonstatten, da es schwer war, zuverlässige Söldner zu werben und die selbst bedrohten Vasallen zur Heerfolge zu bewegen. Der Kurfürst Friedrich von Sachsen, krank, mutlos und ungerüstet, neigte zu Verhandlungen mit den Bauern, und Graf Albrecht von Mansfeld schwankte, ob er sich nicht auch den Bauern anschließen sollte.
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So mußte es damals dem Nordhäuser Rat recht zweifelhaft scheinen, wem der Sieg zufallen würde. Von seinem kühnen und verschlagenen Stadtoberschreiber Meyenburg aufs beste beraten, trug er beiden Möglichkeiten Rechnung. Als das Bauernheer bei Ebeleben lag, sandte er einen Bericht an Herzog Johann von Sachsen, den Bruder des Kurfürsten, und bat um Schutz und Beistand. Gleich darauf aber sandte er Meyenburg zum Münzerschen Heerhaufen, um Erkundigungen über dessen Stärke und Absichten einzuziehen und für den Notfall Fühlung mit den Anführern zu nehmen. Die Entsendung erfolgte vermutlich am 30. April, als Münzer bereits von Ebeleben nach Westen abmarschierte, denn Meyenburg erreichte den Heerhaufen erst vor Heiligenstaöt, wo derselbe am 2. Mai gegen Abend eintraf.
So mußte es damals dem Nordhäuser Rat recht zweifelhaft scheinen, wem der Sieg zufallen würde. Von seinem kühnen und verschlagenen Stadtoberschreiber Meyenburg aufs beste beraten, trug er beiden Möglichkeiten Rechnung. Als das Bauernheer bei Ebeleben lag, sandte er einen Bericht an Herzog Johann von Sachsen, den Bruder des Kurfürsten, und bat um Schutz und Beistand. Gleich darauf aber sandte er Meyenburg zum Münzerschen Heerhaufen, um Erkundigungen über dessen Stärke und Absichten einzuziehen und für den Notfall Fühlung mit den Anführern zu nehmen. Die Entsendung erfolgte vermutlich am 30. April, als Münzer bereits von Ebeleben nach Westen abmarschierte, denn Meyenburg erreichte den Heerhaufen erst vor Heiligenstaöt, wo derselbe am 2. Mai gegen Abend eintraf.


Während Meyenburgs Abwesenheit zeigte der Rat eine merkwürdig unsichere und kraftlose Haltung. Er kam auf den Gedanken, die Stimmung in der Stadt zu erforschen und sich der Bürgerschaft zu versichern. Statt aber elfteres in aller Stille zu tun und letzteres durch besonnenes und festes Regieren zu erstreben, griff er zu einem höchst ungeeigneten und gefährlichen Mittel. Er ließ die vier Viertel der Oberstadt nacheinander zusammenberufen und fragen: „Ob sie bei dem Rate stehen wollten, oder wessen er sich von ihnen zu versehen hätte? Wenn sie Beschwerden hätten, sollten sie solche in Artikel bringen und ihm übergeben, dann solle mögliche Besserung erfolgen.
Während Meyenburgs Abwesenheit zeigte der Rat eine merkwürdig unsichere und kraftlose Haltung. Er kam auf den Gedanken, die Stimmung in der Stadt zu erforschen und sich der Bürgerschaft zu versichern. Statt aber elfteres in aller Stille zu tun und letzteres durch besonnenes und festes Regieren zu erstreben, griff er zu einem höchst ungeeigneten und gefährlichen Mittel. Er ließ die vier Viertel der Oberstadt nacheinander zusammenberufen und fragen: „Ob sie bei dem Rate stehen wollten, oder wessen er sich von ihnen zu versehen hätte? Wenn sie Beschwerden hätten, sollten sie solche in Artikel bringen und ihm übergeben, dann solle mögliche Besserung erfolgen."


Eine günstigere Gelegenheit zum Hetzen konnten sich die Unzufriedenen kaum wünschen, und so ging es denn auch bei den Versammlungen laut und stürmisch genug her. Da aber der weitaus größte Teil der Bürgerschaft mit dem Stadtregiment zufrieden war, wurden im allgemeinen keine tiefgründigen Beschwerden gegen den Rat vorgebracht.
Eine günstigere Gelegenheit zum Hetzen konnten sich die Unzufriedenen kaum wünschen, und so ging es denn auch bei den Versammlungen laut und stürmisch genug her. Da aber der weitaus größte Teil der Bürgerschaft mit dem Stadtregiment zufrieden war, wurden im allgemeinen keine tiefgründigen Beschwerden gegen den Rat vorgebracht.


Nur ein einziger echt umstürzlerischer Antrag wurde gestellt, und zwar gerade von einem Manne, der eine Hauptstütze der Ordnung hätte sein müssen: dem Schultheißen Leonhard Busch. Er war es, der dem Rat empfohlen hatte, „die Bürger gütlich zu hören“. Vorsorglich fragte er dann die Bürgermeister, ob er an der Versammlung teilnehmen dürfe, und sagte nach erhaltener Erlaubnis: „Ich will weder mehr noch weniger sein (als andere Bürger) und bei meinem Herren lassen Leib und Leben.Trotz solcher biederen Worte gab er bei der Versammlung seinem Haß gegen die Führer des Stadtregiments unverhohlen Ausdruck, indem er den Artikel vorschlug: „Die Herren Ältesten sollten nicht mehr sitzen, denn es wäre ein gefreundeter Rat, und (bei ihnen) käme man zu keinem Rechte; aber vor dem sitzenden Rat wäre es gut und würde nichts verzogen, (denn) es käme eine (dort anhängig gemachte) Sache in vier Wochen zu Ende.
Nur ein einziger echt umstürzlerischer Antrag wurde gestellt, und zwar gerade von einem Manne, der eine Hauptstütze der Ordnung hätte sein müssen: dem Schultheißen Leonhard Busch. Er war es, der dem Rat empfohlen hatte, „die Bürger gütlich zu hören". Vorsorglich fragte er dann die Bürgermeister, ob er an der Versammlung teilnehmen dürfe, und sagte nach erhaltener Erlaubnis: „Ich will weder mehr noch weniger sein (als andere Bürger) und bei meinem Herren lassen Leib und Leben." Trotz solcher biederen Worte gab er bei der Versammlung seinem Haß gegen die Führer des Stadtregiments unverhohlen Ausdruck, indem er den Artikel vorschlug: „Die Herren Ältesten sollten nicht mehr sitzen, denn es wäre ein gefreundeter Rat, und (bei ihnen) käme man zu keinem Rechte; aber vor dem sitzenden Rat wäre es gut und würde nichts verzogen, (denn) es käme eine (dort anhängig gemachte) Sache in vier Wochen zu Ende."


Das war eine arge Entgleisung des herzoglichen Vertrauensmannes, die mit seiner langjährigen Verbitterung zu erklären aber nicht zu entschuldigen ist. Eine Verfassungsänderung in so erregter Zeit mußte weiteren Umsturz nach sich ziehen.
Das war eine arge Entgleisung des herzoglichen Vertrauensmannes, die mit seiner langjährigen Verbitterung zu erklären aber nicht zu entschuldigen ist. Eine Verfassungsänderung in so erregter Zeit mußte weiteren Umsturz nach sich ziehen.
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„Meines Amtes halber stehe ich vor Leichtfertigen und Fremden in großer Angst und Not, wiewohl ich vom Rat oder anderen Verständigen in Nordhausen noch nicht Beschwerung erlitten. – „Es haben die Bauern, die Klein-Werther gestürmt, bei 400 Mann zusammengebracht und stärken sich alle Stunde. –
„Meines Amtes halber stehe ich vor Leichtfertigen und Fremden in großer Angst und Not, wiewohl ich vom Rat oder anderen Verständigen in Nordhausen noch nicht Beschwerung erlitten. – „Es haben die Bauern, die Klein-Werther gestürmt, bei 400 Mann zusammengebracht und stärken sich alle Stunde. –


„Ich hätte Euch viel mehr und garnichts Gutes zu berichten, doch will's die Zeit nicht leiden.
„Ich hätte Euch viel mehr und garnichts Gutes zu berichten, doch will's die Zeit nicht leiden."
Über Meyenburgs Erkundungsreise berichtet Busch folgendes: „Der Rat von Nordhausen hat den Stadtschreiber und einen Bürger Veit Stegemann bei dem Mühlhäuser Heer vor Heiligenstadt gehabt. Näheres über die Beschickung ist mir verborgen. Und als die diesen Morgen wiedergekommen, hat mich deren einer berichtet, daß sie das Heer vor Heiligenstadt angetroffen. Es sei ungefähr nicht über 6000 Mann stark, alles nur Fußvolk und gar ungeschickt, haben 6 kleine Geschütze.
Über Meyenburgs Erkundungsreise berichtet Busch folgendes: „Der Rat von Nordhausen hat den Stadtschreiber und einen Bürger Veit Stegemann bei dem Mühlhäuser Heer vor Heiligenstadt gehabt. Näheres über die Beschickung ist mir verborgen. Und als die diesen Morgen wiedergekommen, hat mich deren einer berichtet, daß sie das Heer vor Heiligenstadt angetroffen. Es sei ungefähr nicht über 6000 Mann stark, alles nur Fußvolk und gar ungeschickt, haben 6 kleine Geschütze.


„Münzer und Pfeiffer sind in Heiligenstadt gewesen. Mit Pfeiffer hat der Stadtschreiber eine Unterredung gehabt. Es hat auch ein partmeister des Heeres, Klaus Pfannschmidt, ein reisiger Knecht, der früher dem Rat zu Nordhausen gedient, mitgeteilt, daß solch Heer diesen Morgen um halben Mittag vor Rusteberg sein wollte, um das Schloß mit Gewalt zu erobern.
„Münzer und Pfeiffer sind in Heiligenstadt gewesen. Mit Pfeiffer hat der Stadtschreiber eine Unterredung gehabt. Es hat auch ein partmeister des Heeres, Klaus Pfannschmidt, ein reisiger Knecht, der früher dem Rat zu Nordhausen gedient, mitgeteilt, daß solch Heer diesen Morgen um halben Mittag vor Rusteberg sein wollte, um das Schloß mit Gewalt zu erobern.


,Ich halte aber dafür, daß das mit solchem ungeschickten Volk nicht möglich sein wird. Ich werde auch berichtet, wenn 5 oder 600 Reisige und 2 oder 300 zu Fuß geschickt würden und an bas Heer kämen, würden sie ohne Zweifel die alle leicht schlagen.
,Ich halte aber dafür, daß das mit solchem ungeschickten Volk nicht möglich sein wird. Ich werde auch berichtet, wenn 5 oder 600 Reisige und 2 oder 300 zu Fuß geschickt würden und an bas Heer kämen, würden sie ohne Zweifel die alle leicht schlagen."


