Bearbeiten von „Die Sander in Nordhausen und Rom im 15. und 16. Jahrhundert

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|KURZBESCHREIBUNG=Dieser erste Teil der Reihe „Sander-Northusen. Geschichte einer Bürgerfamilie“ wurde nicht fortgesetzt. Die ursprüngliche Arbeit stammt aus dem Jahr 1934.
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== Die ersten Sander in Nordhausen ==
== Die ersten Sander in Nordhausen ==


Der Name Sander ist die deutsche Abkürzung des griechisch- lateinischen Alexander, zu deutsch „der Männerabwehrende“. Als der Name sich bei unseren Vorfahren einbürgerte, gemahnte er sie nicht etwa an den heldenhaften Mazedonier, sondern an einen Heiligen, der mit seiner Mutter Felicitas und sechs Brüdern im zweiten Jahrhundert zu Rom den Märtyrertod erlitten haben soll. Der Gedenktag der „Sieben Brüder" ist der 10. Juli.
Der Name Sander ist die deutsche Abkürzung des griechisch- lateinischen Alexander, zu deutsch „der Männerabwehrende". Als der Name sich bei unseren Vorfahren einbürgerte, gemahnte er sie nicht etwa an den heldenhaften Mazedonier, sondern an einen Heiligen, der mit seiner Mutter Felicitas und sechs Brüdern im zweiten Jahrhundert zu Rom den Märtyrertod erlitten haben soll. Der Gedenktag der „Sieben Brüder" ist der 10. Juli.


Seltsamerweise war es ein Enkel des urdeutschen und heidnischen Kriegshelden Widukind, der den Namen des fremden, frommen Mannes im Sachsenlande heimisch machte. Widukind und seine Kampfgenossen hatten das Christentum nur der Not gehorchend und äußerlich angenommen. Das wußten ihre Zwingherren, die fränkischen Kaiser, gar wohl, und um die Bekehrung der Unterworfenen allmählich zu verinnerlichen, ließen sie die Söhne der sächsischen Vornehmen als Geiseln an ihrem Hofe und in den fränkischen Klöstern zu Christen erziehen.
Seltsamerweise war es ein Enkel des urdeutschen und heidnischen Kriegshelden Widukind, der den Namen des fremden, frommen Mannes im Sachsenlande heimisch machte. Widukind und seine Kampfgenossen hatten das Christentum nur der Not gehorchend und äußerlich angenommen. Das wußten ihre Zwingherren, die fränkischen Kaiser, gar wohl, und um die Bekehrung der Unterworfenen allmählich zu verinnerlichen, ließen sie die Söhne der sächsischen Vornehmen als Geiseln an ihrem Hofe und in den fränkischen Klöstern zu Christen erziehen.
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Das Papsttum jener Zeit war aufs tiefste verweltlicht. Innozenz VIII. sorgte hauptsächlich für seine natürlichen Kinder, während im Kirchenstaat das Faustrecht herrschte; unter Alexander VI., der die Gegner mit Gift und Dolch beseitigte, bildeten die Untaten seines Sohnes Cäsar Borgia das Stadtgespräch; Julius II. zeichnete sich durch Kriegstaten und großartige Bauten aus, und Leo X. überbot alle Vorgänger durch Prachtwerke. Unter frommen Vorwänden wurden gewaltige Abgaben der Gläubigen nach Rom gezogen und zu weltlichen Zwecken verwendet. Wohl blühten Kunst und Wissenschaft, aber Glaube und Christentum litten Not.  
Das Papsttum jener Zeit war aufs tiefste verweltlicht. Innozenz VIII. sorgte hauptsächlich für seine natürlichen Kinder, während im Kirchenstaat das Faustrecht herrschte; unter Alexander VI., der die Gegner mit Gift und Dolch beseitigte, bildeten die Untaten seines Sohnes Cäsar Borgia das Stadtgespräch; Julius II. zeichnete sich durch Kriegstaten und großartige Bauten aus, und Leo X. überbot alle Vorgänger durch Prachtwerke. Unter frommen Vorwänden wurden gewaltige Abgaben der Gläubigen nach Rom gezogen und zu weltlichen Zwecken verwendet. Wohl blühten Kunst und Wissenschaft, aber Glaube und Christentum litten Not.  


Da das Leben in Rom außerordentlich teuer war, pflegten die Kurialbeamten ihr Einkommen dadurch zu vermehren, daß sie sich möglichst viele heimatliche Sinekuren verschafften, deren Einkünfte sie in der Ferne genießen konnten. Auch Johannes Sander bediente sich dieses Mittels. Da seine Vaterstadt im Erfurter Archidiakonat des Erzbistums Mainz lag, so kamen für ihn in erster Linie Pfründen in Nordhausen und Umgegend sowie in Erfurt in Betracht. Im Jahre 1506 finden wir ihn im Besitz von sechs Bikarien, nämlich je einer am Kreuzstift, dem Altendorfkloster und der Petrikirche zu Nordhausen, zweier an der Pfarrkirche zu Ellrich und einer zu Udersleben. Aus diesen Pfründen bezog er 68¼ Schock Groschen, 8½ Scheffel Roggen, 2½ Scheffel Gerste und 4 Scheffel Hafer im Gesamtwert von 170 rheinischen Goldgulden mit einer Kaufkraft von etwa 7400 Mark unserer Vorkriegswährung. Spätestens zu Anfang des Jahres 1508 erwarb er noch eine weit bessere Pfründe, nämlich eine Domherrnstelle in Erfurt. Von den Pfründeneinnahmen mußte er gelegentlich einen Teil als eine sogenannte Subsidienzahlung an seinen Mainzer Erzbischof abliefern.
Da das Leben in Rom außerordentlich teuer war, pflegten die Kurialbeamten ihr Einkommen dadurch zu vermehren, daß sie sich möglichst viele heimatliche Sinekuren verschafften, deren Einkünfte sie in der Ferne genießen konnten. Auch Johannes Sander bediente sich dieses Mittels. Da seine Vaterstadt im Erfurter Archidiakonat des Erzbistums Mainz lag, so kamen für ihn in erster Linie Pfründen in Nordhausen und Umgegend sowie in Erfurt in Betracht. Im Jahre 1506 finden wir ihn im Besitz von sechs Bikarien, nämlich je einer am Kreuzstift, dem Altendorfkloster und der Petrikirche zu Nordhausen, zweier an der Pfarrkirche zu Ellrich und einer zu Udersleben. Aus diesen Pfründen bezog er 68¼ Schock Groschen, 8½ Scheffel Roggen, 2½ Scheffel Gerste und 4 Scheffel Hafer im Gesamtwert von 170 rheinischen Goldgulden mit einer Kaufkraft von etwa 7400 Mark unserer Vorkriegswährung. Spätestens zu Anfang des Jahres 1508 erwarb er noch eine weit bessere Pfründe, nämlich eine Domherrnstelle in Erfurt. Von den Pfründeneinnahmen mußte er gelegentlich einen Teil als eine sogenannte Subsidienzahlung an feinen Mainzer Erzbischof abliefern.


Etwa im Jahre 1495 erlangte Johannes das Amt eines Rota-Notars an der päpstlichen Kurie. Als solcher wird er in den Protokollen der Rota erstmalig am 26. und 28. September 1496 genannt, wo er bei einem großen Prozesse um die Domscholasterei von Breslau wichtige Urkunden des kaiserlichen Notars Sebald Ziegler in Nürnberg als dessen Bevollmächtigter geltend machte.
Etwa im Jahre 1495 erlangte Johannes das Amt eines Rota-Notars an der päpstlichen Kurie. Als solcher wird er in den Protokollen der Rota erstmalig am 26. und 28. September 1496 genannt, wo er bei einem großen Prozesse um die Domscholasterei von Breslau wichtige Urkunden des kaiserlichen Notars Sebald Ziegler in Nürnberg als dessen Bevollmächtigter geltend machte.
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Das „Sanberhaus“, wie es genannt wirb, steht noch heute und ist wegen seines künstlerischen Wertes in die Zahl der römischen Nationaldenkmäler ausgenommen worden.
Das „Sanberhaus“, wie es genannt wirb, steht noch heute und ist wegen seines künstlerischen Wertes in die Zahl der römischen Nationaldenkmäler ausgenommen worden.


Die Straßenseite ist mit Sgraffit-Verzierungen reich geschmückt. Am unteren Stockwerke waren vier Brustbilder, darunter das des Erbauers, angebracht. Das rundbogige Tor zeigt im Schlußstein Johannes Sanders Wappen und darüber die Inschrift: „Jo. Sander Northusanus Rotae Notarius sec. 1508.“
Die Straßenseite ist mit Sgraffit-Berzierungen reich geschmückt. Am unteren Stockwerke waren vier Brustbilder, darunter das des Erbauers, angebracht. Das rundbogige Tor zeigt im Schlußstein Johannes Sanders Wappen und darüber die Inschrift: „Jo. Sander Northusanus Rotae Notarius sec. 1508.“


Die steinerne Treppe hinaufsteigend, gelangt man im ersten Stockwerk zu den Wohnräumen, im zweiten durch einen kleinen Vorraum in das große Empfangszimmer. Ein breiter Fries mit zierlichen Wandmalereien aus der antiken Mythologie läuft oben an den dunkelroten Wänden entlang. Die von Längs- und Querbalken getragene Decke ist durch eine Holztäfelung in viele kleine Quadrate geteilt, die einen Stern auf himmelblauem Grunde ein- schließen. Im dritten Stockwerk gewährte eine die ganze Front einnehmende halboffene Bogenhalle dem Lichte und der Luft freien Zutritt und dem Bewohner einen behaglichen Erholungsraum. Dieses Stockwerk ist groß genug, um nach erfolgter Schließung der Bogenhalle heute dem Rektor der Anima als Wohnung zu genügen.
Die steinerne Treppe hinaufsteigend, gelangt man im ersten Stockwerk zu den Wohnräumen, im zweiten durch einen kleinen Vorraum in das große Empfangszimmer. Ein breiter Fries mit zierlichen Wandmalereien aus der antiken Mythologie läuft oben an den dunkelroten Wänden entlang. Die von Längs- und Querbalken getragene Decke ist durch eine Holztäfelung in viele kleine Quadrate geteilt, die einen Stern auf himmelblauem Grunde ein- schließen. Im dritten Stockwerk gewährte eine die ganze Front einnehmende halboffene Bogenhalle dem Lichte und der Luft freien Zutritt und dem Bewohner einen behaglichen Erholungsraum. Dieses Stockwerk ist groß genug, um nach erfolgter Schließung der Bogenhalle heute dem Rektor der Anima als Wohnung zu genügen.
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Der jüngste Bruder, Joachim, blieb weltlichen Standes und Bürger seiner Vaterstadt.
Der jüngste Bruder, Joachim, blieb weltlichen Standes und Bürger seiner Vaterstadt.


Die Opferfreudigkeit und Tatkraft, die Johannes Sander bei dem Hausbau bewies, veranlaßte die Anima-Bruderschaft, ihn im Jahre 1509 zum zweiten Provisor zu erwählen. Der päpstliche Skriptor Wilhelm von Enckevort bekleidete damals das Amt des Regenten. Am 15. September verpachteten die Provisoren dem Rotanotar Dietrich von Eynem ein Haus der Bruderschaft für 50 Dukaten Miete und unter der Bedingung, daß er 100 Dukaten zur Ausbesserung des Hauses aufwenden und 200 Dukaten für den im Werke befindlichen Kirchenneubau beisteuern würde. Auch in den folgenden Jahren waltete Johannes als zweiter Provisor und war bei verschiedenen ähnlichen Amtsgeschäften tätig. Die wichtigste Aufgabe jedoch bestand in der Geldbeschaffung für den erwähnten Kirchenneubau. Am 9. November 1509 wurde unter dem Borsitz Enckevorts und Sanders beschlossen, eine Anleihe innerhalb der Bruderschaft aufzunehmen. Nicht alle Mitglieder zahlten den ihnen zugeöachten Anteil, Johannes Sander aber entrichtete im Juni 1510 die von ihm erwarteten 50 Dukaten, trotzdem er noch hohe Ausgaben für sein Haus zu machen hatte. Im folgenden Jahre führte er mit seinen Amtsgenossen einen Prozeß zu Ende. Der Kardinal Perauöi hatte der Anima 518 Golögulden vermacht, die päpstliche Kammer aber das Legat eingezogen. Nun erlaubte Papst Julius II. den Provisoren, entweder das Geld aus gewissen deutschen Einkünften des Kardinals und den Kreuzzugbeiträgen zu erheben, falls nämlich Kaiser Maximilian seine Einwilligung dazu gebe und die Kammer das Geld nicht schon vorher belegt habe, oder sich aus der päpstlichen Jahressteuer von neu erlangten Pfründen in Deutschland zu befriedigen. Beide Geldquellen waren recht unsicher, und als die Provisoren erfuhren, daß in St. Gallen für die apostolische Kammer noch an 500 Gulden von der Jubiläumskollekte des Jahres 1500 lägen, hielten sie diese Quelle für aussichtsreicher und bevollmächtigten einen Mitbruder in Konstanz, diese oder andere der Kammer in Deutschland zustehenden Gelder bis zu dem Betrage des Legats einzutreiben.  
Die Opferfreudigkeit und Tatkraft, die Johannes Sander bei dem Hausbau bewies, veranlaßte die Anima-Bruderschaft, ihn im Jahre 1509 zum zweiten Provisor zu erwählen. Der päpstliche Skriptor Wilhelm von Enckevort bekleidete damals das Amt des Regenten. Am 15. September verpachteten die Provisoren dem Rotanotar Dietrich von Eynem ein Haus der Bruderschaft für 50 Dukaten Miete und unter der Bedingung, daß er 100 Dukaten zur Ausbesserung des Hauses aufwenöen und 200 Dukaten für den im Werke befindlichen Kirchenneubau beisteuern würde. Auch in den folgenden Jahren waltete Johannes als zweiter Provisor und war bei verschiedenen ähnlichen Amtsgeschäften tätig. Die wichtigste Aufgabe jedoch bestand in der Geldbeschaffung für den erwähnten Kirchenneubau. Am 9. November 1509 wurde unter dem Borsitz Enckevorts und Sanders beschlossen, eine Anleihe innerhalb der Bruderschaft aufzunehmen. Nicht alle Mitglieder zahlten den ihnen zugeöachten Anteil, Johannes Sander aber entrichtete im Juni 1510 die von ihm erwarteten 50 Dukaten, trotzdem er noch hohe Ausgaben für sein Haus zu machen hatte. Im folgenden Jahre führte er mit seinen Amtsgenossen einen Prozeß zu Ende. Der Kardinal Perauöi hatte der Anima 518 Golögulden vermacht, die päpstliche Kammer aber das Legat eingezogen. Nun erlaubte Papst Julius II. den Provisoren, entweder das Geld aus gewissen deutschen Einkünften des Kardinals und den Kreuzzugbeiträgen zu erheben, falls nämlich Kaiser Maximilian seine Einwilligung dazu gebe und die Kammer das Geld nicht schon vorher belegt habe, oder sich aus der päpstlichen Jahressteuer von neu erlangten Pfründen in Deutschland zu befriedigen. Beide Geldquellen waren recht unsicher, und als die Provisoren erfuhren, daß in St. Gallen für die apostolische Kammer noch an 500 Gulden von der Jubiläumskollekte des Jahres 1500 lägen, hielten sie diese Quelle für aussichtsreicher und bevollmächtigten einen Mitbruder in Konstanz, diese oder andere der Kammer in Deutschland zustehenden Gelder bis zu dem Betrage des Legats einzutreiben.  


Ein anderes Legat bereitete den Provisoren eine besonders große Enttäuschung. Der Kardinal Melchior Copis, ein steinreicher Mann, hatte der Anima 1000 Dukaten vermacht und später von seinem Bruder eine große Erbschaft übernommen mit der Verpflichtung, die Animakirche und ihr Hospiz von Grund auf neu zu erbauen; er konnte sich aber bei Lebzeiten nicht von dem Gelde trennen und begnügte sich damit, die Anima zu seiner Universalerbin einzusetzen. Das ließ auf eine Erbschaft hoffen, deren heutiger Wert mehrere Millionen Mark ausmachte. Leider starb der Kardinal aber gerade während einer zufälligen Anwesenheit an der Kurie, und nach altem Herkommen zog die päpstliche Kammer die Hinterlassenschaft aller an der Kurie sterbenden Prälaten ein, sofern sie nicht eine besondere päpstliche Erlaubnis zum Testieren erlangt hatten.
Ein anderes Legat bereitete den Provisoren eine besonders große Enttäuschung. Der Kardinal Melchior Copis, ein steinreicher Mann, hatte der Anima 1000 Dukaten vermacht und später von seinem Bruder eine große Erbschaft übernommen mit der Verpflichtung, die Animakirche und ihr Hospiz von Grund auf neu zu erbauen; er konnte sich aber bei Lebzeiten nicht von dem Gelde trennen und begnügte sich damit, die Anima zu seiner Universalerbin einzusetzen. Das ließ auf eine Erbschaft hoffen, deren heutiger Wert mehrere Millionen Mark ausmachte. Leider starb der Kardinal aber gerade während einer zufälligen Anwesenheit an der Kurie, und nach altem Herkommen zog die päpstliche Kammer die Hinterlassenschaft aller an der Kurie sterbenden Prälaten ein, sofern sie nicht eine besondere päpstliche Erlaubnis zum Testieren erlangt hatten.
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So erscheint uns Johannes aus seinen Worten und Taten. Aus seiner Handschrift aber ersieht der Graphologe folgendes Charakterbild:
So erscheint uns Johannes aus seinen Worten und Taten. Aus seiner Handschrift aber ersieht der Graphologe folgendes Charakterbild:


„Johannes Sander verfügte über gute vielseitige Gaben, nämlich praktischen, klaren Verstand, tatkräftigen Willen und starke Gefühle. Auf dem Boden der Wirklichkeit stehend, hatte er Sinn für nützliche Dinge, doch fehlte es ihm nicht an geistigen Bedürfnissen und höherem Streben. Er liebte Kunst und Wissenschaft und forschte nach Erkenntnissen.
„Johannes Sander verfügte über gute vielseitige Gaben, nämlich praktischen, klaren Verstand, tatkräftigen Willen und starke Gefühle. Auf dem Boden der Wirklichkeit stehend, hatte er Sinn für nützliche Dinge, doch fehlte es ihm nicht an geistigen Bedürfnissen und höherem Streben. Er liebze Kunst und Wissenschaft und forschte nach Erkenntnissen.


Wenn er seinen Obliegenheiten mit Eifer und Ausdauer nachkam, so bestimmten ihn nicht der Wunsch nach Selbstvervollkommnung und sittliche Grundsätze, sondern Liebe zur Sache und Tätigkeitsdrang. Er brauchte einen Wirkungskreis, in dem er selbständig und frei anordnen konnte, denn er fühlte sich überlegen und befähigt, andere zu leiten.  
Wenn er seinen Obliegenheiten mit Eifer und Ausdauer nachkam, so bestimmten ihn nicht der Wunsch nach Selbstvervollkommnung und sittliche Grundsätze, sondern Liebe zur Sache und Tätigkeitsdrang. Er brauchte einen Wirkungskreis, in dem er selbständig und frei anordnen konnte, denn er fühlte sich überlegen und befähigt, andere zu leiten.  


Seinen Mitmenschen brachte er Wohlwollen entgegen, doch wird der Verkehr mit ihnen nicht reibungslos gewesen sein, denn Johannes konnte hartnäckig auf seiner Ansicht bestehen. Er war lebhaft und geneigt, sich Hinreißen zu lassen, doch bewahrte ihn Vorsicht und Vernunft vor Unbesonnenheit und seine Bildung vor Geschmacklosigkeit. – Von ehrenhafter Gesinnung und freimütig, trat er vor Menschen selbstbewußt auf, während er sich dem Schicksal bejahungsbereit und gläubig überließ.  
Seinen Mitmenschen brachte er Wohlwollen entgegen, doch wird der Verkehr mit ihnen nicht reibungslos gewesen sein, denn Johannes konnte hartnäckig auf seiner Ansicht bestehen. Er war lebhaft und geneigt, sich Hinreißen zu lassen, doch bewahrte ihn Vorsicht und Vernunft vor Unbesonnenheit und seine Bildung vor Geschmacklosigkeit. — Don ehrenhafter Gesinnung und freimütig, trat er vor Menschen selbstbewußt auf, während er sich dem Schicksal bejahungsbereit und gläubig überließ.  


Alles in allem ein Mensch, der dem Lebenskampf in jeder Weise gewachsen war.“
Alles in allem ein Mensch, der dem Lebenskampf in jeder Weise gewachsen war.“
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Aus dem Sitzungssaal und der Rechenstube des Ratshauses hinaus und durch alle Teile der Stadt führte Hansen das Amt eines Kriegsmeisters oder Pfeilherrn, welches er 1512 bekleidete. Es war besonders verantwortungsvoll und wurde von zwei Ratsherren verwaltet, deren einer am Dreikönigstage, der andere zu Johannis das Amt antrat und ein Jahr lang behielt. Dementsprechend fand an diesen beiden Tagen eine Rechnungslegung statt.
Aus dem Sitzungssaal und der Rechenstube des Ratshauses hinaus und durch alle Teile der Stadt führte Hansen das Amt eines Kriegsmeisters oder Pfeilherrn, welches er 1512 bekleidete. Es war besonders verantwortungsvoll und wurde von zwei Ratsherren verwaltet, deren einer am Dreikönigstage, der andere zu Johannis das Amt antrat und ein Jahr lang behielt. Dementsprechend fand an diesen beiden Tagen eine Rechnungslegung statt.


Die Kriegsmeister hatten im Kriegsfälle zusammen mit dem Stadthauptmann, einem im Solde des Rats stehenden Ritter, die kriegerischen Maßnhmen zu beschließen und zu leiten. In Friedenszeit lag ihnen hauptsächlich die Sorge für alles Kriegsgerät der Stadt ob. Sie sollten gemäß der Satzung von 1470 „alle Geschütze und Gezeug, die zu ihrem Amte dienen und gehören, auch alle Waffen und Geschütze auf den Toren und Türmen, im Pfeilhause, auf den Mauern und wo sie dieselben sonst haben, mit des Rats Zeichen zeichnen, in ein Register beschreiben und verzeichnet ihren Nachfolgern geben, überantworten und beweisen; wer das nicht tut und darüber betroffen wird, gibt eine Mark und sitzt vier Tage inne, ohne Gnade.
Die Kriegsmeister hatten im Kriegsfälle zusammen mit dem Stadthauptmann, einem im Solde des Rats stehenden Ritter, die kriegerischen Maßnhmen zu beschließen und zu leiten. In Friedenszeit lag ihnen hauptsächlich die Sorge für alles Kriegsgerät der Stadt ob. Sie sollten gemäß der Satzung von 1470 „alle Geschütze und Gezeug, die zu ihrem Amte dienen und gehören, auch alle Waffen und Geschütze auf den Toren und Türmen, im Pfeilhause, auf den Mauern und wo sie dieselben sonst haben, mit des Rats Zeichen zeichnen, in ein Register beschreiben und verzeichnet ihren Nachfolgern geben, überantworten und beweisen; wer das nicht tut und darüber betroffen wird, gibt eine Mark und sitzt vier Tage inne, ohne Gnade."


