Bearbeiten von „Die Besetzung der Stadt Nordhausen und die Uebernahme ihrer Reichsämter durch Preußen

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Am 3. März ratificierte der König in Cöln den Vertrag, am 6. März bekannte sich die Stadt nochmals zu ihm, und am 13. März wurde er in Nordhausen von beiden Parteien unterschrieben. Schon am 10. März hatte Preußen den Vergleich nach Wien, dem Haag, nach Regensburg und nach Warschau mitgeteilt.
Am 3. März ratificierte der König in Cöln den Vertrag, am 6. März bekannte sich die Stadt nochmals zu ihm, und am 13. März wurde er in Nordhausen von beiden Parteien unterschrieben. Schon am 10. März hatte Preußen den Vergleich nach Wien, dem Haag, nach Regensburg und nach Warschau mitgeteilt.
   
   
Doch weder Preußen noch Nordhausen gedachten ernstlich, diesen Vertrag zu halten. Preußen wollte die Schuhhoheit ausbauen zu einem Besitz der Stadt; Nordhausen strebte die gänzliche Befreiung von Preußen an und betonte, der Vertrag sei erzwungen. Der eigentliche Ansatzpunkt für beide Parteien waren die „Jura“, die Vogtei und das Schulzenamt, deren Befugnisse eine Kommission klären sollte und nie so klären konnte, wie es jeder der beiden Parteien recht war. Denn die Stadt wollte es so darstellen, als ob mit diesen Aemtern gar keine Machtbesugnisse verbunden seien, und Preußen wollte seine Gerechtsame so ausdehnen, daß die Freie Reichsstadt zu einer preußischen Landstadt würde. Ostern 1704, wenn Preußen die beiden Aemter von Nordhausen auslöste und an sich zog, mußte es zu neuem Streite kommen. Das erscheint auch daraus, daß der Magistrat schon am 8. März vor dem Notar Joh. Hermann Eilhardt, dem Bruder des Bürgermeisters, gegen die gesamte Besetzung der Stadt und den erzwungenen Vertrag protestierte. Alles sei gegen das Kaiserliche Privilegium vom 5. Mai 1695 geschehen und deshalb hinfällig.<ref>Original im Nordh. Archiv. Vergl. auch N. F. 1154.</ref>
Doch weder Preußen noch Nordhausen gedachten ernstlich, diesen Vertrag zu halten. Preußen wollte die Schuhhoheit ausbauen zu einem Besitz der Stadt; Nordhausen strebte die gänzliche Befreiung von Preußen an und betonte, der Vertrag sei erzwungen. Der eigentliche Ansatzpunkt für beide Parteien waren die „Jura“, die Vogtei und das Schulzenamt, deren Befugnisse eine Kommission klären sollte und nie so klären konnte, wie es jeder der beiden Parteien recht war. Denn die Stadt wollte es so darstellen, als ob mit diesen Aemtern gar keine Machtbesugnisse verbunden seien, und Preußen wollte seine Gerechtsame so ausdehnen, daß die Freie Reichsstadt zu einer preußischen Landstadt würde. Ostern 1704, wenn Preußen die beiden Aemter von Nordhausen auslöste und an sich zog, mußte es zu neuem Streite kommen. Das erscheint auch daraus, daß der Magistrat schon am 8. März vor dem Notar Ioh. Hermann Eilhardt, dem Bruder des Bürgermeisters, gegen die gesamte Besetzung der Stadt und den erzwungenen Vertrag protestierte. Alles sei gegen das Kaiserliche Privilegium vom 5. Mai 1695 geschehen und deshalb hinfällig.<ref>Original im Nordh. Archiv. Vergl. auch N. F. 1154.</ref>
   
   
Bei allen Haupt- und Staatsaktionen ist es aber so, daß man, je mehr man innerlich bereit ist, den soeben erst vollzogenen und in feierlichster Form beschworenen Vertrag zu brechen, desto mehr das Bestreben hat, nach außen hin das herzlichste Einvernehmen zu heucheln. Es ist uns ein Druck vom 11. März 1703 erhalten, der folgende Ileberschrift hat: Demütigster Dankaltar, welchen dem dreieinigen Gotte zu Ehren, als Ihre Kgl. Majestät in Preußen, unser allergnädigster Schuhherr, die Kaiser!. Freie Reichsstadt in dero Schutz aufnahm, auf Befehl eines E. Rats von treuem Herzensgrund am Sonntage oeuli bei ordentlicher Kirchenandacht mit Gebet, Wunsch und Seufzen aufrichtete der Chorus Musicus in Nordhausen. — Im Jahre Christi den 11. März 1703. — Nordhausen, gedruckt bei Augustin Martin Hynitzsch.
Bei allen Haupt- und Staatsaktionen ist es aber so, daß man, je mehr man innerlich bereit ist, den soeben erst vollzogenen und in feierlichster Form beschworenen Vertrag zu brechen, desto mehr das Bestreben hat, nach außen hin das herzlichste Einvernehmen zu heucheln. Es ist uns ein Druck vom 11. März 1703 erhalten, der folgende Ileberschrift hat: Demütigster Dankaltar, welchen dem dreieinigen Gotte zu Ehren, als Ihre Kgl. Majestät in Preußen, unser allergnädigster Schuhherr, die Kaiser!. Freie Reichsstadt in dero Schutz aufnahm, auf Befehl eines E. Rats von treuem Herzensgrund am Sonntage oeuli bei ordentlicher Kirchenandacht mit Gebet, Wunsch und Seufzen aufrichtete der Chorus Musicus in Nordhausen. — Im Jahre Christi den 11. März 1703. — Nordhausen, gedruckt bei Augustin Martin Hynitzsch.