Soweit Büschs quellfrischer Bericht, dessen Auffindung die bisherigen Darstellungen der Nordhäuser Ereignisse jener Tage wesentlich ergänzt und berichtigt.
Soweit Büschs quellfrischer Bericht, dessen Auffindung die bisherigen Darstellungen der Nordhäuser Ereignisse jener Tage wesentlich ergänzt und berichtigt.
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Bald verlautete, „der ungestümige Müllische Haufe" würde auf dem Rückwege vom Eichsfelde vor Nordhausen ziehen; Herzog Johann ließ sagen, daß er der Stadt vorläufig nicht helfen könne, und Herzog Georg bat sogar um Zusendung von 100 oder 200 ihrer Söldner.
Bald verlautete, „der ungestümige Müllische Haufe" würde auf dem Rückwege vom Eichsfelde vor Nordhausen ziehen; Herzog Johann ließ sagen, daß er der Stadt vorläufig nicht helfen könne, und Herzog Georg bat sogar um Zusendung von 100 oder 200 ihrer Söldner.


Begreiflicherweise lehnte der Rat die Zumutung des Herzogs Georg ab. Zur Sicherung der Stadt mußte er alle Kräfte Zusammenhalten, auch wenn er gewußt hätte, daß sich bereits ein Umschwung zu Ungunsten der Bauern zu vollziehen begann. Am 3. Mai hatte der Landgraf von Hessen den Aufstand im Hessischen unterdrückt und schickte sich zu einem Borstoß nach Thüringen an; am 5. Mai war ein starker Haufe, der zum Bauernheer bei Frankenhausen zog, blutig zersprengt worben; am 6. Mai hatte Luther nach vergeblichen predigten im Aufruhrgebiet sein Flugblatt „Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern" geschrieben. Der Widerstand gegen die Bauern gewann zusehends an Kraft. Aber noch am 7. Mai äußerte Herzog Erich von Braunschweig in einem Briefe an Landgraf Philipp von Hessen die Besorgnis, daß Nordhausen den Bauern nicht widerstehen würde, indem er schrieb: „Auch tun wir Euer Liebden zu wissen, daß diejenigen Bauern, so das Eichsfeld verwüstet, sich täglich stärken, daß gemeint wird, so die Nordhäuser dazu kommen, derselbe Haufe mehr als in die 15000 stark werde.
Begreiflicherweise lehnte der Rat die Zumutung des Herzogs Georg ab. Zur Sicherung der Stadt mußte er alle Kräfte Zusammenhalten, auch wenn er gewußt hätte, daß sich bereits ein Umschwung zu Ungunsten der Bauern zu vollziehen begann. Am 3. Mai hatte der Landgraf von Hessen den Aufstand im Hessischen unterdrückt und schickte sich zu einem Borstoß nach Thüringen an; am 5. Mai war ein starker Haufe, der zum Bauernheer bei Frankenhausen zog, blutig zersprengt worben; am 6. Mai hatte Luther nach vergeblichen predigten im Aufruhrgebiet sein Flugblatt „Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern" geschrieben. Der Widerstand gegen die Bauern gewann zusehends an Kraft. Aber noch am 7. Mai äußerte Herzog Erich von Braunschweig in einem Briefe an Landgraf Philipp von Hessen die Besorgnis, daß Nordhausen den Bauern nicht widerstehen würde, indem er schrieb: „Auch tun wir Euer Liebden zu wissen, daß diejenigen Bauern, so das Eichsfeld verwüstet, sich täglich stärken, daß gemeint wird, so die Nordhäuser dazu kommen, derselbe Haufe mehr als in die 15000 stark werde."


Zum Glück für Nordhausen vermochte Münzers Heer keine wesentlichen Erfolge zu erzielen. Heiligenstadt ließ sich nicht zum Anschluß zwingen, und die Belagerung von Rusteberg wurde gar- nicht erst versucht. Statt dessen zog es nach Duderstadt, wo schon Aufruhr herrschte, und dann, anscheinend sich auflösend, in die Heimat zurück. Münzer selbst, mit Gesuchen um Hilfe bestürmt, trennte sich von dem schwerfälligen Haufen und eilte nach Mühlhausen. Von dort trat er am 10. Mai seine zweite Kriegsfahrt an. Mit wieder nur etwa 300 Mann und 8 von der Stadt Mühlhausen entliehenen Karrenbüchsen zog er über Ebeleben nach Frankenhausen, wo sich mehrere große Bauernhaufen zu einer Entscheidungsschlacht versammelten.
Zum Glück für Nordhausen vermochte Münzers Heer keine wesentlichen Erfolge zu erzielen. Heiligenstadt ließ sich nicht zum Anschluß zwingen, und die Belagerung von Rusteberg wurde gar- nicht erst versucht. Statt dessen zog es nach Duderstadt, wo schon Aufruhr herrschte, und dann, anscheinend sich auflösend, in die Heimat zurück. Münzer selbst, mit Gesuchen um Hilfe bestürmt, trennte sich von dem schwerfälligen Haufen und eilte nach Mühlhausen. Von dort trat er am 10. Mai seine zweite Kriegsfahrt an. Mit wieder nur etwa 300 Mann und 8 von der Stadt Mühlhausen entliehenen Karrenbüchsen zog er über Ebeleben nach Frankenhausen, wo sich mehrere große Bauernhaufen zu einer Entscheidungsschlacht versammelten.
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Wenn der Rat sogar Leute, die ihn zu stürzen getrachtet hatten, nach der Auffassung der Zeit meist milde bestrafte, so ist es begreiflich, daß er gegen die Klosterstürmer noch größere Nachsicht walten ließ. Wohl befahl er die Rückgabe des geraubten Gutes oder Schadenersatz, aber von Bestrafung der Plünderer verlautet nichts. Den Klagen der geschädigten katholischen Geistlichkeit schenkte er nur so weit Gehör, wie es die politische Klugheit in Rücksicht auf den Kaiser und Herzog Georg gebot.
Wenn der Rat sogar Leute, die ihn zu stürzen getrachtet hatten, nach der Auffassung der Zeit meist milde bestrafte, so ist es begreiflich, daß er gegen die Klosterstürmer noch größere Nachsicht walten ließ. Wohl befahl er die Rückgabe des geraubten Gutes oder Schadenersatz, aber von Bestrafung der Plünderer verlautet nichts. Den Klagen der geschädigten katholischen Geistlichkeit schenkte er nur so weit Gehör, wie es die politische Klugheit in Rücksicht auf den Kaiser und Herzog Georg gebot.


Schon am 2. Juni 1525 hatte letzterer den Rat aufgefordert, er solle die alte kirchliche Ordnung und die Klöster wiederherstellen, wie es in Mühlhausen geschehe. Damals antwortete der Rat eilig aber unklar: „er habe die Geistlichkeit, die zum Teil selbst die Klöster verlassen, nach Möglichkeit geschützt und werde sich hinsichtlich des verordneten Gottesdienstes unverweislich halten.
Schon am 2. Juni 1525 hatte letzterer den Rat aufgefordert, er solle die alte kirchliche Ordnung und die Klöster wiederherstellen, wie es in Mühlhausen geschehe. Damals antwortete der Rat eilig aber unklar: „er habe die Geistlichkeit, die zum Teil selbst die Klöster verlassen, nach Möglichkeit geschützt und werde sich hinsichtlich des verordneten Gottesdienstes unverweislich halten."


Später beklagte sich die Geistlichkeit beim Herzog: „der Gottesdienst würde gehindert und die Untaten von aller Strafe freigelassen", und Georg machte deshalb dem Stadtschreiber Meyenburg Vorhaltungen, als dieser wegen Irrungen der Stadt mit der Herrschaft Hohnstein zu ihm kam. Auch daraufhin bequemte sich der Rat nur zu dem allernotwendigsten Zugeständnis, indem er am 18. August 1525 die katholischen Geistlichen von dem ihnen am 3. Mai aufgezwungenen Bürgereib entband. Nun ein wenig entlastet, bat er den Herzog am 25. August in überaus gewundenen Worten, er möge den Verleumdern seiner Haltung gegen Kirche und Kaiser nicht glauben. Das diplomatische Schreiben erreichte den Zweck der Beruhigung, denn die herzogliche Kanzlei glaubte herauslesen zu sollen, wie ein Inhaltsvermerk zeigt, es enthielte „der von Nordhausen Entschuldigung, daß sie nicht martinisch (d. h. lutherisch) sind.
Später beklagte sich die Geistlichkeit beim Herzog: „der Gottesdienst würde gehindert und die Untaten von aller Strafe freigelassen", und Georg machte deshalb dem Stadtschreiber Meyenburg Vorhaltungen, als dieser wegen Irrungen der Stadt mit der Herrschaft Hohnstein zu ihm kam. Auch daraufhin bequemte sich der Rat nur zu dem allernotwendigsten Zugeständnis, indem er am 18. August 1525 die katholischen Geistlichen von dem ihnen am 3. Mai aufgezwungenen Bürgereib entband. Nun ein wenig entlastet, bat er den Herzog am 25. August in überaus gewundenen Worten, er möge den Verleumdern seiner Haltung gegen Kirche und Kaiser nicht glauben. Das diplomatische Schreiben erreichte den Zweck der Beruhigung, denn die herzogliche Kanzlei glaubte herauslesen zu sollen, wie ein Inhaltsvermerk zeigt, es enthielte „der von Nordhausen Entschuldigung, daß sie nicht martinisch (d. h. lutherisch) sind."




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Zunächst hielten sich die Eroberer in bester Ordnung, da sie einen Angriff des nahenden französchschen Heeres erwarteten. Die spanischen Söldner lagerten wenige Schritte vom Sanderhause auf der Piazza Navona, die deutschen Landsknechte zweihundert Meter weiter auf dem Campo di Fiori. Als das französische Heer wider Vermuten fern blieb und die Eroberer sich sicher fühlten, lösten sich um Mitternacht ihre Reihen, und die unbändigen Scharen, nach bitterster Not nun Herren der reichsten Stadt, schwärmten zum Beutemachen aus. Damit begannen acht Schreckenstage, die von den Italienern Sacco di Roma (Plünderung Roms) genannt werden, eine Zeit voll von wildem Rauben, Verheeren und Blutvergießen.
Zunächst hielten sich die Eroberer in bester Ordnung, da sie einen Angriff des nahenden französchschen Heeres erwarteten. Die spanischen Söldner lagerten wenige Schritte vom Sanderhause auf der Piazza Navona, die deutschen Landsknechte zweihundert Meter weiter auf dem Campo di Fiori. Als das französische Heer wider Vermuten fern blieb und die Eroberer sich sicher fühlten, lösten sich um Mitternacht ihre Reihen, und die unbändigen Scharen, nach bitterster Not nun Herren der reichsten Stadt, schwärmten zum Beutemachen aus. Damit begannen acht Schreckenstage, die von den Italienern Sacco di Roma (Plünderung Roms) genannt werden, eine Zeit voll von wildem Rauben, Verheeren und Blutvergießen.