Hansens Amtsgenosse war erst Lorenz Junker, dann Gerlach Pockeram. Ihre Tätigkeit wurde erschwert durch den Umstand, daß die Kriegsvorräte der Stadt an den verschiedensten Plätzen untergebracht waren. Nach einem Verzeichnis von 1514 lagerten im Pfeilhause über der Ratsstube große Mengen von Pfeilen in 16 Tonnen, 28 Schauben und 2 Fässern, außerdem etwa 80 neue Armbruste, deren Verbleib sorgfältig nachgewiesen werden mußte, und einige Hundert lange Spieße; in dem Gewölbe unter der Kämmerei Salpeter, Schwefel, Blei und ein kleiner Vorrat fertigen Pulvers; vor dem Gewölbe Pfeile und einige Fässer gestoßener Holzkohle; unter der Ratsstube Salpeter und mehrere Schock Hakenbüchsen; unter der Kämmerei Pfeile. Lederne Löscheimer wurden auf dem Tanzboden, im Wachthause vorm Adler in der Neustadt und im Altendorf verwahrt, der Hauptvorrat an fertigem Pulver im Wülfingsturm, die Geschütze nebst Steinkugeln, Karren und Wagen im Büchsenhaus zu St. Georgen. Außerdem waren sämtliche 76 Türme und Tore der Stadt mit Kriegsmaterial zur sofortigen Benutzung versehen.
Hansens Amtsgenosse war erst Lorenz Junker, dann Gerlach Pockeram. Ihre Tätigkeit wurde erschwert durch den Umstand, daß die Kriegsvorräte der Stadt an den verschiedensten Plätzen untergebracht waren. Nach einem Verzeichnis von 1514 lagerten im Pfeilhause über der Ratsstube große Mengen von Pfeilen in 16 Tonnen, 28 Schauben und 2 Fässern, außerdem etwa 80 neue Armbruste, deren Verbleib sorgfältig nachgewiesen werden mußte, und einige Hundert lange Spieße; in dem Gewölbe unter der Kämmerei Salpeter, Schwefel, Blei und ein kleiner Vorrat fertigen Pulvers; vor dem Gewölbe Pfeile und einige Fässer gestoßener Holzkohle; unter der Ratsstube Salpeter und mehrere Schock Hakenbüchsen; unter der Kämmerei Pfeile. Lederne Löscheimer wurden auf dem Tanzboden, im Wachthause vorm Adler in der Neustadt und im Altendorf verwahrt, der Hauptvorrat an fertigem Pulver im Wülfingsturm, die Geschütze nebst Steinkugeln, Karren und Wagen im Büchsenhaus zu St. Georgen. Außerdem waren sämtliche 76 Türme und Tore der Stadt mit Kriegsmaterial zur sofortigen Benutzung versehen.


Als Nebenaufgabe hatten die Kriegsmeister die Aufsicht über den Marstall des Rats zu führen. Täglich mußte einer von ihnen „auf den Stall gehen und zusehen“. Neues Sattelzeug durfte der Stallmeister nur mit ihrer Genehmigung anschaffen, unbrauchbares mußte er an sie abliefern.
Als Nebenaufgabe hatten die Kriegsmeister die Aufsicht über den Marstall des Rats zu führen. Täglich mußte einer von ihnen „auf den Stall gehen und zusehen". Neues Sattelzeug durfte der Stallmeister nur mit ihrer Genehmigung anschaffen, unbrauchbares mußte er an sie abliefern.


Eine weitere Nebenaufgabe war die Überwachung des Schützenmeisters, dem die Stadtsöldner unterstanden. Für gewöhnlich hatte die Stadt etwa 20 Schützen zu Fuß und einige Knechte zu Pferd oder Reisige in ihrem Dienst. Einem der Reisigen namens Klaus Pfannschmidt werden wir im Bauernkriege wiederbegegnen.
Eine weitere Nebenaufgabe war die Überwachung des Schützenmeisters, dem die Stadtsöldner unterstanden. Für gewöhnlich hatte die Stadt etwa 20 Schützen zu Fuß und einige Knechte zu Pferd oder Reisige in ihrem Dienst. Einem der Reisigen namens Klaus Pfannschmidt werden wir im Bauernkriege wiederbegegnen.
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Um diese Zeit weilte Luther noch auf der Wartburg, während einer der gefährlichsten Schwarmgeister nach Nordhausen kam, nämlich Thomas Münzer. Anfänglich zu Luther stehend, bekämpfte er ihn dann aufs schärfste, da er vermeinte, nur mit Gewalt und nach allgemeinem Umsturz ein Gottesreich nach seinem Sinne errichten zu können. In Nordhausen, wo er bis zum März 1523 als Kaplan, erst wohl an der St. Georgenkapelle und dann am Nonnenkloster im Altendorf wirkte, vermochte er sich nicht durchzusetzen, gewann aber durch scharfe und zügellose Beredsamkeit manche Anhänger.
Um diese Zeit weilte Luther noch auf der Wartburg, während einer der gefährlichsten Schwarmgeister nach Nordhausen kam, nämlich Thomas Münzer. Anfänglich zu Luther stehend, bekämpfte er ihn dann aufs schärfste, da er vermeinte, nur mit Gewalt und nach allgemeinem Umsturz ein Gottesreich nach seinem Sinne errichten zu können. In Nordhausen, wo er bis zum März 1523 als Kaplan, erst wohl an der St. Georgenkapelle und dann am Nonnenkloster im Altendorf wirkte, vermochte er sich nicht durchzusetzen, gewann aber durch scharfe und zügellose Beredsamkeit manche Anhänger.


In dem Widerstreit der Meinungen, der immer heftiger wurde, stellte sich der Rat entschlossen auf die Seite Luthers, der später rühmend gesagt hat: „Ich weiß keine Stadt am Harz oder sonst, welche sich dem Evangelio so bald unterworfen als die Stadt Nordhausen.Der Entschluß war nicht leicht, denn der einzige zuverlässige Beschützer der Unabhängigkeit der Reichstadt war der streng katholische Kaiser, der nächste örtliche Schutzfürst der streng katholische Herzog Georg. Mit beiden durfte man es nicht verderben. Deshalb ging der Rat zwar mit Entschiedenheit, aber auch mit Mäßigung und politischer Klugheit vor.
In dem Widerstreit der Meinungen, der immer heftiger wurde, stellte sich der Rat entschlossen auf die Seite Luthers, der später rühmend gesagt hat: „Ich weiß keine Stadt am Harz oder sonst, welche sich dem Evangelio so bald unterworfen als die Stadt Nordhausen." Der Entschluß war nicht leicht, denn der einzige zuverlässige Beschützer der Unabhängigkeit der Reichstadt war der streng katholische Kaiser, der nächste örtliche Schutzfürst der streng katholische Herzog Georg. Mit beiden durfte man es nicht verderben. Deshalb ging der Rat zwar mit Entschiedenheit, aber auch mit Mäßigung und politischer Klugheit vor.


Maßlose Schwarmgeister wie Thomas Münzer waren nicht nach seinem Sinn. Er verschaffte deshalb dem sich zu Luthers Lehre bekennenden bisherigen Augustinerprior Lorenz Süße, einem Mann von vermittelnder Sinnesart, die Stelle eines Predigers an der Petrikirche. Am 22. Februar 1522 hielt Süße die erste evangelische predigt, d. h. eine Predigt, die auf der Heiligen Schrift fußte und die mißbräuchliche Gnadenvermittelung bekämpfte.
Maßlose Schwarmgeister wie Thomas Münzer waren nicht nach seinem Sinn. Er verschaffte deshalb dem sich zu Luthers Lehre bekennenden bisherigen Augustinerprior Lorenz Süße, einem Mann von vermittelnder Sinnesart, die Stelle eines Predigers an der Petrikirche. Am 22. Februar 1522 hielt Süße die erste evangelische predigt, d. h. eine Predigt, die auf der Heiligen Schrift fußte und die mißbräuchliche Gnadenvermittelung bekämpfte.


Indem der Rat sich den lutherischen Lehren zuwandte, handelte er im Sinne der großen Mehrzahl der Bürger, aber durchaus nicht aller. Neben einigen Anhängern Münzers, denen Luther viel zu gemäßigt war, gab es eine beträchtliche Anzahl von solchen, die aus Ueberzeugung oder Eigennutz allen Neuerungen widerstrebten. Ihr stärkster Rückhalt in der Stadt war das reichsunmittelbare Domstift St. Crucis oder Kreuzstift, das über großen Besitz und Einfluß verfügte. Dieses beschwerte sich nun bei Kaiser Karl v.: „Der Rat zu Nordhausen läßt wider kaiserliches Oberedikt und päpstlichen Bann Martinsbuben (Anhänger Martin Luthers), so zum Teil verlaufene Mönche sind, auftreten und predigen. So hat der Rat auch einen verlaufenen Mönch in die Kapelle St. Görgen verordnet, welcher gewöhnlich in seinen Predigten zum Abbruche unseres Pfarrherrn schmähet. Der Rat hat auch den Lorenz Süße, einen ausgelaufenen Mönch, der auch sein Mönchshabit abgelegt hat, an St. Peters Pfarrkirchen zu einem pfarrherrn präsentiert.
Indem der Rat sich den lutherischen Lehren zuwandte, handelte er im Sinne der großen Mehrzahl der Bürger, aber durchaus nicht aller. Neben einigen Anhängern Münzers, denen Luther viel zu gemäßigt war, gab es eine beträchtliche Anzahl von solchen, die aus Ueberzeugung oder Eigennutz allen Neuerungen widerstrebten. Ihr stärkster Rückhalt in der Stadt war das reichsunmittelbare Domstift St. Crucis oder Kreuzstift, das über großen Besitz und Einfluß verfügte. Dieses beschwerte sich nun bei Kaiser Karl v.: „Der Rat zu Nordhausen läßt wider kaiserliches Oberedikt und päpstlichen Bann Martinsbuben (Anhänger Martin Luthers), so zum Teil verlaufene Mönche sind, auftreten und predigen. So hat der Rat auch einen verlaufenen Mönch in die Kapelle St. Görgen verordnet, welcher gewöhnlich in seinen Predigten zum Abbruche unseres Pfarrherrn schmähet. Der Rat hat auch den Lorenz Süße, einen ausgelaufenen Mönch, der auch sein Mönchshabit abgelegt hat, an St. Peters Pfarrkirchen zu einem pfarrherrn präsentiert."


Der Rat ließ sich nicht beirren: den ihm selbst gefährlichen Umstürzler Münzer verwies er aus der Stadt, den bedächtigen Süße förderte er. Einen besonders glücklichen Griff tat er, indem er den bisherigen Stadtunterschreiber Michael Meyenburg zum Stadtoberschreiber ernannte. Gestützt auf das Vertrauen des Rats, hat Meyenburg in den folgenden Jahren als erster Beamter der Stadt dank seiner politischen Einsicht und mit Vorsicht und Verschlagenheit Hand in Hand gehender Tatkraft und Kühnheit das Staatsschiff durch Klippen und Brandung hindurchgeführt, die Stadt vor ernstlichem Schaden bewahrt, ihre Rechte wesentlich erweitert und die Gegner erfolgreich bekämpft.
Der Rat ließ sich nicht beirren: den ihm selbst gefährlichen Umstürzler Münzer verwies er aus der Stadt, den bedächtigen Süße förderte er. Einen besonders glücklichen Griff tat er, indem er den bisherigen Stadtunterschreiber Michael Meyenburg zum Stadtoberschreiber ernannte. Gestützt auf das Vertrauen des Rats, hat Meyenburg in den folgenden Jahren als erster Beamter der Stadt dank seiner politischen Einsicht und mit Vorsicht und Verschlagenheit Hand in Hand gehender Tatkraft und Kühnheit das Staatsschiff durch Klippen und Brandung hindurchgeführt, die Stadt vor ernstlichem Schaden bewahrt, ihre Rechte wesentlich erweitert und die Gegner erfolgreich bekämpft.


Die Tätigkeit des Nordhäuser Stadtregiments während der Zeit von 1523 bis 25 werden wir besser verstehen und richtiger beurteilen, wenn wir die gleichzeitigen Vorgänge in der engbefreundeten Nachbarstadt Mühlhausen zum Vergleich heranziehen. Mühlhausen hatte aus ganz ähnlicher Lage heraus dieselben Kämpfe zu bestehen wie Nordhausen, und Mühlhausen unterlag, während Nordhausen sich behauptete.
Die Tätigkeit des Nordhäuser Stadtregiments während der Zeit von 1523 bis 25 werden wir besser verstehen und richtiger beurteilen, wenn wir die gleichzeitigen Vorgänge in der engbefreundeten Nachbarstadt Mühlhausen zum Vergleich heranziehen. Mühlhausen hatte aus ganz ähnlicher Lage heraus dieselben Kämpfe zu bestehen wie Nordhausen, und Mühlhausen unterlag, während Nordhausen sich behauptete.
Die Freie Reichstädt Mühlhausen war kleiner als Nordhausen. In etwa 800 Häuern mag sie 5000 bis 5500 Einwohner beherbergt haben, Nordhausen in 1100 Häusern etwa 7000. Jedoch besaß Mühlhausen in vorteilhaftem Gegensatz zu Nordhausen ein ansehnliches Landgebiet mit 18 Dörfern. Auf ländlichen Besitz gestützt, hatten die patrizischen Geschlechter verfassungsmäßig eine etwas stärkere Stellung im Rate behauptet, als es in Nordhausen der Fall war. In Wirklichkeit war aber der Mühlhäuser Rat keineswegs aristokratischer als der Nordhäuser, denn in vier Ratsregimenten zählte er nicht weniger als 120 Mitglieder, und die Hälfte der Bürgermeister wurde den Zünften entnommen.
Bereits im Jahre 1522 waren „evangelische Prädikanten" in Mühlhausen aufgetreten, doch zunächst mit geringem Erfolg. Erst als sich der frühere Mönch Heinrich Pfeifer zu ihnen gesellte, wurde es anders. Pfeifer, ein Mann von feurigem Geiste und festem Mut, sprach anfangs ganz in Luthers Sinn für die Verbesserung der kirchlichen Zustände und gegen die zuchtlose Geistlichkeit. „Das hörte die Gemeinde gern, und obwohl etliche im Rat dawider sprachen, so sprachen doch die anderen, es ginge den Rat nichts an, sondern nur die Pfaffen und Mönche, welche sich das Volk durch ihren Bann und Gnade sehr gehässig gemacht hatten.“ Diese Aeußerung eines Mühlhäuser Zeitgenossen verdient besondere Beachtung, da sie auch auf Nordhausen zutrifft. Die Geistlichkeit gehörte nicht zur Bürgerschaft, genoß große Vorrechte, griff mit Kirchenstrafen eigenmächtig in das bürgerliche Leben ein, brachte durch den Ablaßhandel die Leute um Geld und Gewissenhaftigkeit.
Die kirchliche Bewegung in Mühlhausen war im Grunde nicht stark, doch diente sie zur Förderung einer politischen Strömung, die auf Abstellung von städtischen Übelständen und größere Beteiligung der Bürger an der Regierung gerichtet war. Am 1. April 1523 versammelten sich die Unzufriedenen auf einem Kirchhof, verbanden sich durch einen Eid und wählten acht Männer zu ihren Vertretern. Die „Achtmänner" begaben sich in das Haus eines Hans Sander und stellten ihre noch maßvollen Forderungen in 53 Artikeln zusammen, die sie dem Rate vorlegten. Nur zwei der Artikel beschäftigten sich mit kirchlichen Dingen, der Predigt des Evangeliums; diese bewilligte der Rat sofort, die übrigen wollte er erst prüfen. Darüber kam es im Juli zum Aufruhr und zur Belagerung des Rathauses, wo der Rat mit den Achtmännern verhandelte. Um die tobende Menge von Gewalttaten gegen den Rat abzulenken, regten die Achtmänner sie zur Plünderung eines gewissen Klosters an, während der eingeschüchterte Rat die 53 Artikel bewilligte.
Damit war der Aufstand zu Ende. Die Gemäßigten unter den Ausrührern waren mit ihrem Erfolg zufrieden und wollten keine Herrschaft des zügellosen Pöbels, der soeben statt eines einzigen Klosters gleich alle geplündert hatte. Pfeiffer wurde im August als Unruhestifter ausgewiesen, aber die Achtmänner behaupteten sich neben dem stark erschütterten Rat.
Wir hörten, wieviel besser der Nordhäuser Rat die auch ihm in den Jahren 1522 und 23 erwachsenden Schwierigkeiten überwand, indem er die Führung der Bürgerschaft in der Hand behielt, die städtischen Angelegenheiten gut verwaltete, der starken kirchlichen Bewegung bereitwillig Rechnung trug, den Unruhestiftern fest entgegentrat. Den verschiedenen Anfängen entsprach der Fortgang der Ereignisse in beiden Städten.
In Mühlhausen werden die Achtmänner machtlüstern. Pfeiffer darf zurückkehren und ist nun nicht mehr lutherisch gesinnt, sondern ganz von münzerischen Umsturzplänen erfüllt. Der Rat verliert immer mehr an Boden und wagt keine durchgreifenden Maßnahmen. Im März 1524 kommt es zum Bildersturm in einem Kloster, dem oft mit Brandstiftung verbundenen Merkmal nahender Pöbel- Herrschaft. Im August erscheint Thomas Münzer in der Stadt. Anderthalb Jahr lang hatte er in Allstedt mit Wort und Schrift für seine Umsturzpläne gewirkt und in der Umgegend viele Geheimbünde gegründet, dann aber glaubte er sich gefährdet und entwich in Begleitung eines Nordhäuser Goldschmieds von Allstedt nach Mühlhausen. Durch den mächtigen Eindruck seiner leidenschaftlichen Hetzpredigten auf viele war sein Selbstgefühl bis zu dem Grade gesteigert, daß er glaubte, berufen zu sein, als ein Prophet jede weltliche Obrigkeit zu stürzen und einen kommunistischen Gottesstaat zu errichten. Bald nach seinem Eintreffen kam es in Mühlhausen zu neuen gefährlichen Unruhen und einem allgemeinen Bildersturm. Aber noch einmal gelang es dem Rate, sich zu behaupten, nicht zum wenigsten mit Hilfe der Bauern aus den Stadtdörfern, denen das wüste Treiben in der Stadt zuwider und störend war, und Ende September wurden Pfeifer und Münzer von neuem ausgewiesen.
Wie anders verlief das Jahr 1524 in Nordhausen! Es war das letzte der Jahre, in welchem Hans Sander dem sitzenden Rate angehörte, an dessen Spitze der Bürgermeister Heinrich Thomas stand. Unbeirrt durch den Widerstand des Kreuzstifts, doch ohne unnötige Schärfe, setzte der Rat das Werk der Kirchenverbesserung fort, und am 26. September führte er die Reformation in aller Form ein, indem er verkündete: „Auf Befehl (d. h. Empfehlung) unserer Herren der Ältesten haben wir, der Rat, nach Beschluß der ehrbaren Freien- und Reichsstädte auf dem Städtetag zu Speyer unfern Pfarrern und Seelenwärtern aus allen Pfarrkirchen gesagt, das göttliche Wort einträchtig nach Vermöge des heiligen Evangeliums und biblischer apostolischer Schrift hinfürder zu predigen.“
Wenige Monate nach diesem bedeutsamen Beschluß gab Hans Sanders Ratsregiment die Regierung an das Ratsregiment von 1522 ab, nachdem es dieses durch Ersatzwahlen für verstorbene Mitglieder ergänzt hatte. Zu den verstorbenen Ratsherren gehörte auch ein Vertreter des Rautenviertels, der langjährige Bürgermeister Celiax Ernst. Als derzeitige Vertreter des Rautenviertels hatten Hans Sander und Gerlach pockeram seinen Nachfolger auf dem Ratsplatze vorzuschlagen, und sie wählten dazu Hans Thomas, dessen Familie der Sanderschen nahestand.
Drei Jahre später, zu Beginn des Jahres 1527, als sein Ratsregiment wieder an die Regierung gelangte, war Hans Sander nicht mehr am Leben, und es bleibt zweifelhaft, welche Ereignisse der Jahre 1525 und 1526 er noch miterlebt hat. Ein seltsamer Zufall aber will es, daß im Jahre 1525 ein Mann gleichen Namens in Nordhausen auftritt, und zwar als ein gefährlicher Feind des Rats. Die beiden gleichnamigen Männer sind gelegentlich als eine Person angesehen worden, ein Irrtum, der zu einer falschen Beurteilung der Nordhäuser Vorgänge von 1525 führen muß. Denn diese Vorgänge und die Stellung des Rats zu ihnen würden ein anderes Ansehen gewinnen, wenn wirklich ein alteingesessener und bewährter Ratsherr sich zu den Feinden des Rats geschlagen hätte.


== Im Bauernkriege ==
== Im Bauernkriege ==


Während die mit der Reformation verbundene Erregung im allgemeinen vornehmlich die Städte ergriff und ihre Bevölkerung teilweise in aufrührerische Stimmung versetzte, wirkte sie im südlichsten Deutschland besonders stark auf die Bauern ein, deren seit Jahrzehnten glimmende Unzufriedenheit sie zu offener Empörung entfachte.
== Der Rotanotar Johannes Sander nach der Reformation ==
 
Zu Beginn des Jahres 1525 schien der im fernen Oberschwaben ausgebrochene Bauernaufstand das mittlere Deutschland noch nicht zu bedrohen, wohl aber war hier Mühlhausen zu einem Brennpunkt weitverbreiteter städtischer Umsturzbestrebungen geworden. Obwohl die benachbarten Fürsten die Gefahr erkannten, fanden sie sich nicht zu gemeinsamer Abwehr zusammen, da politische und religiöse Gegensätze zwischen ihnen vorherrschten.
 
So gewannen die Umstürzler in Mühlhausen immer mehr Anhang. Viele Unzufriedene aus dem Umgegend kamen in der Stadt zusammen, und auch die Bauern des städtischen Gebiets wurden unruhig. Schon wagten es die Aufwiegler, heimlich bei Nacht in die Umgegend zu ziehen und „die Pfaffen zu stürmen“. Der machtlose Rat mußte Pfeiffers und Münzers Rückkehr dulden.
 