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Schon die Haltung Nordhausens im Laufe des Jahres 1703 bewies Preußen, daß der Stadt von irgendwoher zum Ausharren und zum Widerstand Mut gemacht sein mußte. Daß man in Wien und in Regensburg der Stadt wohlwollte, war allgemein bekannt, daß sie bei Hannover mit noch mehr als bloßem Wohlwollen rechnen konnte, wußte die Stadt; doch die Niedergeschlagenheit nach Abschluß des Schutzvertrages war groß, weil kein starker Wille vorhanden war, der zum Ausharren ermutigte und der zur Organisation der Abwehr befähigt war. Der Bürgermeister Frommann war ein alter verbrauchter Mann, der Syndikus Harprecht stand dort, wo für seine Selbstsucht am meisten heraussprang, Kegel, Titius und Bohne waren tüchtige Männer, aber ohne jede Leidenschaft, die nun einmal vorhanden sein muß, wenn Außergewöhnliches gelingen soll. Weiter aber schien das Städtchen keine Köpfe von Bedeutung zu herbergen. Da erwuchs ihm einer in dem Notar und Ratsherrn Johann Günther Hoffmann, einem Mann, der gewiß kaum überdurchschnittlich begabt war, dem aber verbissene Zähigkeit und unermüdliche Tatkraft eigen waren. Dieser Mann an der Spitze aller bisher bevorrechteten Bürger flößte den Nordhäusern von neuem Mut ein, wies sie auf ihre zahlreichen Bundesgenossen hin, mahnte wieder und wieder zum Durchhalten.
Schon die Haltung Nordhausens im Laufe des Jahres 1703 bewies Preußen, daß der Stadt von irgendwoher zum Ausharren und zum Widerstand Mut gemacht sein mußte. Daß man in Wien und in Regensburg der Stadt wohlwollte, war allgemein bekannt, daß sie bei Hannover mit noch mehr als bloßem Wohlwollen rechnen konnte, wußte die Stadt; doch die Niedergeschlagenheit nach Abschluß des Schutzvertrages war groß, weil kein starker Wille vorhanden war, der zum Ausharren ermutigte und der zur Organisation der Abwehr befähigt war. Der Bürgermeister Frommann war ein alter verbrauchter Mann, der Syndikus Harprecht stand dort, wo für seine Selbstsucht am meisten heraussprang, Kegel, Titius und Bohne waren tüchtige Männer, aber ohne jede Leidenschaft, die nun einmal vorhanden sein muß, wenn Außergewöhnliches gelingen soll. Weiter aber schien das Städtchen keine Köpfe von Bedeutung zu herbergen. Da erwuchs ihm einer in dem Notar und Ratsherrn Johann Günther Hoffmann, einem Mann, der gewiß kaum überdurchschnittlich begabt war, dem aber verbissene Zähigkeit und unermüdliche Tatkraft eigen waren. Dieser Mann an der Spitze aller bisher bevorrechteten Bürger flößte den Nordhäusern von neuem Mut ein, wies sie auf ihre zahlreichen Bundesgenossen hin, mahnte wieder und wieder zum Durchhalten.
   
   
Im April und Mai 1703 fand sich Nordhausen noch vollkommen mit seiner Unterwerfung ab. Preußen erhielt die hinterhältige Erklärung des Rates, er habe durchaus freiwillig die Schutzhoheit Preußens angenommen; der Agent Koch wurde angewiesen, beim Kaiser die Konfirmation des Schutzes nachzu-suchen. Daß diese Bestätigung nicht erfolgte, lag nicht am bösen Willen Nordhausens, sondern an der kaiserlichen Politik, die, wie Koch schrieb, die Regelung hinausschieben wollte bis nach Beendigung des Spanischen Erbfolgekrieges. Zugleich machte der Agent der Stadt Hoffnung, daß diese spätere Regelung niemals im Sinne Preußen ausfallen werde. Man wußte also in Nordhausen, daß der Kaiser die Stadt nicht ohne weiteres Preußen überlassen werde. Dann hörte man von dem sächsischen Einspruch in Wien, man hörte Offneys Versprechungen. Da setzte der Ratsherr Joh. Günther Hoffmann durch, daß der Rat ihn, zur Informierung über den Stand der Dinge draußen, nach Hannover sandte. Und hier in Hannover wurde dem Abgesandten Mut gemacht. Hannover werde sich Nordhausens nicht schlechter annehmen als der eigenen Länder, hieß es, und Hannovers Resident Erasmus von Huldeberg in Wien wurde angewiesen, am Kaiserlichen Hofe für die Stadt zu werben. Zugleich gab man Nordhausen den Rat, einen Mann nach Wien zu schicken, der dem hannöverschen Residenten als Sachberater zur Seite stehen könne. Dann werde Nordhausens Sache daselbst mit Eifer betrieben.