Ein italienischer Chronist und Augenzeuge sagt: „Bei jenem Verderben Roms zeigten sich die Deutschen schlecht genug, schlechter aber die Italiener und am schlechtesten die Spanier.Spanier und deutsche Lansknechte plünderten nach Johannes Sanders ausführlichem Bericht am 7. Mai die Anima-Kirche und dann auch die Häuser der Bruderschaft. Die Sakristei wurde bis auf minderwertige Stücke gänzlich ausgeraubt. Kelche, Monstranzen und Kruzifixe aus Gold und Silber und mit Edelsteinen besetzt, prächtige Altarbehänge und Meßgewänder, die der Kirche anvertrauten Kostbarkeiten eines deutschen Goldschmieds und vieles andere schleppten die Soldaten fort. Im 9. und 12. Animahause plünderten sie die Wohnungen anderer Goldschmiede. Das 19. Haus konnte nur durch große Gelöopfer bewahrt werden; gründlicher Verheerung hinwieder verfiel das 13. Haus, worüber Johannes berichtet: „es sei gänzlich verwüstet und zerstört worden durch die Schuld der Inhaber, die den Landsknechten keine Lebensmittel gaben.
Ein italienischer Chronist und Augenzeuge sagt: „Bei jenem Verderben Roms zeigten sich die Deutschen schlecht genug, schlechter aber die Italiener und am schlechtesten die Spanier." Spanier und deutsche Lansknechte plünderten nach Johannes Sanders ausführlichem Bericht am 7. Mai die Anima-Kirche und dann auch die Häuser der Bruderschaft. Die Sakristei wurde bis auf minderwertige Stücke gänzlich ausgeraubt. Kelche, Monstranzen und Kruzifixe aus Gold und Silber und mit Edelsteinen besetzt, prächtige Altarbehänge und Meßgewänder, die der Kirche anvertrauten Kostbarkeiten eines deutschen Goldschmieds und vieles andere schleppten die Soldaten fort. Im 9. und 12. Animahause plünderten sie die Wohnungen anderer Goldschmiede. Das 19. Haus konnte nur durch große Gelöopfer bewahrt werden; gründlicher Verheerung hinwieder verfiel das 13. Haus, worüber Johannes berichtet: „es sei gänzlich verwüstet und zerstört worden durch die Schuld der Inhaber, die den Landsknechten keine Lebensmittel gaben."


Die menschenkunöige Sachlichkeit, die Johannes mit dieser Bemerkung bekundet, mag es gewesen sein, was ihn selbst vor ärgerem Schaden bewahrte. Sein dicht neben der geplünderten Kirche gelegenes Haus blieb unbeschädigt, und er kam glimpflicher davon als unzählige andere und manche feiner guten Freunde aus der Anima-Bruderschaft. Den langjährigen Regenten Kaspar Wirt schleppten die Landsknechte zum Bankhäuser der Welser, wo er sich mit 140 Talern loskaufen mußte; ein alter Provisor und Kammernolar kam kaum mit dem nackten Leben davon; ein anderes Mitglied, der Bischof Wolfgang Goler, mußte nach vielen Quälereien 2000 Dukaten bezahlen und starb bald darauf; der frühere Provisor Johann Copis wurde all seiner Habe beraubt und zu Tode verwundet.
Die menschenkunöige Sachlichkeit, die Johannes mit dieser Bemerkung bekundet, mag es gewesen sein, was ihn selbst vor ärgerem Schaden bewahrte. Sein dicht neben der geplünderten Kirche gelegenes Haus blieb unbeschädigt, und er kam glimpflicher davon als unzählige andere und manche feiner guten Freunde aus der Anima-Bruderschaft. Den langjährigen Regenten Kaspar Wirt schleppten die Landsknechte zum Bankhäuser der Welser, wo er sich mit 140 Talern loskaufen mußte; ein alter Provisor und Kammernolar kam kaum mit dem nackten Leben davon; ein anderes Mitglied, der Bischof Wolfgang Goler, mußte nach vielen Quälereien 2000 Dukaten bezahlen und starb bald darauf; der frühere Provisor Johann Copis wurde all seiner Habe beraubt und zu Tode verwundet.
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„Deo aeterno omnipotenti. Johannes Sander Northusanus, Germane proximus silve natus, Duringus, Erfurdiae Magnuntinae Dioecesis canonicus, … annis curialis, Rotae notarius, primae domus hispitalis Teutonicorum Urbis structor illiusque et huius capellae excultor, considerans, hominem vanitati similem frustraque turbari et fugere velut umbram, priusquam abiret et amplius non esset, septuagesimo octavo aetatis sua anno vivens hoc monumentum posuit anno salutis MDXXXIII.“
„Deo aeterno omnipotenti. Johannes Sander Northusanus, Germane proximus silve natus, Duringus, Erfurdiae Magnuntinae Dioecesis canonicus, … annis curialis, Rotae notarius, primae domus hispitalis Teutonicorum Urbis structor illiusque et huius capellae excultor, considerans, hominem vanitati similem frustraque turbari et fugere velut umbram, priusquam abiret et amplius non esset, septuagesimo octavo aetatis sua anno vivens hoc monumentum posuit anno salutis MDXXXIII.“


Zu deutsch: „Gott dem Ewigen, Allmächtigen. Johannes Sander von Northusen, ganz nahe dem Harze gebürtig, ein Thüringer, Domherr zu Erfurt in der Diözese Mainz, – Jahre Beamter der Kurie, Notar der Rota, des Ersten Hauses des Hospizes der Deutschen zu Rom Erbauer, der das Haus und diese Kapelle auch ausschmückte, – erwägend, daß der Mensch dem leeren Scheine ähnlich sei und sich vergeblich sorge und flüchtig sei wie ein Schatten, – hat, bevor er dahinschiede und mehr nicht wäre, im 78. Jahre seines Alters bei Lebzeiten dieses Denkmal gesetzt im Jahre des Heils 1533.
Zu deutsch: „Gott dem Ewigen, Allmächtigen. Johannes Sander von Northusen, ganz nahe dem Harze gebürtig, ein Thüringer, Domherr zu Erfurt in der Diözese Mainz, – Jahre Beamter der Kurie, Notar der Rota, des Ersten Hauses des Hospizes der Deutschen zu Rom Erbauer, der das Haus und diese Kapelle auch ausschmückte, – erwägend, daß der Mensch dem leeren Scheine ähnlich sei und sich vergeblich sorge und flüchtig sei wie ein Schatten, – hat, bevor er dahinschiede und mehr nicht wäre, im 78. Jahre seines Alters bei Lebzeiten dieses Denkmal gesetzt im Jahre des Heils 1533."


In seinem Testamente ordnete Johannes eine jährliche Gedächtnisfeier an seiner Gruft an. Die Grabplatte soll mit dem großen schwarzen Bahrtuch der Anima bedeckt werden, an dessen Ecken sollen vierpfündige Wachsfackeln, auf dem Altar der Kapelle vier einpfündige Kerzen brennen. Die Kaplane singen das Requiem und einer von ihnen hält die Totenmesse. Zur Bestreitung der Kosten sind 4 Dukaten oder 40 Julier ausgesetzt, wovon die Bettler vor der Kirchentür 3 Julier erhallen.
In seinem Testamente ordnete Johannes eine jährliche Gedächtnisfeier an seiner Gruft an. Die Grabplatte soll mit dem großen schwarzen Bahrtuch der Anima bedeckt werden, an dessen Ecken sollen vierpfündige Wachsfackeln, auf dem Altar der Kapelle vier einpfündige Kerzen brennen. Die Kaplane singen das Requiem und einer von ihnen hält die Totenmesse. Zur Bestreitung der Kosten sind 4 Dukaten oder 40 Julier ausgesetzt, wovon die Bettler vor der Kirchentür 3 Julier erhallen.
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Schon im Jahre 1530 war Johannes das älteste Mitglied der Animakongregation, und noch im April 1543 nahm er an einer stürmisch verlaufenden Sitzung teil. Alle seine alten Gefährten und Freund« wie Wilhelm von Enckevort und Dietrich von Eynem ruhten seit 10 und mehr Jahren im Grabe. Am 11. August 1544 folgte er ihnen im Tode nach, 89 Jahre und 28 Tage alt. Seinen Leichnam setzte die Bruderschaft in der vor elf Jahren erbauten Gruft bei und ergänzte dann die Grabinschrift durch Hinzufügung des Todestages und der Amtszeit. 50 Jahre hatte Johannes der Kurie gedient.
Schon im Jahre 1530 war Johannes das älteste Mitglied der Animakongregation, und noch im April 1543 nahm er an einer stürmisch verlaufenden Sitzung teil. Alle seine alten Gefährten und Freund« wie Wilhelm von Enckevort und Dietrich von Eynem ruhten seit 10 und mehr Jahren im Grabe. Am 11. August 1544 folgte er ihnen im Tode nach, 89 Jahre und 28 Tage alt. Seinen Leichnam setzte die Bruderschaft in der vor elf Jahren erbauten Gruft bei und ergänzte dann die Grabinschrift durch Hinzufügung des Todestages und der Amtszeit. 50 Jahre hatte Johannes der Kurie gedient.


„Nicht aus Zufall", sagt der Geschichtsschreiber der Anima, „schließt mit Sanders Sterbejahr der Nekrolog der Animawohltäter, trotz der elf bis zur Stunde leergebliebenen Seiten. Kein Kurialist erhebt sich mehr zu großen Schenkungen, jene Treuen aus dem Norden sind an der Kurie ausgestorben.
„Nicht aus Zufall", sagt der Geschichtsschreiber der Anima, „schließt mit Sanders Sterbejahr der Nekrolog der Animawohltäter, trotz der elf bis zur Stunde leergebliebenen Seiten. Kein Kurialist erhebt sich mehr zu großen Schenkungen, jene Treuen aus dem Norden sind an der Kurie ausgestorben."