Münzer hatte inzwischen in Oberschwaben das Wachsen der bäuerlichen Bewegung beobachtet und erhoffte von ihr Förderung seiner Umsturzpläne. Nun zum Prediger an einer Kirche Mühlhausens erwählt, trieb er offen zu Aufruhr und Kriegsrüstungen. Durch Volksabstimmung wurde am 16. März der bisherige Rat abgesetzt und tags darauf ein ewiger Rat gewählt. Hatten früher 120 Personen aus angesehenen Familien in viermaliger Abwechslung die Stadt regiert, so wurden nun 16 Männer, zumeist ärmere Bürger, mit der ohne Wechsel fortlaufenden Regierung beauftragt. Zum Bürgermeister wurde ein Knochenhauer gewählt. Der Stadtsyndikus hatte den Umsturz gefördert, einige Ratsherren ihn gutgeheißen. Münzer fand keinen Platz im Stadtregiment, denn die neuen Leute wollten ihre eigene Herrschaft zwar verteidigen, nicht aber sie für Münzers uferlose Pläne aufs Spiel setzen.
 
Wengleich in Mühlhausen ohne amtliche Gewalt, galt Münzer trotzdem im ganzen Lande als Herr der Stadt. Der vollzogene Umsturz übte deshalb starke und gefahrdrohende Wirkungen aus. Die geflüchteten Ratsherren und Klosterleute suchten Hilfe bei den benachbarten Fürsten. Mühlhausen rüstete zum Widerstande. Die Unzufriedenen in allen Städten der Umgegend wurden kühner und hofften auf Unterstützung durch Münzer und „die Molschen", d. h. die Mühlhäuser.
 
 
Auch in Nordhausen wuchs die Erregung. Hier bildeten die Unzufriedenen zwei wesentlich verschiedene Gruppen, eine größere, in der Dorstadt Altenborf vereinigte, und eine kleinere, über die übrigen Stadtteile zerstreute.
 
Die Altendorfer Gruppe setzte sich aus „Hintersättlern" zusammen, kleinen Leuten, die dem Rat und den herrschenden Gilben fern standen. Sie mögen vornehmlich durch Münzers persönlichen Einfluß für kommunistische Gedanken gewonnen worden sein. Ihre Anführer waren Walter auf der Stelzen und Jakob Walrot, zwei sonst unbekannte Männer.
 
Die andere Gruppe war trotz ihrer geringeren Zahl die gefährlichere, denn zu ihr gehörten einige ansehnlichere und zielbewußte Leute, die zumeist persönliche Wünsche verfolgten. Als ihre Führer treten vier Männer hervor: Hans Kehner, Martin Rüdiger, Hans Sander und Berlö Helmsdorf.
 
Der bedeutendste unter ihnen war Kehner, der in den Jahren 1521 und 1524 das Amt eines Vorstehers der Krämergilde bekleidete. Er allein war ein Altbürger, während die drei anderen Rädelsführer bezeichnenderweise sämtlich aus Mühlhausen stammten.
 
Rüdiger, dessen Eltern noch in Mühlhausen lebten, wohnte am Steinweg im Neuwegsviertel nahe dem Rathause und betrieb in dieser günstigen Geschäftsgegend das hochgeachtete Handwerk eines Goldschmieds. Sicher war er jener Goldschmied aus Nordhausen, in dessen Begleitung Münzer aus Allstedt entfloh.
 
Sander, erst vor kurzem durch Einheirat von Mühlhausen nach Nordhausen gekommen, könnte jener Hans Sander gewesen sein, in dessen Wohnung zu Mühlhausen die dortigen Achtmänner im April 1523 ihre 53 Artikel aufsetzten. Am 15. August 1524 wurde er als Meister in die Nordhäuser Knochenhauergilde ausgenommen. Er besaß ein kleines Haus in der Flickengasse, das später für 100 Gulden verkauft wurde.
 
Helmsdorf war Sanders Stiefbruder und im Begriff, von Mühlhausen nach Nordhausen überzusiedeln. Drei Monate nach Sander ebenfalls von den Knochenhauern angenommen, hatte er ein Haus an der Wasserpforte im Altentorviertel für etwa 160 Gulden gekauft.
Wie kamen diese Leute nun zu Unzufriedenheit und Umsturzplänen?
 
Rüdiger mag ein überzeugter Anhänger Münzers gewesen sein und so vielleicht auch Kehner. Bei letzterem mag auch Ehrgeiz eine Rolle gespielt haben, denn nach gelungenem Umsturz sollte er Bürgermeister werden.
 
Bei Helmsdorf und Sander überwogen rein persönliche Gründe. Ersterer war zwar von der Knochenhauergilde als Meister angenommen, aber das genügte nicht für die Ausübung des Handwerks. „Wer unseres Gewerkes Innung hat und nicht Bürger ist, der soll darauf nicht arbeiten, ehe er Bürger geworden", lautet eine Borschrift der Tuchmacher, die auch für die anderen Gilden galt. Vergebens bewarb sich Helmsdorf um das Bürgerrecht. „Du darfst nicht gedenken, deinen Hausstand aus Mühlhausen hierher zu bringen", sagte ihm Albrecht Lindemann, einer der Bürgermeister des Jahres 1525. Es ist begreiflich, daß der Rat die Zuwanderung von verdächtigen Mühlhäusern verhindern wollte, aber noch begreiflicher, daß Helmsdorf in rachsüchtigem Haß gegen Lindemann und den Rat entbrannte.
 
Sander zürnte dem Rat, weil er gelegentlich seiner Hochzeit eine Strafe zahlen und Brautmesse halten lassen mußte. Die Brautmesse gehörte zu den alten Gebräuchen, die in Nordhausen noch bestanden, nach Sanders wie auch Helmsdorfs Meinung aber beseitigt werden mußten. Im übrigen hielt Sander aus Dankbarkeit zu seinem Stiefbruder, der ihm früher in Nöten Geld geliehen hatte.
 
Die Unzufriedenen fühlten sich zu schwach, aus eigener Kraft den Rat zu stürzen, und setzten ihre Hoffnung auf Münzers Beistand. Doch besser als andere über die Verhältnisse in Mühlhausen unterrichtet, wußten sie, daß Münzer vorerst über keine schlagfertigen Machtmittel, sondern nur über eine lärmende, aber nicht allzu zahlreiche Anhängerschaft gebot. Sie verhielten sich deshalb ruhig.
 
 
Dieser Zustand änderte sich im Frühjahr 1525, als die Bauernbewegung plötzlich reißend anwuchs und Münzers Plänen mächtigen Vorschub leistete.
 
Etwa um die Zeit des Mühlhäusischen Umsturzes erschienen die 12 Artikel der schwäbischen Bauern im Druck und gaben allen Unzufriedenen in Stadt und Land eine gemeinsame Richtlinie. Ende März brach der offene Krieg los, verbreitete sich in großen Wellen nach allen Richtungen, vornehmlich nach Norden über Württemberg und Franken bis an den Thüringer Wald und nach Hessen hinein, und sprang auch auf die Harzgegenö über.
 
Allenthalben bildeten sich Bauernhaufen, die ohne weiteres die Klöster plünderten und zerstörten. Im übrigen traten die Bauern meist gemäßigt auf und waren zur Verständigung mit der weltlichen Obrigkeit bereit. Herren und Städte, die die 12 Artikel annahmen, wurden geschont, mußten aber dem Bauernbünde beitreten und Waffenhilfe leisten. Zumeist unter dem Druck der unteren Volksschichten schlossen sich viele Städte dem Aufstand an und „wurden bäuerisch“.
 
 
Der Rat von Nordhausen erkannte die drohenden Gefahren und traf rechtzeitig seine Gegenmaßregeln. Zur Verstärkung der wenigen Dutzend Torwächter und Söldner, die in Friedenszeiten zur Bewachung der Stadt genügten, warb er mehrere hundert Kriegsknechte an. Allen Umsturzregungen trat er fest entgegen. Als im Frühjahr einige Leute ansingen, die Bildwerke einer Kirche zu zerstören, ließ er sie sofort gefangen setzen. Verdächtigen Leuten, wie Helmsdors, verwehrte er den Zuzug. Die Klostervorsteher in der Stadt forderte er auf, ihm ihre zur Plünderung anreizenden wertvollsten Besitztümer in Verwahrung zu geben.
 
Bald galt Nordhausen als einer der sichersten Plätze, und viele Kirchen und Klöster der Umgegend, die sich bedroht fühlten, vertrauten dem Rat freiwillig ihre Kleinodien an.
 
Weniger günstig wirkte eine an sich volkstümliche Maßregel, die Erlassung des Schoßgeldes, da einige Hetzer sogleich die Frage aufwarfen, was denn früher mit dem Schotzgeld gemacht worden sei, und Rechenschaft verlangten.
 
 
Der Ostersonntag des Jahres 1525 fiel auf den 16. April. Kurz vor dem Feste setzten sich Bauernhaufen von Lauterberg und Herzberg gegen die nur 15 Kilometer von Nordhausen entfernte Abtei Walkenried in Bewegung, zusammen etwa 800 Mann, die sich 12 Hauptleute gewählt hatten. Die Mönche flüchteten eiligst mit den Kleinodien und wichtigsten Urkunden des Klosters nach Nordhausen und anderen Städten. Die reichen Vorräte der Abtei fielen in die Hände der Bauern, die nun Walkenried zum Standort machten und dort kriegerische Übungen anstellten.
 
Noch in letzter Stunde versuchte Luther die Gegner zu versöhnen. Gleich nach Ostern erschien seine „Ermahnung zum Frieden auf die 12 Artikel der Bauernschaft in Schwaben", die von den Fürsten Gerechtigkeit, von den Bauern friedliches Vorgehen verlangt. In verschiedenen Orten des Harzes mahnte er persönlich zum Frieden und kam um den 23. April auch nach Nordhausen. Hier wurde seine Friedenspredigt von einigen Anhängern Münzers durch Lärm und höhnende Zurufe gestört. Die Erregung war mit Schrift und Wort nicht mehr zu dämpfen, sie verlangte nach Taten.
 
Am 17. April hatte Herzog Georgs Amtmann zu Langensalza, Sittich von Berlepsch, berichtet: die gedruckten Bauernartikel seien unter Bürgern und Bauern verbreitet und fänden großen Beifall; die Mühlhäuser rüsteten stark, und es bestände die Gefahr eines Aufstandes in weiterer Umgebung. Fünf Tage später schreibt er: es drohe die Vereinigung von Münzers und einem anderen Haufen und damit allgemeiner Aufstand. Seine Befürchtungen bewahrheiteten sich schnell, und schon am 25. April brachen Unruhen in Langensalza selbst aus.
 
 
Am 26. April trat Münzer in den Bauernkrieg ein, jedoch nicht mit dem Ziel der Bauern, die womöglich in Güte maßvolle Forderungen durchsetzen wollten, sondern in der Absicht, mit schonungsloser Gewalt einen völligen Umsturz zu bewerkstelligen und zunächst das Gebiet zehn Meilen im Umkreis von Mühlhausen für sich zu gewinnen. Er begann seinen Kriegszug an der Spitze von etwa 400 Leuten. Der Ewige Rat der Stadt unterstützte das Unternehmen nicht, wenngleich er es dulden mußte. Pfeiffer war der eigentliche Anführer des „Molschen Haufens", aber der Mitwelt galt Münzer als alleiniger Gebieter.
 
Am ersten Tage zog Münzer vor Langensalza, um den dortigen Aufrührern zum Siege zu verhelfen. Die Stadt verschloß ihm die Tore, und er mußte unverrichteter Sache abziehen. Am 27. und 28. April plünderte er die Klöster und Edelsitze in der Umgegend von Mühlhausen, am 29. rückte er plündernd bis Ebeleben, halbwegs zwischen Mühlhausen und Nordhausen vor.
 
Fürwahr, bescheidene kriegerische Leistungen, und doch von großer Wirkung! Denn durch den Zug gegen Langensalza zeigte Münzer, daß er den Aufrührern mit bewaffneter Hand helfen wolle, und durch die Plünderungen gewann er ungeheuren Zulauf und damit einen gewaltigen Zuwachs an Macht und Ansehen. So konnte er in Ebeleben als Gebieter auftreten. Die Grafen Ernst von Hohnstein und Günther von Schwarzburg, von ihren Untertanen bedroht und zu schwach zum Widerstande, mußten sich zu ihm verfügen, sich als Brüder in seinen Bund aufnehmen lassen und Pferde und Kriegsknechte stellen. Aufrührer von nah und fern kamen und baten um Hilfe gegen ihre Obrigkeit.
 
 
Daß die Mühlhäuser Vorgänge in Nordhausen mit gespannter Aufmerksamkeit verfolgt wurden, bedarf keiner Bestätigung. Auf die Kunde von Münzers Auszug scheint sich zuerst die Hauptsührer der bürgerlichen Unzufriedenen, Hans Kehner, zu Münzer begeben zu haben, um dessen Beistand zu erlangen. Kurz darauf verfaßten Sander und Helmsdorf mit anderen zusammen einen Brief an die Mühlhäuser, in welchem sie, angeblich im Namen der gemeinen Bürgerschaft, Hilfe erbaten. Diesen Brief brachte Helmsöorf nach Mühlhausen. Das geschah in der Zeit vom 26. bis 28. April. In diesen Tagen flammte der Aufruhr auch in nächster Nähe von Nordhausen empor.
 
Als dann am 29. April Münzer in Ebeleben eintraf, von wo er in vier Stunden vor Nordhausen erscheinen konnte, stieg hier die Erregung aufs höchste. Die bürgerliche Gruppe der Unzufriedenen schickte eilends Boten nach Ebeleben, um den Molschen Haufen nach Nordhausen zu holen, die Hintersättler im Altenöorf aber glaubten, auch ohne auswärtige Hilfe den Aufstand wagen zu können.
 
Jakob Wallrot und Walter auf der Stelzen riefen ihre Nachbarn auf dem Klosterhofe im Altendorf zusammen und ließen sie schwören: „Leib und Gut für einander zu lassen, bei einander zu stehen, und was einen betreffe, solle den andern auch anlangen“. Dom Evangelium, das sonst gern vorgewandt wurde, war nicht die Rede, und wie der erste Teil des Eides gemeint war, zeigte sich schnell. Zunächst holte man drei Hakenbüchsen von den Mauertürmen des Altendorfs und richtet« sie gegen den Zugang aus der Oberstadt, gewillt, ein etwaiges Eingreifen des Rats mit Waffengewalt abzuwehren. Dann wählte man vier Männer zu Sprechoder Biertelsmeistern. Die erkannten ihre erste Aufgabe darin, die Habe der Nonnen des Klosters im Altendorf unter die Aufrührer zu verteilen, wobei mit Speck und Betten der Anfang gemacht und öfters gedroht wurde, man würde das Kloster aufbrechen und alles nehmen. Um den Mut und die plünderungslust ihrer Leute zu erhöhen, gaben die Rädelsführer vor, man teile auch schon im Kloster auf dem Frauenberge und in dem Ilfelder Klosterhof im Töpferviertel das Korn aus. Bei alledem nicht allzu zuversichtlich, sandten sie den Fritsche Heise und Hans Dorsmann in die nahegelegenen Vorstädte Sand und Neustadt mit der Frage: „ob diese es mit ihnen halten wollten, und was sie sich von ihnen zu versehen hätten?"
 
Die beiden Boten kehrten mit einer unbefriedigenden Antwort zurück und konnten auch nichts von Unruhen in anderen Stadtteilen melden. Daraufhin verloren die Aufrührer sofort den Mut, gaben ihr Unternehmen auf und wurden uneinig: die einen beschlossen, zu den Bauern zu ziehen, die anderen zogen es vor, in der Stadt zu bleiben. Von den letzteren begaben sich Hans Beier und Fritsche Heise, weniger beherzt als vorsichtig, zum Bürgermeister Öthe und berichteten ihm: „das Volk sei auf im Altendorf und wolle zum Tore hinaus; sie bäten, er möchte den Leuten zwei Mann nachschicken.“
 
Vom Bürgermeister beauftragt, begaben sich die Ratsherren Fritsche Bohne und Eitel Eilhard sogleich ins Altendorf. Auf dem Klosterhofe trafen sie noch einen Hausen Leute an, hörten aber, ein Teil sei schon zum Tore hinaus. Bis vor das Tor nachgeeilt, sahen die Ratsherren, daß die Entwichenen bereits die Salza erreicht und damit einen Vorsprung von einer Viertelstunde gewonnen hatten. Nun schickten die Herren ihnen den Beier und Heise nach mit der Aufforderung, sie sollten wieder heimkommen. Davon wollten die Entwichenen aber nichts hören, und einer rief höhnend: „er würde ihnen 500 Bauern schicken“.
 
 
Der Aufruhr im Altendorf war völlig gescheitert. Er war nichts als ein leichtsinniger Putschversuch von geringen Leuten, die wenig zu verlieren hatten und plündern wollten. Die bürgerlichen Unzufriedenen um Kehner hatten nichts mit dem Unternehmen zu tun, ja, ihre Anführer weilten damals zumeist nicht in der Stadt. Kehner scheint nach seiner Reise zu Münzer nicht gleich heimgekehrt zu sein, sondern den Molschen Haufen bei dem Zug nach Ebeleben begleitet zu haben, und Sander und Helmsdorf hatten sich auf die Kunde von Münzers Anmarsch aufgemacht, um den Molschen Haufen herbeizurufen.
 
Die Brüder waren fortgeritten, Sander in schwarzem Rock auf einem Rappen, Helmsdorf grau gekleidet aus einem braunen Pferde. Unterwegs erfuhren sie, der Haufe sei in Ebeleben gewesen. Weiterreitend fanden sie „die Molschen samt der Sammung", d. h. die Mühlhäuser samt den Bauern, zwischen Ebeleben und Billeben. Sie ritten in den Kreis der Sammung und baten: „Der Haufe wolle nach Nordhausen kommen und einen ewigen Rat machen, sie wären in der Stadt nicht einig, man solle sie einig machen.“ Sander äußerte dann noch die Bitte, man solle dem Helmsdorf zum Bürgerrecht verhelfen. Helmsdorf schlug den Kehner zum Bürgermeister vor und verlangte für sich selbst das gewiß einträgliche Recht, beim Rolandstandbild am Rathause kochen zu dürfen.
 
Hernach sprachen die Brüder noch mit einem Unterführer des Haufens namens Klaus Pfannschmidt, der früher der Stadt Nord- Hausen als Reisiger gedient hatte, und fragten ihn: „wie es werden würde“. Der antwortete: „Sobald sie es geschicken könnten, wollten sie kommen und den (Vertrags-) Brief und die (Bauern-) Artikel mitbringen; wer sich nicht wohl verantworten könnte, den wollten sie absetzen, auch einen Ewigen Rat einsetzen, und der Bürgermeister Lindemann sollte geköpft werden.“ Das gefiel den Brüdern gar wohl, und als sie entweder noch im Bauernlager oder nach ihrer Heimkehr den Hans Kehner trafen, sagte Helmsdorf zu ihm: „Sieh, Bruder, bist du hier? Es soll wohl noch nach meiner Rede kommen, daß du zu Nordhausen solltest Bürgermeister werden, dazu die Heiligen aus der Kirche tun und deutsche Messe und Vesper singen.“
 
 
„Sobald sie es geschicken könnten, wollten sie nach Nordhausen kommen", hatte Pfannschmidt gesagt, doch vorerst planten die Führer andere Unternehmungen. Münzer wollte anscheinend zunächst in östlicher Richtung nach Heldrungen ziehen, wo sich Streitkräfte der Fürsten zu sammeln begannen. Pfeiffer jedoch setzte es durch, daß der Mensch nach Westen gegen das Eichsfeld fortgesetzt wurde. Wenn auch durch Tausende von Bauern verstärkt, war der Mühlhäuser Haufe nicht befähigt, größere Burgen oder wohlbefestigte Städte zu erobern, denn es fehlte ihm fast völlig an Geschütz. Nur wo die Verteidiger zu schwach oder wankelmütig waren, konnte er auf Erfolg hoffen.
 
 
Der Zusammenbruch des Aufstandes im Altendorf und Münzers Abmarsch nach dem Eichsfeld befreiten den Nordhäuser Rat für den Augenblick aus der dringlichsten Gefahr, doch blieb die Lage der Stadt noch äußerst schwierig. Im Vertrauen auf die von Pfannschmidt verheißene baldige Hilfe hetzten die Anhänger Keh- ners zur Empörung. Sander sagte bei einer Zusammenkunft der Knochenhauergilde: „Es werde zu Nordhausen nicht gut, man schlage denn den Regenten die Köpfe ab und setze andere an ihre Stelle“. Auch ließen sich die Aufwiegler vernehmen: „Wenn die Herren Ältesten beisammen wären, wollten sie das Rathaus stürmen und die Herren vom Rathause werfen; es solle künftig ein Erbrat sein; man wolle den Weinkeller preisgeben, wenn die Bauern kämen, die Türme erbrechen und das Geschütz nehmen und unter sie teilen.“
 
Indessen verbreitete sich draußen der offene Aufstand mit Windeseile durch ganz Nordthüringen, und bald war Nordhausen bis Sangerhausen hin die einzige Stadt, die den Bauern noch fest widerstand. Die Rüstungen der nächstbenachbarten Fürsten gingen äußerst langsam vonstatten, da es schwer war, zuverlässige Söldner zu werben und die selbst bedrohten Vasallen zur Heerfolge zu bewegen. Der Kurfürst Friedrich von Sachsen, krank, mutlos und ungerüstet, neigte zu Verhandlungen mit den Bauern, und Graf Albrecht von Mansfeld schwankte, ob er sich nicht auch den Bauern anschließen sollte.
 
So mußte es damals dem Nordhäuser Rat recht zweifelhaft scheinen, wem der Sieg zufallen würde. Von seinem kühnen und verschlagenen Stadtoberschreiber Meyenburg aufs beste beraten, trug er beiden Möglichkeiten Rechnung. Als das Bauernheer bei Ebeleben lag, sandte er einen Bericht an Herzog Johann von Sachsen, den Bruder des Kurfürsten, und bat um Schutz und Beistand. Gleich darauf aber sandte er Meyenburg zum Münzerschen Heerhaufen, um Erkundigungen über dessen Stärke und Absichten einzuziehen und für den Notfall Fühlung mit den Anführern zu nehmen. Die Entsendung erfolgte vermutlich am 30. April, als Münzer bereits von Ebeleben nach Westen abmarschierte, denn Meyenburg erreichte den Heerhaufen erst vor Heiligenstaöt, wo derselbe am 2. Mai gegen Abend eintraf.
 