Im April und Mai 1703 fand sich Nordhausen noch vollkommen mit seiner Unterwerfung ab. Preußen erhielt die hinterhältige Erklärung des Rates, er habe durchaus freiwillig die Schutzhoheit Preußens angenommen; der Agent Koch wurde angewiesen, beim Kaiser die Konfirmation des Schutzes nachzu-suchen. Daß diese Bestätigung nicht erfolgte, lag nicht am bösen Willen Nordhausens, sondern an der kaiserlichen Politik, die, wie Koch schrieb, die Regelung hinausschieben wollte bis nach Beendigung des Spanischen Erbfolgekrieges. Zugleich machte der Agent der Stadt Hoffnung, daß diese spätere Regelung niemals im Sinne Preußen ausfallen werde. Man wußte also in Nordhausen, daß der Kaiser die Stadt nicht ohne weiteres Preußen überlassen werde. Dann hörte man von dem sächsischen Einspruch in Wien, man hörte Offneys Versprechungen. Da setzte der Ratsherr Ioh. Günther Hoffmann durch, daß der Rat ihn, zur Informierung über den Stand der Dinge draußen, nach Hannover sandte. Und hier in Hannover wurde dem Abgesandten Mut gemacht. Hannover werde sich Nordhausens nicht schlechter annehmen als der eigenen Länder, hieß es, und Hannovers Resident Erasmus von Huldeberg in Wien wurde angewiesen, am Kaiserlichen Hofe für die Stadt zu werben. Zugleich gab man Nordhausen den Rat, einen Mann nach Wien zu schicken, der dem hannöverschen Residenten als Sachberater zur Seite stehen könne. Dann werde Nordhausens Sache daselbst mit Eifer betrieben.
   
   
Diese gute Botschaft, die Hoffmann heimbrachte, zusammen mit der Arbeit Offneys in der Nähe Nordhausens, bewirkten den Umschwung in der Stimmung der Bevölkerung. Der Schultheiß Röpenack vermerkte ihn natürlich bald, war aber auch durch den Syndikus Harprecht — dieser Vertrauensmann der Stadt war der Vertrauensmann Preußens — auf dem Laufenden über die Gründe des Umschwungs. Schon am 20. Juli 1703 mußte er nach Berlin berichten, die Stimmung des Rates sei so sieghaft, daß „die Wohlgesinnten fast zaghaft würden“; der Rat habe sich vernehmen lassen, „diejenigen, so gut brandenburgisch wären, würde man schon finden“. Allenthalben werde gesprochen: Nimmermehr sollte Kgl. Majestät den Schutz behalten. Was geschehen sei, sei durch Gewalt erzwungen, man wolle es nur lassen Frieden werden. Wer zum Obersten von Sydo oder zu Röpenack halte, werde öffentlich verfolgt. Harprecht müsse nachts heimlich zu ihm kommen.<ref>Pr. St. a. a. O.</ref>
Diese gute Botschaft, die Hoffmann heimbrachte, zusammen mit der Arbeit Offneys in der Nähe Nordhausens, bewirkten den Umschwung in der Stimmung der Bevölkerung. Der Schultheiß Röpenack vermerkte ihn natürlich bald, war aber auch durch den Syndikus Harprecht — dieser Vertrauensmann der Stadt war der Vertrauensmann Preußens — auf dem Laufenden über die Gründe des Umschwungs. Schon am 20. Juli 1703 mußte er nach Berlin berichten, die Stimmung des Rates sei so sieghaft, daß „die Wohlgesinnten fast zaghaft würden“; der Rat habe sich vernehmen lassen, „diejenigen, so gut brandenburgisch wären, würde man schon finden“. Allenthalben werde gesprochen: Nimmermehr sollte Kgl. Majestät den Schutz behalten. Was geschehen sei, sei durch Gewalt erzwungen, man wolle es nur lassen Frieden werden. Wer zum Obersten von Sydo oder zu Röpenack halte, werde öffentlich verfolgt. Harprecht müsse nachts heimlich zu ihm kommen.<ref>Pr. St. a. a. O.</ref>
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Als Instruktion für sein Verhalten bekam Röpenack folgende Anweisung: Er habe beide Aemter zu übernehmen und auszuüben; auch die geistliche Gerichtsbarkeit liege in seinen Händen. Er könne Ratsherrn und Bürger ohne Unterschied vor die Gerichte ziehen. Die Exekution in Kriminalsachen habe er vor dem Rathause vor- zunehmen. Wenn er Widerstand finde, solle er das Militär in Anspruch nehmen. Alle Ausschreibungen geschähen sortan im Namen Gottes des Allmächtigen, von wegen des Heiligen Römischen Reiches und von wegen Ihrer Kgl. Majestät in Preußen. Er habe ferner das Patronat über die Zünfte zu übernehmen und Erkundigungen einzuziehen, ob nicht auch das Patronat über die Geistlichkeit, die Schule und die Spitäler möglich sei. Das gesamte Zollwesen und den Scheffelpfennig solle er übernehmen, Eingriffe des Rates nicht dulden, sondern jeden Widerstand mit Arrest bestrafen.
Als Instruktion für sein Verhalten bekam Röpenack folgende Anweisung: Er habe beide Aemter zu übernehmen und auszuüben; auch die geistliche Gerichtsbarkeit liege in seinen Händen. Er könne Ratsherrn und Bürger ohne Unterschied vor die Gerichte ziehen. Die Exekution in Kriminalsachen habe er vor dem Rathause vor- zunehmen. Wenn er Widerstand finde, solle er das Militär in Anspruch nehmen. Alle Ausschreibungen geschähen sortan im Namen Gottes des Allmächtigen, von wegen des Heiligen Römischen Reiches und von wegen Ihrer Kgl. Majestät in Preußen. Er habe ferner das Patronat über die Zünfte zu übernehmen und Erkundigungen einzuziehen, ob nicht auch das Patronat über die Geistlichkeit, die Schule und die Spitäler möglich sei. Das gesamte Zollwesen und den Scheffelpfennig solle er übernehmen, Eingriffe des Rates nicht dulden, sondern jeden Widerstand mit Arrest bestrafen.