== Klaus, Hans der Jüngere und Andres Sander ==
== Klaus, Hans der Jüngere und Andres Sander ==
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Hans Sander der Jüngere, Klausens Bruder, kaufte sich am 11. Dezember 1528 in die Tuchmachergilde ein. Die Gilde verlangte von ihren neuen Mitgliedern, daß sie sich frömmlich und wohl bewahrt hätten an ihrer Ehre und gutem Leumunde, daß sie wohl geboren seien von Vater und Mutier und von ehrlicher, echter und rechter Herkunft; auch daß die Eltern sich ehrlich und frömmlich gehalten hätten an ihrem guten Leumund« und nicht etwa Schäfer, Pfeifer, Bartscherer oder Musikanten wären. Dies mußten zwei Bürgen, fromme, unversprochene Leute, beschwören. Für Hans verbürgten sich die beiden derzeitigen Vorsteher der Gilde, darunter Franz Rebbeis, der ein Neffe des Reformators Justus Jonas war und in Erfurt studiert hatte. Bald darauf vermählte sich Hans mit Ursula, der jüngsten Tochter des Hans Baöra. Die Baöra waren ein altpatrizisches Geschlecht, das sich ursprünglich von Baöra, später Baöra oder Bader nannte. Konraö von Baöra wird um 1331, Johann von Badra um 1382 als Bürgermeister von Nordhausen genannt, dominus Johannes de Bader 1423 erwähnt.
Hans Sander der Jüngere, Klausens Bruder, kaufte sich am 11. Dezember 1528 in die Tuchmachergilde ein. Die Gilde verlangte von ihren neuen Mitgliedern, daß sie sich frömmlich und wohl bewahrt hätten an ihrer Ehre und gutem Leumunde, daß sie wohl geboren seien von Vater und Mutier und von ehrlicher, echter und rechter Herkunft; auch daß die Eltern sich ehrlich und frömmlich gehalten hätten an ihrem guten Leumund« und nicht etwa Schäfer, Pfeifer, Bartscherer oder Musikanten wären. Dies mußten zwei Bürgen, fromme, unversprochene Leute, beschwören. Für Hans verbürgten sich die beiden derzeitigen Vorsteher der Gilde, darunter Franz Rebbeis, der ein Neffe des Reformators Justus Jonas war und in Erfurt studiert hatte. Bald darauf vermählte sich Hans mit Ursula, der jüngsten Tochter des Hans Baöra. Die Baöra waren ein altpatrizisches Geschlecht, das sich ursprünglich von Baöra, später Baöra oder Bader nannte. Konraö von Baöra wird um 1331, Johann von Badra um 1382 als Bürgermeister von Nordhausen genannt, dominus Johannes de Bader 1423 erwähnt.


Hans Sanders Schwiegervater wurde erst Gildemeister der Tuchmacher, dann Ratsherr und Quatuorvir (Mitglied des Veiererausschusses zur Beaufsichtigung der Stadtverwaltung.); seine engere Familie lernen wir aus einer Urkunde vom 1. August 1527 kennen. Damals erklärte er nämlich mit Wissen seiner Ehefrau Dorothea, wie seine Hinterlassenschaft dereinst auf seine sechs Kinder verteilt werden solle. Die Kinder sind: „Katharina, Ludwig Bertrams ehelich Gemahl, Paul Bader, Hans Bader, Johannes Bader jetzunder zu Rom, Dorothea, Pflugs ehelich Gemahl und Ursula Baders un- bestatt (d. h. unvermählt).
Hans Sanders Schwiegervater wurde erst Gildemeister der Tuchmacher, dann Ratsherr und Quatuorvir<ref>Mitglied des Veiererausschusses zur Beaufsichtigung der Stadtverwaltung.</ref>; seine engere Familie lernen wir aus einer Urkunde vom 1. August 1527 kennen. Damals erklärte er nämlich mit Wissen seiner Ehefrau Dorothea, wie seine Hinterlassenschaft dereinst auf seine sechs Kinder verteilt werden solle. Die Kinder sind: „Katharina, Ludwig Bertrams ehelich Gemahl, Paul Bader, Hans Bader, Johannes Bader jetzunder zu Rom, Dorothea, Pflugs ehelich Gemahl und Ursula Baders un- bestatt (d. h. unvermählt)."


Aus anderen Quellen erfahren wir hierzu noch folgendes: Ludwig Bertram war in der Zeit von 1522 bis 34 viermal Gilöe- meister der Tuchmacher; Paul Bader besaß ansehnliche eigene Ländereien und Lehengüter; Hans Bader gehörte der Tuchmachergilöe und seit 1532 dem Rate an und wurde Bürgermeister; Johannes Bader hatte 1516 in Erfurt studiert, und als er sich nach Rom begab, traf er dort einen anderen Hans Bader, der seit 1514 als kaiserlicher Notar in Rom lebte.
Aus anderen Quellen erfahren wir hierzu noch folgendes: Ludwig Bertram war in der Zeit von 1522 bis 34 viermal Gilöe- meister der Tuchmacher; Paul Bader besaß ansehnliche eigene Ländereien und Lehengüter; Hans Bader gehörte der Tuchmachergilöe und seit 1532 dem Rate an und wurde Bürgermeister; Johannes Bader hatte 1516 in Erfurt studiert, und als er sich nach Rom begab, traf er dort einen anderen Hans Bader, der seit 1514 als kaiserlicher Notar in Rom lebte.
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"Ich will das, was mir von wegen der Stadt widerfahren ist, nimmermehr rächen, auch niemanden, geistlichen oder weltlichen Standes, meinetwegen der Stadt, des Rats, ihrer Bürger und Untertanen Feind zu werden veranlassen, auch gegen die Stadt weder heimlichen noch öffentlichen Unwillen erregen. Und wenn der Stadt durch mich Beschwerung, Kost oder Zehrung entsteht, so will ich das abtragen und erstatten. Ich will auch den Männern, die gegen mich klagen, zu Recht stehen oder mich mit ihnen vertragen, – alles bei Ehren, Treu und Glauben.
"Ich will das, was mir von wegen der Stadt widerfahren ist, nimmermehr rächen, auch niemanden, geistlichen oder weltlichen Standes, meinetwegen der Stadt, des Rats, ihrer Bürger und Untertanen Feind zu werden veranlassen, auch gegen die Stadt weder heimlichen noch öffentlichen Unwillen erregen. Und wenn der Stadt durch mich Beschwerung, Kost oder Zehrung entsteht, so will ich das abtragen und erstatten. Ich will auch den Männern, die gegen mich klagen, zu Recht stehen oder mich mit ihnen vertragen, – alles bei Ehren, Treu und Glauben.


„Daß diesem allen unwiderruflich soll nachgelebt werden, das schwöre ich mit diesem meinem leiblichen Eide, wie mir Gott der Allmächtige helfen möge. Und sind dafür Bürgen mein Bruder Joachim Ferer, Thomas Grober und Hans Sander.
„Daß diesem allen unwiderruflich soll nachgelebt werden, das schwöre ich mit diesem meinem leiblichen Eide, wie mir Gott der Allmächtige helfen möge. Und sind dafür Bürgen mein Bruder Joachim Ferer, Thomas Grober und Hans Sander."


Nach der Gepflogenheit der Zeit mußten die Bürgen einer Urfehde von so weittragender Bedeutung dem Verteidigten ganz besonders nahe stehen. Neben dem Bruder Joachim Ferer dürfte Thomas Grober ein Schwestersohn des Vaters gewesen sein, während Hans Sander ein Brudersohn der Mutter war.
Nach der Gepflogenheit der Zeit mußten die Bürgen einer Urfehde von so weittragender Bedeutung dem Verteidigten ganz besonders nahe stehen. Neben dem Bruder Joachim Ferer dürfte Thomas Grober ein Schwestersohn des Vaters gewesen sein, während Hans Sander ein Brudersohn der Mutter war.
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Auch bei dieser Verhandlung tritt das Fortbestehen katholischer Beziehungen zutage. Andrerseits verkörpert Wilhelm Nun- schilö eine wichtige Errungenschaft des Rats, denn er ist der erste vom Rat ernannte Reichsschultheiß. Nach Leonhard Büschs Tode hatte Herzog Georg das Amt im Jahre 1538 dem Rat verpfändet.
Auch bei dieser Verhandlung tritt das Fortbestehen katholischer Beziehungen zutage. Andrerseits verkörpert Wilhelm Nun- schilö eine wichtige Errungenschaft des Rats, denn er ist der erste vom Rat ernannte Reichsschultheiß. Nach Leonhard Büschs Tode hatte Herzog Georg das Amt im Jahre 1538 dem Rat verpfändet.


Es geschah also in einer ebenso ansehnlichen wie bedeutsamen Gesellschaft, als Hans Sander das Testament wie folgt bekräftigte: „Und ich, Hans Sander, mit dieser meiner Handschrift bekenne, daß ich und unterschriebene Mitzeugen von Elisabeth Kappels hierzu sonderlich erfordert und gebeten bin worden und beneben den anderen Mitzeugen, welche alle sämtlichen beneben mir bei Aufrichtung dieses Briefes gegenwärtig gewesen, gehört habe, daß die des Elisabeth Kappels letzter Wille sei, den sie auch nach ihrem Ab- sterben also und nicht anders will gehalten haben. Des zu Urkund habe ich auf Bitte berührter Testatrix mit eigener Hand unterschrieben und mein gewöhnlich Pitzschaft hierauf wissentlich gedrückt.
Es geschah also in einer ebenso ansehnlichen wie bedeutsamen Gesellschaft, als Hans Sander das Testament wie folgt bekräftigte: „Und ich, Hans Sander, mit dieser meiner Handschrift bekenne, daß ich und unterschriebene Mitzeugen von Elisabeth Kappels hierzu sonderlich erfordert und gebeten bin worden und beneben den anderen Mitzeugen, welche alle sämtlichen beneben mir bei Aufrichtung dieses Briefes gegenwärtig gewesen, gehört habe, daß die des Elisabeth Kappels letzter Wille sei, den sie auch nach ihrem Ab- sterben also und nicht anders will gehalten haben. Des zu Urkund habe ich auf Bitte berührter Testatrix mit eigener Hand unterschrieben und mein gewöhnlich Pitzschaft hierauf wissentlich gedrückt."