Während Meyenburgs Abwesenheit zeigte der Rat eine merkwürdig unsichere und kraftlose Haltung. Er kam auf den Gedanken, die Stimmung in der Stadt zu erforschen und sich der Bürgerschaft zu versichern. Statt aber elfteres in aller Stille zu tun und letzteres durch besonnenes und festes Regieren zu erstreben, griff er zu einem höchst ungeeigneten und gefährlichen Mittel. Er ließ die vier Viertel der Oberstadt nacheinander zusammenberufen und fragen: „Ob sie bei dem Rate stehen wollten, oder wessen er sich von ihnen zu versehen hätte? Wenn sie Beschwerden hätten, sollten sie solche in Artikel bringen und ihm übergeben, dann solle mögliche Besserung erfolgen.“
 
Eine günstigere Gelegenheit zum Hetzen konnten sich die Unzufriedenen kaum wünschen, und so ging es denn auch bei den Versammlungen laut und stürmisch genug her. Da aber der weitaus größte Teil der Bürgerschaft mit dem Stadtregiment zufrieden war, wurden im allgemeinen keine tiefgründigen Beschwerden gegen den Rat vorgebracht.
 
Nur ein einziger echt umstürzlerischer Antrag wurde gestellt, und zwar gerade von einem Manne, der eine Hauptstütze der Ordnung hätte sein müssen: dem Schultheißen Leonhard Busch. Er war es, der dem Rat empfohlen hatte, „die Bürger gütlich zu hören“. Vorsorglich fragte er dann die Bürgermeister, ob er an der Versammlung teilnehmen dürfe, und sagte nach erhaltener Erlaubnis: „Ich will weder mehr noch weniger sein (als andere Bürger) und bei meinem Herren lassen Leib und Leben.“ Trotz solcher biederen Worte gab er bei der Versammlung seinem Haß gegen die Führer des Stadtregiments unverhohlen Ausdruck, indem er den Artikel vorschlug: „Die Herren Ältesten sollten nicht mehr sitzen, denn es wäre ein gefreundeter Rat, und (bei ihnen) käme man zu keinem Rechte; aber vor dem sitzenden Rat wäre es gut und würde nichts verzogen, (denn) es käme eine (dort anhängig gemachte) Sache in vier Wochen zu Ende.“
 
Das war eine arge Entgleisung des herzoglichen Vertrauensmannes, die mit seiner langjährigen Verbitterung zu erklären aber nicht zu entschuldigen ist. Eine Verfassungsänderung in so erregter Zeit mußte weiteren Umsturz nach sich ziehen.
 
Glücklicherweise fand Büschs hochpolitischer Borschlag keinen Widerhall in der Bürgerschaft. Die Versammlungen verliefen ohne erhebliche Ausschreitungen, trotzdem sich einige Bürger bewaffnet eingesunken hatten, in der Meinung, es würde wie rings in der Umgegend nun auch in Nordhausen zu einem pfaffensturm kommen. Die Plünderung der Klöster war das lockendste Ziel für jeden Unzufriedenen und Beutelustigen, aber auch viele gut evangelische und sonst friedliche Bürger sahen sie gern. Schien sie doch das einfachste Mittel zu sein, der katholischen Geistlichkeit, die keine bürgerlichen Lasten trug und die Anstellung evangelischer Prediger erschwerte, den Aufenthalt in Kloster und Stift zu verleiden, und konnte man doch annehmen, der Rat dächte im Grunde ebenso.
 
Wozu es am 30. April bei der Befragung der Viertel noch nicht gekommen war, geschah am 1. Mai: der Pfaffensturm brach los.
Wie er begann, schildert ein Bericht des Priors des Predigerklosters im Neuwegsviertels. Drei Haufen böser Buben erschienen im Kloster und Huben einen Lärm an. Die Mönche suchten sie mit guten Worten zu stillen und gaben ihnen zu essen und zu trinken, gleichzeitig aber schickten sie zum Rat um Hilfe. Bald kamen auch fünf Herren des sitzenden Rats, denen es ohne Schwierigkeiten gelang, die Rotte aus dem Kloster zu weisen, worauf sie sich die Schlüssel und Vorräte des Klosters übergeben ließen und Schutz zusagten. Doch der Schutz des Rats blieb nicht lange wirksam. Anscheinend nach Anbruch der Dunkelheit kamen die bösen Buben wieder, erbrachen das Kloster und begannen es zu plündern. Und es waren nicht nur geringe Leute, die nun alles, was nicht niet- und nagelfest war, hinwegschafften: zu den Plünderern gehörte auch der Müller aus der Furtmühle, einer aus der angesehensten Ratsfamilie Eilhard und gar auch zwei Mitglieder des vorjährigen Ratsregiments, der Bäcker Thomas Müller und der Knochenhauer Klaus Blicherot, beide seit langen Jahren Gilöemetster und Ratsherren. Es wurde nichts sinnlos zerstört, aber alles gründlich ausgeräumt; Thomas Müller zum Beispiel führte drei Tonnen Salz und einen ganzen Wagen voll Hausgerät von dannen. Auch sollen die Mönche selbst mitgeholfen haben, da manche des Klosterlebens überdrüssig waren.
Im Laufe der nächstfolgenden Tage wurden außer dem Predigerkloster auch die übrigen vier Klöster der Stadt und einige Häuser von Geistlichen des Kreuzstifts geplündert, überall scheint es ähnlich hergegangen zu sein. An der Ausräumung des Barfüßer Klosters beteiligte sich der Ratszimmermeister und ein Ratsöiener. Durch die Plünderung eines Hofes des Ritters Hans von Weither wurde der Rahmen eines Pfaffensturms überschritten.
 
Alle Plünderungen erstreckten sich nur auf Hausgerät und Vorräte. Selbst die nicht an den Rat abgegebenen Kleinodien und Urkunden des Kreuzstifts und Frauenbergklosters blieben unangetastet. Von Bilöerzerstörungen, Beschädigung der Gebäude oder gar Gewalttaten gegen Menschen wird nichts berichtet.
 
Um die durch den Klostersturm mächtig erregten Gemüter etwas zu beruhigen, stimmte der Rat einer Neuerung zu, die seine Befugnisse weit überschritt und in die Rechte des Kaisers eingriff. Am 3. Mai nämlich beschlossen alle drei Ratsteile mit den Gilden und der Bürgerschaft zusammen, daß alle Geistlichen in der Stadt Bürger werden und mit Schoß, Wache und Steuer pflichtig sein sollten wie die anderen Bürger.
 
 
Vermutlich würde die offensichtliche Nachgiebigkeit des Rats die umstürzlerischen Kreise der Einwohnerschaft bald zur Fortsetzung der Unruhen ermutigt haben, wenn nicht in der Stunde letzter Entscheidungen noch rechtzeitig Meyenburg zurückgekehrt wäre und das Stadtregiment mit Mut und Kraft erfüllt hätte. Am Morgen des 4. Mai traf er wieder in Nordhausen ein.
Am selbigen Tage erstattete der Schultheiß Leonhard Busch dem Herzog Georg von Sachsen durch einen Mittelsmann einen äußerst aufschlußreichen Bericht. In diesem schreibt er über die Vorkommnisse in Nordhausen und Umgegend:
 
„Und ist itzund in Nordhausen drei Tage großer Aufruhr gewesen und steht noch in der Wage. Alle Klöster in Nordhausen und umliegende Klöster, Walkenried, Ilfeld und viel andere Klöster und Edelleute-Wohnungen, sonderlich Klein-Werther, sind jämmerlich zerissen und spoliiert. Es hat sich Graf Ernst von Hohnstein, wie die Sage zu Nordhausen ist, mit dem Mühlhäuser Heer vertragen.
„Meines Amtes halber stehe ich vor Leichtfertigen und Fremden in großer Angst und Not, wiewohl ich vom Rat oder anderen Verständigen in Nordhausen noch nicht Beschwerung erlitten. – „Es haben die Bauern, die Klein-Werther gestürmt, bei 400 Mann zusammengebracht und stärken sich alle Stunde. –
 
„Ich hätte Euch viel mehr und garnichts Gutes zu berichten, doch will's die Zeit nicht leiden.“
Über Meyenburgs Erkundungsreise berichtet Busch folgendes: „Der Rat von Nordhausen hat den Stadtschreiber und einen Bürger Veit Stegemann bei dem Mühlhäuser Heer vor Heiligenstadt gehabt. Näheres über die Beschickung ist mir verborgen. Und als die diesen Morgen wiedergekommen, hat mich deren einer berichtet, daß sie das Heer vor Heiligenstadt angetroffen. Es sei ungefähr nicht über 6000 Mann stark, alles nur Fußvolk und gar ungeschickt, haben 6 kleine Geschütze.
 
„Münzer und Pfeiffer sind in Heiligenstadt gewesen. Mit Pfeiffer hat der Stadtschreiber eine Unterredung gehabt. Es hat auch ein partmeister des Heeres, Klaus Pfannschmidt, ein reisiger Knecht, der früher dem Rat zu Nordhausen gedient, mitgeteilt, daß solch Heer diesen Morgen um halben Mittag vor Rusteberg sein wollte, um das Schloß mit Gewalt zu erobern.
 
,Ich halte aber dafür, daß das mit solchem ungeschickten Volk nicht möglich sein wird. Ich werde auch berichtet, wenn 5 oder 600 Reisige und 2 oder 300 zu Fuß geschickt würden und an bas Heer kämen, würden sie ohne Zweifel die alle leicht schlagen.“
 
Soweit Büschs quellfrischer Bericht, dessen Auffindung die bisherigen Darstellungen der Nordhäuser Ereignisse jener Tage wesentlich ergänzt und berichtigt.
 
Meyenburgs bedeutsame Reise zum Münzerschen Heere ließ die im Umlaufe befindlichen Gerüchte über die Zahl und Kampfkraft der Bauern als maßlos übertrieben erkennen. Noch am 5. Mai glaubte Graf Ernst von Mansfeld, der die sich bei Heldrungen langsam sammelnden Streitkräfte der Fürsten befehligte, das Bauernheer sei 22000 Mann stark, wovon 17000 vor Schloß Rusteberg (westlich Heiligenstadt), die übrigen bei Frankenhausen lägen; andere meldeten, die Bauern besäßen treffliches Geschütz.
 
Wenn auch nicht unmittelbar von ernstester Gefahr bedroht, mußte Nordhausen doch während der nächsten elf Tage ständig auf plötzliches Unheil gefaßt sein. Immer neue große Bauernhaufen rotteten sich in der Umgegend zusammen, sengten und plünderten und nötigten Städte und Herren zum Anschluß. Abgesehen von Münzers Heer standen am 3. Mai etwa 2000 Mann vor Sangerhausen, 3000 bei Frankenhausen, und ein starker Langensalzaer Haufe rückte gegen Weißensee vor. Dazwischen trieben kleinere Bauernhaufen dicht vor den Toren Nordhausens ihr Unwesen.
 
Bald verlautete, „der ungestümige Müllische Haufe" würde auf dem Rückwege vom Eichsfelde vor Nordhausen ziehen; Herzog Johann ließ sagen, daß er der Stadt vorläufig nicht helfen könne, und Herzog Georg bat sogar um Zusendung von 100 oder 200 ihrer Söldner.
 
Begreiflicherweise lehnte der Rat die Zumutung des Herzogs Georg ab. Zur Sicherung der Stadt mußte er alle Kräfte Zusammenhalten, auch wenn er gewußt hätte, daß sich bereits ein Umschwung zu Ungunsten der Bauern zu vollziehen begann. Am 3. Mai hatte der Landgraf von Hessen den Aufstand im Hessischen unterdrückt und schickte sich zu einem Borstoß nach Thüringen an; am 5. Mai war ein starker Haufe, der zum Bauernheer bei Frankenhausen zog, blutig zersprengt worben; am 6. Mai hatte Luther nach vergeblichen predigten im Aufruhrgebiet sein Flugblatt „Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern" geschrieben. Der Widerstand gegen die Bauern gewann zusehends an Kraft. Aber noch am 7. Mai äußerte Herzog Erich von Braunschweig in einem Briefe an Landgraf Philipp von Hessen die Besorgnis, daß Nordhausen den Bauern nicht widerstehen würde, indem er schrieb: „Auch tun wir Euer Liebden zu wissen, daß diejenigen Bauern, so das Eichsfeld verwüstet, sich täglich stärken, daß gemeint wird, so die Nordhäuser dazu kommen, derselbe Haufe mehr als in die 15000 stark werde.“
 
Zum Glück für Nordhausen vermochte Münzers Heer keine wesentlichen Erfolge zu erzielen. Heiligenstadt ließ sich nicht zum Anschluß zwingen, und die Belagerung von Rusteberg wurde gar- nicht erst versucht. Statt dessen zog es nach Duderstadt, wo schon Aufruhr herrschte, und dann, anscheinend sich auflösend, in die Heimat zurück. Münzer selbst, mit Gesuchen um Hilfe bestürmt, trennte sich von dem schwerfälligen Haufen und eilte nach Mühlhausen. Von dort trat er am 10. Mai seine zweite Kriegsfahrt an. Mit wieder nur etwa 300 Mann und 8 von der Stadt Mühlhausen entliehenen Karrenbüchsen zog er über Ebeleben nach Frankenhausen, wo sich mehrere große Bauernhaufen zu einer Entscheidungsschlacht versammelten.
 
Am 11. oder 12. Mai traf er im Lager bei Frankenhausen ein. Er fand etwa 8000 Bauern vor, zum Teil gut geordnet, aber mit Beute gesättigt und durchaus nicht kampffreudig gestimmt, vielmehr bereit, auf die von Graf Albrecht von Mansfeld angebotenen Verhandlungen einzugehen. Durch eine wütige Hetzpredigt wußte Münzer bas Heer für eine von wahnsinniger Anmaßung strotzende Antwort an den Grafen zu gewinnen.
 
Die Antwort paßte schlecht zu der Kriegslage. Am 12. Mai standen Landgraf Philipp von Hessen und Herzog Erich von Braunschweig mit 1000 Reisigen, 3000 Futzknechten und viel Geschütz bei Langensalza, Herzog Georg mit 800 Reisigen, einigen Fähnlein zu Fuß und 7 Geschützen bei Eckartsberga, Ernst von Mansfeld mit schwächeren Kräften bei Heldrungen. Am 13. unö 14. Mai rückten die Fürsten in starken Märschen auf Frankenhausen zu.
 
Zwar sandte auch Münzer an alle noch im Lande verstreuten Bauernhaufen und ihre Helfer den Befehl, nach Frankenhausen zu kommen, aber nur wenige gehorchten und diese nur langsam. Der Walkenrieder Haufe zum Beispiel setzte sich am 14. Mai in Bewegung und marschierte ganze 13 Kilometer bis zur Flarichsmühle westlich Nordhausen. Am 15. Mai zog er südlich der Stadt vorbei, legte 15 Kilometer zurück und kam bis Heringen. Dort erhielt er die Schreckensnachricht von der an diesem Tage bei Frankenhausen gefallenen Entscheidung: die Fürsten hatten das Bauernheer angegriffen, über den Haufen geworfen und völlig vernichtet. Nun zerstob die Walkenrieder Schar eiligst in alle Winde.
 
Die Schlacht bei Frankenhausen machte dem Aufstande in Nordthüringen mit einem Schlage ein Ende. Die noch übrigen Bauernhausen liefen auseinander und die städtischen Aufrührer unterwarfen sich. Am 25. Mai zogen die Fürsten in Mühlhausen ein, zwei Tage später wurden Münzer und Pfeiffer hingerichtet.
 
 
Während die siegreichen Fürsten unter den Aufständischen hart und blutig Gericht hielten, schritt der Nordhäuser Rat zur Bestrafung derjenigen seiner Bürger und Beisassen, die sich an der Umsturzbewegung beteiligt hatten.
Manche von diesen, wie Helmsöorf und Rüdiger, flüchteten rechtzeitig, viele andere, darunter Kehner, Sander und pfann- schmidt, wurden gefangen gesetzt.
 
Die Gefangenen verhörte man erst gütlich und dann zur Erpressung weiterer Aussagen „peinlich", das heißt unter Anwendung der Folter. Einstweilen konnte nur die gütliche Befragung stattfinden, da der städtische Henker, der die Folterung besorgte, den Fürsten geliehen war. Erst etwa im Oktober folgte die peinliche Befragung.
 
Nach Berhörung der Aufrührer aus dem Altendorf sandte der Rat die Akten an den berühmten Schöppenstuhl zu Leipzig mit der Bitte, ein Urteil zu fällen. Der Schöppenstuhl erkannte gegen Wallrot und vier andere Altendörfer auf Todesstrafe, der Rat aber begnügte sich damit, die Schuldigen im November 1525 aus der Stadt zu verweisen.
 
Das Verfahren gegen Kehner und Sander zog sich lange hin, wohl weil man vergeblich nach Helmsdorf und Rüdiger fahndete. Im Oktober 1525 verwandte sich ein auswärtiger Herr, vermutlich Graf Heinrich von Hohnstein, für Sander, doch wurde die Fürbitte ablehnend beantwortet. Auf der Folter bekannte Sander die Gründe seiner Unzufriedenheit, die Umsturzpläne und die Hilfsgesuche an den Mühlhäuser Haufen. Sein und Kehners Bekenntnis legte der Rat am 6. Juli 1526 ebenfalls dem Leipziger Schöppenstuhl vor, dessen Urteil wiederum auf Todesstrafe lautete.
 
Am 21. Juli wurden die Verurteilten zur Hinrichtung hinausgesührt. Kehners Haupt fiel unter dem Henkerschwert. Sander aber widerrief auf dem Richtplatz sein Geständnis und konnte deshalb nicht hingerichtet werden; denn die auf der Folter erpreßten Aussagen galten nur dann als wahr und beweiskräftig, wenn der Angeklagte sie ohne Zwang wiederholte.
 
Sander wurde ins Gefängnis zurückgeführt, wo ihm erneute Folterung bevorstanö. Nach fast zweijähriger Haft begnadigte ihn der Rat „auf Fürbitte vieler Hoher und Niedriger" am 5. April 1527 zu einer Geldstrafe und Ausweisung. Mit dem Schwur, sich nicht rächen zu wollen, mußte er die Stadt binnen acht Tagen räumen. Er siedelte in den Nachbarort Ellrich über und wurde dort auf Verwenden des Grafen Heinrich von Hohnstein im Jahre 1528 in die Knochenhauergilöe ausgenommen. In demselben Jahre gelangte sein Haus in der Flickengasse zu Nordhausen zum Verkauf.
 
So hat dieser Knochenhauer Hans Sander, der von Mühlhausen kam und nach Ellrich weiterzog, Ln Nordhausen weniger als drei Jahre zugebracht und davon zwei im Gefängnis.
 
Wenn der Rat sogar Leute, die ihn zu stürzen getrachtet hatten, nach der Auffassung der Zeit meist milde bestrafte, so ist es begreiflich, daß er gegen die Klosterstürmer noch größere Nachsicht walten ließ. Wohl befahl er die Rückgabe des geraubten Gutes oder Schadenersatz, aber von Bestrafung der Plünderer verlautet nichts. Den Klagen der geschädigten katholischen Geistlichkeit schenkte er nur so weit Gehör, wie es die politische Klugheit in Rücksicht auf den Kaiser und Herzog Georg gebot.
 
Schon am 2. Juni 1525 hatte letzterer den Rat aufgefordert, er solle die alte kirchliche Ordnung und die Klöster wiederherstellen, wie es in Mühlhausen geschehe. Damals antwortete der Rat eilig aber unklar: „er habe die Geistlichkeit, die zum Teil selbst die Klöster verlassen, nach Möglichkeit geschützt und werde sich hinsichtlich des verordneten Gottesdienstes unverweislich halten.“
 
Später beklagte sich die Geistlichkeit beim Herzog: „der Gottesdienst würde gehindert und die Untaten von aller Strafe freigelassen", und Georg machte deshalb dem Stadtschreiber Meyenburg Vorhaltungen, als dieser wegen Irrungen der Stadt mit der Herrschaft Hohnstein zu ihm kam. Auch daraufhin bequemte sich der Rat nur zu dem allernotwendigsten Zugeständnis, indem er am 18. August 1525 die katholischen Geistlichen von dem ihnen am 3. Mai aufgezwungenen Bürgereib entband. Nun ein wenig entlastet, bat er den Herzog am 25. August in überaus gewundenen Worten, er möge den Verleumdern seiner Haltung gegen Kirche und Kaiser nicht glauben. Das diplomatische Schreiben erreichte den Zweck der Beruhigung, denn die herzogliche Kanzlei glaubte herauslesen zu sollen, wie ein Inhaltsvermerk zeigt, es enthielte „der von Nordhausen Entschuldigung, daß sie nicht martinisch (d. h. lutherisch) sind.“
 
 
Die kluge und mutige Politik Meyenburgs im Bauernkriege hat die Nordhäuser Bürgerschaft vor schwerem Schaden bewahrt. Während in den meisten Nachbarstädten Dutzende von Menschen hingerichtet und gewaltige Strafgelder erhoben wurden, verfiel in Nordhausen nur ein einziger Bürger dem Henker. Dank ihrer rühmlichen Selbstbehauptung behielt die Stadt nicht allein die alte Freiheit und Macht, sondern erweiterte sie wesentlich. Die geräumten oder absterbenden Klöster mitsamt ihrem großen Besitz gingen in das Eigentum der Stadt über, und das Kreuzstift mußte die Ernennung der Prediger an den städtischen Kirchen dem Rat überlassen.
 
Als es dreizehn Jahre später dem Rate auch noch gelang, das Reichsschulzenamt an sich zu bringen, blieb das Kreuzstift der einzige Fremdkörper im Gefüge der Stadt. Bei der katholischen Kirche verharrend und durch kaiserlichen Schutz gesichert, behauptete es sich hartnäckig gegen die dauernden Anfeindungen des Rats, zu denen der zuchtlose Lebenswandel der Stiftsgeistlichen nicht selten günstigen Anlaß gab.
 
== Der Rotanotar Johannes Sander seit der Reformation ==
 
Johannes Sander blieb dem Geiste der deutschen Reformation fremd. Er konnte eine Kirchenverbesserung von oben herab, nicht aber den Sturz des Papsttums wünschen. Einige für ihn unerfreuliche Folgen von Luthers Auftreten mußte er bald recht deutlich spüren. Von den sieben Pfründen, die er um 1507 besessen, entgingen nur zwei der Säkularisation: die Domherrnstelle zu Erfurt und die Vikarie am Kreuzstift zu Nordhausen; die Rotaprozesse nahmen ab, der Zustrom der Deutschen nach Rom ließ nach, die Spenden für die Anima liefen spärlicher ein.
 