   
   
Die Kommission verhandelte vom 2.—9. September in Nordhausen, übernahm am 5. September die Kriminal- und Civilgerichtsbarkeit, am 6. September Zoll und Geleit. Nordhausen unter Anführung von Bürgermeister Paulandt weigerte sich standhaft, das angebotene Geld von 13 215 Talern 12 Groschen an- zunehmen; das Geld mußte in ein Eichenfaß getan werden, das von den Kommissaren versiegelt wurde. Röpenack erhielt seinen Sohn Johann Walter Röpenack als Sekretär für das Civilgericht und hielt am 8. September im Walkenrieder Hof seinen ersten Gerichtstag. Schöppen neben Röpenack waren die beiden preußischen Juristen Joh. Günther Riemann und Franz Heinrich Wachsmuth. Zum Zeichen der Strafgerichtsbarkeit wurden am Walkenrieder Hofe auch zwei Halseisen angebracht, eins nach der Ritterstraße, eins nach dem Neuen Wege hin. Sie wurden von Röpenack selbst in die Mauer gesteckt. Doch Nordhäuser Maurer gaben sich nicht dazu her, die Halseisen einzulassen; ein preußischer Soldat, der Maurergeselle war, mußte das Werk vollbringen. Die Nordhäuser Torwirte weigerten sich, dem Schultheißen über die eingenommenen Zölle Auskunft zu geben, sie wurden abgesetzt und durch Soldaten ersetzt, die nunmehr am Altendorfe, am Siechen-, Sundhäuser-, Töpfer-, Vielen- und Grimmeltore Zolleinnehmer spielten. So wurde Nordhausen mit Gewalt in preußische Verwaltung und Gerichtspflege genommen.<ref>Beilage VI zu Kapitel II. Die Vorgänge in den ersten Tagen des Septembers 1704 in Nordhausen. — Nordh. Archiv N. F. 1764. — Pr. St. a. a. O. — Dresden 2968.</ref>
Die Kommission verhandelte vom 2.—9. September in Nordhausen, übernahm am 5. September die Kriminal- und Civilgerichtsbarkeit, am 6. September Zoll und Geleit. Nordhausen unter Anführung von Bürgermeister Paulandt weigerte sich standhaft, das angebotene Geld von 13 215 Talern 12 Groschen an- zunehmen; das Geld mußte in ein Eichenfaß getan werden, das von den Kommissaren versiegelt wurde. Röpenack erhielt seinen Sohn Johann Walter Röpenack als Sekretär für das Civilgericht und hielt am 8. September im Walkenrieder Hof seinen ersten Gerichtstag. Schöppen neben Röpenack waren die beiden preußischen Juristen Ioh. Günther Riemann und Franz Heinrich Wachsmuth. Zum Zeichen der Strafgerichtsbarkeit wurden am Walkenrieder Hofe auch zwei Halseisen angebracht, eins nach der Ritterstraße, eins nach dem Neuen Wege hin. Sie wurden von Röpenack selbst in die Mauer gesteckt. Doch Nordhäuser Maurer gaben sich nicht dazu her, die Halseisen einzulassen; ein preußischer Soldat, der Maurergeselle war, mußte das Werk vollbringen. Die Nordhäuser Torwirte weigerten sich, dem Schultheißen über die eingenommenen Zölle Auskunft zu geben, sie wurden abgesetzt und durch Soldaten ersetzt, die nunmehr am Altendorfe, am Siechen-, Sundhäuser-, Töpfer-, Vielen- und Grimmeltore Zolleinnehmer spielten. So wurde Nordhausen mit Gewalt in preußische Verwaltung und Gerichtspflege genommen.<ref>Beilage VI zu Kapitel II. Die Vorgänge in den ersten Tagen des Septembers 1704 in Nordhausen. — Nordh. Archiv N. F. 1764. — Pr. St. a. a. O. — Dresden 2968.</ref>
   
   
Röpenack scheute sich nicht, jetzt alle seine Machtbefugnisse zu gebrauchen. Widerstrebenden erging es recht übel. Preußische Soldaten standen bereit, sie vor die Gerichte zu schleppen; in Kellern und Gefängnissen, „darinnen sie fast krepieren müssen“, wurden sie solange gehalten, bis sie das preußische Gericht anerkannten, hohe Geldstrafen wurden verhängt. Die Zollerhöhungen traten in Kraft, und zu den alten zollpflichtigen Waren traten neue hinzu.
Röpenack scheute sich nicht, jetzt alle seine Machtbefugnisse zu gebrauchen. Widerstrebenden erging es recht übel. Preußische Soldaten standen bereit, sie vor die Gerichte zu schleppen; in Kellern und Gefängnissen, „darinnen sie fast krepieren müssen“, wurden sie solange gehalten, bis sie das preußische Gericht anerkannten, hohe Geldstrafen wurden verhängt. Die Zollerhöhungen traten in Kraft, und zu den alten zollpflichtigen Waren traten neue hinzu.