Das Testament der Elisabeth Kappel liegt nicht im Original, sondern nur in der amtlichen Abschrift des Ratshanöelsbuch vor, die nicht besiegelt wurde. Hans Sanders Petschaftabdruck auf dem Original zeigte vermutlich dieselbe runenähnliche Hausmarke, die später seinem Sohn als Siegelzeichen diente: eine oben spitz geschlossene 4, deren wagerechte Linie in einem Kreuz endigt, während die senkrechte Linie mit einem liegenden Kreuz belegt ist.
Das Testament der Elisabeth Kappel liegt nicht im Original, sondern nur in der amtlichen Abschrift des Ratshanöelsbuch vor, die nicht besiegelt wurde. Hans Sanders Petschaftabdruck auf dem Original zeigte vermutlich dieselbe runenähnliche Hausmarke, die später seinem Sohn als Siegelzeichen diente: eine oben spitz geschlossene 4, deren wagerechte Linie in einem Kreuz endigt, während die senkrechte Linie mit einem liegenden Kreuz belegt ist.
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Theöer-Noricus scheint in Nordhausen von Anfang an manche Widersacher gehabt zu haben, die durch belastende Gerüchte in ihrer Gegnerschaft bestärkt wurden. Als Hans Sander im Herbst 1548 in Schlotheim war, hörte er dort von einem gewissen Hans Kühne, Theder habe in Niederdorla seine Magd geschwängert und ihr hernach einen Trunk zum Abtreiben der Leibesfrucht gegeben. Hans sprach von diesem Gerücht zu zwei Leuten, mit denen er wohl von Schlotheim zurückritt, nämlich dem baldigen Ratsherrn und späteren Bürgermeister Wilhelm Wilde und dem städtischen Stallmeister Gregor Schmidt.
Theöer-Noricus scheint in Nordhausen von Anfang an manche Widersacher gehabt zu haben, die durch belastende Gerüchte in ihrer Gegnerschaft bestärkt wurden. Als Hans Sander im Herbst 1548 in Schlotheim war, hörte er dort von einem gewissen Hans Kühne, Theder habe in Niederdorla seine Magd geschwängert und ihr hernach einen Trunk zum Abtreiben der Leibesfrucht gegeben. Hans sprach von diesem Gerücht zu zwei Leuten, mit denen er wohl von Schlotheim zurückritt, nämlich dem baldigen Ratsherrn und späteren Bürgermeister Wilhelm Wilde und dem städtischen Stallmeister Gregor Schmidt.


Das Gespräch wurde Theder hinterbracht, der nun Hans Sander beim Rat verklagte. Befragt, ob er solcher Worte geständig sei, erwiderte Hans: ,Za, und er wolle es auch weiter, wenn es vonnöten sein werde, bekennen; für seine Person aber wisse er von Ehrn Johann Theder nichts denn Ehre und Gutes.Diese Aussage wurde auf Theders Bitte am 31. Oktober im Ratshandelsbuch protokolliert, und der Zwischenfall schien damit beigelegt.
Das Gespräch wurde Theder hinterbracht, der nun Hans Sander beim Rat verklagte. Befragt, ob er solcher Worte geständig sei, erwiderte Hans: ,Za, und er wolle es auch weiter, wenn es vonnöten sein werde, bekennen; für seine Person aber wisse er von Ehrn Johann Theder nichts denn Ehre und Gutes." Diese Aussage wurde auf Theders Bitte am 31. Oktober im Ratshandelsbuch protokolliert, und der Zwischenfall schien damit beigelegt.


Durch Hansens Angaben über den Ursprung des Gerüchts und seine persönliche Ehrenerklärung für Theder wurde das Gerücht aber nicht zum Schweigen gebracht, und der Streit zwischen Theder und Hans brach von neuem aus und dauerte mehrere Monate. Schließlich legte sich der Rat ins Mittel und brachte eine Aussöhnung zustande, bei der Hans seine Ehrenerklärung wiederholte und den Theder um Verzeihung bat, wenn er ihn mit den Worten eines unerwiesenen Gerüchts beschwert hätte. Beide Männer versprachen darauf mit Wort und Handschlag, allen Unwillen gänzlich aufzugeben und desselben ferner nicht im unguten zu gedenken.
Durch Hansens Angaben über den Ursprung des Gerüchts und seine persönliche Ehrenerklärung für Theder wurde das Gerücht aber nicht zum Schweigen gebracht, und der Streit zwischen Theder und Hans brach von neuem aus und dauerte mehrere Monate. Schließlich legte sich der Rat ins Mittel und brachte eine Aussöhnung zustande, bei der Hans seine Ehrenerklärung wiederholte und den Theder um Verzeihung bat, wenn er ihn mit den Worten eines unerwiesenen Gerüchts beschwert hätte. Beide Männer versprachen darauf mit Wort und Handschlag, allen Unwillen gänzlich aufzugeben und desselben ferner nicht im unguten zu gedenken.
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„Darauf berichtete der Sohn Klaus Wilhelm, daß er dieselbe Behausung von seinem Bruder Hans Wilhelm und seinen Schwägern Andres Sander und Andersleben gekauft habe und zwar für dritthalbhundert Gulden, den Gulden zu 22 Groschen, wovon 30 Gulden als Hypothek auf das Haus verschrieben seien, sodaß von dem Kaufgeld noch 220 Gulden unter die vier Geschwister zu verteilen blieben. Zur Abfindung der beiden Schwestern verspricht er, deren Ehemännern binnen drei Jahren an vier bestimmten Terminen zusammen 138½ Gulden zu bezahlen.
„Darauf berichtete der Sohn Klaus Wilhelm, daß er dieselbe Behausung von seinem Bruder Hans Wilhelm und seinen Schwägern Andres Sander und Andersleben gekauft habe und zwar für dritthalbhundert Gulden, den Gulden zu 22 Groschen, wovon 30 Gulden als Hypothek auf das Haus verschrieben seien, sodaß von dem Kaufgeld noch 220 Gulden unter die vier Geschwister zu verteilen blieben. Zur Abfindung der beiden Schwestern verspricht er, deren Ehemännern binnen drei Jahren an vier bestimmten Terminen zusammen 138½ Gulden zu bezahlen.


„Hans Wilhelm erklärt, daß ihm sein Bruder von seinem Anteil bereits 55 Gulden bezahlt habe und noch 14 Gulden schuldig sei.Sodann wird festgestellt, daß derjenige Teil der außer dem Hause vorhandenen Liegenschaften und fahrenden Habe, der sich noch im Besitze der Mutter befand, von dem Vertrage ausgeschlossen sein solle. Zum Schluß verpflichtet sich der bei der Teilung offenbar bevorzugte Klaus Wilhelm „für sich und seine Erben, die Mutter Zeit ihres Lebens bei sich im Hause zu behalten und sie mit Leibesnahrung zu versorgen. Wenn er selbst aber mit Tode abginge und die Mutter Lei seinen Erben nicht gut versorgt wäre oder sich mit ihnen nicht vertragen könnte, so solle sie mit 50 Gulden aus seiner Erbschaft abgefunden werden. Wenn es aber nicht zur Auszahlung dieser 50 Gulden an die Mutter selbst kommt, so soll er von niemand anderm dieser SuMme halber belangt werden, sondern aller Anforderungen los und ledig sein.
„Hans Wilhelm erklärt, daß ihm sein Bruder von seinem Anteil bereits 55 Gulden bezahlt habe und noch 14 Gulden schuldig sei." Sodann wird festgestellt, daß derjenige Teil der außer dem Hause vorhandenen Liegenschaften und fahrenden Habe, der sich noch im Besitze der Mutter befand, von dem Vertrage ausgeschlossen sein solle. Zum Schluß verpflichtet sich der bei der Teilung offenbar bevorzugte Klaus Wilhelm „für sich und seine Erben, die Mutter Zeit ihres Lebens bei sich im Hause zu behalten und sie mit Leibesnahrung zu versorgen. Wenn er selbst aber mit Tode abginge und die Mutter Lei seinen Erben nicht gut versorgt wäre oder sich mit ihnen nicht vertragen könnte, so solle sie mit 50 Gulden aus seiner Erbschaft abgefunden werden. Wenn es aber nicht zur Auszahlung dieser 50 Gulden an die Mutter selbst kommt, so soll er von niemand anderm dieser SuMme halber belangt werden, sondern aller Anforderungen los und ledig sein.
„Hiermit sollen alle Gebrechen (d. h. Streitigkeiten), welche die Brüder, Schwestern und Schwäger ihrer Mitgift oder sonstiger Sachen halber gehabt, gänzlich gütlich wohlvertragen sein und bleiben.
„Hiermit sollen alle Gebrechen (d. h. Streitigkeiten), welche die Brüder, Schwestern und Schwäger ihrer Mitgift oder sonstiger Sachen halber gehabt, gänzlich gütlich wohlvertragen sein und bleiben."


Aus dem Vertrag ist zu erkennen, daß Andres Sanders Schwiegervater sich nur eines bescheidenen Wohlstands erfreute, mit dem er aber immerhin noch zu dem obersten Fünftel der Steuerzahler gehörte.
Aus dem Vertrag ist zu erkennen, daß Andres Sanders Schwiegervater sich nur eines bescheidenen Wohlstands erfreute, mit dem er aber immerhin noch zu dem obersten Fünftel der Steuerzahler gehörte.
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Ursula Koch heiratete den Lorenz Rebbeis, der 1482 in Erfurt studierte, in der Zeit von 1491 bis 1505 siebenmal das Amt des Gildemeisters der Kaufleute bekleidet, von 1508 an im Rate saß, 1517 Bürgermeister wurde und bald darauf starb, während Ursula ihn mindestens bis 1543 überlebte.
Ursula Koch heiratete den Lorenz Rebbeis, der 1482 in Erfurt studierte, in der Zeit von 1491 bis 1505 siebenmal das Amt des Gildemeisters der Kaufleute bekleidet, von 1508 an im Rate saß, 1517 Bürgermeister wurde und bald darauf starb, während Ursula ihn mindestens bis 1543 überlebte.


Die Verhandlung vom 28. Februar stellte fest: „Alexander Wenden und Berld Michel haben für sich und ihre Erben bekannt, daß ihnen des seligen Lorenz Rebbeis Erben, nämlich Franz Rebbeis, Jürgen Rebening, Ottilie Rebbeis und Andres Sander für seine Person, 18 Gulden von wegen ihrer (Wendens und Michels) seligen Mutter gemäß unseres vorigen Urteils gütlich entrichtet und bezahlt haben. Was aber Andres Sanders Bruder und Schwestern anlangt, soll hiermit ungehindert bleiben.
Die Verhandlung vom 28. Februar stellte fest: „Alexander Wenden und Berld Michel haben für sich und ihre Erben bekannt, daß ihnen des seligen Lorenz Rebbeis Erben, nämlich Franz Rebbeis, Jürgen Rebening, Ottilie Rebbeis und Andres Sander für seine Person, 18 Gulden von wegen ihrer (Wendens und Michels) seligen Mutter gemäß unseres vorigen Urteils gütlich entrichtet und bezahlt haben. Was aber Andres Sanders Bruder und Schwestern anlangt, soll hiermit ungehindert bleiben."