Als gewesener Provisor der Anima-Kongregation angehärend, wirkte Johannes im Sommer 1520 bei einem Vertrage mit, welcher zeigt, wieviel Vorsicht die Verwaltung des Besitzes der Bruderschaft erforderte. Zwei Anima-Häuser sollten vermietet werden, die neben dem Palast eines Kardinals lagen, und eine diesem Kardinal nahe verwandte römische Adelsfamilie bemühte sich um die Erbpacht. Da argwöhnten die Provisoren, der hohe Nachbar würde über kurz oder lang versuchen, die Häuser seinem Palast einzuverleiben, und machten es nicht nur den Pächtern ausdrücklich zur Bedingung, dies zu verhüten, sondern ließen den Vertrag auch von dem Kardinal anerkennen.
 
Im folgenden Jahre trat Johannes zum zweiten Male als Regent an die Spitze der Bruderschaft und erlebte gegen Ende seiner Amtszeit ein Ereignis, das der deutschen Nationalstiftung ungewöhnliches Glück verhieß: am 9. Januar 1522 wurde ein Deutscher zum Papst erwählt, Hadrian Dedel aus Utrecht, ein Landsmann und vertrauter Freund Enckevorts.
 
Der neue Papst Hadrian VI., ein sittenstrenger Priester, schien berufen, die Schäden der verweltlichten und durch Luthers Auftreten erschütterten Kirche zu heilen und die an der Kurie herrschenden Mißstände zu beseitigen. Am 28. August traf er in Rom ein, von Enckevort geleitet und den Gutgesinnten mit Jubel begrüßt. Die große Menge bes römischen Volkes dagegen, selbstsüchtig und deutschfeindlich, empfing den Papst mit Feindseligkeit, die sich bald zu grimmigem Haß steigerte; denn Hadrian erwies sich als ein ernster, sparsamer Mann, umgab sich mit Deutschen und machte den vatikanischen Palast aus einem prunkvollen Musenhofe zu einer Stätte stiller Arbeit. Mit Trauer sahen die Mitglieder der Anima es mit an, wie der Papst sich vergeblich um die Besserung der Kirche bemühte, wie er geschmäht und von Mord bedroht wurde, wie er gramgebeugt einem frühzeitigen Tode verfiel. Schon am 14. September 1523 starb Hadrian, der letzte Papst deutscher Nation. Viele Hoffnungen der Deutschen mit sich ins Grab nehmend, hinterließ er der Anima-Bruderschaft wenigstens den einen Trost, daß er auf seinem Sterbebett die Wahl Enckevorts zum Kardinal durchsetzte.
 
Der nunmehrige Kardinal von Enckevort bereitete seinem päpstlichen Freund und Wohltäter im Chor der Anima-Kirche eine prachtvolle Grabstätte. Er blieb der Bruderschaft treu ergeben, förderte sie nach Kräften und übernahm sogar zeitweilig trotz seiner hohen Würde wie früher das Amt des Regenten.
 
Johannes Sander kam als Provisor noch oft mit dem neuen Kardinal zusammen; im April 1524 empfing er von ihm 200 Dukaten für zwei Jahrgeöächtnisfeiern des Jakob Hubertz. In demselben Jahre verpachtete Johannes ein der Anima geschenktes Haus an einen deutschen Kurialen und schloß einen Vergleich mit einem römischen Gastwirt, dessen Haus zwischen zwei Anima-Häusern lag. Zum dritten Male Regent übernahm er am 4. Januar 1525 ein der Bruderschaft vermachtes Haus und hatte nun 19 Anima-Häuser zu verwalten. Wie ihn daneben der Ausbau der Kirche beschäftigte, deutet eine Abrechnung mit dem Steinmetzmeister an, dem er am 11. Februar 1527 zur völligen Bezahlung seiner Arbeiten 342 Dukaten zu zahlen versprach.
 
 
Johannes stand damals im zweiunösiebzigsten Jahre eines an ergreifenden Begebenheiten reichen Lebens, und noch hatte er seine schwersten Tage nicht hinter sich. Sie kamen über ihn als Folgen der päpstlichen Politik.
 
Hadrian VI. war ein Freund Kaiser Karls V. gewesen, Enckevort blieb zeitlebens dessen Vertrauensmann, und wie alle deutschen Kurialen war zweifellos auch Johannes Sander gut kaiserlich gesinnt. Zum Leidwesen der Deutschen schloß der neue Papst Clemens VII. ein Bündnis mit Frankreich und den meisten italienischen Staaten, um die Machtstellung des Kaisers in Italien zu brechen. Nun schickte Karl v. im Frühjahr 1527 den Herzog Karl von Bourbon mit 20 000 deutschen, spanischen und italienischen Söldnern nach Italien. Beim Vordringen sah sich das kaiserliche Heer von überlegenen Gegnern verfolgt, und da der Sold ausblieb und die Verpflegung mangelte, geriet es in Aufruhr und schien dem Untergange geweiht.
Um so größer war die Überraschung und der Schrecken der Römer, als am Abend des 5. Mai das Heer plötzlich vor den Mauern der schlecht gerüsteten Stadt erschien. Es hatte sich durch einen äußerst kühnen Zug aus höchster Not befreit.
 
Der kaiserliche Feldherr verlangte weiter nichts als Verpflegung und freien Durchmarsch, doch der Papst lehnte die Forderung ab, der baldigen Hilfe des herannahenden französischen Heeres vertrauend. Da mußten die Kaiserlichen, um noch einmal dem Verderben zu entgehen, sich unverzüglich zum Sturm rüsten.
In der Stadt brach grenzenlose Angst und Verwirrung aus, und jeder suchte seine wertvollste Habe in Sicherheit zu bringen. Auf das Schlimmste gefaßt, schaffte Johannes Sander das Anima- Archiv in einer eisenbeschlagenen Truhe aus der Kirche fort nach Dietrich von Eynems Haus, denn die unersetzlichen Besitzurkunden der Bruderschaft konnten, wenn auch für Landsknechte wertlos, bei einer Plünderung der Kirche leicht aus Mutwillen oder Zufall vernichtet werden. Diele trugen ihre Schätze in den Palast des Kardinals von Enckevort, der als Freund des Kaisers die meiste Schonung erwarten durfte.
 
Schon am nächsten Morgen erstürmten die Kaiserlichen den auf dem rechten Tiberufer gelegenen Stadtteil Borgo. Der Papst fand gerade noch Zeit, in die feste Engelsburg zu flüchten, wollte aber immer noch nicht nachgeben. Nun wurde auch das linke Tiberufer im Sturme genommen.
 
Zunächst hielten sich die Eroberer in bester Ordnung, da sie einen Angriff des nahenden französchschen Heeres erwarteten. Die spanischen Söldner lagerten wenige Schritte vom Sanderhause auf der Piazza Navona, die deutschen Landsknechte zweihundert Meter weiter auf dem Campo di Fiori. Als das französische Heer wider Vermuten fern blieb und die Eroberer sich sicher fühlten, lösten sich um Mitternacht ihre Reihen, und die unbändigen Scharen, nach bitterster Not nun Herren der reichsten Stadt, schwärmten zum Beutemachen aus. Damit begannen acht Schreckenstage, die von den Italienern Sacco di Roma (Plünderung Roms) genannt werden, eine Zeit voll von wildem Rauben, Verheeren und Blutvergießen.
 
Ein italienischer Chronist und Augenzeuge sagt: „Bei jenem Verderben Roms zeigten sich die Deutschen schlecht genug, schlechter aber die Italiener und am schlechtesten die Spanier.“ Spanier und deutsche Lansknechte plünderten nach Johannes Sanders ausführlichem Bericht am 7. Mai die Anima-Kirche und dann auch die Häuser der Bruderschaft. Die Sakristei wurde bis auf minderwertige Stücke gänzlich ausgeraubt. Kelche, Monstranzen und Kruzifixe aus Gold und Silber und mit Edelsteinen besetzt, prächtige Altarbehänge und Meßgewänder, die der Kirche anvertrauten Kostbarkeiten eines deutschen Goldschmieds und vieles andere schleppten die Soldaten fort. Im 9. und 12. Animahause plünderten sie die Wohnungen anderer Goldschmiede. Das 19. Haus konnte nur durch große Gelöopfer bewahrt werden; gründlicher Verheerung hinwieder verfiel das 13. Haus, worüber Johannes berichtet: „es sei gänzlich verwüstet und zerstört worden durch die Schuld der Inhaber, die den Landsknechten keine Lebensmittel gaben.“
 
Die menschenkunöige Sachlichkeit, die Johannes mit dieser Bemerkung bekundet, mag es gewesen sein, was ihn selbst vor ärgerem Schaden bewahrte. Sein dicht neben der geplünderten Kirche gelegenes Haus blieb unbeschädigt, und er kam glimpflicher davon als unzählige andere und manche feiner guten Freunde aus der Anima-Bruderschaft. Den langjährigen Regenten Kaspar Wirt schleppten die Landsknechte zum Bankhäuser der Welser, wo er sich mit 140 Talern loskaufen mußte; ein alter Provisor und Kammernolar kam kaum mit dem nackten Leben davon; ein anderes Mitglied, der Bischof Wolfgang Goler, mußte nach vielen Quälereien 2000 Dukaten bezahlen und starb bald darauf; der frühere Provisor Johann Copis wurde all seiner Habe beraubt und zu Tode verwundet.
 
Sogar Enckevort, der Freund des Kaisers, wurde nicht geschont. Sein Palast lag im Plünderungsbereich der Spanier, und diese verlangten 30000 Dukaten Lösegeld für Unterlassung der Plünderung. Als sie aber hörten, daß Melchior von Frundsberg, des berühmten Landsknechtsführers Sohn, mit dem Kardinal verhandelte, fürchteten sie für ihre Beute, brachen nachts in den Palast ein und raubten alles, was Enckevort und seine vielen Schützlinge dort geborgen hatten.
 
Erst als die Hauptplünderung schon geschehen war, erschien das französische Heer vor Rom. Es wagte aber nicht anzugreifen und zerstreute sich bald wegen Mangel an Verpflegung. Am 6. Juni mußte der Papst die Engelsburg übergeben und sich zu großen Geldzahlungen verpflichten, für die er selbst und mehrere Bischöfe als Geiseln dienten.
 
Di« Leiden der Stadt waren damit noch lange nicht beendet. Der Papst hielt die festgesetzten Zahlungsfristen nicht inne, die Truppen konnten nicht regelmäßig besoldet werden, meuterten öfters und drohten mit neuen Plünderungen. Monatelang herrschten Aufruhr, Teuerung und Not, zu denen noch die Pest hinzukam. Von 10000 deutschen Landsknechten starben bis zum 1. September 2500. Im Dezember gelang es dem Papst und seinen Geiseln zu entkommen. Nun behielten die Kaiserlichen die Stadt Rom als Pfand im Besitz und lebten auf Kosten der durch Flucht und Seuche zusammengeschmolzenen Bevölkerung, indes Freund und Feind in großer Zahl unter der Sichel des Todes fielen.
 
Im Gegensatz zu Enckevort und vielen anderen, die aus Rom flüchteten, hielten die Provisoren Eynem und Sander trotz Not und Pest auf ihren Posten aus. Gleich nach Beendigung der Plünderung, am 15. Mai, nahm Johannes das Erbe eines päpstlichen Skriptors für die Anima in Empfang, und im Juli die Schenkung eines Notars, der auf Rückerstattung beträchtlicher Auslagen verzichtete. Um diese Zeit ließen die Provisoren es zu, daß die Leichen einiger Hofbeamter Hadrians VI. im Chor der Animakirche beigesetzt wurden. Das mißfiel dem in sicherer Ferne weilenden Kardinal von Enckevort sehr, und er schrieb im August aus Fontana vorwurfsvoll an Eynem und Sander, sie möchten künftig niemand mehr in besagtem Chor, wo der Papst bestattet sei, begraben lassen. Nach der Rüge des Kardinals brachte das Jahr den Provisoren dann auch wieder eine Freude, denn am 5. September konnte Johannes ein der Anima durch Vermächtnis zufallendes Haus übernehmen.
 
Ein Vorgang ganz anderer Art ist uns noch aus dem Jahre 1527 überliefert. Wir lesen nämlich in der Inventur des berühmten Handelshauses der Fugger, daß Johannes bei dem römischen Kontor des Hauses 100 Gulden eingezahlt hatte, die am 30. April 1528 durch das Fuggersche Kontor zu Hohenkirchen bei Ohrdruf an seine Schwester Margarete Ferer und ihren Sohn Johann ausgezahlt werden sollten. Die Nachricht läßt darauf schließen, daß Johannes seine Schwester und deren Kinder unterstützte und in dauernder Geschäftsverbindung mit dem Fuggerhause stand.
 
 
Zu Beginn des Jahres 1528 wurde Johannes zum vierten Male mit dem Amt des Provisor regens betraut und erlebte als solcher eine eindrucksreiche Trauerfeier: Melchior von Frundsberg, der Sohn des Feldherrn, war am 13. Januar einer Krankheit erlegen und wurde von seinen Landsknechten in der geplünderten Animakirche bestattet.
 
Am 17. Februar zogen endlich die kaiserlichen Truppen von Rom ab. Nun stellte Johannes den Umfang des Schadens fest, den die Animahäuser erlitten hatten, und schrieb nähere Angaben darüber nieder, dann beglich er durch mehrere Zahlungen die Schuld an den Steinmetzmeister des Kirchenbaues, und schließlich verzeichnet« er auf mehr als 30 Folioseiten das gesamte bewegliche Eigentum der Kirche und des Hospizes. Das besonders wichtige Sakristei-Inventar, das der wertvollsten Stücke beraubt war, nahm er am 15. November auf, sechs Tage später die Hospiz-Einrichtung, Anfang Januar die Bücherei, die er in einem über dem pilgersaal gelegenen Zimmer unterbracht.
 
Einige der geraubten Kelche gelang es durch Kauf wieöerzuer- langen. Andere Gegenstände wurden nach und nach durch Schenkungen ersetzt, so fünf kostbare Altaröecken, für deren Ersatz neben vier anderen Freunden der Anima auch Johannes sorgte.
 
Nach Vollendung des Kirchenbaues erforderte die innere Ausschmückung der Kirche große Aufwendungen. Da die Geldmittel der Bruderschaft bei weitem nicht ausreichten, übernahmen einige wohlhabende Freunde der Anima die künstlerische Ausschmückung einzelner Kapellen des Neubaus. Die ersten Stifter von Kapellen waren Albrecht von Brandenburg, Anton von Fugger, Wilhelm von Enckevort und Johannes Sander. Johannes widmete seine Kapelle der Jungfrau Maria als der Schutzpatronin der Anima und übertrug die Ausführung des Altarbildes und der Wandge-» mälde dem niederländischen Maler Michael van Coxie. In langer Arbeit entledigte sich Coxie des Auftrages aufs beste mit Darstellungen aus dem Leben Jesu und einem Altarbilde der Gottesmutter, dem wunderbare Schönheit nachgerühmt wird.
 
Durch ein Vermächtnis bestimmte Johannes eine Jahresrente von 4 Dukaten zur würdigen Feier des Geburtsfestes der Jungfrau Maria vor seiner Kapelle. Künftig sollten, wie er es schon als Regent eingeführt und gehalten hatte, am Nachmittage vor dem 8. September die feierliche Vesper mit Wechselgesängen und fünf Psalmen gesungen werden und nach dem Brevierkapitel mehrere genau bezeichnet« Hymnen mit dem Gloria. Dies hatte vor seiner Marienkapelle zu geschehen. Am Festtage selbst sollte in der Kapelle ein Hochamt gehalten und dazu mit Orgelbegleitung gesungen werden. Alle Kapläne und zwei Ministranten sollten teilnehmen, der Sakristan den Fußboden mit grünen Lorbeerzweigen bestreuen, auf den großen Kandelabern weiße Wachskerzen brennen.
 
 
Indem Johannes die Marienkapelle ausstattete und schmückte, bereitete sich der nun achtundsiebzigjährige Greis zugleich die letzte Ruhestätte. Er ließ vor der marmornen Kommunionsbank eine Gruft erbauen, die mit einer großen, flach im Fußboden liegenden Steinplatte bedeckt wurde. Auf diesen sonst schmucklosen Grabstein ließ er sein Wappen einmeißeln und setzte darunter folgende Worte:
 
„Deo aeterno omnipotenti. Johannes Sander Northusanus, Germane proximus silve natus, Duringus, Erfurdiae Magnuntinae Dioecesis canonicus, … annis curialis, Rotae notarius, primae domus hispitalis Teutonicorum Urbis structor illiusque et huius capellae excultor, considerans, hominem vanitati similem frustraque turbari et fugere velut umbram, priusquam abiret et amplius non esset, septuagesimo octavo aetatis sua anno vivens hoc monumentum posuit anno salutis MDXXXIII.“
 
Zu deutsch: „Gott dem Ewigen, Allmächtigen. Johannes Sander von Northusen, ganz nahe dem Harze gebürtig, ein Thüringer, Domherr zu Erfurt in der Diözese Mainz, – Jahre Beamter der Kurie, Notar der Rota, des Ersten Hauses des Hospizes der Deutschen zu Rom Erbauer, der das Haus und diese Kapelle auch ausschmückte, – erwägend, daß der Mensch dem leeren Scheine ähnlich sei und sich vergeblich sorge und flüchtig sei wie ein Schatten, – hat, bevor er dahinschiede und mehr nicht wäre, im 78. Jahre seines Alters bei Lebzeiten dieses Denkmal gesetzt im Jahre des Heils 1533.“
 
In seinem Testamente ordnete Johannes eine jährliche Gedächtnisfeier an seiner Gruft an. Die Grabplatte soll mit dem großen schwarzen Bahrtuch der Anima bedeckt werden, an dessen Ecken sollen vierpfündige Wachsfackeln, auf dem Altar der Kapelle vier einpfündige Kerzen brennen. Die Kaplane singen das Requiem und einer von ihnen hält die Totenmesse. Zur Bestreitung der Kosten sind 4 Dukaten oder 40 Julier ausgesetzt, wovon die Bettler vor der Kirchentür 3 Julier erhallen.
 
Schon im Jahre 1530 war Johannes das älteste Mitglied der Animakongregation, und noch im April 1543 nahm er an einer stürmisch verlaufenden Sitzung teil. Alle seine alten Gefährten und Freund« wie Wilhelm von Enckevort und Dietrich von Eynem ruhten seit 10 und mehr Jahren im Grabe. Am 11. August 1544 folgte er ihnen im Tode nach, 89 Jahre und 28 Tage alt. Seinen Leichnam setzte die Bruderschaft in der vor elf Jahren erbauten Gruft bei und ergänzte dann die Grabinschrift durch Hinzufügung des Todestages und der Amtszeit. 50 Jahre hatte Johannes der Kurie gedient.
 
„Nicht aus Zufall", sagt der Geschichtsschreiber der Anima, „schließt mit Sanders Sterbejahr der Nekrolog der Animawohltäter, trotz der elf bis zur Stunde leergebliebenen Seiten. Kein Kurialist erhebt sich mehr zu großen Schenkungen, jene Treuen aus dem Norden sind an der Kurie ausgestorben.“