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Um die Bürgerschaft zu beruhigen und sich den neuen Zustand der Dinge einspielen zu lassen, nahm Preußen im Laufe des September und Oktober alle neu eingerückten Soldaten aus der Stadt wieder heraus; Herr von Sydo ging im Dezember auf sein Gut zur Erholung. Doch diese Maßnahmen hatten, im Verein mit der feindseligen Haltung Hannovers und Sachsens gegen Preußen, bei der Stadt gerade den entgegengesetzten Erfolg. Nordhausen blieb zu äußerstem Widerstände entschlossen. Die Stadt selbst und ebenso Kurhannover wandten sich alsbald nach der Uebernahme der Aemter an den Kaiser. Kein anderer als der Bürgermeister Frommann gab den Preußen darüber Auskunft. Der Charakter dieses alten, nunmehr bald neunzigjährigen Mannes, der sicher seine Verdienste um die Vaterstadt hatte, erscheint bei allen seinen Handlungen und Aeußerungen in merkwürdig gebrochenem Lichte. Daß er sein Amt als Bürgermeister zu seinem Vorteil ausgenuht hatte wie die meisten anderen auch, unterliegt keinem Zweifel, daß er seine überragende Stellung benutzt hatte, um seinen Günstlingen Aemter und Einnahmen zu verschaffen und feine Widersacher niederzuhalten, ist bekannt. Jetzt, bei der preu- sischen Invasion war er derjenige, der dauernd hin und her wechselte. An den Kommissionsverhandlungen hatte er, angeblich wegen seines Alters, nicht teilgenommen, hatte aber den Rat gegeben, bis zum äußersten zu widerstehen. Bald danach verriet er dem Obersten von Sydo bei einem Besuche, den dieser ihm ab- stattete, daß der Rat an den Kaiser geschrieben habe. Dann bat er den Obersten, er möchte in Berlin auf einen Vergleich hinwirken. Das könne vielleicht fo geschehen, daß der preußische Resident in Wien den Kaiser zu diesem Vorschläge veranlasse.<ref>Die Aeußerung Frommanns wurde von Berlin auch an Bartholdi in Wien weitergegeben und täuschte dort den preußischen Gesandten, der dem Reichshofrat von Kirchner vorstellte, er habe Nachricht, daß Nordhausen selbst einen Vergleich wünsche, wenn Wien dazu rate. Bartholdi mu6te aber von Kirchner erfahren, daß Nordhausen beim Hofrate neuerlich eine weitläufige Schrift gegen Preußen eingereicht habe. — Bericht Bartholdis vom 4. Oktober.</ref>
Um die Bürgerschaft zu beruhigen und sich den neuen Zustand der Dinge einspielen zu lassen, nahm Preußen im Laufe des September und Oktober alle neu eingerückten Soldaten aus der Stadt wieder heraus; Herr von Sydo ging im Dezember auf sein Gut zur Erholung. Doch diese Maßnahmen hatten, im Verein mit der feindseligen Haltung Hannovers und Sachsens gegen Preußen, bei der Stadt gerade den entgegengesetzten Erfolg. Nordhausen blieb zu äußerstem Widerstände entschlossen. Die Stadt selbst und ebenso Kurhannover wandten sich alsbald nach der Uebernahme der Aemter an den Kaiser. Kein anderer als der Bürgermeister Frommann gab den Preußen darüber Auskunft. Der Charakter dieses alten, nunmehr bald neunzigjährigen Mannes, der sicher seine Verdienste um die Vaterstadt hatte, erscheint bei allen seinen Handlungen und Aeußerungen in merkwürdig gebrochenem Lichte. Daß er sein Amt als Bürgermeister zu seinem Vorteil ausgenuht hatte wie die meisten anderen auch, unterliegt keinem Zweifel, daß er seine überragende Stellung benutzt hatte, um seinen Günstlingen Aemter und Einnahmen zu verschaffen und feine Widersacher niederzuhalten, ist bekannt. Jetzt, bei der preu- sischen Invasion war er derjenige, der dauernd hin und her wechselte. An den Kommissionsverhandlungen hatte er, angeblich wegen seines Alters, nicht teilgenommen, hatte aber den Rat gegeben, bis zum äußersten zu widerstehen. Bald danach verriet er dem Obersten von Sydo bei einem Besuche, den dieser ihm ab- stattete, daß der Rat an den Kaiser geschrieben habe. Dann bat er den Obersten, er möchte in Berlin auf einen Vergleich hinwirken. Das könne vielleicht fo geschehen, daß der preußische Resident in Wien den Kaiser zu diesem Vorschläge veranlasse.<ref>Die Aeußerung Frommanns wurde von Berlin auch an Bartholdi in Wien weitergegeben und täuschte dort den preußischen Gesandten, der dem Reichshofrat von Kirchner vorstellte, er habe Nachricht, daß Nordhausen selbst einen Vergleich wünsche, wenn Wien dazu rate. Bartholdi mu6te aber von Kirchner erfahren, daß Nordhausen beim Hofrate neuerlich eine weitläufige Schrift gegen Preußen eingereicht habe. — Bericht Bartholdis vom 4. Oktober.</ref>
   
   
Ganz anders war die Haltung des Nordhäuser Rates, offenbar jetzt unter dem Einflüsse des Rechtsanwaltes und Ratsherrn Joh. Günther Hoffmann, der immer mehr in den Vordergrund trat. Nordhausen dachte gar nicht daran nachzugeben oder an faule Kompromisse, sondern beschwerte sich schon am 15. August beim Kaiser über die neue Einquartierung, und richtete am 2. Oktober eine in energischen Worten gehaltene Bittschrift an den Kaiser, in der die Stadt über die neuen „Attentate“ berichtete und darum bat, der Kaiser möchte, solange sich der Hofrat noch nicht über das Verhältnis Nordhausens zu Preußen geäußert habe, Preußen jede Tätlichkeit verbieten. Als dann die Gerichtssitzungen des Schultheißen Röpenack in Gang kamen, führte die Stadt am 1. November nochmals heftigste Klage über die fortgesetzten Beeinträchtigungen ihrer Gerechtsame, vor allem über die Ausübung der Gerichtsbarkeit in der von Preußen beliebten Form.