Die Erbschaft rührte also von der Frau des Bürgermeisters Jonas Koch, der geborenen Wenden, her und ging deren Geschwister, Kinder und Kinbeskinder an, von denen hier nur der Erbstamm der Ursula Koch, Witwe des Lorenz Rebbeis, erscheint.
Die Erbschaft rührte also von der Frau des Bürgermeisters Jonas Koch, der geborenen Wenden, her und ging deren Geschwister, Kinder und Kinbeskinder an, von denen hier nur der Erbstamm der Ursula Koch, Witwe des Lorenz Rebbeis, erscheint.
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Deswegen war es auch für ihn von Belang, als im August 1540, gelegentlich einer großen Feuersbrunst das Haus der Witwe des Lorenz Rebbeis niederbrannte. Der Wiederaufbau brachte die Witwe in große Geldverlegenheiten, die erst erleichtert wurden, als im folgenden Jahre ihr unverheirateter Bruder Bertold Koch ohne Testament starb.
Deswegen war es auch für ihn von Belang, als im August 1540, gelegentlich einer großen Feuersbrunst das Haus der Witwe des Lorenz Rebbeis niederbrannte. Der Wiederaufbau brachte die Witwe in große Geldverlegenheiten, die erst erleichtert wurden, als im folgenden Jahre ihr unverheirateter Bruder Bertold Koch ohne Testament starb.


Nun aber machte ihr anderer Bruder Justus Jonas bevorrechtigte Erbansprüche geltend, da er dem Verstorbenen große Zuwendungen gemacht habe unter der Bedingung, daß dieser des Jonas Kinder zu Erben einsetze. Jonas, der damals mit Mut und Tatkraft die Reformation in Halle öurchführte, genoß eine sehr ansehnliche Besoldung von mehreren hundert Gulden jährlich, sodaß er im Vergleich mit seiner Schwester und deren Angehörigen für reich, diese aber für arm angesehen wurde. Trotzdem vertrat Jonas seine vermeintlichen, von vielen anderen für zweifelhaft gehaltenen Rechtsansprüche mit solchem Nachdruck, daß er in den Ruf der Habsucht und Ungerechtigkeit geriet. Durch einen Freund hierauf hingewiesen, erwiderte er hochfahrend: „Soll meinen armen Vettern geholfen werden, so sollen sie der Hilfe aus meiner Hand gewarten, nicht aber mich mit Schanden, Schaden und Schimpf vom Erbe ausschließen.
Nun aber machte ihr anderer Bruder Justus Jonas bevorrechtigte Erbansprüche geltend, da er dem Verstorbenen große Zuwendungen gemacht habe unter der Bedingung, daß dieser des Jonas Kinder zu Erben einsetze. Jonas, der damals mit Mut und Tatkraft die Reformation in Halle öurchführte, genoß eine sehr ansehnliche Besoldung von mehreren hundert Gulden jährlich, sodaß er im Vergleich mit seiner Schwester und deren Angehörigen für reich, diese aber für arm angesehen wurde. Trotzdem vertrat Jonas seine vermeintlichen, von vielen anderen für zweifelhaft gehaltenen Rechtsansprüche mit solchem Nachdruck, daß er in den Ruf der Habsucht und Ungerechtigkeit geriet. Durch einen Freund hierauf hingewiesen, erwiderte er hochfahrend: „Soll meinen armen Vettern geholfen werden, so sollen sie der Hilfe aus meiner Hand gewarten, nicht aber mich mit Schanden, Schaden und Schimpf vom Erbe ausschließen."


Sein Verhalten wurde in Nordhausen allgemein besprochen und verurteilt, und daß die Erben des Lorenz Rebbeis durchaus nicht als arme Vettern auf freiwillige Wohltaten des Jonas angewiesen waren, zeigt ein Vorgang vom 6. Oktober 1542. Da erklärte Andres Eilhard vor dem Nat: Der achtbare und hochgelahrte Herr Justus Jonas habe ihm wegen seines (Eilhards) Eheweibs, des seligen Lorenz Rebbeis Tochter, 24 Gulden bezahlen lassen, die er vermöge einer Schrift zu geben pflichtig. Eilhard und sein Eheweib entsagen deshalb allen Ansprüchen auf den vor dem Töpfertore gelegenen Hopfenberg, den Justus Jonas als Unterpfand für die erborgte Schuld eingesetzt hatte.
Sein Verhalten wurde in Nordhausen allgemein besprochen und verurteilt, und daß die Erben des Lorenz Rebbeis durchaus nicht als arme Vettern auf freiwillige Wohltaten des Jonas angewiesen waren, zeigt ein Vorgang vom 6. Oktober 1542. Da erklärte Andres Eilhard vor dem Nat: Der achtbare und hochgelahrte Herr Justus Jonas habe ihm wegen seines (Eilhards) Eheweibs, des seligen Lorenz Rebbeis Tochter, 24 Gulden bezahlen lassen, die er vermöge einer Schrift zu geben pflichtig. Eilhard und sein Eheweib entsagen deshalb allen Ansprüchen auf den vor dem Töpfertore gelegenen Hopfenberg, den Justus Jonas als Unterpfand für die erborgte Schuld eingesetzt hatte.
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Daß manche Katholiken, die anfänglich der römischen Kirche treu blieben, später doch noch abfielen, mag nicht zum wenigsten auf die abschreckende Verwahrlosung des Kreuzstifts zurückzuführen sein. Des Domherrn Johann Ferers Verfehlungen im Jahre 1538 sind uns bekannt. 1546 begann der Domvikar Christian Heune einen maßlosen, bis 1560 dauernden Streit gegen die Stadt, der mit seiner Hinrichtung als Landsriedensbrecher endete. Matthias Thomas, seit 1555 als Domherr des Kreuzstifts genannt, wird als einer der schlimmsten unter den damaligen Kanonikern gekennzeichnet. Im Jahre 1564 müssen er und der Domherr Andres Kramer je 10 Taler Strafe zahlen, weil sie sich miteinander geschlagen haben. 1565 beschwert sich der Rat wie folgt über das gottlose Leben und Treiben der Pfaffen zum Heiligen Kreuz:
Daß manche Katholiken, die anfänglich der römischen Kirche treu blieben, später doch noch abfielen, mag nicht zum wenigsten auf die abschreckende Verwahrlosung des Kreuzstifts zurückzuführen sein. Des Domherrn Johann Ferers Verfehlungen im Jahre 1538 sind uns bekannt. 1546 begann der Domvikar Christian Heune einen maßlosen, bis 1560 dauernden Streit gegen die Stadt, der mit seiner Hinrichtung als Landsriedensbrecher endete. Matthias Thomas, seit 1555 als Domherr des Kreuzstifts genannt, wird als einer der schlimmsten unter den damaligen Kanonikern gekennzeichnet. Im Jahre 1564 müssen er und der Domherr Andres Kramer je 10 Taler Strafe zahlen, weil sie sich miteinander geschlagen haben. 1565 beschwert sich der Rat wie folgt über das gottlose Leben und Treiben der Pfaffen zum Heiligen Kreuz:
„Der Dekan ist ein leichtfertiger, hoffärtiger, trotziger junger Abenteurer. Der Senior übt Ehebruch, Hurerei und Schande. Der dritte Kanoniker Andres Kramer ist Landfriedensbrecher, ein leichtfertiger, mutwilliger Geselle; Matthias Thomas, der 4. Kanoniker, hat eines guten, frommen Mannes junge Tochter als Magd in Dienst genommen und verführt, sechs oder sieben Kinder erzeugt, von denen etliche verstorben und heimlich bei Nacht begraben sein sollen, sodaß ein großer Zweifel ist, ob dieselben die Taufe empfangen, und wie es um ihr Absterben beschaffen gewesen. Der 5. Domherr Heinolphus ist in Unzucht, Unkeuschheit und Ausschweifungen versoffen. Der ältere Vikar hat 28 Jahre mit einer Frau in Ehebruch gelegen. Der 2. Vikar hat Mörder und Räuber beherbergt, ihnen gestohlene Sachen abgekauft, sie zu weiteren Schandtaten verleitet, und als die Sache an den Tag kam, ist er geflohen und nicht wiedergekommen.
„Der Dekan ist ein leichtfertiger, hoffärtiger, trotziger junger Abenteurer. Der Senior übt Ehebruch, Hurerei und Schande. Der dritte Kanoniker Andres Kramer ist Landfriedensbrecher, ein leichtfertiger, mutwilliger Geselle; Matthias Thomas, der 4. Kanoniker, hat eines guten, frommen Mannes junge Tochter als Magd in Dienst genommen und verführt, sechs oder sieben Kinder erzeugt, von denen etliche verstorben und heimlich bei Nacht begraben sein sollen, sodaß ein großer Zweifel ist, ob dieselben die Taufe empfangen, und wie es um ihr Absterben beschaffen gewesen. Der 5. Domherr Heinolphus ist in Unzucht, Unkeuschheit und Ausschweifungen versoffen. Der ältere Vikar hat 28 Jahre mit einer Frau in Ehebruch gelegen. Der 2. Vikar hat Mörder und Räuber beherbergt, ihnen gestohlene Sachen abgekauft, sie zu weiteren Schandtaten verleitet, und als die Sache an den Tag kam, ist er geflohen und nicht wiedergekommen."