== Klaus, Hans der Jüngere und Andres Sander ==
== Klaus, Hans der Jüngere und Andres Sander ==
Als Johannes Sander in Rom zu Grabe getragen wurde, waren seine Nordhäuser Verwandten gleicher Generation längst gestorben, sowohl Frau Margarete Ferer und ihr Mann wie Albrecht und Hans Sander. Von deren Kindern treten in Nordhausen auf die Söhne Margaretens, Johann und Joachim Ferer, die des Ratsherrn Hans Sander, Klaus und Hans der Jüngere, und neben ihnen Andres Sander.
Klaus Sander, um 1490 geboren, bezog im Sommersemester 1509 die Universität Erfurt. In die Heimat zurückgekehrt, bewohnte er später ein Haus in der Rautengasse als Nachbar einer Familie Thomas, die zu den angesehensten Ratsgeschlechtern der Stadt gehörte. Er hielt anscheinend gute Nachbarschaft, denn sein Sohn führte in der Folgezeit eine Thomas als Gattin heim.
Die Unruhen des Jahres 1525 spiegelten sich in seinem Leben wieder. Wie erwähnt, wurden die Ordensgeistlichen damals nach dem Klostersturm zu Bürgereid und -Pflicht gezwungen, am 18. August aber wieder des Eides entbunden. Manche von ihnen hatten dem geistlichen Stande gern entsagt und wollten Bürger bleiben, so auch der frühere Mönch Georg Luöerwalt. Als er am 29. August den Eid freiwillig erneuerte, verbürgten sich für ihn Klaus Sander und Gerlach Pockeram, der langjährige Amtsgenosse des Ratsherrn Hans Sander.
In den Jahren 1528/29 führte Klaus eine Streitsache bei dem Reichsschulzengericht. Das Gericht wurde im Rathause abgehalten. Der Reichsschultheiß, damals noch der von Herzog Georg ernannte Leonhard Busch, leitete die Sitzungen und bestellte die beiden Büttel. Der Rat ordnete dem Schulzen zwei Ratsherren als Schöffen bei, die das Urteil fällten oder in schwierigen Fällen vom Rat „borgten", d. h. einholten.
Klaus machte eine Forderung an Benedikt Hesse in Sangerhausen geltend, und da dieser nicht zahlte, beantragte er in der Sitzung vom 10. Juni 1528, eine Pfändung bei Valentin Gergen, offenbar einem Nordhäuser Schuldner Hesses, vorzunehmen. Drei Wochen später wiederholte er den Antrag, worauf er 14 Tage darauf befchieden wurde, seinen Gegner zur nächsten Gerichtssitzung zitieren zu lassen. Nun dauerte es länger als vier Monate, bis das Gericht am 18. November die Berechtigung der Forderung anerkannte. Da Hesse trotzdem die Schuld nicht bezahlte, so wurde nach vier Wochen die Entscheidung wiederholt und Klaus gestattet, „um die Schöffen zu bitten", damit diese die Pfändung vornähmen. Das wirkte denn endlich, und im Januar des folgenden Jahres ließ Hesse durch seine Ehefrau vor Gericht das Versprechen abgeben, er werde die Schuld bis zum nächsten Gerichtstage begleichen, andernfalls solle dem Gerichtsbeschluß auf Vornahme der Pfändung bei Valentin Gergen Folge gegeben werden.
Nicht lange danach starb Klaus im besten Mannesalter, einen stattlichen Besitz hinterlassend.
Seine Witwe, die ihn um viele Jahre überlebte und entgegen der Gewohnheit der Zeit nicht wieder heiratete, bewohnte bis zu ihrem Tode das ansehnliche Haus in der Rautengasse, für das sie bei der Schatzung von 1551 einen Schoß von 14 Gulden entrichtete. Außerdem besaß sie ein Haus im Töpferviertel, das mit 10 Gulden Schoß ebenfalls zu den stattlicheren Gebäuden zählte. Später erwarb sie noch ein Haus in der Bielengasse.
Hierzu kam ein ausgedehnter Landbesitz, der allenthalben in der Staötgemarkung lag: im Sturzental, am Galgenberg, am Ros- singsbach, am Bielensteig, vor dem Siechentor, am Entenhaufen, im Merß, an der alten Helme, am Holdungsbühl, an der Winölücke, hinter der Walkmühle und hinter der Steinmühle. Die Liegenschaften bestanden aus Ackerland und Weingärten. Klausens Witwe starb im Frühjahr 1567.
=== Hans Sander der Jüngere ===
Hans Sander der Jüngere, Klausens Bruder, kaufte sich am 11. Dezember 1528 in die Tuchmachergilde ein. Die Gilde verlangte von ihren neuen Mitgliedern, daß sie sich frömmlich und wohl bewahrt hätten an ihrer Ehre und gutem Leumunde, daß sie wohl geboren seien von Vater und Mutier und von ehrlicher, echter und rechter Herkunft; auch daß die Eltern sich ehrlich und frömmlich gehalten hätten an ihrem guten Leumund« und nicht etwa Schäfer, Pfeifer, Bartscherer oder Musikanten wären. Dies mußten zwei Bürgen, fromme, unversprochene Leute, beschwören. Für Hans verbürgten sich die beiden derzeitigen Vorsteher der Gilde, darunter Franz Rebbeis, der ein Neffe des Reformators Justus Jonas war und in Erfurt studiert hatte. Bald darauf vermählte sich Hans mit Ursula, der jüngsten Tochter des Hans Baöra. Die Baöra waren ein altpatrizisches Geschlecht, das sich ursprünglich von Baöra, später Baöra oder Bader nannte. Konraö von Baöra wird um 1331, Johann von Badra um 1382 als Bürgermeister von Nordhausen genannt, dominus Johannes de Bader 1423 erwähnt.
Hans Sanders Schwiegervater wurde erst Gildemeister der Tuchmacher, dann Ratsherr und Quatuorvir (Mitglied des Veiererausschusses zur Beaufsichtigung der Stadtverwaltung.); seine engere Familie lernen wir aus einer Urkunde vom 1. August 1527 kennen. Damals erklärte er nämlich mit Wissen seiner Ehefrau Dorothea, wie seine Hinterlassenschaft dereinst auf seine sechs Kinder verteilt werden solle. Die Kinder sind: „Katharina, Ludwig Bertrams ehelich Gemahl, Paul Bader, Hans Bader, Johannes Bader jetzunder zu Rom, Dorothea, Pflugs ehelich Gemahl und Ursula Baders un- bestatt (d. h. unvermählt).“
Aus anderen Quellen erfahren wir hierzu noch folgendes: Ludwig Bertram war in der Zeit von 1522 bis 34 viermal Gilöe- meister der Tuchmacher; Paul Bader besaß ansehnliche eigene Ländereien und Lehengüter; Hans Bader gehörte der Tuchmachergilöe und seit 1532 dem Rate an und wurde Bürgermeister; Johannes Bader hatte 1516 in Erfurt studiert, und als er sich nach Rom begab, traf er dort einen anderen Hans Bader, der seit 1514 als kaiserlicher Notar in Rom lebte.
Aus der Güterverteilung der Urkunden ist von Belang, daß der zweite Sohn Hans Bader das väterliche Haus für 250 Gulden übernehmen und seine Schwester Ursula bei sich im Hause halten und ihr die Kost geben soll, bis sie sich verändert und zu dem ehelichen Stande greift, während Ursula einen Acker Weinberg erhält.
Zeugen der Willenserklärung sind der Domherr vom Kreuzstift, Hermann Pfeiffer, der Bürgermeister Heinrich Thomas und der Schultheiß Leonhard Busch.
Die Urkunde erinnert durch die gleichen Namen zweier Brüder und die Beziehungen zu Rom an Tatsachen aus dem Leben des Rotanotars Johannes Sander, und sie zeigt, daß zum mindestens einige Glieder der Familie Bader auch nach Einführung der Reformation sich zur römischen Kirche hielten.
Die Erbfestsetzung vom 1. August 1527 dürfte vornehmlich der Frau Dorothea Bader zwecks Sicherstellung ihrer Kinder am Herzen gelegen haben, da sie ihren baldigen Tod und wais dann folgen würde ahnen mochte. Sie starb etwa ein Jahr später, und um den Dezember 1529 verheiratete sich ihr verwitweter Gatte mit der Witwe Margarete Klepel aus Sundhausen, trotzdem er wohl schon annähernd 60 Jahre alt war und lauter erwachsene Kinder hatte.
Nicht lange nach diesen Vorgängen fand die Hochzeit Hans Sanders des Jüngeren mit Ursula Bader statt, und nicht lange nach der Hochzeit kam es zu Mißhelligkeiten zwischen Schwiegersohn und Schwiegervater. Bader war einen Teil der Mitgift schuldig geblieben, was er schriftlich bescheinigt hatte, hernach aber machte er Schwierigkeiten mit der Zahlung. Deshalb wandte sich Hans Sander am 20. Oktober 1531 an den Rat, und dieser entschied, Bader solle die Schuld in vierzehn Tagen unverzüglich entrichten. Als Bader dem Beschluß nicht Folge leistete, erging am 2. November ein neuer Befehl, die Schuld bis Weihnachten spätestens zu begleichen. Nun machte Bader beim Reichsschulzengericht eine Gegenforderung geltend, die wohl der Grund oder Vorwand seiner Saumseligkeit war. Er sagte, er habe Hansen verschiedene Sachen geliehen, nämlich einen Schrank, einen Tisch, ein Spannbett, zwei Federbetten, ein zinnenes Becken, einen schwarzen Hausmantel und anderes. Hans, der die Gegenstände für das Eigentum seiner Frau halten mochte, erwiderte auf die Klage: er sei Badern nichts geständig und stelle es zur rechten Erkenntnis. Am 10. Januar fand dann wieder eine Verhandlung statt, und der Streit wurde anscheinend beigelegt.
Drei Jahre später fand sich Hans Sander bewogen, dem zweiten Sohne der Margarete Ferer geb. Sander in einer höchst miß? lichen Angelegenheit Beistand zu leisten. Johann Ferer, von dem wir hörten, daß er 1506 in Erfurt studierte, 1509 von dem Rotanotar zum Erben eingesetzt wurde, 1514 in Rom weilte und 1528 mit seiner Mutter eine Geldüberweisung des Oheims erhielt, war Domherr am Kreuzstift zu Nordhausen geworden. Er wohnte am Dom in der Nähe der Stadtmauer, deren dortiger Turm als „Turm hinter Herrn Johann Ferer" bezeichnet wird.
Ferer wußte wohl, wie verhaßt das reichsunmittelbare Kreuz stift dem Rat und der evangelischen Mehrheit der Bürgerschaft war. Hatte Kaiser KarlV. doch erst kürzlich allen, die sich an den Freiheiten des Stifts freventlich vergreifen würden, eine hohe Strafe androhen müssen.
Trotz der zur Vorsicht mahnenden Zeitumstände scheute sich Ferer nicht, in seinem Hause ehebrecherische Handlungen zweier Bürgersrauen zu begünstigen. Ja, als die Sache ruchbar wurde, und der Rat eine der Frauen gefangen setzte, drohte er sogar noch, ev würde dafür am Rate Rache nehmen.
Um seinen Feindseligkeiten zuvorzukommen, ließ ihn nun der Rat festnehmen und gab ihn nicht eher frei, als bis er allen Rachegedanken entsagte und am 17. August 1534 beschwor:
"Ich will das, was mir von wegen der Stadt widerfahren ist, nimmermehr rächen, auch niemanden, geistlichen oder weltlichen Standes, meinetwegen der Stadt, des Rats, ihrer Bürger und Untertanen Feind zu werden veranlassen, auch gegen die Stadt weder heimlichen noch öffentlichen Unwillen erregen. Und wenn der Stadt durch mich Beschwerung, Kost oder Zehrung entsteht, so will ich das abtragen und erstatten. Ich will auch den Männern, die gegen mich klagen, zu Recht stehen oder mich mit ihnen vertragen, – alles bei Ehren, Treu und Glauben.
„Daß diesem allen unwiderruflich soll nachgelebt werden, das schwöre ich mit diesem meinem leiblichen Eide, wie mir Gott der Allmächtige helfen möge. Und sind dafür Bürgen mein Bruder Joachim Ferer, Thomas Grober und Hans Sander.“
Nach der Gepflogenheit der Zeit mußten die Bürgen einer Urfehde von so weittragender Bedeutung dem Verteidigten ganz besonders nahe stehen. Neben dem Bruder Joachim Ferer dürfte Thomas Grober ein Schwestersohn des Vaters gewesen sein, während Hans Sander ein Brudersohn der Mutter war.
Aus den nächstfolgenden Jahren erfahren wir nur, daß Hans von einigen seiner Grundstücke den Barfüßerzins zu entrichten hatte, eine Grundrente, die ehedem dem Franziskanerkloster zustand, nach dessen Aushebung aber zur Unterhaltung der neugegründeten Lateinschule verwendet wurde.
Im Februar 1544 war Hans an einer Testamentserrichtung beteiligt, die uns in seinen Verkehrskreis einführt. Hans Kappel war selig verschieden. Er hatte sich mit Fleiß und Glück ein großes Vermögen erworben, war 1521 zum Gildemeister der Kaufleute und hernach in den Rat gewählt worden, dem er 18 Jahre lang angehörte. Da ihm leibliche Erben versagt blieben, nahm er den Abkömmling einer alten Nordhäuser Familie, Asmus Schmidt, an Kindesstatt an. Dieser wurde nicht nur ein tüchtiger Mann, der frühzeitig die städtischen Ehrenstellen bis zum Bürgermeisteramt erlangte, sondern trat auch in Verkehr mit einigen führenden Geistern der Zeit. Die Reformatoren Melanchthon und Justus Jonas zählten zu seinen Freunden, und auf des letzteren Empfehlung hin nahm er den rühmlich bekannten Michael Neander als Lehrer seiner Kinder ins Haus.
Durch Hans Kappels Tod fiel dessen Vermögen der Witwe Elisabeth Kappel zu, und diese errichtete nun unverzüglich ein Testament zu Gunsten ihres Pflegesohnes Asmus Schmidt.
Frau Kappel war eine reiche Frau, aber schreiben konnte sie nicht. Sie bat deshalb ihren „Beichtvater" Ehrn Johann Holzapfel, den evangelischen Geistlichen der Nikolaikirche, für sie zu unterschreiben. Als ihres Rechtsbeistandes bei der Errichtung des Testaments bediente sie sich eines Katholiken, des Andres Dreber, Kleriker des bischöflichen Stifts Halberstaöt und Notar von Päpstlicher Heiligkeit und Kaiserlicher Gewalt. Zu Testamentsvollstreckern bestellte sie den Gräflich Hohnsteinschen Marschall Heinrich von Bülzingsleben und Johann Heier, Schosser zu Heringen, deren jedem sie für die Bemühung 7 Goldgulöen vermachte, zum Oberexekutor erbat sie den Rat der Stadt. An der Spitze ihrer sieben Zeugen steht der damalige Quatuorvir und spätere Bürgermeister Lenharö Thomas, dem Wilhelm Nunschild und dann fünf Verwandte und Freunde, darunter Hans Sander und der spätere Bürgermeister Hans Küche, folgen.
Auch bei dieser Verhandlung tritt das Fortbestehen katholischer Beziehungen zutage. Andrerseits verkörpert Wilhelm Nun- schilö eine wichtige Errungenschaft des Rats, denn er ist der erste vom Rat ernannte Reichsschultheiß. Nach Leonhard Büschs Tode hatte Herzog Georg das Amt im Jahre 1538 dem Rat verpfändet.
Es geschah also in einer ebenso ansehnlichen wie bedeutsamen Gesellschaft, als Hans Sander das Testament wie folgt bekräftigte: „Und ich, Hans Sander, mit dieser meiner Handschrift bekenne, daß ich und unterschriebene Mitzeugen von Elisabeth Kappels hierzu sonderlich erfordert und gebeten bin worden und beneben den anderen Mitzeugen, welche alle sämtlichen beneben mir bei Aufrichtung dieses Briefes gegenwärtig gewesen, gehört habe, daß die des Elisabeth Kappels letzter Wille sei, den sie auch nach ihrem Ab- sterben also und nicht anders will gehalten haben. Des zu Urkund habe ich auf Bitte berührter Testatrix mit eigener Hand unterschrieben und mein gewöhnlich Pitzschaft hierauf wissentlich gedrückt.“
Das Testament der Elisabeth Kappel liegt nicht im Original, sondern nur in der amtlichen Abschrift des Ratshanöelsbuch vor, die nicht besiegelt wurde. Hans Sanders Petschaftabdruck auf dem Original zeigte vermutlich dieselbe runenähnliche Hausmarke, die später seinem Sohn als Siegelzeichen diente: eine oben spitz geschlossene 4, deren wagerechte Linie in einem Kreuz endigt, während die senkrechte Linie mit einem liegenden Kreuz belegt ist.
Ein anderer Todesfall, der sich am 11. August desselben Jahres ereignete, ging Hansens Familie näher an: der des Rotanotars Johannes Sander.
Kaum war die Kunde davon in die Heimat gelangt, so machte sich Johann Ferer, der inzwischen Domherr der Liebfrauenkirche zu Erfurt geworden war, auf den Weg nach Rom, mit Vollmacht von seinem Bruder Joachim ausgestattet. In Rom nahm er die Hinterlassenschaft des Verstorbenen in Empfang, die den beiden Brüdern zu gleichen Teilen zufiel. Da er von dem ihm zustehenden Recht, das Sunderhaus gegen einen geringen Mietszins zu bewohnen, nicht Gebrauch machen konnte, verkaufte er sein Anrecht für 300 Gulden. Die hierfür zu zahlende Abgabe wurde ihm am 11. November von der Anima-Kongregation wegen der Verdienste des Verstorbenen erlassen. Zum Danke trug sich Ferer acht Tage später nach einer Zwischenzeit von 30 Jahren zum zweiten Male in das Bruderschaftsbuch ein.
Nun waren alle Geschäfte erledigt und er schickte sich zur Heimkehr an. Doch zwei Tage vor dem für die Abreise festgesetzten Termin erkrankte er plötzlich und starb noch im gleichen Monat November. Sein Leichnam wurde in der Gruft des Oheims bestattet. Joachim Ferer aber blieb als alleiniger Erbe übrig.
Im Herbst 1548 geriet Hans Sander in Streit mit einem eigenartigen Manne, dessen Laufbahn bezeichnend ist für die nach der Reformation sich ergebende Schwierigkeit, die evangelischen Pfarrstellen mit berufsmäßig vorgebildeten Geistlichen zu besetzen. Dieser Mann hieß ursprünglich Johann Theder. Sein Vater Michael war aus Nürnberg zugezogen und wurde deshalb in Nordhausen auch Nürnberger genannt. Er war in den Jahren 1513 und 20 Gildemeister der Schuster und Gerber. Sein 1516 geborener Sohn erlernte das Weißgerberhandwerk und übte es als Meister aus, sich daneben theologische Kenntnisse aneignend. 1544 verließ er Nordhausen und fand in Oppershausen bei Mühlhausen eine Anstellung als Pfarrer. Von dort wurde er nach dem nahen Niederdorla und am 9. Juni 1547 nach Nord
hausen an die Jakobikirche in der Neustadt berufen. Den Namen Nürnberger übersetzend, nannte er sich Noricus. 1560 geriet er mit einigen anderen Geistlichen in einen heftigen und langwierigen theologischen Streit, wurde vorübergehend des Amtes entsetzt und starb 1583.
Theöer-Noricus scheint in Nordhausen von Anfang an manche Widersacher gehabt zu haben, die durch belastende Gerüchte in ihrer Gegnerschaft bestärkt wurden. Als Hans Sander im Herbst 1548 in Schlotheim war, hörte er dort von einem gewissen Hans Kühne, Theder habe in Niederdorla seine Magd geschwängert und ihr hernach einen Trunk zum Abtreiben der Leibesfrucht gegeben. Hans sprach von diesem Gerücht zu zwei Leuten, mit denen er wohl von Schlotheim zurückritt, nämlich dem baldigen Ratsherrn und späteren Bürgermeister Wilhelm Wilde und dem städtischen Stallmeister Gregor Schmidt.
Das Gespräch wurde Theder hinterbracht, der nun Hans Sander beim Rat verklagte. Befragt, ob er solcher Worte geständig sei, erwiderte Hans: ,Za, und er wolle es auch weiter, wenn es vonnöten sein werde, bekennen; für seine Person aber wisse er von Ehrn Johann Theder nichts denn Ehre und Gutes.“ Diese Aussage wurde auf Theders Bitte am 31. Oktober im Ratshandelsbuch protokolliert, und der Zwischenfall schien damit beigelegt.
Durch Hansens Angaben über den Ursprung des Gerüchts und seine persönliche Ehrenerklärung für Theder wurde das Gerücht aber nicht zum Schweigen gebracht, und der Streit zwischen Theder und Hans brach von neuem aus und dauerte mehrere Monate. Schließlich legte sich der Rat ins Mittel und brachte eine Aussöhnung zustande, bei der Hans seine Ehrenerklärung wiederholte und den Theder um Verzeihung bat, wenn er ihn mit den Worten eines unerwiesenen Gerüchts beschwert hätte. Beide Männer versprachen darauf mit Wort und Handschlag, allen Unwillen gänzlich aufzugeben und desselben ferner nicht im unguten zu gedenken.
Hans der Jüngere war ein wohlhabender Mann. Bei der Schatzung von 1551 wird er als Besitzer eines mit 8 Gulden schoßpflichtigen Hauses im Altentorviertel der Oberstadt aufgeführt. Gelegentlich hören wir von Schuldforderungen, wie im Oktober 1545, wo der Ratsherr Andres Mackenrot ihm Zahlung bis Weihnachten verspricht. Auch besaß er ansehnliche Ländereien.
Er starb im Jahre 1552, vermutlich an der Pest, die damals 2500 Einwohner Nordhausen dahingerafft haben soll. Als Erben hinterließ er zwei noch unverheiratete Söhne Liborius und Heinrich sowie eine Tochter, deren Ehemann Georg Eilhard einer alten Ratssamilie entstammte und der Tuchmachergilde angehörte.
Sehr bald nach dem Vater, wohl auch noch als ein Opfer der Pest, verschied Liborius, während Heinrich um diese Zeit in die Fremde ging. Den Nachlaß des Verstorbenen verwaltete zunächst Georg Eilhard, der im Februar 1553 an den Bauer Großkopf in Salza 3 Taler 3 Groschen als Lohn für Bestellung der Länderei des Liborius Sander zahlte und sich diese Ausgabe im Ratshan- öelsbuch bestätigen ließ. Eilhard war es wohl auch, der dem Rat sich und Heinrich Sander als die Erben des Liborius benannte und dann die Erbschaftsakten einreichte.
Der Rat setzte darauf den 9. April 1554 als Termin zur Inrotulation oder Prüfung und Verzeichnung der eingereichten Akten an und lud Eilhard und Heinrich vor. Am festgesetzten Tage erschien aber nur Eilhard, während Heinrich ausblieb. Nun bat Eilhard, sein gehorsames Erscheinen upd Heinrichs ungehorsames Ausbleiben zu den Akten zu registrieren.
Heinrich wird später vorübergehend zur Erledigung der Erbschaftssache nach Nordhausen zurückgekehrt sein, aber seinen Wohnsitz nahm er nicht wieder in der alten Heimat. In dem Göttinger Kämmereibuch lesen wir, daß „Hinrich Sander von Northusen" am 13. Juli 1561 Bürger der Stadt Göttingen geworden sei und eine Göttinger Bürgertochter gefreit habe.
Die späteren Schicksale Heinrichs, der in der neugewählten niedersächsischen Heimat meist Henrich genannt wurde und selbst diese Namensform annahm, werden wir im zweiten Teil unserer Darstellung schildern.
=== Andreas Sander ===
Der gleichen Generation wie Klaus und Hans der Jüngere gehörte Andres Sander an. Manche Umstände sprechen dafür, daß er ein Stiefbruder der beiden war, doch kann er auch ein Sohn des Ratsherrn Albrecht Sander gewesen sein. Infolge einer zweiten Ehe seiner Mutter mit einem Lutterot hatte er drei Stiefgeschwister dieses Namens.
Andres wohnte am Markt und war mit einer Tochter des Quatuorvir Klaus Wilhelm verheiratet. Neben zwei Töchtern hatte dieser zwei Söhne: der ältere, ebenfalls Klaus heißend, nahm nach des Ratsherrn Hans Sander Tode dessen Ratsplatz ein und starb später als Bürgermeister; der jüngere, Hans Wilhelm, wurde Gildemeister und Ratsherr.
Im Jahre 1527 war Andres Sanders Schwiegervater schon seit einigen Jahren tot. Um seiner Witwe Anna Wilhelm einen ruhigen Lebensabend zu sichern, schlossen deren Kinder nach längeren Erbstreitigkeiten auf Anregung von Andres Sander und Klaus Wilhelm am 18. Februar einen Vergleich, über den das Ratshandelsbuch folgendes sagt:
„Vor dem Rate erschien die tugendsame Frau Anna, nachgelassene Witwe Klaus Wilhelms, und ließ durch ihren Anwalt berichten, daß sie ihr Haus und Hof in der Töpfergasse ihren Kindern, sich damit zu vergleichen, übergeben habe.
„Darauf berichtete der Sohn Klaus Wilhelm, daß er dieselbe Behausung von seinem Bruder Hans Wilhelm und seinen Schwägern Andres Sander und Andersleben gekauft habe und zwar für dritthalbhundert Gulden, den Gulden zu 22 Groschen, wovon 30 Gulden als Hypothek auf das Haus verschrieben seien, sodaß von dem Kaufgeld noch 220 Gulden unter die vier Geschwister zu verteilen blieben. Zur Abfindung der beiden Schwestern verspricht er, deren Ehemännern binnen drei Jahren an vier bestimmten Terminen zusammen 138½ Gulden zu bezahlen.
„Hans Wilhelm erklärt, daß ihm sein Bruder von seinem Anteil bereits 55 Gulden bezahlt habe und noch 14 Gulden schuldig sei.“ Sodann wird festgestellt, daß derjenige Teil der außer dem Hause vorhandenen Liegenschaften und fahrenden Habe, der sich noch im Besitze der Mutter befand, von dem Vertrage ausgeschlossen sein solle. Zum Schluß verpflichtet sich der bei der Teilung offenbar bevorzugte Klaus Wilhelm „für sich und seine Erben, die Mutter Zeit ihres Lebens bei sich im Hause zu behalten und sie mit Leibesnahrung zu versorgen. Wenn er selbst aber mit Tode abginge und die Mutter Lei seinen Erben nicht gut versorgt wäre oder sich mit ihnen nicht vertragen könnte, so solle sie mit 50 Gulden aus seiner Erbschaft abgefunden werden. Wenn es aber nicht zur Auszahlung dieser 50 Gulden an die Mutter selbst kommt, so soll er von niemand anderm dieser SuMme halber belangt werden, sondern aller Anforderungen los und ledig sein.
„Hiermit sollen alle Gebrechen (d. h. Streitigkeiten), welche die Brüder, Schwestern und Schwäger ihrer Mitgift oder sonstiger Sachen halber gehabt, gänzlich gütlich wohlvertragen sein und bleiben.“
Aus dem Vertrag ist zu erkennen, daß Andres Sanders Schwiegervater sich nur eines bescheidenen Wohlstands erfreute, mit dem er aber immerhin noch zu dem obersten Fünftel der Steuerzahler gehörte.
Im selben Jahre hatte Andres noch eine Auseinandersetzung mit einer nach Stolberg verheirateten Stiefschwester und im nächstfolgenden einen Streit mit Jakob Ernst, der 10 Gulden von ihm forderte.
Eine an sich unbedeutende Verhandlung, die am 28. Januar 1532 stattfand, führt uns in die Familie des Reformators Justus Jonas ein und erweist Andres als dessen nahen Verwandten von mütterlicher Seite her.
Der Vater des Reformators, der Nordhäuser Bürgermeister Jonas Koch, war mit einer Frau aus dem Ratsgeschlecht Wenden verheiratet. Der Ehe entstammten, soweit bisher bekannt, drei Kinder: Ursula Koch, Justus Jonas, der eigentlich Jobst Koch hieß, und Bertold Koch.
Ursula Koch heiratete den Lorenz Rebbeis, der 1482 in Erfurt studierte, in der Zeit von 1491 bis 1505 siebenmal das Amt des Gildemeisters der Kaufleute bekleidet, von 1508 an im Rate saß, 1517 Bürgermeister wurde und bald darauf starb, während Ursula ihn mindestens bis 1543 überlebte.
Die Verhandlung vom 28. Februar stellte fest: „Alexander Wenden und Berld Michel haben für sich und ihre Erben bekannt, daß ihnen des seligen Lorenz Rebbeis Erben, nämlich Franz Rebbeis, Jürgen Rebening, Ottilie Rebbeis und Andres Sander für seine Person, 18 Gulden von wegen ihrer (Wendens und Michels) seligen Mutter gemäß unseres vorigen Urteils gütlich entrichtet und bezahlt haben. Was aber Andres Sanders Bruder und Schwestern anlangt, soll hiermit ungehindert bleiben.“
Die Erbschaft rührte also von der Frau des Bürgermeisters Jonas Koch, der geborenen Wenden, her und ging deren Geschwister, Kinder und Kinbeskinder an, von denen hier nur der Erbstamm der Ursula Koch, Witwe des Lorenz Rebbeis, erscheint.
Don Andres Sanders nächsten Mitterben hatte Franz Rebbeis in Erfurt studiert und war von 1528 an sechsmal Gildemeister der Tuchmacher. Jürgen Rebening, offenbar ein Schwiegersohn des Lorenz Rebbeis, bekleidete von 1523 an fünfmal das Amt eines Kaufgildemeisters. Ottilie Rebbeis heiratete einen Bruder des früher erwähnten Georg Eilhard mit Namen Andres, der 1533 in die Tuchmachergilde ausgenommen und öfters deren Gildemeister wurde.
Das verwandtschaftliche Verhältnis des Andres Sander und seiner Stiefgeschwister zu Lorenz Rebbeis bleibt ungeklärt und mag ein mehrfach verschlungenes gewesen sein, wie es in jener Zeit, wo alsbaldige Wiederverheiratung Verwitweter die Regel war und mancher Ehebunö mit Stiefkindern aus zwei oder drei früheren Ehen der Neuvermählten begann, leicht Vorkommen konnte. Jedenfalls war Andres dem Schwager und der Schwester des Justus Jonas verwandtschaftlich nahe verbunden und besonders an allen Erbsachen der vorgenannten Erben des Lorenz Rebbeis mitbeteiligt.
Deswegen war es auch für ihn von Belang, als im August 1540, gelegentlich einer großen Feuersbrunst das Haus der Witwe des Lorenz Rebbeis niederbrannte. Der Wiederaufbau brachte die Witwe in große Geldverlegenheiten, die erst erleichtert wurden, als im folgenden Jahre ihr unverheirateter Bruder Bertold Koch ohne Testament starb.
Nun aber machte ihr anderer Bruder Justus Jonas bevorrechtigte Erbansprüche geltend, da er dem Verstorbenen große Zuwendungen gemacht habe unter der Bedingung, daß dieser des Jonas Kinder zu Erben einsetze. Jonas, der damals mit Mut und Tatkraft die Reformation in Halle öurchführte, genoß eine sehr ansehnliche Besoldung von mehreren hundert Gulden jährlich, sodaß er im Vergleich mit seiner Schwester und deren Angehörigen für reich, diese aber für arm angesehen wurde. Trotzdem vertrat Jonas seine vermeintlichen, von vielen anderen für zweifelhaft gehaltenen Rechtsansprüche mit solchem Nachdruck, daß er in den Ruf der Habsucht und Ungerechtigkeit geriet. Durch einen Freund hierauf hingewiesen, erwiderte er hochfahrend: „Soll meinen armen Vettern geholfen werden, so sollen sie der Hilfe aus meiner Hand gewarten, nicht aber mich mit Schanden, Schaden und Schimpf vom Erbe ausschließen.“
Sein Verhalten wurde in Nordhausen allgemein besprochen und verurteilt, und daß die Erben des Lorenz Rebbeis durchaus nicht als arme Vettern auf freiwillige Wohltaten des Jonas angewiesen waren, zeigt ein Vorgang vom 6. Oktober 1542. Da erklärte Andres Eilhard vor dem Nat: Der achtbare und hochgelahrte Herr Justus Jonas habe ihm wegen seines (Eilhards) Eheweibs, des seligen Lorenz Rebbeis Tochter, 24 Gulden bezahlen lassen, die er vermöge einer Schrift zu geben pflichtig. Eilhard und sein Eheweib entsagen deshalb allen Ansprüchen auf den vor dem Töpfertore gelegenen Hopfenberg, den Justus Jonas als Unterpfand für die erborgte Schuld eingesetzt hatte.
Wenn Jonas auf Geld großen Wert legte, so erklärt sich das zum Teil aus der Gastlichkeit und den Gaben, denen die berühmten Männer jener Zeit sich nicht entziehen konnten, zum Teil aus den Ausgaben für seine große Familie. Drei Monate nach der Zahlung an Andres Eilhard verlor er seine erste Frau bei der Geburt des dreizehnten Kindes. Schon ein halbes Jahr darauf heiratete der Fünfzigjährige ein Mädchen von 22 Jahren, und mit fast 57 Jahren ging er eine dritte Ehe ein.
Zu Anfang des Jahres 1543  kam Jonas nach Nordhausen und scheint dann den Erbschaftsstreit mit der Rebbeis'schen Verwandtschaft beigelegt zu haben.
Zwei Jahre später, am 22. Februar 1545, begegnet uns Andres Sander als Zeuge eines Hausverkaufs des Hans Küche, der mit Hans Sander dem Jüngeren zusammen das Testament der Elisabeth Kappel besiegelte. Seinen ersten Wohnsitz am Markt behielt Andres nicht bei, sondern vertauschte ihn mit einem Hause in der Eselsgasse. Dort wohnte er im Jahre 1551 neben einem Hause der Witwe des Klaus Sander, auf der anderen Seite nur durch ein Haus von dem Wohnsitz Hans des Jüngeren getrennt. Der Schoß von 5 Gulden, den er zu zahlen hatte, läßt seinen Besitz zwar nicht als gering, aber doch als dem seiner Verwandten erheblich nachstehend erkennen.
Wenngleich ein Bewohner des Altentorviertels, wurde er im folgenden Jahre auf einen Ratsplatz des Töpferviertels in den Rat berufen. Nur sehr kurze Zeit blieb er im Amt, denn vermutlich schon im Sommer 1552 wurde er wie vier andere Mitglieder seines Ratsregiments von der Pest dahingerafft.