Ganz anders war die Haltung des Nordhäuser Rates, offenbar jetzt unter dem Einflüsse des Rechtsanwaltes und Ratsherrn Ioh. Günther Hoffmann, der immer mehr in den Vordergrund trat. Nordhausen dachte gar nicht daran nachzugeben oder an faule Kompromisse, sondern beschwerte sich schon am 15. August beim Kaiser über die neue Einquartierung, und richtete am 2. Oktober eine in energischen Worten gehaltene Bittschrift an den Kaiser, in der die Stadt über die neuen „Attentate“ berichtete und darum bat, der Kaiser möchte, solange sich der Hofrat noch nicht über das Verhältnis Nordhausens zu Preußen geäußert habe, Preußen jede Tätlichkeit verbieten. Als dann die Gerichtssitzungen des Schultheißen Röpenack in Gang kamen, führte die Stadt am 1. November nochmals heftigste Klage über die fortgesetzten Beeinträchtigungen ihrer Gerechtsame, vor allem über die Ausübung der Gerichtsbarkeit in der von Preußen beliebten Form.
   
   
Diesen Bitten sekundierte Kurfürst Georg Ludwig von Hannover, der am 19. September in den Kaiser drang, gegen Preußen endlich einzuschreiten, und seinen Residenten Erasmus in Wien anwies, „keine Zeit noch Gelegenheit zu versäumen, aller dien- samer Orten aufs nachdrücklichste und beweglichste“ die Not Nordhausens vorzustellen.<ref>Nordh. Archiv, N. F. 2830.</ref> Und wie Nordhausen notariell sämtliche Eingriffe des Schultheißen in feine Rechte festlegen ließ, so unterstützte Hannover die Stadt in der Wahrung ihrer Rechte, indem der Kurfürst alle seine Untertanen am 30. Dezember anwies, bei Streitigkeiten mit Nordhäuser Bürgern nur vor dem Rate in Nordhausen, nicht vor dem preußischen Schultheißen zu klagen.<ref>Nordh. Archiv, N. F. 1764.</ref>
Diesen Bitten sekundierte Kurfürst Georg Ludwig von Hannover, der am 19. September in den Kaiser drang, gegen Preußen endlich einzuschreiten, und seinen Residenten Erasmus in Wien anwies, „keine Zeit noch Gelegenheit zu versäumen, aller dien- samer Orten aufs nachdrücklichste und beweglichste“ die Not Nordhausens vorzustellen.<ref>Nordh. Archiv, N. F. 2830.</ref> Und wie Nordhausen notariell sämtliche Eingriffe des Schultheißen in feine Rechte festlegen ließ, so unterstützte Hannover die Stadt in der Wahrung ihrer Rechte, indem der Kurfürst alle seine Untertanen am 30. Dezember anwies, bei Streitigkeiten mit Nordhäuser Bürgern nur vor dem Rate in Nordhausen, nicht vor dem preußischen Schultheißen zu klagen.<ref>Nordh. Archiv, N. F. 1764.</ref>
   
   
Schließlich, da sich in Wien noch immer nichts für die bedrängte Reichsstadt regte, entschloß sich die Stadt, auch auf Anraten Hannovers, selbst einen Abgesandten nach der Reichshauptstadt zu schicken. Dazu war Joh. Günther Hoffmann ausersehen, der am 21. November eine lehrreiche Instruktion mit auf den Weg bekam. Er sollte beim Reichshofrate vorstellen, daß die preußische Schuhhoheit erzwungen sei, daß jetzt Tag für Tag Gewalttaten geschähen und die vor den Schultheißen Zitierten durch Soldaten vorgeführt würden. Er sollte einen kaiserlichen Befehl gegen Preußen erwirken, daß erstens alles in den vorigen Stand gesetzt würde, daß ferner der Schultheiß sich solange, wie der Streit beim Reiche anhängig sei, jeder Tätigkeit enthalte, und daß drittens sämtliche Truppen die Stadt verließen. Da Nordhausen Preußen die Aemter überhaupt streitig machen wollte, der Hofrat — z. B. von Kirchner — aber den Verkauf Sachsens an Preußen anerkannt hatte, mußte Hoffmann bei heiklen Punkten sehr vorsichtig verfahren. So erhielt Hoffmann die weitere Anweisung: Wenn er gefragt werde, wie es um die Annahme des Wiederkaufsgeldes stehe, so solle er antworten, Wien habe allein die Entscheidung, weil der Prozeß ja noch schwebe und sie als Partei keine Entschließungen fassen dürsten. Aus die Frage, welche Bewandtnis es mit den Juribus aus sich habe, solle er antworten: Nordhausen habe die völlige Immedietät, das jus territoriale nebst dem mero et mixto imperio, in geistlichen und weltlichen Dingen Jurisdiktion, tam civilis quam criminalis, ius collectandi den Scheffelpfennig, freie Verwaltung von Schulen, Kirchen, Klöstern, Hospitälern. Die Stadt lasse ihr Votum in Regensburg führen, gehöre als selbständiges Kreismitglied dem Niedersächsischen Kreise an. — Der Scheffelpfennig sei ein Wegegeld (pedagium) zur Erhaltung von Brücken, Wegen und Stegen, habe nie zum Schulzenamt gehört. Ferner habe Preußen schon 1700 die Zölle erhöht. Das dürfe gemäß der Kapitulation Kaiser Leopolds, Art. 21, nicht geschehen ohne die Einwilligung des Kaisers und des gesamten Kollegiums Electoralis. Schließlich: Wegen des Schutzes solle der Abgesandte betonen, daß sich Nordhausen seit alters seinen Schutzherrn wählen könnte.<ref>Nordh. Arch. N. F. 17. — Ein kaiserliches Edikt vom 4. März 1666 verbot, neue Zölle zu erheben oder alte zu erhöhen, wenn nicht sämtliche Kurfürsten ihre Einwilligung gegeben hätten. Hierauf berief sich Nordhausen.</ref>