Die Schutzfürsten beschlossen darauf im Dezember, einige Räte zu einer überraschenden Untersuchung nach Nordhausen zu entsenden. Was weiter geschah, ist unbekannt, doch führte Matthias Thomas noch einige Jahre später als Scholastiker die Aufsicht über die Stiftsschule.
Die Schutzfürsten beschlossen darauf im Dezember, einige Räte zu einer überraschenden Untersuchung nach Nordhausen zu entsenden. Was weiter geschah, ist unbekannt, doch führte Matthias Thomas noch einige Jahre später als Scholastiker die Aufsicht über die Stiftsschule.
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Hansens Beruf ist ebensowenig bekannt wie der seines Vaters Klaus. Beide zeichnen sich durch ansehnlichen Landbesitz in der engen Stadtflur aus. Zum Vergleiche sei angeführt, daß Michael Meyenburg, um jene Zeit der reichste Bürger der Stadt, einen Besitz von 34 Acker Landes in der Stadtflur hinterließ. Klaus Sanders Witwe besaß 76½ Acker. Hans erbte von ihr 34 Acker, dazu als Nacherbe noch 43/4 und von seiner Schwiegermutter 16¼, zusammen 55 Acker. Seine Ländereien bestanden aus 46 Acker Feld, 4 Acker Wiesen und 5 Acker Weinwachs. Der Schätzungswert der Felder betrug 6 oder 8 Gulden, der Wiesen 20 Gulden, des Weinwachses 10 Gulden je Acker. Die Verkaufspreise stellten sich erheblich höher und waren besonders bei Weinwachs von dem jeweiligen Stande des Anbaus bedingt; im Durchschnitt wurden erzielt bei Feldern und Wiesen 40, bei Weinwachs 50 Gulden für den Acker. Hansens Landbesitz war also etwa 2250 Gulden wert, das heißt so viel wie etwa drei sehr stattliche Häuser.
Hansens Beruf ist ebensowenig bekannt wie der seines Vaters Klaus. Beide zeichnen sich durch ansehnlichen Landbesitz in der engen Stadtflur aus. Zum Vergleiche sei angeführt, daß Michael Meyenburg, um jene Zeit der reichste Bürger der Stadt, einen Besitz von 34 Acker Landes in der Stadtflur hinterließ. Klaus Sanders Witwe besaß 76½ Acker. Hans erbte von ihr 34 Acker, dazu als Nacherbe noch 43/4 und von seiner Schwiegermutter 16¼, zusammen 55 Acker. Seine Ländereien bestanden aus 46 Acker Feld, 4 Acker Wiesen und 5 Acker Weinwachs. Der Schätzungswert der Felder betrug 6 oder 8 Gulden, der Wiesen 20 Gulden, des Weinwachses 10 Gulden je Acker. Die Verkaufspreise stellten sich erheblich höher und waren besonders bei Weinwachs von dem jeweiligen Stande des Anbaus bedingt; im Durchschnitt wurden erzielt bei Feldern und Wiesen 40, bei Weinwachs 50 Gulden für den Acker. Hansens Landbesitz war also etwa 2250 Gulden wert, das heißt so viel wie etwa drei sehr stattliche Häuser.


Hans starb im Jahre 1587, Frau Ursula mit zwei Söhnen zurücklassed, von denen der ältere Perlinus bereits großjährig, der jüngere Liborius noch ein Knabe war. Wohl als Perlinus heiratete, erwarb bie Witwe ein kleineres Haus für sich und verkauft« dann das alte Haus in der Rautengasse am 7. Oktober 1590 für 900 Gulden. Auch den Landbesitz, soweit er nicht den Kindern zufiel, veräußerte sie allmählich. Gegen Ende des Jahres 1600 folgte sie ihrem Gatten im Tode nach.
Hans starb im Jahre 1587, Frau Ursula mit zwei Söhnen zurücklassed, von denen der ältere Perlinus bereits großjährig, der jüngere Liborius noch ein Knabe war. Wohl als Perlinus heiratete, erwarb bie Witwe ein kleineres Haus für sich und verkauft« dann das alte Haus in der Rautengasse am 7. Oktober 1590 für 900 Gulden. Auch den Landbesitz, soweit er nicht den Kindern zusiel, veräußerte sie allmählich. Gegen Ende des Jahres 1600 folgte sie ihrem Gatten im Tode nach.


Perlinus scheint sie nicht lange überlebt zu haben. Von Liborius hören wir, daß er nach der großen Feuersbrunst von 1612 als einer der Abgesandten des Rats Thüringen durchreiste, um der Sitte der Zeit gemäß von den größeren Ortschaften des Landes Hilfe für die Abgebrannten zu heischen. Spätestens im Jahre 1626 ist Liborius gestorben. Damals wütete die Pest so stark, daß die Toten nicht in die Kirchenbücher eingetragen werden konnten, da ihrer zu viele waren.
Perlinus scheint sie nicht lange überlebt zu haben. Von Liborius hören wir, daß er nach der großen Feuersbrunst von 1612 als einer der Abgesandten des Rats Thüringen durchreiste, um der Sitte der Zeit gemäß von den größeren Ortschaften des Landes Hilfe für die Abgebrannten zu heischen. Spätestens im Jahre 1626 ist Liborius gestorben. Damals wütete die Pest so stark, daß die Toten nicht in die Kirchenbücher eingetragen werden konnten, da ihrer zu viele waren.
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Förstemann verlegt offenbar deshalb so viele Bewegungen Münzers auf den 30. April und 1. Mai, weil er den zweiten Ausmarsch Münzers auf den 2. Mai ansetzen zu müssen glaubt. Dieser Annahme wegen erklärt er (S. 78 Anm. 2) die Angabe, daß Münzer am 4. Mai vom Felde vor Duderstaöt einen Brief an den Grafen Günther von Schwarzburg geschrieben habe, für zweifellos falsch, und meint, der Brief sei wohl vor dem 1. Mai geschrieben. Neuere Forschungen berichtigen Förstemanns Angaben. Münzer legte den Marsch von Ebeleben nach Heiligenstadt nicht am 30. April zurück, sondern traf erst am 2. Mai abends mit etwa 6000 Mann vor Heiligenstadt ein (Zimmermann S. 167, Brand S. 72, Getz S. 166, Franz, Akten S. 403). Daß Heiligenstadt „sich fügen mußte", wie Förstemann sagt, trifft nicht zu. Münzer verweilte einige Zeit vor der Stadt, durfte sie auch mit einigen Begleitern betreten, brachte sie aber nicht zum Anschluß. (Brand S. 72, Geß S. 166, Franz, Bauernkrieg, S. 429). Am 4. Mai wollte er vor Rusteberg ziehen (Geß S. 166), doch gab er diesen Plan auf und marschierte statt dessen nach Duderstadt, wo er am Nachmittage des 4. Mai eingetroffen sein wird. Gegen die Datierung des Briefes vom 4. Mai an den Grafen von Schwarzburg ist also durchaus nichts einzuwenden. Von Duderstadt aus kehrte Münzer über Worbis nach Mühlhausen zurück. Vermutlich verließ er später in Worbis das sich auflösende Bauernheer und eilte mit schwachem Gefolge nach Mühlhausen, wo „man" nach Brand (S. 72) am 6. Mai eintraf, während Zimmermann den Tag nicht anzugeben vermag und Franz, Bk. S. 484 Münzers Zug ins Eichsfeld bis zum 7. Mai dauern läßt.
Förstemann verlegt offenbar deshalb so viele Bewegungen Münzers auf den 30. April und 1. Mai, weil er den zweiten Ausmarsch Münzers auf den 2. Mai ansetzen zu müssen glaubt. Dieser Annahme wegen erklärt er (S. 78 Anm. 2) die Angabe, daß Münzer am 4. Mai vom Felde vor Duderstaöt einen Brief an den Grafen Günther von Schwarzburg geschrieben habe, für zweifellos falsch, und meint, der Brief sei wohl vor dem 1. Mai geschrieben. Neuere Forschungen berichtigen Förstemanns Angaben. Münzer legte den Marsch von Ebeleben nach Heiligenstadt nicht am 30. April zurück, sondern traf erst am 2. Mai abends mit etwa 6000 Mann vor Heiligenstadt ein (Zimmermann S. 167, Brand S. 72, Getz S. 166, Franz, Akten S. 403). Daß Heiligenstadt „sich fügen mußte", wie Förstemann sagt, trifft nicht zu. Münzer verweilte einige Zeit vor der Stadt, durfte sie auch mit einigen Begleitern betreten, brachte sie aber nicht zum Anschluß. (Brand S. 72, Geß S. 166, Franz, Bauernkrieg, S. 429). Am 4. Mai wollte er vor Rusteberg ziehen (Geß S. 166), doch gab er diesen Plan auf und marschierte statt dessen nach Duderstadt, wo er am Nachmittage des 4. Mai eingetroffen sein wird. Gegen die Datierung des Briefes vom 4. Mai an den Grafen von Schwarzburg ist also durchaus nichts einzuwenden. Von Duderstadt aus kehrte Münzer über Worbis nach Mühlhausen zurück. Vermutlich verließ er später in Worbis das sich auflösende Bauernheer und eilte mit schwachem Gefolge nach Mühlhausen, wo „man" nach Brand (S. 72) am 6. Mai eintraf, während Zimmermann den Tag nicht anzugeben vermag und Franz, Bk. S. 484 Münzers Zug ins Eichsfeld bis zum 7. Mai dauern läßt.


Der zweite Ausmarsch fand nach Brand (S. 76) am 10. Mai statt, nach Zimmermann (S. 179–80) bereits am 7. Mai. Brands Angabe wird durch Münzers Briefwechsel (S. 116–122) bestätigt, denn am 7., 8. und 9. Mai ließ Münzer noch mehrere Briefe aus Mühlhausen ergehen. In einem derselben sagt er über sein Derweilen dem Sinne nach: „Wir haben über die Maßen zu schaffen, unsere Brüder zu mustern (d. h. in feste Ordnung zu bringen), denn es ist nur ein ungefüges Volk, wenn ein jeder nach Belieben sich wieder entfernen kann.Am 10. Mai schreibt er aus Ammern, 3 Kilometer nördlich Mühlhausen, am 12. aus Frankenhausen.
Der zweite Ausmarsch fand nach Brand (S. 76) am 10. Mai statt, nach Zimmermann (S. 179–80) bereits am 7. Mai. Brands Angabe wird durch Münzers Briefwechsel (S. 116–122) bestätigt, denn am 7., 8. und 9. Mai ließ Münzer noch mehrere Briefe aus Mühlhausen ergehen. In einem derselben sagt er über sein Derweilen dem Sinne nach: „Wir haben über die Maßen zu schaffen, unsere Brüder zu mustern (d. h. in feste Ordnung zu bringen), denn es ist nur ein ungefüges Volk, wenn ein jeder nach Belieben sich wieder entfernen kann." Am 10. Mai schreibt er aus Ammern, 3 Kilometer nördlich Mühlhausen, am 12. aus Frankenhausen.