== Hans Sander, Klausens Sohn ==
== Hans Sander, Klausens Sohn ==
Von der Nachkommenschaft des Ratsherrn Hans Sander war der Mannesstamm Hans Sanders des Jüngeren abgestorben oder ausgewandert, doch ein Sohn Klaus Sanders pflanzte die Familie in Nordhausen fort: Hans Sander, der dritte dieses Namens in seinem Geschlecht.
Er heiratete Ursula Thomas aus der uns bekannten Ratsfamilie. Am 15. August 1561 kaufte er ein vor dem Hagen gelegenes Haus für 600 Gulden, welches er noch am gleichen Tage gegen ein Haus in der Kickergasse eintauschte, um dann dieses zu bewohnen. Da von etwa 1000 Häusern der Stadt nur 62 500 Gulden oder mehr, 800 aber unter 200 Gulden und hiervon 500 sogar unter 50 Gulden kosteten, muß Hansens Haus recht ansehnlich gewesen sein.
Zwei Jahre später finden wir Hans in naher Beziehung zur Familie Ferer. Wir erinnern uns, daß der Ratsherr Hans Sander Nachbar des Martin Ferer war, der Margarete Sander, die echte Schwester des Rotanotars, zur Frau hatte; daß Hans Sander der Jüngere sich für Martin Ferers Sohn, den Domherrn Johann Ferer, bei einer äußerst heiklen Angelegenheit zugleich mit dessen Bruder Joachim Ferer verbürgte; nun erfahren wir, daß der dritte Hans Sander bei einem Häusertausch der Witwe des Joachim Ferer, offenbar in der Eigenschaft eines Verwandten, als Zeuge mitwirkt.
Joachim Ferer war durch den plötzlichen Tod seines Bruders alleiniger Erbe des Rotanotars und damit für Nordhäuser Verhältnisse ein reicher Mann geworden, aber ungefähr sieben Jahre später, vielleicht an der Pest von 1552, gestorben. Seine Frau Elisabeth und eine Tochter Ottilie überlebten ihn, und letztere fand bald einen ansehnlichen Freier aus einer Familie, die während des ganzen 16. Jahrhunderts zu den ersten der Stadt gehörte. Er hieß Celiax Ernst, war ein Enkel des früher erwähnten gleichnamigen Bürgermeisters und dessen Frau Katharina Rebbeis und wurde Rat und Rentmeister des Grafen von Hohnstein. Celiax Ernst war zweifellos evangelisch, denn seine Mutter vermachte der Blasiikirche bie Werke Luthers und seine Oheime zählten zu den eifrigsten Förderern der Reformation. Dieser Mann heiratete um 1555 die Nichte des Domherrn Johann Ferer.
Die Schwiegermutter Elisabeth Ferer wohnte in der Rautengasse Nr. 497, einem mit 426 Gulden 6 Groschen veranschlagten Hause. Sie besaß noch ein Haus unter den Weiden zu 120 Gulden, einen Garten in der Flickengasse zu 20 Gulden und 4 Acker Land zu 79 Gulden 6 Groschen.
Im Jahre 1563 wollte Frau Ferer ihr Haus gegen ein größeres vertauschen, und zwar gegen eins in der Kranichgasse, welches der Ratsherr Andres Mackenrot zwanzig Jahre zuvor für 800 Gulden von seiner Mutter übernommen hatte. Der Preisunterschied zwischen beiden Häusern betrug also etwa 374 Gulden, doch mag Mackenrot sein Haus zu einem Vorzugspreise erworben oder es hernach verbessert haben. Jedenfalls verstand sich Frau Ferer zu einer größeren Zuzahlung.
Am 30. Juni wurde der Tauschvertrag von Andres Mackenrot und Celiax Ernst als Vertreter der Frau Ferer unter folgenden Bedingungen abgeschlossen:
Elisabeth Ferer erhält Mackenrots Behausung in der Kranichgasse und übergiebt dafür bie ihre in der Rautengasse nebst einer Zuzahlung von 466 Gulden.
Jeder übergiebt sein Haus dem anderen ohne alle Belastung; jeder darf alles, was nicht erd- und nagelfest ist, mit sich nehmen, nur die Keltern und vier große Stücke Holzes in Mackenrots Haus sollen der Frau Ferer verbleiben. Das Braugeschirr soll ein jeder, so gut er es hat, mit sich nehmen und behalten, nur wenn Mackenrot seinen Bräubottich im Fererschen Hause nicht würde aufstellen können, sollen die Bräubottiche an ihren alten Plätzen gelassen werden.
Beide Teile dürfen bis Michaelis 1563 in ihren bisherigen Häusern wohnen bleiben, jedoch darf Frau Ferer in dem ihr übereigneten Hause schon vorher nach Belieben bauen, bessern, handeln und wandeln. Für diesen guten Willen des Mackenrot und dafür, daß er der Frau Ferer den Dortritt vor einem andern gelassen, verspricht ihm Celiax Ernst eine besondere Verehrung.
Falls ein Teil diesem Vertrage nicht Folge leisten könnte, möchte oder wollte, gleichviel aus welchen Ursachen, so soll er dem andern allen Schaden, wie der denselben namhaft machen wird, und darüber noch 100 ganze Taler ohne Weigerung bei Ehren, Treuen und Glauben reichen und geben, wofür jeder Teil hiermit seine bereitesten Güter eingesetzt haben will.
Den Vertrag besiegelten neben Mackenrot und Ernst fünf Zeugen: an erster Stelle Ehrn Heinrich Thomas, an zweiter der Stadtschreiber Magister Matthias Luder, an fünfter Hans Sander.
Ehrn Heinrich Thomas, nicht zu verwechseln mit dem schon 1540 verstorbenen gleichnamigen Bürgermeister, ist durch den Titel als Geistlicher gekennzeichnet, gehörte aber nicht zur damaligen evangelischen Geistlichkeit der Stadt, sodaß wir ihn für einen katholischen Kleriker des Kreuzstifts halten müssen. Die Thomas gehörten zu den konfessionell gespaltenen Familien der Stadt und waren von alter Zeit her dem Kreuzstift nahe verbunden. Während der ersten 40 Jahre nach Einführung der Reformation in Nordhausen saßen drei Thomas im Rat, vier dagegen sind als Domherren nachweisbar, darunter als letzter Matthias Thomas. Bei den Ratsherren dürfen wir die evangelische Konfession als Regel annehmen. Immerhin ist ersichtlich, daß die Katholiken noch stark genug waren, um diesen oder jenen Ratssitz zu behaupten. So hatte der evangelische Pfarrer von St. Jakobi Andres Ernst, ein Oheim des Rentmeisters Celiax Ernst, einen besonders scharfen Widersacher in dem katholischen Ratsherrn Bastian Puchbach, der erst 1532, also acht Jahre nach Einführung der Reformation, in den Rat berufen worden war. Puchbach gehörte der Bäckergilde an; von dem etwas späteren Nordhäuser Bäcker Georg Forkel hören wir, daß er nach Rom ging und bei 10 Jahren des Papstes Hofbäcker war.
Hans Sander dürfte seinem Mitzeugen Ehrn Heinrich Thomas als Vetter der Ferers und als Ehemann der Ursula Thomas verwandt gewesen sein. Wie sein Oheim Hans Sander der Jüngere durch die Ferers und Baders, so war er durch die Ferers und Thomas mit Katholiken verbunden. Trotzdem die Nordhäuser Sanders sich anscheinend seit Einführung der Reforsation zum evangelischen Glauben bekannten, ist bei ihnen ebenso wenig wie sonst in der Bürgerschaft etwas von konfessionellen Feindschaft zu bemerken, während einige evangelische Prediger sich durch Pfaffengezänk gegen Rat, Amtsbrüder und Andersdenkende hervortraten.
Daß manche Katholiken, die anfänglich der römischen Kirche treu blieben, später doch noch abfielen, mag nicht zum wenigsten auf die abschreckende Verwahrlosung des Kreuzstifts zurückzuführen sein. Des Domherrn Johann Ferers Verfehlungen im Jahre 1538 sind uns bekannt. 1546 begann der Domvikar Christian Heune einen maßlosen, bis 1560 dauernden Streit gegen die Stadt, der mit seiner Hinrichtung als Landsriedensbrecher endete. Matthias Thomas, seit 1555 als Domherr des Kreuzstifts genannt, wird als einer der schlimmsten unter den damaligen Kanonikern gekennzeichnet. Im Jahre 1564 müssen er und der Domherr Andres Kramer je 10 Taler Strafe zahlen, weil sie sich miteinander geschlagen haben. 1565 beschwert sich der Rat wie folgt über das gottlose Leben und Treiben der Pfaffen zum Heiligen Kreuz:
„Der Dekan ist ein leichtfertiger, hoffärtiger, trotziger junger Abenteurer. Der Senior übt Ehebruch, Hurerei und Schande. Der dritte Kanoniker Andres Kramer ist Landfriedensbrecher, ein leichtfertiger, mutwilliger Geselle; Matthias Thomas, der 4. Kanoniker, hat eines guten, frommen Mannes junge Tochter als Magd in Dienst genommen und verführt, sechs oder sieben Kinder erzeugt, von denen etliche verstorben und heimlich bei Nacht begraben sein sollen, sodaß ein großer Zweifel ist, ob dieselben die Taufe empfangen, und wie es um ihr Absterben beschaffen gewesen. Der 5. Domherr Heinolphus ist in Unzucht, Unkeuschheit und Ausschweifungen versoffen. Der ältere Vikar hat 28 Jahre mit einer Frau in Ehebruch gelegen. Der 2. Vikar hat Mörder und Räuber beherbergt, ihnen gestohlene Sachen abgekauft, sie zu weiteren Schandtaten verleitet, und als die Sache an den Tag kam, ist er geflohen und nicht wiedergekommen.“
Die Schutzfürsten beschlossen darauf im Dezember, einige Räte zu einer überraschenden Untersuchung nach Nordhausen zu entsenden. Was weiter geschah, ist unbekannt, doch führte Matthias Thomas noch einige Jahre später als Scholastiker die Aufsicht über die Stiftsschule.
Solche Zustände mußten abstoßend wirken, und so ist es begreiflich, wenn auch die Ferers nicht der katholischen Kirche treu blieben. Ottilie Ferer, die Gattin Celiax Ernsts, stiftete nach dessen Tode der evangelischen St. Blasii-Kirche einen Taufstein.
Hans Sander stand mit Celiax Ernst in geschäftlichen Beziehungen. Als er im Oktober 1565 ein ihm gehöriges kleines Haus auf dem Frauenberge für 60 Gulden verkaufte, wies er den Käufer an, das Kaufgeld in bestimmten Raten an Celiax Ernst auszuzahlen.
Um Ende April 1567 erbte Hans von seiner Mutter deren Zu 750 Gulden veranschlagtes Haus und 34 Acker Landes. Nun verkaufte er das bisherige eigene Wohnhaus in der Kickergasse und bezog das mütterliche. Dazu erwarb er im Herbst desselben Jahres ein zweites Haus aus dem Petersberge für 276 Gulden zu getreuen Händen des Hans Thomas, der als Salzfaktor der Grafen von Mansfeld deren Salzwerken zu Salza Vorstand.
Im folgenden Jahre tritt Hans zweimal bei Erbabfindungen auf. Zuerst wollte sich Kerstan Kirchhof, ein Witwer mit 5 Kindern und wohl ein Vetter Hansens, wiederverheiraten und richtete deshalb am 20. Oktober einen Erbteilungsvertrag auf mit Bewilligung und im Beisein der Paten, Vettern und Freunde, nämlich der Ehrbaren und Fürsichtigen Balzer Frank, Johann Schontzell, Hans Sander und vier anderer. Elf Tage später fand sich die Witwe Elisabeth Braun in gleicher Lage. Sie erklärt: „Da mein seliger und lieber Hauswirt Bruno Braun aus diesem Elend verschieden ist und meine und meiner fünf Kinder hohe, unvermeidliche Notdurft es erfordert, mich wiederum zu verehelichen", so will sie mit Bewilligung und im Beisein ihrer Vettern und Freunde, der Ehrbaren und Fürsichtigen Hans Wille, Heinrich und Andres Braun, Gebrüder, Andres Michels und Hans Sander, mit ihren Kindern einen Erbteilungs- und Abfindungsvertrag schließen.
Hansens Beruf ist ebensowenig bekannt wie der seines Vaters Klaus. Beide zeichnen sich durch ansehnlichen Landbesitz in der engen Stadtflur aus. Zum Vergleiche sei angeführt, daß Michael Meyenburg, um jene Zeit der reichste Bürger der Stadt, einen Besitz von 34 Acker Landes in der Stadtflur hinterließ. Klaus Sanders Witwe besaß 76½ Acker. Hans erbte von ihr 34 Acker, dazu als Nacherbe noch 43/4 und von seiner Schwiegermutter 16¼, zusammen 55 Acker. Seine Ländereien bestanden aus 46 Acker Feld, 4 Acker Wiesen und 5 Acker Weinwachs. Der Schätzungswert der Felder betrug 6 oder 8 Gulden, der Wiesen 20 Gulden, des Weinwachses 10 Gulden je Acker. Die Verkaufspreise stellten sich erheblich höher und waren besonders bei Weinwachs von dem jeweiligen Stande des Anbaus bedingt; im Durchschnitt wurden erzielt bei Feldern und Wiesen 40, bei Weinwachs 50 Gulden für den Acker. Hansens Landbesitz war also etwa 2250 Gulden wert, das heißt so viel wie etwa drei sehr stattliche Häuser.
Hans starb im Jahre 1587, Frau Ursula mit zwei Söhnen zurücklassed, von denen der ältere Perlinus bereits großjährig, der jüngere Liborius noch ein Knabe war. Wohl als Perlinus heiratete, erwarb bie Witwe ein kleineres Haus für sich und verkauft« dann das alte Haus in der Rautengasse am 7. Oktober 1590 für 900 Gulden. Auch den Landbesitz, soweit er nicht den Kindern zufiel, veräußerte sie allmählich. Gegen Ende des Jahres 1600 folgte sie ihrem Gatten im Tode nach.
Perlinus scheint sie nicht lange überlebt zu haben. Von Liborius hören wir, daß er nach der großen Feuersbrunst von 1612 als einer der Abgesandten des Rats Thüringen durchreiste, um der Sitte der Zeit gemäß von den größeren Ortschaften des Landes Hilfe für die Abgebrannten zu heischen. Spätestens im Jahre 1626 ist Liborius gestorben. Damals wütete die Pest so stark, daß die Toten nicht in die Kirchenbücher eingetragen werden konnten, da ihrer zu viele waren.
In dem Nordhäuser Schatzungsregister von 1627 wird kein Bürger des Namens Sander mehr erwähnt. Die Familie war in der Reichsstadt Nordhausen abgestorben. Inzwischen aber hatte der um 1552 ausgewanderte Henrich Sander sie in Göttingen zu neuem, kräftigem Leben gebracht.