Schließlich, da sich in Wien noch immer nichts für die bedrängte Reichsstadt regte, entschloß sich die Stadt, auch auf Anraten Hannovers, selbst einen Abgesandten nach der Reichshauptstadt zu schicken. Dazu war Ioh. Günther Hoffmann ausersehen, der am 21. November eine lehrreiche Instruktion mit auf den Weg bekam. Er sollte beim Reichshofrate vorstellen, daß die preußische Schuhhoheit erzwungen sei, daß jetzt Tag für Tag Gewalttaten geschähen und die vor den Schultheißen Zitierten durch Soldaten vorgeführt würden. Er sollte einen kaiserlichen Befehl gegen Preußen erwirken, daß erstens alles in den vorigen Stand gesetzt würde, daß ferner der Schultheiß sich solange, wie der Streit beim Reiche anhängig sei, jeder Tätigkeit enthalte, und daß drittens sämtliche Truppen die Stadt verließen. Da Nordhausen Preußen die Aemter überhaupt streitig machen wollte, der Hofrat — z. B. von Kirchner — aber den Verkauf Sachsens an Preußen anerkannt hatte, mußte Hoffmann bei heiklen Punkten sehr vorsichtig verfahren. So erhielt Hoffmann die weitere Anweisung: Wenn er gefragt werde, wie es um die Annahme des Wiederkaufsgeldes stehe, so solle er antworten, Wien habe allein die Entscheidung, weil der Prozeß ja noch schwebe und sie als Partei keine Entschließungen fassen dürsten. Aus die Frage, welche Bewandtnis es mit den Juribus aus sich habe, solle er antworten: Nordhausen habe die völlige Immedietät, das jus territoriale nebst dem mero et mixto imperio, in geistlichen und weltlichen Dingen Jurisdiktion, tam civilis quam criminalis, ius collectandi den Scheffelpfennig, freie Verwaltung von Schulen, Kirchen, Klöstern, Hospitälern. Die Stadt lasse ihr Votum in Regensburg führen, gehöre als selbständiges Kreismitglied dem Niedersächsischen Kreise an. — Der Scheffelpfennig sei ein Wegegeld (pedagium) zur Erhaltung von Brücken, Wegen und Stegen, habe nie zum Schulzenamt gehört. Ferner habe Preußen schon 1700 die Zölle erhöht. Das dürfe gemäß der Kapitulation Kaiser Leopolds, Art. 21, nicht geschehen ohne die Einwilligung des Kaisers und des gesamten Kollegiums Electoralis. Schließlich: Wegen des Schutzes solle der Abgesandte betonen, daß sich Nordhausen seit alters seinen Schutzherrn wählen könnte.<ref>Nordh. Arch. N. F. 17. — Ein kaiserliches Edikt vom 4. März 1666 verbot, neue Zölle zu erheben oder alte zu erhöhen, wenn nicht sämtliche Kurfürsten ihre Einwilligung gegeben hätten. Hierauf berief sich Nordhausen.</ref>
   
   
In Wien selbst übergab Hoffmann, abgesehen davon, daß er ganz allgemein für seine Heimatstadt eintrat, noch eine besondere Schrift über die wirtschaftlichen Belange Nordhausens, die durch die preußischen Maßnahmen in Mitleidenschaft gezogen waren. In dieser Schrift war besonders dargelegt, daß der Scheffelpfennig nie zum Schulzenamte gehört habe, sondern ein Wegegeld sei, daß er deshalb auch von der Stadt und nicht von Preußen vereinnahmt werden dürfe; ferner wurde gegen die Zollerhöhungen protestiert.
In Wien selbst übergab Hoffmann, abgesehen davon, daß er ganz allgemein für seine Heimatstadt eintrat, noch eine besondere Schrift über die wirtschaftlichen Belange Nordhausens, die durch die preußischen Maßnahmen in Mitleidenschaft gezogen waren. In dieser Schrift war besonders dargelegt, daß der Scheffelpfennig nie zum Schulzenamte gehört habe, sondern ein Wegegeld sei, daß er deshalb auch von der Stadt und nicht von Preußen vereinnahmt werden dürfe; ferner wurde gegen die Zollerhöhungen protestiert.
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Unter dem Obergericht sollte das Schulzengericht stehen, dessen Vorsitzenden der König in Preußen ernenne, zu dessen beiden Beisitzern aber der Rat dem Könige 4 tüchtige Ratspersonen präsentieren sollte, von denen dann zwei in Berlin ausgewählt werden sollten. Die Kommission habe im September 1704 die Beisitzer nur ernannt, weil der Rat bisher jede Mitarbeit verweigert habe.
Unter dem Obergericht sollte das Schulzengericht stehen, dessen Vorsitzenden der König in Preußen ernenne, zu dessen beiden Beisitzern aber der Rat dem Könige 4 tüchtige Ratspersonen präsentieren sollte, von denen dann zwei in Berlin ausgewählt werden sollten. Die Kommission habe im September 1704 die Beisitzer nur ernannt, weil der Rat bisher jede Mitarbeit verweigert habe.