Wir können deshalb annehmen, daß er am 6. Mai nach Mühlhausen zurückkehrte und am 10. morgens nach Frankenhausen aufbrach. Bei diesem zweiten Auszuge gelangte er nach Förstemann am ersten Tage bis Ebeleben, wo er bei seinem zweiten Auszuge vom 29. und 30. April Nachtlager gehalten hatte. Den ganzen, etwa 54 Kilometer messenden Weg bis Frankenhausen legte er mit seiner kleinen, ausgesuchten Schar trotz der mitgeführten Karrenbüchsen in 2 Tagen zurück. Am 11. Mai abends wird er in Frankenhausen ein getroffen sein, denn am 12. Mai erließ er von dort cm Graf Al- brecht von Mansfeld ein geharnischtes Schreiben, auf das er noch am selben Tage Antwort haben wollte. Das Schreiben muß also schon am Vormittag abgegangen sein.
Wir können deshalb annehmen, daß er am 6. Mai nach Mühlhausen zurückkehrte und am 10. morgens nach Frankenhausen aufbrach. Bei diesem zweiten Auszuge gelangte er nach Förstemann am ersten Tage bis Ebeleben, wo er bei seinem zweiten Auszuge vom 29. und 30. April Nachtlager gehalten hatte. Den ganzen, etwa 54 Kilometer messenden Weg bis Frankenhausen legte er mit seiner kleinen, ausgesuchten Schar trotz der mitgeführten Karrenbüchsen in 2 Tagen zurück. Am 11. Mai abends wird er in Frankenhausen ein getroffen sein, denn am 12. Mai erließ er von dort cm Graf Al- brecht von Mansfeld ein geharnischtes Schreiben, auf das er noch am selben Tage Antwort haben wollte. Das Schreiben muß also schon am Vormittag abgegangen sein.


Der Walkenrieder Bauernhaufe erhielt am 13. Mai von Münzer die Aufforderung, nach Frankenhausen zu kommen. Die Führer des Haufens antworteten darauf sofort: „Sie könnten nicht so eilend Zusammenkommen, denn der Haufe sei von einander, und die Verweser und Diener kämen erst am Sonntag, den 14. wieder zusammen.Am 14. Mai brach der Haufe aber doch noch auf und marschierte bis zur Flarichsmühle bei Nordhausen. Am 15. Mai machte die Schlacht bei Frankenhausen dem Kriege ein Ende.
Der Walkenrieder Bauernhaufe erhielt am 13. Mai von Münzer die Aufforderung, nach Frankenhausen zu kommen. Die Führer des Haufens antworteten darauf sofort: „Sie könnten nicht so eilend Zusammenkommen, denn der Haufe sei von einander, und die Verweser und Diener kämen erst am Sonntag, den 14. wieder zusammen." Am 14. Mai brach der Haufe aber doch noch auf und marschierte bis zur Flarichsmühle bei Nordausen. Am 15. Mai machte die Schlacht bei Frankenhausen dem Kriege ein Ende.


'''2. Die Vorgänge in Nordhausen vom 29. April bis 15. Mai 1525.'''
'''2. Die Vorgänge in Nordhausen vom 29. April bis 15. Mai 1525.'''
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Auf Grund unserer Ermittelungen und Schlüsse sind wir zu einer wesentlich anderen Darstellung der Ereignisse und einer günstigeren Beurteilung des Rats und besonders Meyenburgs gelangt als Silberborth. Die Darlegung unserer Gründe hielten wir für eine Dankespflicht gegen diesen Forscher, der als erster das gewaltige Werk einer umfassenden und gründlichen Geschichte der Reichsstadt Nordhausen unternommen und glücklich zustande gebracht hat.
Auf Grund unserer Ermittelungen und Schlüsse sind wir zu einer wesentlich anderen Darstellung der Ereignisse und einer günstigeren Beurteilung des Rats und besonders Meyenburgs gelangt als Silberborth. Die Darlegung unserer Gründe hielten wir für eine Dankespflicht gegen diesen Forscher, der als erster das gewaltige Werk einer umfassenden und gründlichen Geschichte der Reichsstadt Nordhausen unternommen und glücklich zustande gebracht hat.


Auf eine größere Anzahl von ungenauen oder unzutreffenden Angaben, die wir vornehmlich in älteren Nordhäuser Schilderungen bemerkten, kann hier nicht eingegangen werden, nur zweier Verwechslungen, die den Aufrührer Hans Sander betreffen, sei gedacht. In dem von Oßwald (Nordhäuser Kriminal-Akten, S. 12 bis 15) mitgeteilten, nach Förstemann (S. 85) auf Prozeßakten gegründeten Aufruhrbericht, heißt es (S. 13), „Hans Kehner" sei mit seinem Bruder nach Ebeleben geritten, – eine Angabe, die Silberborth (S. 309) übernommen. Ferner sagt Förstemann (S. 86), „Sander sollte beim Rolande kochen“. Beide Angaben sind falsch. In dem Original des Bekenntnisses Hans Sanders im Nordhäuser Stadtarchiv (H M. A. 10) wird dreimal erwähnt, daß Hans Sander mit seinem Stiefbruder Berlö Helmsdorf nach Ebeleben geritten sei, während von einem Ritt Kehners nichts verlautet, und außerdem heißt es darin: „Berlt (Helmsdorf) wolt beym Ruland kochen.
Auf eine größere Anzahl von ungenauen oder unzutreffenden Angaben, die wir vornehmlich in älteren Nordhäuser Schilderungen bemerkten, kann hier nicht eingegangen werden, nur zweier Verwechslungen, die den Aufrührer Hans Sander betreffen, sei gedacht. In dem von Oßwald (Nordhäuser Kriminal-Akten, S. 12 bis 15) mitgeteilten, nach Förstemann (S. 85) auf Prozeßakten gegründeten Aufruhrbericht, heißt es (S. 13), „Hans Kehner" sei mit seinem Bruder nach Ebeleben geritten, – eine Angabe, die Silberborth (S. 309) übernommen. Ferner sagt Förstemann (S. 86), „Sander sollte beim Rolande kochen". Beide Angaben sind falsch. In dem Original des Bekenntnisses Hans Sanders im Nordhäuser Stadtarchiv (H M. A. 10) wird dreimal erwähnt, daß Hans Sander mit seinem Stiefbruder Berlö Helmsdorf nach Ebeleben geritten sei, während von einem Ritt Kehners nichts verlautet, und außerdem heißt es darin: „Berlt (Helmsdorf) wolt beym Ruland kochen."


== Quellen und Literaturverzeichnis ==
== Quellen und Literaturverzeichnis ==


=== A. Quellen ===
=== A. Quellen ===
*Nordhäuser Stadtarchiv: I. Einzelurkunden: J 45, L c 37, N c 3, N i 28, O b 11, 21. 31. 35. 36. P a 6a. – II. Bücher, Akten, Briefe: Album civium, L 12, 13 (Rottenverzeichnisse, Bestellung der Türme und Tore, Rechnungen von Schoßherren und Pfeilmeistern), M a 10 (Bekenntnis Hans Sanders), N a 18 (Fehde- und Sühnebuch), O a 10 (Domstift), O b 1 (Frauenbergkloster), O d 1 (Barfüßerzins), S a 1 . 2 (Schultheißenamts-Registraturen), U a 1 (Knochenhauer-Innung), U c (Wollenweber-Gesetze), W a 1.2 a. 2 b (Erbbücher), X (Schatzung 1551), X d 1.5 (Ackerzinsbücher), X e 1.2 (Ratsämterbücher), X e 8 (Ratsherren, Stadtschreiber, Handwerksmeister), X M 8 (Spende-Register), Y b 1 a. b. c. (Ratshandelsbücher), Z a 5 (Frommannsche Sammelbände), Z a 6 (Reinhardtsche Sammelbände), Marstallordnung.
*Nordhäuser Stadtarchiv: I. Einzelurkunden: I 45, L c 37, N c 3, Ni 28, Ob 11, 21. 31. 35. 36. P a 6a. – II. Bücher, Akten, Briefe: Album civium, L 12, 13 (Rottenverzeichnisse, Bestellung der Türme und Tore, Rechnungen von Schoßherren und Pfeilmeistern), M a 10 (Bekenntnis Hans Sanders), N a 18 (Fehde- und Sühnebuch), O a 10 (Domstift), Obi (Frauenbergkloster), O d 1 (Barfüßerzins), S a 1 . 2 (Schultheißen- amts-Registraturen), U a 1 (Knochenhauer-Jnnung), U c (Wollenweber-Gesetze), Wa 1.2 a. 2 b (Erbbücher), X (Schatzung 1551), Xd 1.5 (Ackerzinsbücher), Te 1.2 (Ratsämter bücher), Xe 8 (Ratsherren, Stadtschreiber, Handwerksmeister), XM 8 (Spende-Register), D b 1 a. b. c. (Ratshandelsbücher), Z a 5 (Frommannsche Sammelbände), Za 6 (Reinhardtsche Sammelbände), Marstallordnung.
*Hauptstaatsarchiv Dresden: Cop. 112 (Büschs Ernennung 1510), Cop. 124.125.128 (Gebrechen zwischen Schultheiß und Rat 1516–17), III 113 (Verdacht lutherischer Lehre 1525), III Loc. 8959 (Kreuzstift 1565).
*Hauptstaatsarchiv Dresden: Cop. 112 (Büschs Ernennung 1510), Cop. 124.125.128 (Gebrechen zwischen Schultheiß und Rat 1516–17), III 113 (Verdacht lutherischer Lehre 1525), III Loc. 8959 (Kreuzstift 1565).
*Göttinger Stadtarchiv: Kämmereibuch 1560/61.
*Göttinger Stadtarchiv: Kämmereibuch 1560/61.
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*Schäfer, Johannes Sander von Northusen, Notar der Rota und Rektor der Anima. Rom 1913.
*Schäfer, Johannes Sander von Northusen, Notar der Rota und Rektor der Anima. Rom 1913.
*Schäfer, Deutsche Notare in Rom, im Historischen Jahrbuch 1912. Schmidlin, Geschichte der deutschen Nationalkirche in Rom S. Maria bell' Anima. Freiburg und Wien 1906.
*Schäfer, Deutsche Notare in Rom, im Historischen Jahrbuch 1912. Schmidlin, Geschichte der deutschen Nationalkirche in Rom S. Maria bell' Anima. Freiburg und Wien 1906.
*Silberborth, Geschichte der Freien Reichsstadt Nordhausen, in „Das tausendjährige Nordhausen“. Nordhausen 1927.  
*Silberborth, Geschichte der Freien Reichsstadt Nordhausen, in „Das tausendjährige Nordhausen". Nordhausen 1927.  
*Spangenberg, Mansfeldische Chronica. Eisleben 1572.  
*Spangenberg, Mansfeldische Chronica. Eisleben 1572.  
*Strieder, Die Inventur der Firma Fugger aus dem Jahre 1527. Tübingen 1905.
*Strieder, Die Inventur der Firma Fugger aus dem Jahre 1527. Tübingen 1905.
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* Zimmermann (Joachim), Thomas Münzer. Berlin 1925.
* Zimmermann (Joachim), Thomas Münzer. Berlin 1925.


== Anlage 1: Stammtafel, Anlage 2: Plan von Nordhausen um 1500 ==
== Anlage 1: Stammtafel ==


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[[Datei:Reichsstadt Nordhausen 1560.jpg|thumb|400px]]
== Anlage 2: Plan von Nordhausen um 1500 ==


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