== Anhang ==
== Anhang ==
=== Kritische Bemerkungen ===
über Münzers Bewegungen vom 26. April bis zum 15. Mai 1525 und die gleichzeitigen Vorgänge in Nordhausen.
Die Vorgänge in Nordhausen von Ende April bis Mitte Mai 1525 wurden von den Bewegungen Münzers stark beeinflußt; die Feststellung ihrer zeitlichen Aufeinanderfolge ist zum Teil nicht ohne genaue Kenntnis der Bewegungen Münzers möglich. Die Angaben, die Forstemann in seinem 1855 erschienenen Aufsatz „Nordhausen im Bauernkriege 1525" über Münzers Bewegungen macht, können zum Teil genauerer Kritik nicht standhalten, zum Teil werden sie durch neuere Forschungen und Veröffentlichungen ergänzt und berichtigt. Trotzdem sind sie bis in die neueste Zeit hinein von manchen für richtig gehalten worden und haben zu falschen Darstellungen und Schlüssen geführt.
Wir versuchen deshalb, zunächst Münzers Bewegungen vom
26. April bis zum 15. Mai 1525 und dann die gleichzeitigen Vorgänge in Nordhausen zeitlich zu ordnen.
'''1. Münzers Bewegungen vom 26. Äpril bis zum 15. Mai 1525.'''
:Förstemann macht (S. 79–81) folgende Angaben über Münzers Bewegungen:
:26. April: Ausmarsch aus Mühlhausen, erfolgloser Zug vor Langensalza, Nachtlager bei Höngeda.
:27. April: (Taten nicht angegeben), Nachtlager bei Görmar.
:28. April: Plünderungen in Schlotheim und Volkeroda, Nachtlager wieder bei Görmar.
:29. April: Plünderungen in Allmenhausen und Ebeleben, Nachtlager bei Ebeleben.
Bis hierher sind die Angaben glaubwürdig, nur wurde Volkeroda (nach Geh H. S. 178) bereits am 27. April geplündert. Nun aber folgt für die nächsten Tage eine Häufung und Zusammendrängung von Kriegstaten und Bewegungen, die den Tatsachen durchaus nicht entspricht und für den 30. April geradezu ungeheuerlich ist, nämlich:
:30. April: Marsch von Ebeleben bis Heiligenstadt (45 Kilometer) unter Plünderung von sieben oder mehr Klöstern und Schlössern ; dann noch am selben Tage Marsch von Heiligenstadt bis Duderstadt (20 Kilometer) unter Plünderung von vier Klöstern und Schlössern.
:1. Mai: Rückzug von Duderstadt nach Mühlhausen (40 Kilometer) dazu wohl noch Plünderung von Gernrode.
:2. Mai: Ausmarsch von Mühlhausen zu dem zweiten „Hauptfeldzuge", Marsch nach Ebeleben (22 Kilometer), Nachtlager bei Ebeleben.
:3. – 5. Mai: Marsch von Ebeleben bis Frankenhausen (32 Kilometer).
Danach wären am 30. April nicht nur 65 Kilometer zurückgelegt, sondern auch 11 Plünderungen ausgeführt worden!
Auch wenn wir keine anderen Beweise dafür hätten, daß Förstemanns Datierungen falsch sind, müßten wir sie wegen solcher Angaben verwerfen. Münzer konnte, wenn er zu Beginn seiner Kriegszüge mit einer kleinen, einigermaßen geordneten Schar ausrückte und erst am Ende des Marsches plündern ließ, ausnahmsweise 20 bis 30 Kilometer vorwärts marschieren. Je mehr aber sein Kriegshaufe anschwoll, desto geringer wurden die Marschleistungen der sich auf schlechten Wegen mit schwerfälligem Troß fortwälzenden, durch Unordnung und Plünderungen aufgehaltenen Menge. Das Zurücklegen von 15 Kilometer in der Vormarschrichtung war für Bauernhaufen schon eine ganz ansehnliche Leistung.
Förstemann verlegt offenbar deshalb so viele Bewegungen Münzers auf den 30. April und 1. Mai, weil er den zweiten Ausmarsch Münzers auf den 2. Mai ansetzen zu müssen glaubt. Dieser Annahme wegen erklärt er (S. 78 Anm. 2) die Angabe, daß Münzer am 4. Mai vom Felde vor Duderstaöt einen Brief an den Grafen Günther von Schwarzburg geschrieben habe, für zweifellos falsch, und meint, der Brief sei wohl vor dem 1. Mai geschrieben. Neuere Forschungen berichtigen Förstemanns Angaben. Münzer legte den Marsch von Ebeleben nach Heiligenstadt nicht am 30. April zurück, sondern traf erst am 2. Mai abends mit etwa 6000 Mann vor Heiligenstadt ein (Zimmermann S. 167, Brand S. 72, Getz S. 166, Franz, Akten S. 403). Daß Heiligenstadt „sich fügen mußte", wie Förstemann sagt, trifft nicht zu. Münzer verweilte einige Zeit vor der Stadt, durfte sie auch mit einigen Begleitern betreten, brachte sie aber nicht zum Anschluß. (Brand S. 72, Geß S. 166, Franz, Bauernkrieg, S. 429). Am 4. Mai wollte er vor Rusteberg ziehen (Geß S. 166), doch gab er diesen Plan auf und marschierte statt dessen nach Duderstadt, wo er am Nachmittage des 4. Mai eingetroffen sein wird. Gegen die Datierung des Briefes vom 4. Mai an den Grafen von Schwarzburg ist also durchaus nichts einzuwenden. Von Duderstadt aus kehrte Münzer über Worbis nach Mühlhausen zurück. Vermutlich verließ er später in Worbis das sich auflösende Bauernheer und eilte mit schwachem Gefolge nach Mühlhausen, wo „man" nach Brand (S. 72) am 6. Mai eintraf, während Zimmermann den Tag nicht anzugeben vermag und Franz, Bk. S. 484 Münzers Zug ins Eichsfeld bis zum 7. Mai dauern läßt.
Der zweite Ausmarsch fand nach Brand (S. 76) am 10. Mai statt, nach Zimmermann (S. 179–80) bereits am 7. Mai. Brands Angabe wird durch Münzers Briefwechsel (S. 116–122) bestätigt, denn am 7., 8. und 9. Mai ließ Münzer noch mehrere Briefe aus Mühlhausen ergehen. In einem derselben sagt er über sein Derweilen dem Sinne nach: „Wir haben über die Maßen zu schaffen, unsere Brüder zu mustern (d. h. in feste Ordnung zu bringen), denn es ist nur ein ungefüges Volk, wenn ein jeder nach Belieben sich wieder entfernen kann.“ Am 10. Mai schreibt er aus Ammern, 3 Kilometer nördlich Mühlhausen, am 12. aus Frankenhausen.
Wir können deshalb annehmen, daß er am 6. Mai nach Mühlhausen zurückkehrte und am 10. morgens nach Frankenhausen aufbrach. Bei diesem zweiten Auszuge gelangte er nach Förstemann am ersten Tage bis Ebeleben, wo er bei seinem zweiten Auszuge vom 29. und 30. April Nachtlager gehalten hatte. Den ganzen, etwa 54 Kilometer messenden Weg bis Frankenhausen legte er mit seiner kleinen, ausgesuchten Schar trotz der mitgeführten Karrenbüchsen in 2 Tagen zurück. Am 11. Mai abends wird er in Frankenhausen ein getroffen sein, denn am 12. Mai erließ er von dort cm Graf Al- brecht von Mansfeld ein geharnischtes Schreiben, auf das er noch am selben Tage Antwort haben wollte. Das Schreiben muß also schon am Vormittag abgegangen sein.
Der Walkenrieder Bauernhaufe erhielt am 13. Mai von Münzer die Aufforderung, nach Frankenhausen zu kommen. Die Führer des Haufens antworteten darauf sofort: „Sie könnten nicht so eilend Zusammenkommen, denn der Haufe sei von einander, und die Verweser und Diener kämen erst am Sonntag, den 14. wieder zusammen.“ Am 14. Mai brach der Haufe aber doch noch auf und marschierte bis zur Flarichsmühle bei Nordhausen. Am 15. Mai machte die Schlacht bei Frankenhausen dem Kriege ein Ende.
'''2. Die Vorgänge in Nordhausen vom 29. April bis 15. Mai 1525.'''
Zur zeitlichen Anordnung der Vorgänge in Nordhausen vom 29. April bis zum 15. Mai 1525 bienten den bisherigen Darstellern vornehmlich 5 von Förstemann (Kleine Schriften) überlieferte Daten:
#29./30. April: erstes Nachtlager Münzers bei Ebeleben (S. 79).
#2./3. Mai: zweites Nachtlager Münzers bei Ebeleben (S. 80).
#3. Mai: Beschluß zur Vereidigung der Geistlichen (S. 87, Anm. 1).
#8. Mai: Abgeordnete des Rats erscheinen vor dem Klostersturm im Predigerkloster (S. 89, 90, 92).
#14./15. Mai: Nachtlager des Walkenrieder Haufens bei der Flarichsmühle (S. 82).
In dem Bestreben, an der Hand dieser 5 Daten eine folgerichtige Schilderung zu geben, kommen die Darsteller zu den verschiedensten Vermutungen über die zeitliche Reihenfolge der Hauptsächlichsten Vorgänge: Ritt Sanders und Helmsdorfs nach Ebeleben, Aufruhr im Altendorf, Befragung der Viertel, Klosterstürme.
Förstemann setzt den Ritt nach Ebeleben auf den 2. oder 3. Mai (S. 80, Anm. 3); er ist im Zweifel, ob er den Aufruhr im Altendorfe mit Münzers Anwesenheit in Ebeleben oder mit dem Walkenrieder Haufen in Verbindung bringen soll (S. 85 Anm. 3), trotzdem er aus S. 85 Anm. 2 ersehen konnte, daß von allen Unruhen die im Altendorf „zuerst" stattfanden; die Befragungen der Viertel „scheinen im Anfänge des Maimonats 1525 gewesen zu sein" (S. 87 Anm. 1), die Klosterstürme „erst in den Tagen zwischen dem 8. und 15. Mai" (S. 92 Anm. 2).
Perschmann (Die Reformation in Nordhausen), ganz von Förstemann abhängig, entscheidet sich dafür, den Aufruhr im Altendorfe mit der Annäherung des Walkenrieder Haufens in Verbindung zu bringen, und verlegt ihn aus den 14. Mai (S. 29).
Meyer (Aus Nordhausens Vorzeit) setzt den Ritt nach Ebeleben auf den 30. April (S. 64), die Befragung der Viertel – anscheinend – in die Zeit vom 1. bis 3. Mai (S. 65), die Klosterstürme in die nächsten Tage nach dem 3. Mai (S. 65), den Aufruhr im Altendorfe auf den 15. Mai (S. 65).
Silberborth, dessen meisterhafte Geschichte der Freien Reichsstadt Nordhausen unsere aufmerksamste Beachtung verdient, setzt den Aufruhr im Altendorfe auf den 29. April (S. 307), spricht dann von einer Revolution im Rautenviertel (S. 308), dann von Unruhen in der Oberstadt (S. 309), Verhandlungen von Kehner und Münzer bei Ebeleben am 2. oder 3. Mai (S. 309), Befragung der „Viertelsmänner" (S. 309), Klosterplünderungen seit Anfang Mai (S. 310) und einem Unwesen, das der Rat die Stadt ruhig durchtoben ließ, bis die Schlacht von Frankenhausen demselben am 15. Mai ein Ende machte (S. 310). – So annehmend, daß der Rat vom 29. April bis zum 15. Mai, also 17 Tage lang, den Unruhen nicht zu steuern vermochte, und nicht wissend, „wo der schlaue Diplomat Meyenburg in den Tagen des Aufruhrs steckt" (S. 310), kommt Silberborth zu höchst absprechenden Urteilen über den Rat und Meyenburg (S. 307, 309–312).
Die Verschiedenheit der Vermutungen über die Zeitliche Reihenfolge der Vorgänge erklärt sich aus der Unmöglichkeit, an der Hand der 5 Förstemannschen Daten eine klare, durch innere Wahrscheinlichkeit überzeugende Darstellung zu geben. Und diese Unmöglichkeit ist darin begründet, daß 2 von den 5 Daten falsch sind.
Wie wir im ersten Teil unserer kritischen Bemerkungen öar- legten, fand Münzers zweites Nachtlager bei Ebeleben nicht am 2./3. Mai, sondern 8 Tage später, am 10./11. Mai statt. Da dieser späte Termin den übrigen Ereignissen und Zeitverhältnissen nach für Sander und Helmsdorfs Ritt nach Ebeleben nicht in Betracht kommen kann, so muß dieser Ritt zur Zeit des ersten Nachtlagers bei Ebeleben am 20./30. April erfolgt sein.
Das zweite falsche Datum ist der 8. Mai als ein Tag vor dem Klostersturm im Predigerkloster. Dieses Datum wird durch Büschs Bericht vom 4. Mai 1525 (Geß S. 166), der die Ereignisse der letzten Tage völlig klargestellt, gründlich widerlegt: alle Klöster in Nordhausen sind in den letzten drei Tagen geplündert, Meyenburg war bei dem Mühlhäuser Heer vor Heiligenstadt und ist am 4. Mai morgens zurückgekehrt, das Mühlhäuser Heer hatte am 4. Mai vor Rusteberg sein wolle
n.
Nach Ausmerzung der beiden falschen Daten können wir nun folgende als richtig einsetzen:
:29. oder 30. April: Ritt nach Ebeleben und Aufruhr im Altendorf.
:30. April: Befragung der Viertel.
:1. – 3. Mai: Klosterstürme, deren folgerichtigen Abschluß der Beschluß vom 3. Mai zur Vereidigung der Geistlichen bildet.
Zu den Vorgängen in Nordhausen nach dem 4. Mai ist dann noch folgendes anzuführen:
Am 6. Mai fordert der Langensalzaer Haufe die Stadt Weißensee zum Anschluß auf und droht mit dem Mühlhäuser Haufen, der auf dem Eichsfelbe viele Schlösser gestürmt habe und jetzt gegen Nordhausen ziehen oder schon davor liegen würde (Geß S. 187).
Am 7. Mai bittet der Amtmann zu Sangerhausen den Nordhäuser Rat um Hilfe gegen die bei Frankenhausen liegenden Bauern, „da ich glaublich erfahre, daß ihr zu Nordhausen 200 oder mehr Knechte habt" (Förstemann S. 91–92). Er hält also Nordhausen für sehr gut gesichert.
Am 8. Mai schlägt der Rat dem Amtmann die Bitte ab, „da wir wegen desselben Volks auch in großer Not stehen" (Förstemann S. 92). Der Rat meint hiermit zweifellos äußere Feinde, insbesondere den Mühlhäuser Haufen, nicht aber Aufrührer in der Stadt.
Als sich der Mühlhäuser Haufe auf dem Eichsfelde aufgelöst hatte und Münzer nach seinem zweiten Ausmarsche von Ebeleben aus nicht nach Nordhausen weitermarschiert sondern nach Frankenhausen abgezogen war, befand sich die Stadt außer ernstlicher Gefahr.
Der Umstand, daß Münzer weder vom Eichsfelde aus noch bei seinem zweiten Ausmarsch etwas gegen die Stadt unternahm, spricht für die gute Ordnung in dieser. Wäre sie von lange andauernden und dabei naturgemäß immer stärker werdenden Unruhen durchtobt gewesen, so wäre sicher ein Handstreich gegen sie versucht worden, denn der Gewinn ihres Geschützes war für die Bauern von allergrößter Wichtigkeit.
Als der Walkenrieder Haufe am 14. Mai an der Flarichsmühle Halt machte, wußte er, daß er nichts gegen die Stadt ausrichten konnte, und ließ sie beim Weitermarsch in respektvoller Entfernung links liegen.
Auf Grund unserer Ermittelungen und Schlüsse sind wir zu einer wesentlich anderen Darstellung der Ereignisse und einer günstigeren Beurteilung des Rats und besonders Meyenburgs gelangt als Silberborth. Die Darlegung unserer Gründe hielten wir für eine Dankespflicht gegen diesen Forscher, der als erster das gewaltige Werk einer umfassenden und gründlichen Geschichte der Reichsstadt Nordhausen unternommen und glücklich zustande gebracht hat.
Auf eine größere Anzahl von ungenauen oder unzutreffenden Angaben, die wir vornehmlich in älteren Nordhäuser Schilderungen bemerkten, kann hier nicht eingegangen werden, nur zweier Verwechslungen, die den Aufrührer Hans Sander betreffen, sei gedacht. In dem von Oßwald (Nordhäuser Kriminal-Akten, S. 12 bis 15) mitgeteilten, nach Förstemann (S. 85) auf Prozeßakten gegründeten Aufruhrbericht, heißt es (S. 13), „Hans Kehner" sei mit seinem Bruder nach Ebeleben geritten, – eine Angabe, die Silberborth (S. 309) übernommen. Ferner sagt Förstemann (S. 86), „Sander sollte beim Rolande kochen“. Beide Angaben sind falsch. In dem Original des Bekenntnisses Hans Sanders im Nordhäuser Stadtarchiv (H M. A. 10) wird dreimal erwähnt, daß Hans Sander mit seinem Stiefbruder Berlö Helmsdorf nach Ebeleben geritten sei, während von einem Ritt Kehners nichts verlautet, und außerdem heißt es darin: „Berlt (Helmsdorf) wolt beym Ruland kochen.“
== Quellen und Literaturverzeichnis ==
=== A. Quellen ===
*Nordhäuser Stadtarchiv: I. Einzelurkunden: J 45, L c 37, N c 3, N i 28, O b 11, 21. 31. 35. 36. P a 6a. – II. Bücher, Akten, Briefe: Album civium, L 12, 13 (Rottenverzeichnisse, Bestellung der Türme und Tore, Rechnungen von Schoßherren und Pfeilmeistern), M a 10 (Bekenntnis Hans Sanders), N a 18 (Fehde- und Sühnebuch), O a 10 (Domstift), O b 1 (Frauenbergkloster), O d 1 (Barfüßerzins), S a 1 . 2 (Schultheißenamts-Registraturen), U a 1 (Knochenhauer-Innung), U c (Wollenweber-Gesetze), W a 1.2 a. 2 b (Erbbücher), X (Schatzung 1551), X d 1.5 (Ackerzinsbücher), X e 1.2 (Ratsämterbücher), X e 8 (Ratsherren, Stadtschreiber, Handwerksmeister), X M 8 (Spende-Register), Y b 1 a. b. c. (Ratshandelsbücher), Z a 5 (Frommannsche Sammelbände), Z a 6 (Reinhardtsche Sammelbände), Marstallordnung.
*Hauptstaatsarchiv Dresden: Cop. 112 (Büschs Ernennung 1510), Cop. 124.125.128 (Gebrechen zwischen Schultheiß und Rat 1516–17), III 113 (Verdacht lutherischer Lehre 1525), III Loc. 8959 (Kreuzstift 1565).
*Göttinger Stadtarchiv: Kämmereibuch 1560/61.
=== B. Literatur ===
*Böhmer und Kirn, Thomas Müntzers Briefwechsel. Leipzig und Berlin 1931.
*Brand, Der deutsche Bauernkrieg. Jena 1929.
*Förstemann, Geschichte der Stadt Nordhausen. Erste Lieferung nebst Nachträgen. Nordhausen (1827–40).
*Förstemann, Lessers Historische Nachrichten von der freien Stadt Nordhausen, umgearbeitet und fortgesetzt. Nordhausen 1860.
*Förstemann, Kleine Schriften zur Geschichte der Stadt Nordhausen. Nordhausen 1855.
*Franz, Akten zur Geschichte der Bauernkriege in Mitteldeutschland. Band I, 2. Abt. Leipzig und Berlin 1934.
*Franz, Der deutsche Bauernkrieg. München und Berlin 1933.
*Geß, Akten und Briefe zur Kirchenpolitik Herzog Georgs von Sachsen. I. Bd. (1517–24) Leipzig 1904, II. Bö. (1525 bis 1527) Leipzig und Berlin 1917.
*Heineck, Nordhausen 1559. (Nordhausen 1895).
*Kindervater, Gloria templi Blasiani. Nordhausen 1724.
*Kindervater, Nordhusa illustris. Wolfenbüttel 1715.
*Lemcke, Die Nordhäuser Patrizierfamilie Ernst, in der Zeitschrift des Harzvereins Bö. 18. Wernigerode 1885.
*Lesser, Historische Nachrichten von der Freyen Stabt Nordhausen. Frankfurt und Leipzig 1740.
*Leuckfeld, Antiquitates Walkenriedenses. Leipzig und Nordhausen 1706.
*Merx, Akten zur Geschichte des Bauernkriegs in Mitteldeutschland. 1. Abt. (27. 3. – 27. 4. 1525). Leipzig und Berlin 1923. Merx, Thomas *Münzer und Heinrich Pfeiffer 1523–1525. Teil 1 (23. 4. 1525). Göttingen 1889.
*Meyer, Aus Nordhausens Vorzeit. Nordhausen 1927.
*Meyer, Die Reichsstadt Nordhausen als Festung, in der Zeitschrift des Harzvereins Bd. 21. Wernigerode 1888.
*Meyer, Festschrift zur 36. Hauptversammlung des Harzvereins. Nordhausen 1887.
*Meyer, D. Justus Jonas. Nordhausen 1893.
*Meyer, Michael Meyenburg. Nordhausen o. I.
*Otzwald, Nordhäuser Kriminal-Akten von 1498 bis 1657. Halle 1891.
*Perschmann, Die Reformation in Nordhausen. Halle 1881. Sander, Kurze Nachrichten über das Ratsgeschlecht Sander. Leipzig 1913.
*Schäfer, Johannes Sander von Northusen, Notar der Rota und Rektor der Anima. Rom 1913.
*Schäfer, Deutsche Notare in Rom, im Historischen Jahrbuch 1912. Schmidlin, Geschichte der deutschen Nationalkirche in Rom S. Maria bell' Anima. Freiburg und Wien 1906.
*Silberborth, Geschichte der Freien Reichsstadt Nordhausen, in „Das tausendjährige Nordhausen“. Nordhausen 1927.
*Spangenberg, Mansfeldische Chronica. Eisleben 1572.
*Strieder, Die Inventur der Firma Fugger aus dem Jahre 1527. Tübingen 1905.
*Translatio S. Alexandri, in Monuments Germaniae Historica II.
* Zimmermann (Joachim), Thomas Münzer. Berlin 1925.
== Anlage 1: Stammtafel, Anlage 2: Plan von Nordhausen um 1500 ==
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[[Datei:Reichsstadt Nordhausen 1560.jpg|thumb|400px]]
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