   
   
Thomasius schlug also für die kleine Reichsstadt eine recht umständliche und kostspielige Organisation vor. Lüdecke stimmte zu, Röpenack dagegen erhob Bedenken. Vielleicht tat er das nur, weil er von einem Appellationsgericht in Nordhausen, dessen Direktor nicht er selbst wurde, eine persönliche Beeinträchtigung befürchtete. Doch war sein Einspruch auch sachlich berechtigt: Die Thomasiussche Rechtsverfassung war zu kompliziert, und Preußen konnte es sich nicht leisten, eine derartig großzügige Organisation aufzubauen, solange seine Ansprüche auf die Stadt noch nicht völlig gesichert waren. Mit Recht betonte Röpenack, Thomasius habe sein Gericht ex iure et observantia Germaniae deduciert, wogegen der Rat sogleich protestieren werde, da für ihn das Reichsgericht die einzige Appellationsinstanz sei. Röpenack forderte deshalb Aufschub für die Ausführung des Planes. Tatsächlich ist dann auch aus dem Vorschläge des Hallischen Rechtsgelehrten nichts geworden.<ref>Pr. St. a. a. O. Neben der Gerichtsordnung des Thomasius finden sich von ihm eine Unmenge Betrachtungen Nordhäuser Verhältnisse und praktische Ratschläge. So heißt es über Harprecht, er sei Nordhausens geschicktester Mann, mäste aber verschwinden, weil er dem Rate und der Bürgerschaft verhaßt sei. Man solle ihn in Preußen unterbringen; damit werde die Stadt ihrer besten Stütze beraubt. — Der beste Prediger sei Titius, der für Preuüen schon halb gewonnen sei; man müsse diesen Mann im Auge behalten. Titius war der Sohn des bedeutenden Syndikus Ivh. Titius, also der Bruder des Sekretärs Titius und des damals hochberühmten Rechtsgelehrten Gottlieb Gerhard Titius, eines Schülers und Freundes des Thomasius. Der Pastor Titius ging 1706 an die Ulrichskirche nach Magdeburg. — Thomasius äußert sich weiter: Pastor prirnurius Joh. Nik. Rohrmann habe einer Weibsperson im Beichtstuhl Unzucht zugemutet. Weil er aber mit einem Bürgermeister nahe verwandt sei, sei die Frau „festgesetzt und spargiert worden, als ob sie nicht recht bei Sinnen.“ Dieser Rohrmann müsse deshalb für den Rat gegen Preußen eintreten. Gegen ihn könne nun aber das Obergericht vorgehen.</ref>
Thomasius schlug also für die kleine Reichsstadt eine recht umständliche und kostspielige Organisation vor. Lüdecke stimmte zu, Röpenack dagegen erhob Bedenken. Vielleicht tat er das nur, weil er von einem Appellationsgericht in Nordhausen, dessen Direktor nicht er selbst wurde, eine persönliche Beeinträchtigung befürchtete. Doch war sein Einspruch auch sachlich berechtigt: Die Thomasiussche Rechtsverfassung war zu kompliziert, und Preußen konnte es sich nicht leisten, eine derartig großzügige Organisation aufzubauen, solange seine Ansprüche auf die Stadt noch nicht völlig gesichert waren. Mit Recht betonte Röpenack, Thomasius habe sein Gericht ex iure et observantia Germaniae deduciert, wogegen der Rat sogleich protestieren werde, da für ihn das Reichsgericht die einzige Appellationsinstanz sei. Röpenack forderte deshalb Aufschub für die Ausführung des Planes. Tatsächlich ist dann auch aus dem Vorschläge des Hallischen Rechtsgelehrten nichts geworden.<ref>Pr. St. a. a. O. Neben der Gerichtsordnung des Thomasius finden sich von ihm eine Unmenge Betrachtungen Nordhäuser Verhältnisse und praktische Ratschläge. So heißt es über Harprecht, er sei Nordhausens geschicktester Mann, mäste aber verschwinden, weil er dem Rate und der Bürgerschaft verhaßt sei. Man solle ihn in Preußen unterbringen; damit werde die Stadt ihrer besten Stütze beraubt. — Der beste Prediger sei Titius, der für Preuüen schon halb gewonnen sei; man müsse diesen Mann im Auge behalten. Titius war der Sohn des bedeutenden Syndikus Ivh. Titius, also der Bruder des Sekretärs Titius und des damals hochberühmten Rechtsgelehrten Gottlieb Gerhard Titius, eines Schülers und Freundes des Thomasius. Der Pastor Titius ging 1706 an die Ulrichskirche nach Magdeburg. — Thomasius äußert sich weiter: Pastor prirnurius Ioh. Nik. Rohrmann habe einer Weibsperson im Beichtstuhl Unzucht zugemutet. Weil er aber mit einem Bürgermeister nahe verwandt sei, sei die Frau „festgesetzt und spargiert worden, als ob sie nicht recht bei Sinnen.“ Dieser Rohrmann müsse deshalb für den Rat gegen Preußen eintreten. Gegen ihn könne nun aber das Obergericht vorgehen.</ref>
   
   
Dennoch ist deutlich sichtbar, wie Preußen seine Stellung in der Stadt zu festigen bestrebt ist. Die Haltung beider Parteien aber, Preußens wie Nordhausens, läßt erkennen, daß höchste Spannungen in der Weihnachtszeit des Jahres 1704 vorhanden waren. Rein äußerlich mußte der Zusammenprall dadurch gegeben sein, daß einerseits Preußen endlich die Annahme der Gelder erzwingen und am 6. Januar 1705 auf keinen Fall den Bürgereid in der alten Form zulassen wollte, daß andererseits der Kaiser und der Reichshofrat durch den Nordhäuser Abgesandten Hoffmann zu energischem Eingreifen gedrängt wurden.
Dennoch ist deutlich sichtbar, wie Preußen seine Stellung in der Stadt zu festigen bestrebt ist. Die Haltung beider Parteien aber, Preußens wie Nordhausens, läßt erkennen, daß höchste Spannungen in der Weihnachtszeit des Jahres 1704 vorhanden waren. Rein äußerlich mußte der Zusammenprall dadurch gegeben sein, daß einerseits Preußen endlich die Annahme der Gelder erzwingen und am 6. Januar 1705 auf keinen Fall den Bürgereid in der alten Form zulassen wollte, daß andererseits der Kaiser und der Reichshofrat durch den Nordhäuser Abgesandten Hoffmann zu energischem Eingreifen gedrängt wurden.
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